Jene außerordentlich bedeutsame Kultur, die um 5.600 v. Ztr. den Ackerbau in Mitteleuropa einführte und die damals vorherrschenden Lindenwälder rodete, ist die Bandkeramik. Erst vor wenigen Jahren ist ihre Ursprungsregion identifiziert worden. Überraschenderweise entstand sie in der heutigen Grenzregion zwischen Ungarn und Österreich am Ufer des Plattensees. Dort waren sicherlich einheimische Jäger-Sammler-Kulturen zusammen gestoßen mit den Dorfkulturen, die sich vom Balkan her durch das Donautal ausgebreitete hatten. In Auseinandersetzung mit diesen Dorfkulturen entwickelten einheimische Bevölkerungen die ganz spezifisch mitteleuropäische Kultur der Bandkeramik, die nicht eigentlich durch Dörfer mit kleineren Häusern gekennzeichnet ist, sondern durch riesige, zumeist einzeln oder in kleinen Weilern stehende Langhäuser. Diese können oft 30 Meter lang sein und beherbergten wahrscheinlich mehrere sehr kinderreiche Familien mitsamt dem Vieh und den Vorräten.
Diese Kultur der Bandkeramik hat sich ungeheuer schnell vom ungarisch-österreischischen Grenzgebiet aus über das ganze damals nur äußerst spärlich von Menschen bewohnte Mitteleuropa ausgebreitet. Es muß sich um eine Bevölkerungsexplosion gehandelt haben, da sich die Besiedelung Mitteleuropas ungewöhnlich schnell vollzog. Interessanterweise sind frühe bandkeramische Siedlungen in den Niederlanden in allen kulturellen Merkmalen fast identisch mit bandkeramischen Siedlungen gleicher Zeitstellung im südosteuropäischen Raum, während der anthropologische Typus der einzelnen Bandkeramiker (Kopfform, Köperform) sehr vielfältig sein konnte und sicherlich schon in der Ursprungs-Bevölkerung sehr vielfältig gewesen ist.
Nach letzten genetischen Untersuchungen in Mainz (siehe frühere Beiträge) könnte man vermuten, daß die Bandkeramiker heute weitgehend ausgestorben sind und wenig Nachkommen hinterlassen haben. Und doch waren sie es, die vor dem Frühmittelalter von allen bekannten archäologischen Kulturen die höchste Besiedlungsdichte aufwiesen. Etwa in der Dichte, in der es seit dem Frühmittelalter Dörfer in Mitteleuropa gibt, hat es schon in bandkeramischer Zeit einzeln stehende Langhäuser gegeben, oft auch weilerartig zueinander und in sogenannten "Siedlungskammern" angesiedelt - dort, wo es besonders fruchtbarern Boden, damals Schwarzerde, heute Braunerde gibt. (Die fruchtbaren "Lößebenen".)
Von den Bandkeramikern hat man inzwischen in ganz Europa auch viel diverse Kleinkunst aus Ton entdeckt, zum Beispiel kleine niedliche Schweinchen-Figuren (in Hessen) oder kleine Figuren von Fruchtbarkeits-Göttinnen, die denen ähneln, die man auch auf dem Balkan findet. Der gebänderte Schmuck ihrer Feinkeramik ist ja ebenfalls unverwechselbar und hat ihnen ihren heutigen Namen gegeben.
Abb.: Grabenwerk (Volkssternwarte) |
Die fruchtbaren Lößebenen um den sich zwischen Niederösterreich und Südmähren (Slowak) hinschlängelnden Flusses der Thaya war, wie ausgeführt, schon in der Jungsteinzeit dicht besiedelt. Nun hat man dort von der Nachfolge-Kultur der Bandkeramik, der Lengyel-Kultur, nicht nur eine Fruchtbarkeits-Göttin als "Kleinkunst" entdeckt, sondern die Beine einer etwa 50 Zentimeter hohen Frauenstatue. (1, 2, 3) Datiert wird die Statue auf 4.700 oder 4.800 v. Ztr..
"Eine Statue von solcher Größe und Art war bisher weder in Europa noch im Orient bekannt", wurde Vladimir Podborsky von der Brünner Masaryk-Universität zitiert.Ich möchte diese Feststellungen was den Vorderen Orient betrifft, deutlich einschränken. Sind doch schon von den akeramischen Siedlungen des Vorderen Orient (um 7.000 v. Ztr.) - etwa in Ain Ghazal (Jordanien) - lebensgroße Menschendarstellungen bekannt. Aber für Europa dürfte dieser Satz zutreffen. Die Statue wurde in Groß Maispitz, tschechisch Masowice, entdeckt. Dieser Ort liegt nördlich der Thaya.
Die hohlen Beine und das Gesäß der aus Keramik gefertigten Frau stammt aus der Zeit zwischen 4800 bis 4700 vor unserer Zeitrechnung. Die Experten sind sich darin einig, daß bis heute nichts Vergleichbares gefunden wurde.
Die Statue ist das Werk von Menschen aus der prähistorischen Kultur der mährisch bemalten Keramik.
"Die Plastik war mit gelben Malereien verziert worden, ihr archäologischer Wert ist gar nicht abzuschätzen,“ sagte der glückliche Archäologe Zdeněk Čižmář aus Znojmo, der die Statue fand.
Groß Maispitz war schon um 1880 ein tschechischer Ort mit gut 500 Einwohnern, in dem nur wenige Deutsche lebten. (Europas-Mitte.de, Südmaehren.at)
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