Es sind nur Hilfsmittel, der Computer und das Internet. Mehr nicht. Viele, vor allem jüngere, die von den Möglichkeiten dieser neuen Techniken fasziniert sind, vergessen das. Da mir das auch aus Rückmeldungen erkennbar wird, die ich von regelmäßigeren Lesern von "Studium generale" bekomme, nun dieser Beitrag.
Internet ist kein Lebensersatz. Im Gegenteil, es verstärkt die Gefahr, daß man sich noch stärker vom Leben entfernt als dies oft sowieso schon vorher der Fall ist bei akademischen Tätigkeiten. Auch früher gab es "Freaks", die waren quasi "mit der Wissenschaft verheiratet", waren in Bücher, Zeitschriften, im Verfassen von Manuskripten, in Laborarbeit und ähnlichen Dingen "vergraben". Oft kam dabei sogar etwas sehr Nützliches heraus. (Sehr oft!) Heute findet jedoch noch erheblich mehr Kommunikation als früher über "abstrakte Medien" statt. Und da ist man oft vor vielen Gefahren keineswegs gefeit.
Aber wie sieht es mit Studenten aus?
Eltern müssen - klar - darauf achten, daß ihre Kinder jenseits des Grundschul-Alters nicht der "Bildschirm-Welt" anheim fallen. Sie müssen die tägliche Zeit der Nutzung festlegen und sorgfältig auf die Art der Nutzung achten. - Aber wie sieht es mit Studenten aus? Ich bin - ehrlich gesagt - froh, daß es während meiner Studienzeit noch kein Internet gab. Ich bin sicher, daß es mich zu jener Zeit viel zu stark vom Studium - und auch vom Leben - abgelenkt hätte und zum unsachlichen, intellektuell undisziplinierten Herumsurfen von einem "tollen" Gedanken, von einer "tollen" Idee zur nächsten.
Das Internet ist für Wissenschaftler und Wissenschafts-Autoren, die gelernt haben, diszipliniert zu arbeiten und streng bei der Sache zu bleiben, ein eng umgrenztes Ziel zu verfolgen, eine ganz und gar hervorragende Angelegenheit. Da man viel schneller viele Arbeitsgänge fast parallel vollziehen kann, für die früher zahlreiche Arbeitsstunden von Sekretärinnen, studentischen Hilfskräften, Lektoren und anderen mehr verbraucht wurden. Da ist inzwischen viel wegrationalisiert worden, konnten viele Einsparungen vorgenommen werden, von denen wir alle profitieren - auch im wissenschaftlichen Bereich und bei der Vermittlung neuen Wissens an die Öffentlichkeit. Aber selbst viele disziplinierter arbeitende Menschen in diesen Bereichen spüren an sich selbst, daß aus den faszinierenden Möglichkeiten des Internets auch viele Gefahren sogar für sie selbst und ihre eigene Arbeit entstehen.
Mir scheint es fast so, daß die Regel, daß Studenten nicht mehr als eine oder eineinhalb Stunden täglich im Internet verbringen sollten, eine sehr nützliche ist. Der Rest gehört Büchern, Lehrbüchern, Seminaren, Vorlesungen, also insgesamt dem studentischen Leben außerhalb des Netzes. Das muß ich als Betreiber eines Wissenschafts-Blogs, der ja gerade auch diese Lesergruppe anspricht, mal so deutlich wie möglich zum Ausdruck bringen.
Nur als Beispiel: Auch der Besuch von Buchhandlungen, Antiquariaten und von (nicht-digitalen) Bibliothken ist für mich heute immer noch genauso wichtig wie vor der Zeit des Internets. Ich stoße da - heute wie früher - auf viele Dinge, auf die ich im Internet nie gestoßen wäre. Unmittelbar ein Buch, eine Zeitschrift in die Hand zu nehmen und in ihnen zu blättern, ist etwas ganz anderes und vermittelt sofort erheblich mehr Informationen, als nur die Beschreibung eines Buches (im Netz) zu lesen. Und mit wievielen anderen Dingen ist es nicht ganz genauso?
In dem Augenblick, wo ich merke, daß (auch) "Studium generale" vornehmlich der Vermehrung "digitaler Kommunikations-Muffel" und "Autisten" dient - und das geschieht fast zwangsläufig -, sehe ich dringend Notwendigkeiten, "Gegenstrategien" zu entwickeln. Deshalb jetzt, hier und heute die erste Forderung an alle Leser: Weg vom Bildschirm!
Wikipedianer verabreden sich zu regionalen Treffen ...
Aber es erscheint mir sinnvoll, dann auch folgerichtig zu sein, und diesen Gedanken weiterzuverfolgen: Auch andere Internet-Nutzer-Gruppen haben längst die Notwendigkeit von persönlichen Treffen außerhalb des Netzes erkannt. Die Wikipedianer verabreden sich zu regionalen Treffen. Ebay organisiert solche (wenn ich nicht irre). Und viele andere tun das - in höchstgradig sinnvollerweise - auch. Solche Gegenstrategien erscheinen mir außerordentlich wichtig. Und um nicht unglaubwürdig zu werden, muß "Studium generale" über kurz oder lang derartige Dinge auch ins Auge fassen.
Das würde also, soweit ich sehe, darauf hinauslaufen, daß sich regelmäßigere Leser an Wochenenden in größerer oder kleinerer Runde treffen, um sich persönlich austauschen zu können, Themen durch Teilnehmer-Referate und anschließende Diskussionen vertiefen zu können, vielleicht Referenten einladen und - möglicherweise (warum nicht?) - eine neue Kultur der "Lebensreform" auch praktisch verwirklichen und weiterentwickeln. Denn was kann Beschäftigung mit Wissenschaft denn anderes bedeuten als eine Lebensreform zu erstreben? Aus neuem Wissen, aus neuer Technik ergeben sich zwangsläufig Schlußfolgerungen für die Neugestaltung des Lebensalltags. Erste Vorbilder für mich wären etwa Wissenschaftler wie Werner Heisenberg, Nils Bohr, Max Delbrück, die mit ihren Familien, Studenten und Kollegen eine akademische Lebenskultur auch jenseits des fachwissenschaftlichen Austausches aufgebaut haben, die faszinierend ist.
Werner Heisenberg etwa war aus der Jugendbewegung hervorgegangen und hat bis an sein Lebensende - etwa mit Nils Bohr, seinen Studenten, seiner Familie, Kollegen - Wanderungen unternommen, Skitouren, Tischtennis gespielt, gemeinsame Konzerte veranstaltet oder besucht und vieles andere mehr. Max Delbrück hat Theaterstücke einstudiert. Es muß also nicht unbedingt gerade nur allein im Stil von Fischblog's Freizeit-Veranstaltungen zugehen ;-). (Kleiner Scherz am Rande. Ist nicht so gemeint! Der Möglichkeiten gibt es viele - warum nicht auch diese?!)
... und wie sieht es aus mit Wochenendtreffen von "Studium generale"-Lesern?
Da man sich sowieso mit dem Freundeskreis von (früheren) Kommilitonen und ihren Familien ab und an trifft und irgend etwas unternimmt - warum derartiges nicht erweitern zu Wochenend-Treffen eines "Studium generale"? Diese sprechen dann natürlich nicht nur Akademiker und Studenten an, sondern - wie die Volkshochschulen - alle Menschen. Die Idee der Volkshochschule ist ja übrigens genauso aus den vielfältigen, kulturellen Bestrebungen am Anfang des 20. Jahrhunderts hervorgegangen wie beispielsweise die Idee der Jugendherbergen. Warum also nicht an diese Traditionen anknüpfen, sie weiterführen, wiederbeleben?
Oft verstauben derzeit solche Bemühungen nur in Archiven oder wenig bekannten Historikergruppen. So beispielsweise in der meiner Meinung nach sehr wertvollen Arbeit des "Archivs der deutschen Jugendbewegung" auf Burg Ludwigstein. (1) Meine beiden Omas waren sangesfrohe Wandervögel, deren Zukunftshoffnungen und -bestrebungen derzeit in diesen Archiven und wenigen "historischen Studien" verstauben und vergammeln. Warum so etwas nicht wiederbeleben, wie es ausdrücklich das Anliegen auch der genannten historischen Forschungen ist? (1) Eine Alternative zu den autistischen Tripps von derzeitigen deutschen Bestseller-Autoren, die einem - obwohl jenseits der digitalen Welt - immer noch ziemlich autistisch vorkommen, wäre es auf jeden Fall.
1. Diethart Kerbs/Jürgen Reulecke: Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880 bis 1933, Verlag Hammer, 1998 (Amazon)
Internet ist kein Lebensersatz. Im Gegenteil, es verstärkt die Gefahr, daß man sich noch stärker vom Leben entfernt als dies oft sowieso schon vorher der Fall ist bei akademischen Tätigkeiten. Auch früher gab es "Freaks", die waren quasi "mit der Wissenschaft verheiratet", waren in Bücher, Zeitschriften, im Verfassen von Manuskripten, in Laborarbeit und ähnlichen Dingen "vergraben". Oft kam dabei sogar etwas sehr Nützliches heraus. (Sehr oft!) Heute findet jedoch noch erheblich mehr Kommunikation als früher über "abstrakte Medien" statt. Und da ist man oft vor vielen Gefahren keineswegs gefeit.
Aber wie sieht es mit Studenten aus?
Eltern müssen - klar - darauf achten, daß ihre Kinder jenseits des Grundschul-Alters nicht der "Bildschirm-Welt" anheim fallen. Sie müssen die tägliche Zeit der Nutzung festlegen und sorgfältig auf die Art der Nutzung achten. - Aber wie sieht es mit Studenten aus? Ich bin - ehrlich gesagt - froh, daß es während meiner Studienzeit noch kein Internet gab. Ich bin sicher, daß es mich zu jener Zeit viel zu stark vom Studium - und auch vom Leben - abgelenkt hätte und zum unsachlichen, intellektuell undisziplinierten Herumsurfen von einem "tollen" Gedanken, von einer "tollen" Idee zur nächsten.
Das Internet ist für Wissenschaftler und Wissenschafts-Autoren, die gelernt haben, diszipliniert zu arbeiten und streng bei der Sache zu bleiben, ein eng umgrenztes Ziel zu verfolgen, eine ganz und gar hervorragende Angelegenheit. Da man viel schneller viele Arbeitsgänge fast parallel vollziehen kann, für die früher zahlreiche Arbeitsstunden von Sekretärinnen, studentischen Hilfskräften, Lektoren und anderen mehr verbraucht wurden. Da ist inzwischen viel wegrationalisiert worden, konnten viele Einsparungen vorgenommen werden, von denen wir alle profitieren - auch im wissenschaftlichen Bereich und bei der Vermittlung neuen Wissens an die Öffentlichkeit. Aber selbst viele disziplinierter arbeitende Menschen in diesen Bereichen spüren an sich selbst, daß aus den faszinierenden Möglichkeiten des Internets auch viele Gefahren sogar für sie selbst und ihre eigene Arbeit entstehen.
Mir scheint es fast so, daß die Regel, daß Studenten nicht mehr als eine oder eineinhalb Stunden täglich im Internet verbringen sollten, eine sehr nützliche ist. Der Rest gehört Büchern, Lehrbüchern, Seminaren, Vorlesungen, also insgesamt dem studentischen Leben außerhalb des Netzes. Das muß ich als Betreiber eines Wissenschafts-Blogs, der ja gerade auch diese Lesergruppe anspricht, mal so deutlich wie möglich zum Ausdruck bringen.
Nur als Beispiel: Auch der Besuch von Buchhandlungen, Antiquariaten und von (nicht-digitalen) Bibliothken ist für mich heute immer noch genauso wichtig wie vor der Zeit des Internets. Ich stoße da - heute wie früher - auf viele Dinge, auf die ich im Internet nie gestoßen wäre. Unmittelbar ein Buch, eine Zeitschrift in die Hand zu nehmen und in ihnen zu blättern, ist etwas ganz anderes und vermittelt sofort erheblich mehr Informationen, als nur die Beschreibung eines Buches (im Netz) zu lesen. Und mit wievielen anderen Dingen ist es nicht ganz genauso?
In dem Augenblick, wo ich merke, daß (auch) "Studium generale" vornehmlich der Vermehrung "digitaler Kommunikations-Muffel" und "Autisten" dient - und das geschieht fast zwangsläufig -, sehe ich dringend Notwendigkeiten, "Gegenstrategien" zu entwickeln. Deshalb jetzt, hier und heute die erste Forderung an alle Leser: Weg vom Bildschirm!
Wikipedianer verabreden sich zu regionalen Treffen ...
Aber es erscheint mir sinnvoll, dann auch folgerichtig zu sein, und diesen Gedanken weiterzuverfolgen: Auch andere Internet-Nutzer-Gruppen haben längst die Notwendigkeit von persönlichen Treffen außerhalb des Netzes erkannt. Die Wikipedianer verabreden sich zu regionalen Treffen. Ebay organisiert solche (wenn ich nicht irre). Und viele andere tun das - in höchstgradig sinnvollerweise - auch. Solche Gegenstrategien erscheinen mir außerordentlich wichtig. Und um nicht unglaubwürdig zu werden, muß "Studium generale" über kurz oder lang derartige Dinge auch ins Auge fassen.
Das würde also, soweit ich sehe, darauf hinauslaufen, daß sich regelmäßigere Leser an Wochenenden in größerer oder kleinerer Runde treffen, um sich persönlich austauschen zu können, Themen durch Teilnehmer-Referate und anschließende Diskussionen vertiefen zu können, vielleicht Referenten einladen und - möglicherweise (warum nicht?) - eine neue Kultur der "Lebensreform" auch praktisch verwirklichen und weiterentwickeln. Denn was kann Beschäftigung mit Wissenschaft denn anderes bedeuten als eine Lebensreform zu erstreben? Aus neuem Wissen, aus neuer Technik ergeben sich zwangsläufig Schlußfolgerungen für die Neugestaltung des Lebensalltags. Erste Vorbilder für mich wären etwa Wissenschaftler wie Werner Heisenberg, Nils Bohr, Max Delbrück, die mit ihren Familien, Studenten und Kollegen eine akademische Lebenskultur auch jenseits des fachwissenschaftlichen Austausches aufgebaut haben, die faszinierend ist.
Werner Heisenberg etwa war aus der Jugendbewegung hervorgegangen und hat bis an sein Lebensende - etwa mit Nils Bohr, seinen Studenten, seiner Familie, Kollegen - Wanderungen unternommen, Skitouren, Tischtennis gespielt, gemeinsame Konzerte veranstaltet oder besucht und vieles andere mehr. Max Delbrück hat Theaterstücke einstudiert. Es muß also nicht unbedingt gerade nur allein im Stil von Fischblog's Freizeit-Veranstaltungen zugehen ;-). (Kleiner Scherz am Rande. Ist nicht so gemeint! Der Möglichkeiten gibt es viele - warum nicht auch diese?!)
... und wie sieht es aus mit Wochenendtreffen von "Studium generale"-Lesern?
Da man sich sowieso mit dem Freundeskreis von (früheren) Kommilitonen und ihren Familien ab und an trifft und irgend etwas unternimmt - warum derartiges nicht erweitern zu Wochenend-Treffen eines "Studium generale"? Diese sprechen dann natürlich nicht nur Akademiker und Studenten an, sondern - wie die Volkshochschulen - alle Menschen. Die Idee der Volkshochschule ist ja übrigens genauso aus den vielfältigen, kulturellen Bestrebungen am Anfang des 20. Jahrhunderts hervorgegangen wie beispielsweise die Idee der Jugendherbergen. Warum also nicht an diese Traditionen anknüpfen, sie weiterführen, wiederbeleben?
Oft verstauben derzeit solche Bemühungen nur in Archiven oder wenig bekannten Historikergruppen. So beispielsweise in der meiner Meinung nach sehr wertvollen Arbeit des "Archivs der deutschen Jugendbewegung" auf Burg Ludwigstein. (1) Meine beiden Omas waren sangesfrohe Wandervögel, deren Zukunftshoffnungen und -bestrebungen derzeit in diesen Archiven und wenigen "historischen Studien" verstauben und vergammeln. Warum so etwas nicht wiederbeleben, wie es ausdrücklich das Anliegen auch der genannten historischen Forschungen ist? (1) Eine Alternative zu den autistischen Tripps von derzeitigen deutschen Bestseller-Autoren, die einem - obwohl jenseits der digitalen Welt - immer noch ziemlich autistisch vorkommen, wäre es auf jeden Fall.
1. Diethart Kerbs/Jürgen Reulecke: Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880 bis 1933, Verlag Hammer, 1998 (Amazon)
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