Das erste Lebensjahr des Menschen (das "extrauterine Frühjahr" Adolf Portmanns) hat evolutionär und individuell gesehen ganz verschiedene besondere Bedeutungen. In ihm erlernt der Mensch vieles von dem, was den Menschen zum Menschen macht: 1. die Sprache (zunächst nur durch das Hören), 2. den aufrechten Gang und 3. die soziale Kommunikation. Besonders was den Spracherwerb betrifft, stößt die Forschung immer wieder auf neue Überraschungen.
So haben beispielsweise Babies, die selbst noch keine Sprache sprechen, noch keine von all jenen Wahrnehumgspräferenzen, die Menschen besitzen, die irreversibel auf eine Muttersprache geprägt worden sind (was eben während eines vollkommen durch genetische Steuerung geöffneten "Lernfensters" in diesem ersten Lebensjahr geschieht). Und diese Wahrnehmungspräferenzen gelten nicht nur für sprachliche Laute, die typisch sind für eine einzelne Muttersprache, sondern auch für Wahrnehmungspräferenzen in Objektkonstellationen in der außermenschlichen Umwelt. Zum Beispiel nehmen Kinder mit ostasiatischer muttersprachlicher Prägung den Unterschied wahr, der darin besteht, daß ein Schuh (gleicher Größe) in einem großen oder in einem kleinen Schuhkarton liegt, wofür es in ostasiatischen Sprachen auch Begriffe gibt. Westliche Kinder und Sprachen haben diese Unterscheidungsmöglichkeit nicht. Auf unterschiedliche Farbwahrnehmung bei Russen und Engländern durch unterschiedliche muttersprachliche Prägung ist ja erst vor einigen Tagen hier auf dem Blog hingewiesen worden. Diese unterschiedlichen Wahrnehmungspräferenzen bilden sich aber erst heraus, wenn selbst gesprochen wird.
Nun stellen Forscher aber in einer neuen Studie (Netzzeitung, Science, Frankf. Rdsch., Zeit, Nature) fest, daß Babies bis zum achten Lebensmonat allein anhand der Gesichtsbewegungen eines Sprechers (also ganz ohne Ton) unterscheiden können, daß verschiedene Sprachen gesprochen werden. Merkwürdigerweise ist das eine Fähigkeit, die nach dem achten Lebensmonat verloren geht. (Zweisprachig aufwachsende Kinder behalten diese Fähigkeit länger, verlieren diese aber offenbar später auch.) Hier die Versuchskonstellation:
Bei der "Zeit" kann man sich sogar die beiden den Babies gezeigten Videos anschauen: Im Video-Test (Machen Sie selbst den Video-Test! Hier klicken!) schenkten die vier- bis sechsmonatigen Babys den Sprechern genau dann mehr Aufmerksamkeit, wenn sie in der ihnen fremden Sprache artikulierten, die Babys merkten also, dass ihnen die Worte unbekannt waren. Die Kinder konnten demnach eindeutig zwischen Mutter- und Fremdsprache unterscheiden.
So sieht die Sprecherin auf dem Video aus:
Wahnsinn! Ich hab' mir die Video's grad angeschaut und habe prompt falsch geraten! Wie machen das die kleinen Biester bloß? Man sieht doch kaum Veränderungen im Gesicht! - Daran sieht man, wie sensibel so kleine Babies sind!!!
"Nature" schreibt: This came as a surprise to the researchers. "I really expected this ability to progressively get better over the first year of life," says Whitney Weikum of the University of British Columbia in Vancouver, Canada, who led the study. (...) Babies also begin to lose other skills at around the same age. For example, they can no longer discriminate sounds or rhythms from other languages that are not present in their own.
Und die "Zeit" schreibt etwas, was mich auch wundert: An den Videotests hatten sie (die Babies) großen Spaß. Fernsehen ohne Ton ist für die Kleinen offenbar ermunternd. Sie lächelten die Sprecher auf dem Bildschirm an und begannen, auf sie einzubrabbeln.
Das ist doch wahnsinnig langweilig so ein Video ohne Ton. - Offenbar nicht für diese kleinen Kommunikations-Asse! Sie sollten Herrn Stoiber und Frau Ursula mal - gewisse ... Meinungen sagen ...
- - - Und noch etwas: Ich möchte behaupten, so offen wie das Kind auf dem folgenden Foto auf dem Schoß seiner Mutter guckt ein Kind in der Kinderkrippe nicht.
Merkwürdig, daß das noch so wenig erforscht sein soll, das "Explorationsverhalten" von Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr ohne Anwesenheit nahestehender Bezugspersonen. Ich habe den Eindruck, Kinderkrippen fördern die Ausprägung ängstlicher und duckmäuserischer Persönlichkeitsmerkmale. Sind es diese Persönlichkeitsmerkmale, die sich unsere Politiker von ihren erwachsenen Wählern, ihren Bürgern wünschen?
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