Der letzte, feste soziale Zusammenhalt, den unsere Gesellschaft kennt und besitzt, ist die Berufsarbeit. (1) In früheren Jahrhunderten gab es noch viele andere Bereiche, durch die der soziale Zusammenhalt, der soziale Kitt einer Gesellschaft sichergestellt wurde: Familie, Großfamilie, Verwandtschaft, Hausgemeinschaft (also zusammen mit den im Haus und auf dem Hof Angestellten), Nachbarschaft, Dorfgemeinschaft, Kirchengemeinde, Religionsgemeinschaft. Alles überschaubare Strukturen, in denen jeder weitgehend jeden kannte, in denen dadurch nicht nur der vielerseits verabscheute "Klatsch und Tratsch" übereinander stattfand, sondern in denen man eben auch jederzeit bereit war, Verantwortung füreinander zu übernehmen, sich gegenseitig zu helfen.
Auch die Orientierung an eine fest umrissene "Obrigkeit" (Thron und Altar ...), an den in der Schule vermittelten Wertekanon, an den im Militärdienst vermittelten Werten usw. usf. halfen in früherer Zeit, die soziale Verantwortlichkeit der Menschen füreinander, den sozialen Zusammenhalt, Kitt zu stärken. Man kann sagen, daß durch eine weitgehende Sinnentleerung vieler weiter gefaßter sozialer Institutionen, Organisationen und Strukturen eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts durch all solche Institutionen heute nicht mehr in dem Umfang gegeben ist, wie dies für viele Jahrhunderte ganz selbstverständlich war.
Zu einem großen Teil zieht die moderne Gesellschaft reine Autisten und Individualisten heran, die nirgends mehr eingebunden und integriert sind, oft auch nicht in jene primäre Lebensstruktur, die sich fast alle wünschen: eine feste Lebenspartnerschaft. Sie sind oft also nirgends sonst fest eingebunden, wenn nicht: in der Berufsarbeit.
Soziale Bedeutung der Berufsarbeit
Tatsächlich: das, was übrig bleibt von all diesen genannten "Institutionen" ist in großer Allgemeinheit allein noch die Berufsarbeit. Dieser Umstand ist es, der heute der Berufsarbeit eine oft schon allein rein soziale Bedeutung für den einzelnen Menschen gibt, wie diese in früheren Zeiten so nicht gegeben war. Da standen die anderen genannten Lebensbereiche der Berufsarbeit eher gleichwertig gegenüber. Wenn früher ein Mensch "arbeitslos" war, im Rentenalter stand, dann konnte er sich leicht irgendwo anders nützlich machen in den genannten gemeinschaftlichen Strukturen. Er war dadurch selten gleich ganz aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang "herausgefallen", so wie das heute so leicht geschieht und empfunden wird.
Und genau dieser Umstand ist der Hauptgrund dafür, daß man heute die Einführung eines arbeitsfreien Grundeinkommens fürchtet, ja, fürchten muß. Denn es ist nicht abzusehen, daß dadurch - insgesamt gesehen - eine größere soziale Integration innerhalb unserer Gesellschaft gefördert werden wird. Viel eher ist das Gegenteil zu erwarten.
Die ungleiche Verteilung des Reichtums in unserer Gesellschaft ist ein Skandal
Dennoch ist die kraß ungleichgewichtige Verteilung des Reichtums in unserer Gesellschaft auf die 10 oder 20 Prozent der Reichsten in unserem Land nicht etwas, was weiterhin empörungslos hingenommen werden darf. Das Gerechtigkeitsempfinden jedes Bürgers sagt etwas massiv anderes dazu. Der Grundzusammenhang, der dieser berechtigten Empörung zugrunde liegt, ist der folgende: Der Reiche - egal in welcher Funktion - tut heute nicht sehr viel mehr und nicht sehr viel weniger für die Aufrechterhaltung der Stabilität einer Gesellschaft als eine Familie, die sich aufrichtig bemüht, die sozialen Bindungen innerhalb der Familie selbst und nach außen aufrecht zu erhalten und damit auf elementarster Ebene die Zukunft der Gesellschaft sicherzustellen. Ein Bill Gates kann nicht millionenweise neue Techniken einführen, wenn nicht vorher Mütter und Väter Kinder aufgezogen haben, die diese Techniken dann nutzen werden und auch die soziale Kompetenz besitzen, eine arbeitsteilige Gesellschaft aufrecht zu erhalten, in denen solche Techniken überhaupt nur entwickelt werden können.
Die Hauptleistungen für den Erfolg von Bill Gates hat also gar nicht Bill Gates erbracht, sondern den haben schon lange vorher diese Mütter und Väter erbracht und erbringen sie weiterhin. Und so auch der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, so auch der Bundestagsabgeordnete, so auch die Familienministerin etc. pp.. Und dennoch schwimmen die einen im Reichtum, während die anderen von der Sozialhilfe leben. Das ist ein Skandal, demgegenüber einem in einer solchen "emanzipierten" und sozial angeblich so "bewußten" Gesellschaft schlicht nur noch die Worte fehlen.
Leistungsgerechtes Eltern- (oder Familienmanager-)Gehalt ist die Lösung
Und genau diese Umstände sind dann auch der Hauptgrund dafür, weshalb die Einführung eines leistungsgerechten Elterngehaltes (die Einführung des Berufes eines/einer Familienmanagers/in) der erste Schritt zu einer Etablierung (bzw. Erneuerung) sozialer Bindekräfte sein wird und muß, die nicht in erster Linie in Berufsarbeit bestehen. Plötzlich wird der soziale Zusammenhalt, der durch Familienarbeit hergestellt wird, drastisch aufgewertet. Das ist der erste Schritt zur Etablierung sozialer Bindekräfte, die zukünftigen Gesellschaften langfristige Stabilität verleihen. Hier hat Peter Mersch (s. früherer Beitrag) völlig recht.
Bekannt ist, daß schon heute Mitglieder (großer) Familien, auch Familienmütter und -väter - trotz ihrer sowieso schon gegebenen familiären Mehrbelastung - zusätzlich auch noch bereit sind, erheblich mehr ehrenamtliche Arbeit in der Gesellschaft zu übernehmen als Kinderlose. (siehe z.B. Geo) Das kann nicht als allgemeiner Vorwurf an Kinderlose verstanden werden. Es wird einfach so sein, daß dem einzelnen Menschen durch Stabilität in familiären Beziehungen auch die Kraft gegeben wird, sich nicht nur im Beruf, sondern auch noch im Ehrenamt zu engagieren, während dem Kinderlosen - und (wohl) auch dem Einzelkind - diese seelische Beflügelung durch eine gedeihliche Partnerschaft oder größere Familie - oft - fehlt.
Also fördert eine durch eine Erziehungsgehalt erleichterte Familiengründung oder Familienerweiterung auch die Aufwertung des Ehrenamtes in unserer Gesellschaft, also sozialer Bindekräfte, die nicht in erster Linie in die rein zweckverhafteten, materiellen Austauschprozesse von Geldverdienen und Geldausgeben eingeordnet sind.
Ein neuer öffentlicher Festkalender?
Wolfgang Engler spricht übrigens von einem "öffentlichen Festkalender", der von Gemeinden in den neuen Bundesländern ersonnen wurde, um dem Alltag der vielen Arbeitslosen in der Gemeinde eine neue zeitliche und inhaltliche Struktur zu geben: "Sportliche Wettbewerbe, Treffen im Jugendklub, Erntefest, Kindertag, Tag der Freiwilligen Feuerwehr, Jubiläen aller Art. Um die Geselligkeit zu fördern, schien kein Anlaß zu gering." (1, S. 57) Und diese Worte machen einem beim Lesen - erstmals - geradezu blitzartig klar, weshalb es in der griechischen Polis der Antike so viele öffentliche Feste und Feiern über das Jahr hinweg gab. Auch Sportereignisse, Theatervorstellungen und so vieles andere mehr. Und auch von den italienischen Städten der Renaissance wird ja eine reiche Festtags-Kultur berichtet, wie man ja überhaupt sich auch den Alltag im mittelalterlichen und vorindustriellen Europa als wesentlich gelassener und museintensiver vorstellen muß als wir dazu in unserer gehetzten Zeit fähig sind. (Der Maurer August Winning hat einmal die Beschleunigung der Arbeitsvorgänge in seinem Handwerk während seiner eigenen Lebenszeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlenmäßig deutlich gemacht. Und zwar schon ganz unabhängig von der Einführung neuer Maschinen.)
In den griechischen Polei jedenfalls gab es diese vielen öffentlichen Feste, Feiern und Umzüge schlicht, um den Lebensalltag der primär arbeitslosen, muse-intensiven Schicht der freien Polisbürger zu organisieren. Und zu strukturieren. Möglicherweise war diese viele freie Zeit auch ein Grund für den starken juristischen, politischen und militärische Aktionismus der griechischen Polei.
Vor dem Fernseher jedenfalls hockte damals keiner. Und auch unsere Gesellschaft muß sich mehr Gedanken darüber machen, wie sie - sinnvoll - mit der durch die moderne Technik geschenkten, muse-intensiven Zeit umgeht. Die Antike ist dazu wohl der beste Orientierungspunkt und das beste Vorbild (wenn auch nicht in den militärischen Aspekten).
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1. Engler, Wolfgang: Bürger, ohne Arbeit. Für eine radikale Erneuerung der Gesellschaft. Aufbau-Verlag, Berlin 2005
Auch die Orientierung an eine fest umrissene "Obrigkeit" (Thron und Altar ...), an den in der Schule vermittelten Wertekanon, an den im Militärdienst vermittelten Werten usw. usf. halfen in früherer Zeit, die soziale Verantwortlichkeit der Menschen füreinander, den sozialen Zusammenhalt, Kitt zu stärken. Man kann sagen, daß durch eine weitgehende Sinnentleerung vieler weiter gefaßter sozialer Institutionen, Organisationen und Strukturen eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts durch all solche Institutionen heute nicht mehr in dem Umfang gegeben ist, wie dies für viele Jahrhunderte ganz selbstverständlich war.
Zu einem großen Teil zieht die moderne Gesellschaft reine Autisten und Individualisten heran, die nirgends mehr eingebunden und integriert sind, oft auch nicht in jene primäre Lebensstruktur, die sich fast alle wünschen: eine feste Lebenspartnerschaft. Sie sind oft also nirgends sonst fest eingebunden, wenn nicht: in der Berufsarbeit.
Soziale Bedeutung der Berufsarbeit
Tatsächlich: das, was übrig bleibt von all diesen genannten "Institutionen" ist in großer Allgemeinheit allein noch die Berufsarbeit. Dieser Umstand ist es, der heute der Berufsarbeit eine oft schon allein rein soziale Bedeutung für den einzelnen Menschen gibt, wie diese in früheren Zeiten so nicht gegeben war. Da standen die anderen genannten Lebensbereiche der Berufsarbeit eher gleichwertig gegenüber. Wenn früher ein Mensch "arbeitslos" war, im Rentenalter stand, dann konnte er sich leicht irgendwo anders nützlich machen in den genannten gemeinschaftlichen Strukturen. Er war dadurch selten gleich ganz aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang "herausgefallen", so wie das heute so leicht geschieht und empfunden wird.
Und genau dieser Umstand ist der Hauptgrund dafür, daß man heute die Einführung eines arbeitsfreien Grundeinkommens fürchtet, ja, fürchten muß. Denn es ist nicht abzusehen, daß dadurch - insgesamt gesehen - eine größere soziale Integration innerhalb unserer Gesellschaft gefördert werden wird. Viel eher ist das Gegenteil zu erwarten.
Die ungleiche Verteilung des Reichtums in unserer Gesellschaft ist ein Skandal
Dennoch ist die kraß ungleichgewichtige Verteilung des Reichtums in unserer Gesellschaft auf die 10 oder 20 Prozent der Reichsten in unserem Land nicht etwas, was weiterhin empörungslos hingenommen werden darf. Das Gerechtigkeitsempfinden jedes Bürgers sagt etwas massiv anderes dazu. Der Grundzusammenhang, der dieser berechtigten Empörung zugrunde liegt, ist der folgende: Der Reiche - egal in welcher Funktion - tut heute nicht sehr viel mehr und nicht sehr viel weniger für die Aufrechterhaltung der Stabilität einer Gesellschaft als eine Familie, die sich aufrichtig bemüht, die sozialen Bindungen innerhalb der Familie selbst und nach außen aufrecht zu erhalten und damit auf elementarster Ebene die Zukunft der Gesellschaft sicherzustellen. Ein Bill Gates kann nicht millionenweise neue Techniken einführen, wenn nicht vorher Mütter und Väter Kinder aufgezogen haben, die diese Techniken dann nutzen werden und auch die soziale Kompetenz besitzen, eine arbeitsteilige Gesellschaft aufrecht zu erhalten, in denen solche Techniken überhaupt nur entwickelt werden können.
Die Hauptleistungen für den Erfolg von Bill Gates hat also gar nicht Bill Gates erbracht, sondern den haben schon lange vorher diese Mütter und Väter erbracht und erbringen sie weiterhin. Und so auch der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, so auch der Bundestagsabgeordnete, so auch die Familienministerin etc. pp.. Und dennoch schwimmen die einen im Reichtum, während die anderen von der Sozialhilfe leben. Das ist ein Skandal, demgegenüber einem in einer solchen "emanzipierten" und sozial angeblich so "bewußten" Gesellschaft schlicht nur noch die Worte fehlen.
Leistungsgerechtes Eltern- (oder Familienmanager-)Gehalt ist die Lösung
Und genau diese Umstände sind dann auch der Hauptgrund dafür, weshalb die Einführung eines leistungsgerechten Elterngehaltes (die Einführung des Berufes eines/einer Familienmanagers/in) der erste Schritt zu einer Etablierung (bzw. Erneuerung) sozialer Bindekräfte sein wird und muß, die nicht in erster Linie in Berufsarbeit bestehen. Plötzlich wird der soziale Zusammenhalt, der durch Familienarbeit hergestellt wird, drastisch aufgewertet. Das ist der erste Schritt zur Etablierung sozialer Bindekräfte, die zukünftigen Gesellschaften langfristige Stabilität verleihen. Hier hat Peter Mersch (s. früherer Beitrag) völlig recht.
Bekannt ist, daß schon heute Mitglieder (großer) Familien, auch Familienmütter und -väter - trotz ihrer sowieso schon gegebenen familiären Mehrbelastung - zusätzlich auch noch bereit sind, erheblich mehr ehrenamtliche Arbeit in der Gesellschaft zu übernehmen als Kinderlose. (siehe z.B. Geo) Das kann nicht als allgemeiner Vorwurf an Kinderlose verstanden werden. Es wird einfach so sein, daß dem einzelnen Menschen durch Stabilität in familiären Beziehungen auch die Kraft gegeben wird, sich nicht nur im Beruf, sondern auch noch im Ehrenamt zu engagieren, während dem Kinderlosen - und (wohl) auch dem Einzelkind - diese seelische Beflügelung durch eine gedeihliche Partnerschaft oder größere Familie - oft - fehlt.
Also fördert eine durch eine Erziehungsgehalt erleichterte Familiengründung oder Familienerweiterung auch die Aufwertung des Ehrenamtes in unserer Gesellschaft, also sozialer Bindekräfte, die nicht in erster Linie in die rein zweckverhafteten, materiellen Austauschprozesse von Geldverdienen und Geldausgeben eingeordnet sind.
Ein neuer öffentlicher Festkalender?
Wolfgang Engler spricht übrigens von einem "öffentlichen Festkalender", der von Gemeinden in den neuen Bundesländern ersonnen wurde, um dem Alltag der vielen Arbeitslosen in der Gemeinde eine neue zeitliche und inhaltliche Struktur zu geben: "Sportliche Wettbewerbe, Treffen im Jugendklub, Erntefest, Kindertag, Tag der Freiwilligen Feuerwehr, Jubiläen aller Art. Um die Geselligkeit zu fördern, schien kein Anlaß zu gering." (1, S. 57) Und diese Worte machen einem beim Lesen - erstmals - geradezu blitzartig klar, weshalb es in der griechischen Polis der Antike so viele öffentliche Feste und Feiern über das Jahr hinweg gab. Auch Sportereignisse, Theatervorstellungen und so vieles andere mehr. Und auch von den italienischen Städten der Renaissance wird ja eine reiche Festtags-Kultur berichtet, wie man ja überhaupt sich auch den Alltag im mittelalterlichen und vorindustriellen Europa als wesentlich gelassener und museintensiver vorstellen muß als wir dazu in unserer gehetzten Zeit fähig sind. (Der Maurer August Winning hat einmal die Beschleunigung der Arbeitsvorgänge in seinem Handwerk während seiner eigenen Lebenszeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlenmäßig deutlich gemacht. Und zwar schon ganz unabhängig von der Einführung neuer Maschinen.)
In den griechischen Polei jedenfalls gab es diese vielen öffentlichen Feste, Feiern und Umzüge schlicht, um den Lebensalltag der primär arbeitslosen, muse-intensiven Schicht der freien Polisbürger zu organisieren. Und zu strukturieren. Möglicherweise war diese viele freie Zeit auch ein Grund für den starken juristischen, politischen und militärische Aktionismus der griechischen Polei.
Vor dem Fernseher jedenfalls hockte damals keiner. Und auch unsere Gesellschaft muß sich mehr Gedanken darüber machen, wie sie - sinnvoll - mit der durch die moderne Technik geschenkten, muse-intensiven Zeit umgeht. Die Antike ist dazu wohl der beste Orientierungspunkt und das beste Vorbild (wenn auch nicht in den militärischen Aspekten).
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1. Engler, Wolfgang: Bürger, ohne Arbeit. Für eine radikale Erneuerung der Gesellschaft. Aufbau-Verlag, Berlin 2005
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