Samstag, 19. Mai 2007

Macho's in München - und: Hormone, Hormone, Hormone

Die genetischen Folgen der Verstädterung bei - Amsel-MÄNNCHEN

Als vor wenigen Wochen, Anfang April, der Frühling "aus allen Poren" blühte, waren wir alle ein wenig verstört. Was, schon wieder Frühling? Und damals fand ich den Beitrag vom "Betonblog" so schön über "Liebestolle Amseln" (zitiert bei den "Kulturellen Welten" von Joern Borchert unter dem ebenso schönen Titel "Betonblogs Frühling"):

Also man kann das nicht anders sagen: die Amseln sind liebestoll und jagen sich durch die Forsythien (...), als gäbe es kein Morgen und als bestünde die Welt nur aus Zweigen für Amseln. Hitchock muß auf “Die Vögel” gekommen sein, als er, ähnlich ängstlich wie ich, liebestolle Amseln bei ihren Verfolgungsjagden beobachtete. Man bekommt beim gepflegten Vorbeispazieren regelrecht Angst ob solch heftiger hormongesteuerter Wildheit.

Ich will jetzt nicht der Frage nachgehen, ob der "Betonblog" in München zu Hause ist. Wenn er es wäre, hätte man sogar sehr spezielle neue Nachrichten für ihn. (Obwohl nach den ersten frühlingshaften Verunsicherungen bei der Spezies Mensch wohl schon wieder Gewöhnungsphasen eingesetzt haben. -?) Denn:

Wow, wow, wow. Die Singvögel (auch hier wieder die Amseln) schlagen als Forschungsobjekt uns Menschen einmal aufs Neue um Längen bei der Erforschung nicht nur der - - - verhaltensmäßigen Folgen von Verstädterung (!) (1.), sondern zusätzlich auch noch der (verhaltens-)GENETISCHEN (!) Folgen der Verstädterung (2.). (Science Now, Razib Khan) Nein, und auch damit ist es noch nicht zu Ende, sondern auch noch gleich bei der Erforschung der geschlechts-unterschiedlichen Evolution in derselben Art - also von "sexueller Selektion" in Zusammenhang mit Verstädterung und "jüngsten Evolutionsereignissen" in der Amselevolution. (3.) Ich glaube, auf das letztere Forschungsthema ist noch so gut wie kein Humanbiologe oder Anthropologe oder Evolutionärer Psychologe gekommen. Und auch die anderen haben sich noch nicht so arg herumgesprochen.

Aber die Parallelen, die man zum Menschen ziehen kann, sind beim heutigen Forschungsstand schon so deutlich und so augenfällig, daß einem das Forschungsobjekt "Amsel" da wieder einmal einen neuen, wahnsinnigen Motivationskick geben könnte, diesen Parallelen beim Menschen genauer nachzugehen. - Nun, Betonblog hat das ja schon früher ansatzweise - und etwas verängstigt! - getan. (Es ist das übrigens wieder irgendwie so etwas wie "konvergente Evolution" ...)

... "It's a very cool study, with a simple message: Urbanization is an important evolutionary force," says Roarke Donnelly, an ornithologist at Oglethorpe University in Atlanta, Georgia. "We've been thinking about this stuff for a long time, but it isn't easy to test. And they've done it with a simple but elegant experiment."

Jesko Partecke, an ornithologist at the Max Planck Institute for Ornithology in Erling, Germany, knew that European blackbirds (Turdus merula) in Munich stayed put in winter while ones living nearby forests still migrated. To see if the urbanized birds had evolved, Partecke and Eberhard Gwinner (now deceased) collected chicks from the two settings in the spring of 1998. They raised them in their lab in individual cages with light and temperatures mimicking Munich's. As summer gave way to fall, and winter to spring, they recorded the birds' nocturnal activity; this "migratory restlessness" is inherited and correlates with the distance a bird travels on its migrations.

The urban males were the least active of all the birds, preferring to sit quietly in their cages while other birds hopped about. In contrast, the urban females were just as active at night as their forest counterparts, indicating that the Munich females continue to migrate. "We were completely surprised by the females," says Partecke. "We naturally assumed that both males and females had changed." The difference may be bullying; males, which are larger, are known to drive the females away from food and warmth, says Partecke. As a result, he speculates, city-females who try to stay in town through winter may end up dying.

Another benefit of city life for males is that they reach sexual maturity earlier there than in the forest. Because blackbirds have multiple broods, this means they may have more offspring. "The shift to being sedentary seems to be adaptive in urban habitats," the authors say.

The findings are described in this month's Ecology. "It's good to see a study that's looking at the evolutionary pressures caused by these pseudotropical bubbles, our cities," says Eyal Shochat, an urban ecologist at Arizona State University in Tempe.

Die Mikro-Evolution des Zeitpunkts und der Dauer der angeborenen Wander-Unruhe und Wanderungs-Richtung erforscht ja schon seit Jahrzehnten der Vogelforscher Peter Berthold an der Vogelwarte Radolfzell. Nun also absolut Überraschendes und Neues aus München. Denn von erblicher "Verstädterung" von Vogelmännchen bei gleichzeitiger erblicher Nicht-Verstädterung von Vogelweibchen hab ich ja bei Peter Berthold - und auch sonst - noch nie (!) etwas gehört. Und dann auch noch dieses wahnsinnige unchevalereske Macho-Gehabe der Münchner Amselmännchen. Ich hoffe ja sehr, daß die "lokale Evolution" auf diesem Gebiet in Frankfurt andere Ergebnisse hervorgebracht hat. Ist ja direkt eine Schande für München! So unhöfliche Amselmännchen. Pfui Teufel!

- Mich würde außerdem mal interessieren, an welchem Gen eigentlich die Wanderunruhe verschaltet ist? Doch wohl nicht etwa auch am ADHS-Gen? Wenn das gleiche Gen die Meisen haben (wie vor ein paar Wochen berichtet)??? - Ach, und übrigens, die Meisen: Die "konvergente Evolution der Milchverdauung bei stadtlebenden Meisen" (wäre auch eine schöne Ergänzung für Conway Morris) ist ja schon seit Jahrzehnten ein Standardbeispiel für Verhaltens-Mikro-Evolution gewesen. Das heißt, auch jene Meisen wurden in England vor einigen Jahrzehnten im Winter in Städten seßhaft, die so klug waren, dort die Aluminiumfolien der morgens vor die Türen gestellten Milchflaschen zu öffnen ...

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