Montag, 11. Juni 2007

Vom Umweltschutz zum Menschenschutz

Der bekannte amerikanische Biologe und Soziobiologe Edward O. Wilson hat um effektiverer Erfolge auf dem Gebiet des Umweltschutzes eine Zusammenarbeit gefordert zwischen Atheisten und bibelgläubigen Menschen und hat dafür mit seinem letzten Buch geworben. Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas hat wegen der Pathologien moderner Gesellschaften eine Revitalisierung des Religiösen gefordert. So wie die Umweltschützer sehen, daß die moderne Gesellschaft Ressourcen verbraucht, die sie nicht geschaffen und nicht wiederherstellen kann, so sehen ganz genauso Menschen wie Jürgen Habermas und viele andere, daß die moderne Gesellschaft moralische, religiöse, humane Ressourcen verbraucht, die sie nicht geschaffen hat und aus sich selbst heraus nicht wiederherstellen kann. Nun gibt es in Deutschland - ähnlich wie auf dem Gebiet des Umweltschutzes in den USA - auf dem Gebiet des von Jürgen Habermas geforderten "Menschenschutzes" einen Zwiespalt zwischen Atheisten und Bibelgläubigen.

Und man könnte sich überlegen, ob man nicht auch auf diesem Gebiet wie Edward O. Wilson auf dem Gebiet des Umweltschutzes versuchen sollte, vermittelnde Positionen zu formulieren. Gibt es gemeinsame Grundlagen zwischen Atheisten und Bibelgläubigen was Menschenschutz betrifft? Ehrfurcht vor dem Leben, vor der "sublimen Großartigkeit der wirklichen Welt" (Richard Dawkins) haben - so darf angenommen werden - Anhänger beider Denkrichtungen.

Ich möchte nun noch einen Schritt weiter gehen. Auf diesen Gedanken hat mich das neue Buch der Primatologin Barbara King gebracht. Ist nicht auch Atheisten und Bibelgläubigen gemeinsam, was sie sagt: daß Empathie und das Sich-Zugehörig-Fühlen zu den nächsten Mitmenschen, zu den Gemeinschaften, in denen man lebt, die Grundlage aller Humanität (Atheisten), bzw. aller Religiosität (religiöse Menschen) ist?

Sollte es nicht möglich sein, von einer solchen Ausgangsposition aus schlüssige gemeinschaftliche Forderungen in Hinsicht auf einen umfassenden Menschenschutz, in Hinsicht auf einen umfassenden Schutz des Weiterbestandes humaner menschlicher Beziehungen in einer Gesellschaft aufzustellen und abzuleiten?

Aber so lange allgemeine Floskeln aufgestellt werden, nützt es nichts. Der "5. Familienbericht der Bundesrepublik Deutschland" argumentierte genau auf der soeben skizzierten Linie. Er sagte, moderne Gesellschaften verbrauchen in ihrer "strukturellen Rücksichtslosigkeit gegen Familien" Ressourcen - in diesem Falle den Willen, die Fähigkeit und die Möglichkeit, Nachkommen aufzuziehen - , die sie aus sich selbst heraus nicht wiederherstellen, nicht neu erzeugen können.

Dieser Menschenschutz, der Schutz humaner familiärer Beziehungen zwischen Menschen muß oberstes Ziel aller staatlichen Bemühungen nicht sein, sondern erst wieder: werden. (Denn er ist es doch ganz offensichtlich nicht.) Es sollten nicht nur Klimagipfel, Umweltschutz-Gipfel stattfinden. Es sollten auch Menschenschutz-Gipfel stattfinden. Und diese müssen per se auch Familienschutz-Gipfel sein.

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