Da ich den im letzten Beitrag erwähnten Text von James Watson sehr wichtig finde, habe ich ihn hier einmal ins Deutsche zu übersetzen versucht:
Wahrscheinlich hat es in seßhaften, komplexeren Gesellschaften eine Selektion gegen solche Gene gegeben, weshalb sie in Europa heute nicht mehr so häufig vorkommen. Aber nach meiner Kenntnis sind Träger des MAOA-Gens nicht per se dazu "verdammt", kriminell zu werden, sondern nur durch bestimmte Lebensumstände und Schicksalsschläge wird die Wahrscheinlichkeit leichter als bei anderen erhöht, daß sie kriminell werden. Man kann also durchaus durch ein besseres Verständnis der Verhaltensgenetik fordern, daß die Lebensumwelten besser an die spezifisch vorgefundenen genetischen Gegebenheiten angepaßt werden und daß nicht "alle Menschen über einen Kamm geschert" werden, wenn man mit ihnen umgeht oder ihr Verhalten beurteilt.
James Watson: Die Frage nach der Genetik der Intelligenz zu stellen, ist kein RassismusEine von den Fragen, die ich gerne noch genauer erläutert gehabt hätte, bzw. über die öffentlich stärker diskutiert werden müßte, wäre, welche Kriterien in Los Angeles angewandt werden, um festzustellen, daß ein Mensch ein "Psycho- oder Soziopath" ist (und ob überhaupt die angegebenen Daten von Watson stimmen). Wahrscheinlich beziehen sich diese Daten auf kriminelles Verhalten. Um hier zu Einschätzungen zu gelangen, könnte man sich die Forschungen am MAOA-Gen anschauen, über die hier auf dem Blog schon das eine oder andere mal berichtet wird. Bestimmte Ureinwohnervölker haben eine besonders große Häufigkeit von Trägern dieses Gens (etwa die Maori) und sind auch zugleich deutlich dafür bekannt, daß sie leichter gewalttätig werden können (sowohl in der Geschichte wie heute).
Der Wissenschaft sind Kontroversen nicht fremd. Es ist oft unbequem und beunruhigend, zu forschen und neues Wissen zu erwerben. Ich war niemals jemand, der davor zurückgescheut ist, das zu sagen, was ich glaube, was wahr ist, wie schwierig das auch immer sein sollte. Das hat mich von Zeit zu Zeit in gefährlichere Gewässer gebracht.
Selten so sehr wie jetzt, wo ich mich in dem Zentrum eines Sturms von Kritik befinde. Ich kann viel von dieser Reaktion verstehen. Denn wenn ich das gesagt habe, was von mir zitiert worden ist, dann kann ich nur sagen, daß ich dadurch bestürzt bin. Bei jenen, die aus meinen Worten die Schlußfolgerung gezogen haben, daß Afrika als ein Kontinent irgendwie genetisch minderwertig sei, kann ich mich nur rückhaltlos entschuldigen. Das war es nicht, was ich gemeint habe. Aus meiner Sicht noch wichtiger ist, daß es keine wissenschaftliche Basis für eine solche Vermutung gibt.
Ich habe immer energisch die Position verteidigt, daß wir unsere Weltsicht auf das Wissen stützen sollten, das wir derzeit haben, auf Fakten und nicht auf das, was wir gerne hätten wie es sein sollte. Das ist der Grund, weshalb die Genetik so wichtig ist. Denn sie wird uns zu Antworten führen auf viele der großen und schwierigen Fragen, die die Menschen seit hunderten, wenn nicht tausenden von Jahren beschäftigt haben.
Aber diese Antworten müssen nicht einfach sein, denn so weit ich das selbst nur zu gut weiß, kann Genetik schrecklich sein. Mein eigener Sohn ist ein Opfer derselben. Lebendig und anteilnehmend kann Rufus im Alter von 37 Jahren wegen Schizophrenie kein selbständiges Leben führen, da er nicht fähig ist, seinen Alltag zu meistern. Viel zu lange schon hofften meine Frau Ruth und ich, daß alles, was Rufus bräuchte, eine ihm gemäße Herausforderung wäre, auf die er sich konzentrieren könnte. Aber als er erwachsen wurde, begann ich zu fürchten, daß die Ursache seines eingeschränkten Lebens in seinen Genen liegen könnte. Diese Vermutung veranlaßte mich, dabei zu helfen, daß "Human Genome"-Projekt aufzubauen.
Als ich das tat, wußte ich, daß viele neue moralische Dilemmata als eine Konsequenz daraus hervorgehen würden und ich bemühte mich früh um die ethischen, juristischen und sozialen Kompomenten des Genom-Projektes. Seit 1978, als ein Eimer Wasser über den Kopf meines Harvard-Freundes E. O. Wilson gestürzt wurde, weil er sagte, daß die Gene das menschliche Verhalten beeinflussen, blieb der Sturm des Wunschdenkens gegenüber der menschlichen Verhaltensgenetik lebendig.
Aber diese Irrationalität muß bald verschwinden. Es wird schon bald möglich sein, individuelle genetische Erkenntnisse zu gewinnen zu Kosten, die unser Gesundheitssystem nicht ruinieren. Ich hoffe, daß wir, indem das geschieht, sehen werden, daß Änderungen in der DNS-Sequenz und nicht (allein) Umwelt-Einflüsse zu Verhaltens-Unterschieden führen. Dann sollten wir fähig sein, die relative Bedeutung der Vererbung gegenüber der Umwelt festzustellen.
Einer von drei Menschen, die in Zeitarbeits-Büros in Los Angeles nach einem Job suchen, ist ein Psycho- oder Soziopath. Ist dies eine Folge ihrer Umwelt oder ihrer genetischen Komponenten? Die DNS-Sequenzierung sollte uns die Antwort geben. Der Gedanke, daß einige Menschen angeborenermaßen böse ("wicked") sein sollen, verstört mich. Aber Wissenschaft ist nicht dazu da, uns gut fühlen zu lassen ("to make us feel good"). Sie dient dazu, Fragen zu beantworten im Dienst des Wissens und besseren Verstehens.
Indem wir das Ausmaß herausbekommen, in dem Gene das moralische Verhalten beeinflussen, werden wir auch fähig sein zu verstehen, wie Gene die intellektuellen Fähigkeiten beeinflussen. Derzeit arbeiten wir an meinem Institut in den USA an gen-bedingten Fehlentwicklungen des Gehirns, die in der Regel zu Autismus und Schizophrenie führen. Wir könnten ebenso entdecken, daß Unterschiede in genau diesen Gehirn-Entwicklungs-Genen zu Unterschieden in unseren Fähigkeiten führen können, verschiedene mentale Aufgaben auszuführen.
In einigen Fällen könnte uns das Verstehen der Funktion dieser Gene verstehen helfen, wie Variationen im IQ zustande kommen oder warum einige Menschen besonders gut sind im Gedichte-Schreiben aber schlecht in Mathematik. Viel zu oft haben Menschen mit hohen mathematischen Fähigkeiten autistische Verhaltensmerkmale. Die gleichen Gene, die einigen Menschen solche großen mathematischen Fähigkeiten geben, könnten ebenso zu autistischem Verhalten führen. Deshalb glauben wir, daß wir durch das Studium von Autismus und Schizophrenie zu einem besseren Verständnis von Intelligenz kommen werden und auch der Unterschiede in der Intelligenz.
Wir verstehen noch nicht sehr gut die Art und Weise, in der unterschiedliche Umwelten auf der Erde über die Zeiten hinweg die Gene selektiert haben, die unsere Fähigkeit zu unterschiedlichen Dingen festlegen. Der vorherrschende Wunsch in unserer Gesellschaft heute ist es annehmen zu können, daß ähnliche Denk-Fähigkeiten ein universelles Erbe der Menschheit sind. Das könnte ja auch tatsächlich so sein. Aber sich einfach nur zu wünschen, daß etwas der Fall sein möge, ist nicht genug. Das ist nicht Wissenschaft.
Solche Fragen zu stellen, heißt nicht, Rassimus zu befördern. Es geht hier nicht um eine Diskussion um Höherwertigkeit oder Minderwertigkeit, es geht darum zu versuchen, die Unterschiede zu verstehen, warum einige von uns große Musiker und andere große Ingenieure sind. Es ist sehr wahrscheinlich, daß zumindest etwa 10 bis 15 Jahre vorübergehen werden, bevor wir ein gutes Verständnis der relativen Bedeutung von Erbe und Umwelt bekommen werden in dem Erreichen von wichtigen menschlichen Zielen. Bis dahin sollten wir Wissenschaftler, wo immer wir uns selbst in dieser großen Debatte verorten, vorsichtig sein darin zu behaupten, was unbestreitbare Wahrheiten wären, ohne die Unterstützung von Beweisen zu haben.
Wahrscheinlich hat es in seßhaften, komplexeren Gesellschaften eine Selektion gegen solche Gene gegeben, weshalb sie in Europa heute nicht mehr so häufig vorkommen. Aber nach meiner Kenntnis sind Träger des MAOA-Gens nicht per se dazu "verdammt", kriminell zu werden, sondern nur durch bestimmte Lebensumstände und Schicksalsschläge wird die Wahrscheinlichkeit leichter als bei anderen erhöht, daß sie kriminell werden. Man kann also durchaus durch ein besseres Verständnis der Verhaltensgenetik fordern, daß die Lebensumwelten besser an die spezifisch vorgefundenen genetischen Gegebenheiten angepaßt werden und daß nicht "alle Menschen über einen Kamm geschert" werden, wenn man mit ihnen umgeht oder ihr Verhalten beurteilt.
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