Sonntag, 29. Juli 2007

Gemeinsam sind wir stark: Kinderlose und Eltern haben die gleichen Interessen

Eine Wort der Kritik am "Deutschen Familien-Verband"

Der frühere "Bund der Kinderreichen" heißt heute "Deutscher Familienverband". Sein offenbar sehr maßgebender Präsident ist der schon ältere Herr Dr. Albin Nees. Ich habe mir einmal Informationsmaterial kommen lassen von diesem Verband, dessen Mitgliederzeitschrift immerhin eine Auflage von 100.000 hat. (DFV) Und es liest sich natürlich auf jeden Fall gut. Aber im Grunde hört man durch alle Stellungnahmen hindurch: Wir wissen alle, daß ein echter Familienleistungsausgleich, daß Leistungsgerechtigkeit für Familien heute völlig anders aussehen müßte, als es gegenwärtig geschieht. Aber da die Forderungen viel zu kraß und "wirklichkeitsfremd" aussehen würden, wenn man sie formulieren würde, formuliert man sie gar nicht erst. Aber wie kann denn Politik auf Forderungen reagieren, die gar nicht konkret aufgestellt und ausgesprochen werden?

So wird in einer Grundlagenschrift des Verbandes ("Politik für Familien - Vorstellungen und Forderungen", Mai 2004) unter der Überschrift "Steuergerechtigkeit und Familienleistungsausgleich" (S. 6) sehr viel sehr Notwendiges und Dringliches gesagt, was offenbar im Familienministerium immer noch ungern gehört wird. Aber dann heißt es zum Schluß wirklich zu verschwommen: "Ein wirklicher Familienleistungsausgleich kostet richtiges Geld - und dieses Geld ist vorhanden. (...) Bei den Familien findet man es nicht." Schön und gut. Aber warum wird dann nicht gleich klar gesagt, wieviel es kostet? Warum hält man damit so hinter dem Berg ?

"Familienleistungsausgleich kostet richtiges Geld"

Genauso Seite 9, Kapitel "Erziehungsgeld und Elternzeit": "Das (...) Erziehungsgeld ist (...) auf 600 Euro zu erhöhen und zu dynamisieren." Diese Forderung von 600 Euro ist eigentlich schon ganz ordentlich. Die "Deutsche Familien-Partei" fordert zwar bis 1.875 Euro in den ersten Jahren, was ich für weitaus wirklichkeitsnäher halte - aber nun gut: sei's drum! Dann heißt es aber weiter: "Das Bundeserziehungsgeld ist auf zunächst drei Jahre zu verlängern." Himmel Herrgott Sakrament! Warum "zunächst"? Und warum sagt man nicht gleich klar, wie lang es der Verband denn tatsächlich zukünftig bezahlt sehen möchte? Das finde ich nirgends. Was soll denn dieses Versteckenspielen? Würde je auch nur irgendeine deutsche Gewerkschaft so bescheiden und geradezu auf Zehenspitzen auftreten mit ihren Lohnforderungen? Aber Hallo! Aber Hallo!

Die schönste Freizeit-Beschäftigung der Welt: Kinder haben. Und weil sie so
schön ist, muß sie auch nicht bezahlt werden (- meinen weltfremde Politiker) ...

Und auch in der neusten Ausgabe der Verbands-Zeitschrift (DFV-Familie 3/07) findet man wieder "nicht Fleisch, nicht Fisch". Da wird (pdf.) - natürlich vollkommen zu Recht und notwendigerweise - das politische und populistische Jonglieren mit Milliarden-Summen kritisiert, wie es heute bezüglich Familienförderung und vor allem vorgeblicher Familienförderung in unserem Staat geschieht. Aber warum bringt man auch hier seine Kritik nicht klar auf den Punkt? Paul Kirchhoff fordert schon seit langem echte Transparenz und Übersichtlichkeit, die in dem derzeitigen Förderungswirrwarr in keiner Weise gegeben ist. In überhaupt keiner Weise. Letztlich hat das schon der Sozialreformer Gerhard Mackenroth unter Konrad Adenauer gefordert!

Man bleibt mit dem Gefühl zurück: Himmel, Herrgott, Sakrament, die Herrschaften des "Deutschen Familien-Verbandes" sind einfach zu alt. Wenn ich meine Eltern die Interessen heutiger junger Familien vertreten lassen würde, würde das wahrscheinlich auch sehr betulich werden, oder? Man muß energischer, deutlicher, konkreter und sehr präzise auftreten. Es geht hier schlicht um die Sicherung der mittel- und langfristigen Zukunft unserer Gesellschaft.

Kinderlose integrieren, nicht ausgrenzen!

Was mich aber auch stört, immer mehr stört, ist, daß Organisationen, die die Interessen von Familien vertreten, weder in der Sache noch auch in ihrer Sprache und in ihren Stellungnahmen berücksichtigen, daß in Deutschland Millionen von Kinderlosen leben, die sich Kinder wünschen. (siehe St. gen.) Die muß man doch ansprechen. Deren Interessen vertritt man doch auch! Ihre Kinderwünsche werden oft nicht erfüllt wegen der politischen und atmosphärischen Rahmenbedingungen, die man ja selbst die ganze Zeit kritisiert.

So wird zum Beispiel in Folge 5/05 der Verbandszeitschrift der Grünen-Bundestags-Abgeordnete Alexander Bonde zum Them "Generationengerechtigkeit" befragt. Er sagt Wertvolles. Zum Beispiel das folgende (wiederum arg verschwommen - aber die Zielrichtung stimmt): "Bereits Adenauer wußte, daß das Rentenversicherungsniveau auf Dauer nicht gehalten werden kann und hat sich aus wahltaktischen Gründen nicht mit dieser Entwicklung beschäftigt. Bereits in den 1950er Jahren wäre es nötig gewesen, sukzessive Änderungen durchzusetzen, dann ständen wir heute nicht vor diesen großen Schwierigkeiten, den Generationenvertrag einzuhalten." (S. 24)

"Bereits Adenauer wußte ..."

Das sind wichtige, sehr, sehr wichtige und notwendige Worte und Gedankengänge eines jungen Menschen. Das könnte man nun gemeinsam mit den "Grünen" begeistert weiterverfolgen und zu Ende denken. Aber dann folgt folgende Abschlußbemerkung des DFV zu dem Interview: "Wir hatten Alexander Bonde noch eine vierte Frage gestellt, nämlich die, wie es mit dem Nachwuchs in der jungen Abgeordnetengruppe aussieht. Aber private Fragen möchte Bonde nicht beantworten. Dafür kann man Verständnis haben. (...) Aber: Politische und gesellschaftliche Haltung ist ja immer auch geprägt von privatem Erleben und Erleben. Deshalb ist es durchaus eine Frage wert, ob Politiker selbst Kinder haben, und fragwürdig, wenn immer mehr Verantwortungsträger selbst nicht Eltern sind."

Sachlich vollkommen korrekt. Vollkommen korrekt. Aber es ist auch eine Frage der Atmosphäre. Wenn ich eine solche Frage stelle schon mit einem unausgesprochenen Vorwurf oder einer unausgesprochenen Bitterkeit in den Augen, wird man die Bereitschaft zur Fortsetzung des Gespräches nicht fördern. Vielleicht machen sich ältere Menschen heute nicht ausreichend klar, wie schwierig es für junge Menschen ist, selbst wenn sie ernsthaften Kinderwunsch haben, diesen auch umzusetzen. Mit Vorwürfen kommt man hier überhaupt nicht weiter, sondern: mit Einbindung! Lieber Herr Nees! Sie vertreten auch die Interessen derjenigen, die kinderlos sind aber sich Kinder wünschen. Sagen sie das allen. Besonders auch den Kinderlosen. Auch den kinderlosen Abgeordneten im Bundestag und den kinderlosen Journalistinnen und Journalisten in den Zeitungs-Redaktionen. Nur gemeinsam kommen wir voran, nicht durch Grabenkriege und nicht durch gegenseitige Vorwürfe. - Niemand will, wenn er ehrlich ist, von anderen parasitieren.

Gebt doch den jungen Leuten erst einmal einen ordentlichen, deftigen Vertrauensbonus dahingehend, daß auch sie später einmal auf ein nach allen Richtungen hin gelungenes Leben zurückblicken wollen. Und setzt voraus, daß sie darunter leiden, wenn sie es nicht werden tun können.

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