Sonntag, 29. Juli 2007

Zum Geist der Bronzezeit

Der vorige Beitrag soll noch durch eines der ältesten Schriftzeugnisse der Menschheit, durch einen Auszug aus der "Ilias", erläutert werden. In der berühmten Szene des Abschieds Hektors, des Königs von Troja, von seiner Frau und seinem kleinen Sohn, ist auch von dem wehenden Helmbusch die Rede, der die Helme der damaligen Zeit schmückte. Der kleine Sohn Hektors fürchtet sich vor dem wehenden Helmbusch des Vaters, so daß der Vater den Helm absetzt, um sich von seinem Sohn - vermutlich für immer - zu verabschieden. 

Abb. 1: Hektor's Abschied von Andromache - Apulischer rotfiguriger Column-Krater, ca. 370-360 v. Ztr., aus Ruvo. Nationalmuseum im Palazzo Jatta in Ruvo di Puglia (Bari) (Wiki)

 Es sind solche Details in der Homerischen Dichtung, die mit dazu beigetragen haben, daß dieselbe über so viele Jahrhunderte, nein, Jahrtausende immer wieder so gern gehört und gelesen worden ist (Homer, Ilias, 6. Gesang, nach der Übersetzung von J.H. Voß):

... Denn ich will in mein Haus zuvor eingehn, um zu schauen
Mein Gesind', und das liebende Weib, und das stammelnde Söhnlein.
Denn wer weiß, ob ich wieder zurück zu den Meinigen kehre, 
Oder jetzt durch der Danaer Hand mich die Götter bezwingen.
Dieses gesagt, enteilte der helmumflatterte Hektor.
Bald erreicht' er darauf die wohlgebauete Wohnung.
...
Kam die reiche Gemahlin Andromache eilendes Laufes
Gegen ihn her, des edlen Eëtions blühende Tochter: 
Denn Eëtion wohnt' am waldigen Hange des Plakos,
In der plakischen Thebe, Kilikiens Männer beherrschend,
Und er vermählte die Tochter dem erzumschimmerten Hektor,
Diese begegnet' ihm jetzt; die Dienerin aber ihr folgend
Trug an der Brust das zarte, noch ganz unmündige Knäblein;
Hektors einzigen Sohn, dem schimmernden Sterne vergleichbar.
Hektor nannte den Sohn Skamandrios, aber die andern
Nannten Astyanax ihn, denn allein schirmt' Ilios Hektor. 
Siehe mit Lächeln blickte der Vater still auf das Knäblein,
Aber neben ihn trat Andromache, Tränen vergießend,
Drückt' ihm freundlich die Hand, und redete, also beginnend:
Trautester Mann, dich tötet dein Mut noch! und du erbarmst dich
Nicht des stammelnden Kindes, noch mein des elenden Weibes,
Ach bald Witwe von dir! denn dich töten gewiß die Achaier. 
... 
Ihr antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Mich auch härmt das alles, o Trauteste; aber ich scheue
Troias Männer zu sehr, und die saumnachschleppenden Weiber,
Wenn ich hier, wie ein Feiger, entfernt das Treffen vermeide.
Auch versagt es mein Herz; denn ich lernete tapferes Mutes
Immer zu sein, und voran mit Troias Helden zu kämpfen,
Schirmend zugleich des Vaters erhabenen Ruhm, und den meinen!
... 
Also der Held, und hin nach dem Knäblein streckt' er die Arme;
Aber zurück an den Busen der schöngegürteten Amme
Schmiegte sich schreiend das Kind, erschreckt von dem liebenden Vater,
Scheuend des Erzes Glanz, und die flatternde Mähne des Busches,
Welchen es fürchterlich sah von des Helmes Spitze herabwehn.
Lächelnd schaute der Vater das Kind, und die zärtliche Mutter.
Schleunig nahm vom Haupte den Helm der strahlende Hektor,
Legete dann auf die Erde den schimmernden; aber er selber
Küßte sein liebes Kind, und wiegt' es sanft in den Armen;
Dann erhob er die Stimme zu Zeus und den anderen Göttern:
Zeus und ihr anderen Götter, o laßt doch dieses mein Knäblein
Werden dereinst, wie ich selbst, vorstrebend im Volk der Troer,
Auch so stark an Gewalt, und Ilios mächtig beherrschen!
Und man sage hinfort: Der ragt noch weit vor dem Vater!
Wann er vom Streit heimkehrt, mit der blutigen Beute beladen
Eines erschlagenen Feinds! Dann freue sich herzlich die Mutter!
Jener sprach's, und reicht' in die Arme der liebenden Gattin
Seinen Sohn; und sie drückt' ihn an ihren duftenden Busen,
Lächelnd mit Tränen im Blick; und ihr Mann voll inniger Wehmut
Streichelte sie mit der Hand, und redete, also beginnend:
Armes Weib, nicht mußt du zu sehr mir trauren im Herzen! 
... 
Als er dieses gesagt, da erhob der strahlende Hektor 
Seinen umflatterten Helm; und es ging die liebende Gattin
Heim, oft rückwärts gewandt, und häufige Tränen vergießend.

Die selbe Szene faßte Friedrich Schiller (in den "Räubern") in die Gedichtzeilen (Wiki): 

Hektors Abschied 
 
Andromache:
Willst dich, Hektor, ewig mir entreißen,
Wo des Äaciden mordend Eisen
Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?
Wer wird künftig deinen Kleinen lehren
Speere werfen und die Götter ehren,
Wenn hinunter dich der Xanthus schlingt?
 
Hektor:
Teures Weib, geh, hol' die Todeslanze,
Laß mich fort zum wilden Kriegestanze!
Meine Schultern tragen Ilium.
Über Astyanax unsre Götter!
Hektor fällt, ein Vaterlands Erretter,
Und wir sehn uns wider in Elysium.
 
Andromache:
Nimmer lausch' ich deiner Waffen Schalle,
Einsam liegt dein Eisen in der Halle,
Priams großer Heldenstamm verdirbt!
Du wirst hingehn, wo kein Tag mehr scheinet,
Der Cocytus durch die Wüsten weinet,
Deine Liebe in dem Lethe stirbt
 
Hektor:
All mein Sehnen, all mein Denken
Soll der schwarze Lethefluß ertränken,
Aber meine Liebe nicht! 
Horch! der Wilde rast schon an den Mauern - 
Gürte mir das Schwert um, laß das Trauern!
Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht.

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