Freitag, 15. Juni 2007

Betreuungsgeld - Der familienpolitische Offenbarungseid aller Parteien

Fünfter Beitrag der Reihe "Warum Erziehungsgehalt?"

Familienpolitik! Was für ein langweiliges Thema! Es gibt ja gewiß wichtigere Themen. Zum Beispiel die Frage, wieviele tausend weitere deutsche Soldaten wir nach Afghanistan bringen sollen. ...

Aber ernsthaft: Wenn man es richtig beobachtet, dann ist der derzeitige Umschwung zu verstärkter außerhäuslicher Betreuung sehr plötzlich gekommen. In Sachverständigen-Gutachten des Familienministeriums noch vor wenigen Jahren war davon nirgends die Rede. Auch nicht in der familienpolitischen Literatur, etwa bei Franz Xaver Kaufmann ("Schrumpfende Gesellschaft"). Auch nicht in jenem Gutachten von 2001, dessen Titel lautet "Gerechtigkeit für Familien" (1), wo, wie einem scheinen könnte, schon alle Argumente weitgehend vollständig zusammen getragen worden waren, die auf diesem Gebiet vertreten werden müssen. Und dieses Gutachten ist ja nicht von irgendeiner Seite aus politisch oder weltanschaulich "gefärbt". Es bringt ja einfach einen Konsens zum Ausdruck, der schon seit Jahrzehnten in der Forschung und unter Verfassungs-Juristen besteht, spätestens seit den entscheidenen BVG-Urteilen zur Gerechtigkeit für Familien.

In den Ministerien sieht man, daß etwas geschehen muß. Da bisher nirgends auch nur irgendwie politisch die Bereitschaft bestand, einen gerechten Leistungsausgleich zwischen Familien mit Kindern und Kinderlosen herzustellen, da das auch sehr große Umwälzungen bedeuten würde, entscheidet sich die derzeitigen Bundesfamilienministerin Frau von der Leyen sehr "ad hoc" für das Naheliegendere, Machbarere, nämlich - und das "sehr plötzlich" - für außerhäusliche Betreuung. Ein solcher Aktionismus spricht offenbar auch eine feministische und kinderlose Agenda wesentlich besser an als jene konsequenten Standpunkte, die seit Jahrzehnten in Gutachter-Gremien erarbeitet werden.

Daß so ein Schwenk aber überhaupt geschehen konnte, ohne daß da jemand merkt, daß plötzlich alles ganz anders läuft, als Jahrzehnte lang in Kommissionen diskutiert und vorbereitet worden war, liegt wohl einfach daran, daß über all diese Dinge seit Jahrzehnten in Politik und Medien kaum gesprochen wurde. Höchstens immer in dem Modus von "könnte", "sollte", "müßte" und "würde". Wie Gerhard Mackenroth schon sagte: Ungeborene Kinder haben keine Agenda.

Die gesellschaftliche Aufwertung der Familien, ihr Selbstwertgefühl muß gestärkt werden. Das geschieht zunächst durch finanzielle Gleichstellung mit den außerhäuslich Arbeitenden. Das ist in einer Gesellschaft, in der das Finanzielle in allen Dingen eine so große Rolle spielt, das aller erste Gebot. Wenn der Vorstandssprecher der deutschen Bank sagt, er "müsse" so viel verdienen, weil sonst sein Ansehen auf internationalem Parkett sinken würde, dann wird doch wohl Lieschen Müller mit ihrer Familie genauso argumentieren dürfen.

Dadurch kommt auch alles psychologisch ins rechte Lot. Jemand, der für seine Arbeit so wie alle bezahlt wird, versucht sie auch ordentlich zu machen. Es kann von ihm verlangt werden, daß seine Arbeit kontrolliert und überwacht wird. - Natürlich einfühlsam. Eben genauso wie in allen sozialen Einrichtungen (Altersheimen etc.). Es können ihm Hilfen ins Haus gegeben werden. Aber man setzt doch genau eine psychologisch gegenteilige Spirale in Gang, wenn man von vornherein sagt, daß Kinder in der Krippe besser aufgehoben wären als in sozial schwach stehenden Elternhäusern. Dann bemühen sich diese Elternhäuser ja noch weniger. Und schieben noch mehr auf den Staat. (Wenn sie überhaupt noch weiter Lust haben, Kinder zu bekommen.) Es muß also einfach die Leistungsgerechtigkeit gefordert werden. Häusliche und außerhäusliche Betreuung von Menschen jeden Alters müssen arbeitsrechtlich und finanziell hundert Prozent gleichgestellt werden. Und das muß mit allen gesellschaftlichen Kräften ausdiskutiert werden. Und zwar schnell. Von Experten-Seite ist das ja längst geklärt, daß das sein muß. Erst dann kann eine Frau oder ein Mann auch völlig frei entscheiden, ob sie arbeiten gehen wollen oder häuslich Familie haben, bzw. betreuen möchten.

Aber daß dieses jetzt diskutierte lächerliche "Betreuungsgeld" - selbst dieses - von allein Seiten zur Diskussion steht, von allen Seiten beschossen wird und von der CSU im Grunde nirgends argumentativ (wie hier beschrieben) verteidigt wird (oder hat man das nicht mitbekommen?) - das ist doch der Offenbarungseid aller Parteien. Die Fakten sind längst klar. Aber es scheint, als müsse man noch eine viel emotionalere argumentative Rhetorik aufbauen. Gegen finanzielle Ungerechtigkeit, was ganz und gar klassische marxistische Ausbeutung ist, darf und muß man - - - "hetzen". Und zwar genau und identisch so, wie uns dies Karl Marx und Genossen vorgemacht haben.

Wenn es jemand besser weiß, wenn er Fehler in der hier vorgelegten Argumentation sieht, so sei er oder sie um Rückmeldung gebeten.

/Zum nächsten Beitrag in der Reihe "Warum Erziehungsgehalt?" ---> hier./

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  1. Familienministerium (Wissenschaftlicher Beirat mit 20 deutschen Professoren): Gerechtigkeit für Familien. Zur Begründung und Weiterentwicklung des Familienlasten- und Familienleistungsausgleichs. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2001
  2. Kaufmann, Franz Xaver: Zukunft der Familie im vereinten Deutschland. Gesellschaftliche und politische Bedingungen. München 1995

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