Samstag, 9. Juni 2007

"Nicht außerhalb der physischen Welt" - Fragen zur Gott-Vorstellung F.A. von Hayek's

Michael Blume kündigt (irgendwo in den Kommentaren hier oder auf seinem Blog gestern oder heute) an, sich bei Gelegenheit zur Gott-Vorstellung von F.A. von Hayek äußern zu wollen. Ich hatte auf S. 153 des Hayek-Buches "Anmaßung" von 1988 (also in den beiden letzten Absätzen des Buches) dazu schon etwas mir so interessant Vorkommendes gefunden, daß ich das gleich mal in Form von Fragen hier thematisieren will (vielleicht als Sprungbrett für Michael!). Denn ich merke, man müßte mehr vom Weltbild, Wissensstand von von Hayek wissen, als ich es tue, um alles zu verstehen, was Hayek in diesen beiden Absätzen sagt - oder sagen will.

Zum Beispiel sagt er in einem längeren verschlüsselten Satz:

"Der Ursprung der Ordnung (...) liegt (...) nicht außerhalb der phyischen Welt, sondern ist eines ihrer Wesensmerkmale."

Da möchte ich sofort begeistert zustimmen. Frage mich dann aber bei genauerem Hinschauen, was Hayek wohl mit dem Ursprung meint, anspricht. Das *klingt* sehr tiefsinnig, muß es aber vielleicht gar nicht sein.

Dann setzt er den Satz folgendermaßen fort:

"... und zwar eines, das viel zu komplex ist, als daß einer seiner Teile sich auch nur irgendwie eine 'Vorstellung' oder ein 'Bild' davon machen könnte."

Meine Frage: Warum noch nicht mal "irgendwie"? Natürlich ist auch schon der Bau eines einzelnen Atoms für mich viel zu komplex, um mir davon eine vollständig rationale Vorstellung machen zu können. Dennoch versuchen die Physiker natürlich bildliche Annäherungen: Kraftwölkchen-Bild, Welle-/Teilchen-Dualismus, diese Gelenkmodelle von Atomen und Molekülen, diese Kugel- und Halbkugelmodelle. Alles nur Annäherungen. Aber sie vermitteln einem durchaus schon die eine oder andere Vorstellung. Und warum sollte das beim Ursprung aller Ordnung selbst nun so ganz anders sein?

Wir haben den Urknall, wir haben die Inflation, wir haben Nichtgleichgewichts-Schwankungen, wir haben das Anthropische Prinzip, wir haben - grundsätzlich - eine sehr einfache, sparsame Erklärung dafür, daß und wie "Schöpfung aus dem Nichts" möglich ist. - Also alles schon eine ganze Menge sehr konkreter Annäherungen an den Ursprung der Ordnung, ja sogar der Materie, die von dieser Ordnung geordnet wird. Aber an dem Punkt müssen wir dann halt berücksichtigen, daß das Buch von von Hayek im Jahr 1988 erschien. Damals ging's ja wohl grade erst los mit der "kurzen Geschichte der Zeit" von Stephen Hawking "and all that".

Soll man das Schaffen von Bildern verbieten?

Gut. Und deshalb fragt man natürlich aus heutiger Sicht schon, wie gültig dann der folgende Satz ist:

"Insofern sind religiöse Verbote der Idolatrie, der Schaffung solcher Bilder, durchaus begründet."

Das sehe ich ganz gewiß nur zum Teil so. Geradezu mutet es einem an wie Verzicht auf bohrendes Weiterfragen. Solche "Verbote" sind nur dann begründet, wenn man den Menschen nicht klar genug macht (wie das ja auch der Buddhismus machte und heute eben die Physik), daß Bilder und Vorstellungen (so wie eben die angesprochenen Vorstellungen zum Urknall oder zum Atom) immer nur ein Teil des Ganzen geben, nicht das Ganze selbst, daß Bilder und Vorstellungen deshalb "Maya", Täuschung bleiben. Aber Bilder und Vorstellungen sind ja zugleich auch Ausdruck, Abbild der Ordnung und damit sicherlich auch ihres Ursprungs und haben etwas damit zu tun, führen somit zu diesem Ursprung hin. Und zwar führen sie heute konkreter, detaillierter zu ihm hin als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte.

Funktionsgesetze der Gesellschaft = Gott?

Aber Hayek will sowieso offenbar auf ganz etwas anderes hinaus. Er will ein Plausibilitäts-Argument dafür bringen, warum personifizierte Gottvorstellungen, die er persönlich völlig ablehnt, doch noch "irgendeinen" "Sinn" machen könnten, damit er mit Monotheisten in jenem Gespräch bleiben kann, das er ja mit ihnen doch ganz offensichtlich damals "irgendwie" suchte, und das Michael Blume fortsetzen möchte.

Und so heißt der nächste Satz von Hayek:

"Aber vielleicht können die meisten Menschen sich abstrakte Tradition nur als personifizierten Willen vorstellen. Wenn ja, werden sie dann nicht dazu tendieren, diesen Willen in der 'Gesellschaft' verkörpert zu finden - in einem Zeitalter, in dem deutlichere übernatürliche Bezüge als Aberglauben abgetan werden?"

Nun, die Frage klingt gut. Aber dies war der vorletzte Satz des ganzen Buches und im letzten Satz gibt er dem Satz zuvor eine Bedeutung, die einen diesen dann doch noch einmal genauer anschauen läßt. Er sagt nämlich:

"Vielleicht wird diese Frage über den Fortbestand unserer Zivilisation entscheiden."

Wow!

Auch von Hayek fürchtet sich vor dem Kollaps. Vor dem Untergang unserer Zivilisation.

Und wo sieht von Hayek die Rettung? Daß sich Menschen Gott nur als Personifizierung des Willens ihrer Gesellschaft, ihres Volkes "denken", vorstellen? Man denkt natürlich unwillkürlich an die Juden, das "Volk Gottes". Sind Volk und Gott eins? Aber es hat auch Zwiespalt zwischen Volk und Gott in der Geschichte des Judentums gegeben - ? Ich habe das Gefühl: So kommen wir wohl nicht weiter.

Der Ausdruck "Gott" und seine Deutung

Gehen wir einen Schritt zurück, zum vorletzten Absatz des Buches. Hayek spricht von dem Ausdruck "Gott" und sagt:

"Ganz entschieden lehne ich jede anthropomorphe, personalisierte oder animistische Deutung des Ausdrucks" (Gott) "ab." Auf den ersten Blick möchte ich zustimmen. Aber was heißt denn Animismus? Der Duden sagt mir: "Die Lehre von der Beseeltheit der Dinge." Warum lehnt Hayek eine solche Deutung ab? Was ist denn dann sein "Ursprung der Ordnung"???

Und dann schreibt er weiter: "Die Vorstellung eines menschenähnlichen oder verstandesähnlichen handelnden Wesens scheint mir eher das Produkt einer arroganten Überschätzung der Fähigkeiten des menschlichen Geistes zu sein."

Da stimme ich ja nun wieder vollkommen mit ein. Aber was bleibt denn dann noch von dem Ausdruck Gott übrig, wenn man ihm auch die "animistische Deutung" nimmt? Das sagt Hayek an keiner Stelle. Im Grunde: Wenn er die Deutung geben will, daß die Funktionsgesetze der Gesellschaft Gott seien, dann ist er nicht mehr weit vom Kommunismus entfernt, dessen Gott der Fortschritt ist. Aber warum sagt er es dann nicht? Weil er dann sein Lebenswerk ruinieren würde? ;-)

Was man nicht weiß, darüber soll man schweigen ...

Also: Warum redet von Hayek dann überhaupt von Gott? Nun, er sagt ja schon gleich am Anfang des vorletzten Absatzes: "Ich muß zugeben, daß ich wirklich nicht weiß, was das Wort Gott bedeuten soll."

- Ja, lieber Hayek. Wenn du es nicht weißt, dann solltest du das Wort auch nicht in den Mund nehmen. Also: von Hayek hat überhaupt keine Gott-Vorstellung. Es bleibt, soweit ich sehe, nur noch der "Ursprung der Ordnung" übrig. Aber was von Hayek darunter versteht, hat er ja - an dieser Stelle zumindest - auch nicht gesagt. Die Sache bleibt also mager. Nach meinem Geschmack: Viel zu mager.

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