In der Humangenetik wird derzeit nur (oder vornehmlich) das sehr stark erforscht, was irgendwie "pathologisch" ist. Aber immer mehr Humangenetikern wird bewußt, daß Humangenetik nicht nur aus Pathologie besteht, ja, daß auch ein großer Teil dessen, was man heute als "pathologisch" bezeichnet (zum Beispiel die Neigung zu ADHS), in früheren Jahrhunderten oder Jahrtausenden als so "pathologisch" nicht empfunden worden sein kann, denn wie hätten sich sonst so viele patholgische, genetisch mitverursachte Merkmale so lange in der Evolution halten, überhaupt herausbilden können (
Gene Expression)?
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Abb. 1: "ADHS als Chance begreifen" |
Der Artikel, der diese neuen Gedanken aufkommen und erörtern läßt (
Sciencedirect), sagt am Ende seiner Zusammenfassung übrigens etwas über
Thom Hartmann (siehe deutsches Wikipedia), dessen Thesen zu ADHS mir schon seit längerem sehr spannend vorkommen:
Recent molecular and clinical evidence supports Thom Hartmann's Hunter–Farmer theory, reaffirming that ADHD might be an anachronic behavioral trait.
(Schade, daß der Artikel nicht freigeschaltet ist. Mal sehen, ob ich ihn an der Uni kriege. Klingt sehr spannend.)
In den Kommentaren zu p-ter's "Gene Expression"-Eintrag sagt ein "MarcZ":
I agree with Alan. I have ADD and if not for my 10 mg of dexedrine per day I wouldn't be able to hold down a job. Seriously. Had I been born in the days before treatment, I don't know how I would have made my way in the world. (I'm not feeling sorry for myself here at all, just stating the facts.)
I do think that people who are predisposed to ADD but don't actually have the disorder tend to be more quick-witted (= schnell denkend, geistreich). My entire family is very quick-witted, but only a few of us have ADD, and I've seen the same pattern in other families as well. So I could see the predisposition being selected for. Would be interesting to know what leads some with the predisposition to develop the disorder.
Und ein "TGGP" sagt:
I was briefly on Ritalin during a time when it seemed every schoolboy was diagnosed with ADD when I was in second grade. As I recall, I was resistant at first of going on and then after I found my concentration improving I was worried I would get worse once taken off it, but apparently it permanently altered my brain so I didn't have that problem anymore.
Ich glaube, es ist wichtig, viele Anschauungsbeispiele und Erfahrungen aus der Praxis zu kennen, um besser einschätzen zu können, was für ein Typenspektrum es bezüglich einer Erbanlage, einer Neigung gibt, und wie man damit gesellschaftlich, medizinisch und von Seiten der genetischen Forschung umgehen sollte, wie man an die Dinge herangehen sollte.
Für mich ist es jedenfalls immer wieder überraschend, wenn ich von Bekannten erfahre, daß sie ADHS haben - oder haben sollen (laut behandelnden Psychiatern). Man würde mehr Sicherheit über solche Diagnosen haben, wenn sie mit genetischen Tests präzisiert und abgesichert würden oder werden können.
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Ergänzung 20.6.: Der oben genannte Forschungs-Artikel enthält nicht wesentlich Neues, ist aber sicherlich eine gute Zusammenfassung der derzeitigen Forschungen und der Forschungs-Literatur zu ADHS. Dessen phänotypische Variation wird als bis zu 70 % erblich bedingt bezeichnet. Es wird vermutet, daß ADHS von wenigen Schlüsselgenen hervorgerufen wird und nicht von vielen kleinen genetischen Effekten. Außerdem wird versucht, "Untertypen" phänotypisch und genotypisch abzugrenzen. Für mich das Spannendste an der Thematik bleibt die Tatsache, daß Anzeichen für zumindest einen wichtigen Gen-Abschnitt vorliegen, die zeigen, daß es sich um ein "jüngstselektiertes Gen" handelt, und daß diese Gen geographisch in der Häufigkeit auffallend unterschiedlich in den Populationen der Erde verteilt ist.
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