Montag, 9. April 2007

Das alles ist Deutschland ...

In der heutigen Tageszeitung fand sich - wieder einmal - eine Anzeige von Volkswagen: "Wir Deutschen," so fängt sie an, "wir Deutschen sind vielleicht nicht die Lockersten. Aber wer will schon ein Auto, das auseinander fällt." Nun, nun. Wer schon?

Und dann stehen um das neueste VW-Modell drei tatsächlich "weniger lockere" typische Deutsche der heutigen Dienstleistungs-Gesellschaft herum. Alles sauber. Alles steril. Wollen die einen verar...? Als Kinderkrippen-Gärtner(/innen) wünscht man die sich nun wirklich nicht ... in erster Linie. - Provoziert die Anzeige? Löst sie Emotionen aus? Ja. Der Eindruck: Das gepflegte und gehätschelte Kind der Deutschen: Das Auto. Ihr Kind - so sie eins haben - befindet sich derweil bei - etwas - "lockereren" Deutschen, wahrscheinlich in der Kinderkrippe ...

Mir kam der Einfall, man müßte mal schauen, was es noch so alles an Werbeslogans gibt, in denen "die Deutschen", ihr Land und das Deutschsein thematisiert werden. Google-Bilder-Suche brachte mich nicht wirklich weiter. Aber erst da wurde mir bewußt, was für eine Fülle von Diskussionsbeiträgen es im Internet zu der Werbekampagne "Du bist Deutschland" im letzten Jahr gegeben hat. Ich hatte das letztes Jahr überhaupt nicht beachtet, nicht wirklich "mitgekriegt". (Auch im November 1989 bekam man einiges ja nicht wirklich mit, wenn man - "irgendwo" in Westdeutschland - keinen Fernseher hatte ...)

Mir kam das also (letztes Jahr) alles nur kitschig vor. Unernst. "Marktschreierisch" im übelsten Sinne des Wortes. Aber bei genauerem Hinsehen - vor allem auch auf all die Reaktionen und die Kritik - läßt diese Kampagne doch über eines sehr wohl nachdenken, so dachte ich mir zwischenzeitlich, nämlich über die Beziehung des einzelnen, des Individuums zu einem größeren Ganzen, zur Gemeinschaft ... und las nun einmal so ein bischen die pdf.-"Dokumentation", die zu dieser Kampange im Nachgang von ihren Machern (Holger Jung, Hamburg) ins Internet gestellt worden ist. ... Viele schöne Worte. Viele schöne Bilder.

Ziele der Kampagne seien gewesen: Deutschland solle optimistischer und zuversichtlicher werden, denn das seien die Voraussetzungen, so wörtlich, ähm, lieber Leser, Du brauchst jetzt nicht weiterlesen, wenn Dir Dein Essen abends noch schmecken soll ...:

"... für den Kauf eines Autos
... für das Buchen einer Reise
... für die Bereitschaft zu politischen Reformen
... für ein Engagement für die Allgemeinheit
... für das Gründen einer eigenen Existenz."

Nein wirklich. Es braucht Dir nicht mehr zu schmecken.

Ganz unerwartet schneller Weise bin ich damit nämlich schon wieder an den Beginn meines Beitrages gekommen, nämlich zum, ähm, ... "Kauf eines Autos". Das steht hier tatsächlich unverhüllt an erster Stelle.

Ist das also der erste und letzte Sinn deutschen Lebens, deutscher Existenz? (Post-metaphysischen Lebens, versteht sich, gesalzen mit einer kleinen Prise Kirchlichkeit, um den Peinlichkeiten bei der Beerdigung zu entgehen.) Konsumieren und die vorher zum Konsumieren notwendigen Tätigkeiten ...? "Die größte Social Marketing Kampagne in der Mediengeschichte der Bundesrepublik" ... Und ihr erstes Ziel lautet: Der Kauf eines Autos. Und eine Seite weiter: "... schon Ludwig Erhard sagte: 50% der Wirtschaft sind Psychologie ..." - Nein, daß es so nackt, so bloß, so unverhüllt da steht ... Das ist es, was einem - vor allem - den Appetit verdirbt. Daß man sich noch nicht einmal mehr Mühe gibt ...

Es ging darum, so die letzte Seite der Dokumentation, "Deutschland ein klein wenig zu verändern". Und nachdem dies offenbar jetzt geschehen ist, darf man sich wieder behaglich zurück in den biedermeierlichen Dornröschenschlaf fallen lassen: "Drei zwei eins ... meins!" (So nämlich ein anderer erfolgreicher Werbe-Slogan des Herrn Jung aus Hamburg.)

Ach, und ihr Kind war heute morgen wieder quengelig, als Sie es zur Kinderkrippe bringen wollten? Ach? Es weinte? ... Versteh' ich auch nicht, warum die Kinder nicht kapieren wollen, daß Autos wichtiger sind.Ach, hier noch so ein Fund. Auf einer Gewerkschafts-Seite. Ein "kritischer" Beitrag zur "Auto-Kauf-Kampagne":

... Nekrophilie. Oder was? - Doch bei all diesen merkwürdig "gemischten" Gefühlen, die all diese Dinge hervorrufen, glaube ich, daß die "Diskussionsbeiträge" zu dieser Kampagne tatsächlich irgendwie "in die Geschichte" eingehen werden - so richtig rationale Gründe kann ich für diesen Eindruck derzeit nicht nennen. Schon daß es mir so den Appetit dabei verdorben hat, ist ein Anzeichen. Deshalb ... doch einmal eine kleine Zusammenstellung von Beiträgen. Das erste, auf das man derzeit bei seiner Internet-Suche stößt, ist wohl diese Parodie hier mit einem Text, der von einem Sprecher mit schwäbischem Dialekt gesprochen wird. Dann die - Fernsehzuschauern wahrscheinlich bekannte - Parodie von "TV-Total". Dann eine "Deutschpunk"-Musikgruppe ("Die Mimmies"). Ach ja, und die Original-Fassung der Werbekampagne sollte man natürlich auch kennen. Und dann gibt es da noch "Die Prinzen" mit ihrem Lied "Deutschland" von 2001. Der Refrain lautet:

Das alles ist Deutschland - das alles sind wir.
Das gibt es nirgendwo anders - nur hier nur hier.
Das alles ist Deutschland - das sind alle's wir. Wir
leben und wir sterben hier.

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