// Vorbemerkung: Seit 2019 gibt es einen aktuelleren Forschungsstand als in diesem Blogartikel dargestellt, siehe ---> Stg2019. //
Schafe, Ziegen und Rinder wurden erst 2000 Jahre später domestiziert (etwa 6.500 v. Ztr.) als die frühesten Getreidesorten (z.B. Emmer-Weizen) (um 8.500 v. Ztr.), weil die frühesten seßhaften ("vorkeramischen") Dorf- und Stadtgesellschaften am Oberlauf von Euphrat und Tigris und am Jordan ihre Fleischversorgung noch sicherstellten durch Massenjagden auf die riesigen jahreszeitlichen Gazellen-Wanderungen, die es damals noch in diesen Gebieten gab. (Dazu legten sie große "Krale" an, in die die Gazellen hineingetrieben wurden, diese Krale sind heute oft noch vom Flugzeug aus zu sehen und wurden - in geringerem Ausmaß - bis vor wenigen Jahrhunderten benutzt.)
Abb: Peter Paul Rubens - Abendliche Landschaft |
Erst 2000 Jahre später, als diese Gazellen wahrscheinlich aufgrund des Bevölkerungswachstums in den frühen Stadtkulturen überjagt worden waren, ging man dort zur Herdenhaltung von domestizierten Schafen, Ziegen und Rindern über.
Und nicht nur das in diesen Regionen domestizierte Getreide, sondern auch die später in diesen Regionen (wahrscheinlich erstmals in Nordafrika) domestizierten Rinder wurden durch Kulturausbreitung (andere Jäger und Sammler übernahmen die seßhafte Lebensweise) und durch Ausbreitung seßhafter Kulturen Schritt für Schritt nach Europa "exportiert". Auch unsere heutigen domestizierten Rinder stammen, wie nun neueste Forschungen der bekannten Mainzer Forschergruppe um Joachim Burger ergaben, nicht von den in Mitteleuropa heimischen riesigen Auerochsen (das sind Wildrinder) ab, sondern von jenen, die in Syrien und Anatolien lebten (Originalartikel frei zugänglich: hier; und hier ein deutschsprachiger Bericht):
"Gleich ob es sich um Schwarzbunte, Fleckvieh oder schottisches Hochlandrind handele: alle Rinder kämen offenbar aus dem Nahen Osten nach Europa."
Hm, ob die folgende Schlußfolgerungen zu gewagt ist? Jedenfalls spannend:
"Kreuzungen zwischen heimischen wilden Auerochsen und eingeführten domestizierten Rindern seien nicht festzustellen. “Die damaligen Bauern müssen die neuen Tiere getrennt von ihren wilden Artgenossen in Gehegen gehalten haben. Die Intensität der Viehzucht im frühen Neolithikum war folglich wesentlich höher als bisher gedacht”, erklärt Burgers Kollegin Ruth Bollongino."
Daß die Intensität der agrarischen Lebensweise bei den mitteleuropäischen Bandkeramikern sehr hoch gewesen sein könnte, wird leicht übersehen, da es die älteste und früheste Bauernkultur in Europa war. Es ist nicht sehr "intuitiv", daß gerade die frühesten Kulturen schon so intensiv gewirtschaftet haben sollen. Aber das gilt auch für den Vorderen Orient und die dortigen frühesten Stadtkulturen. Die sichere archäologische Erkenntnis, daß die Bandkeramiker jenes mitteleuropäische Volk waren, das die höchste Siedlungsdichte vor dem Frühmittelalter besaß (in Mitteleuropa), ist zu diesem Sachverhalt eigentlich sehr aussagekräftig.
Zur Veranschaulichung kann man grob sagen: in der Dichte, in der sich heute in Deutschland südlich des Nordrandes der Mittelgebirge Dörfer befinden (und diese Dörfer gehen - in denen Ebenen - zumeist auf germanische Gründungen aus dem Frühmittelalter zurück), in der Dichte gab es zur Zeit der Bandkeramik die großen einzelnen oder weilerartig beieinander stehenden, oft 30 Meter langen "Langhäuser", in denen wahrscheinlich mehrere, sehr kinderreiche Familien lebten. (Denn das zuvor Urwald-artige Mitteleuropa wurde von dieser Kultur in nur wenigen Jahrhunderten aus dem österreichisch-ungarischen Grenzraum am Plattensee heraus besiedelt, was nur bei großem Kinderreichtum und sehr schnellem Bevölkerungswachstum möglich ist.) Während der gesamten Bronzezeit war dann die Siedlungsdichte in Mitteleuropa wesentlich geringer. Übrigens auch interessant, was über den europäischen Auerochsen berichtet wird:
"Der Auerochse gehörte bis zu seiner Ausrottung zu den größten Landtieren Europas. Er war fast so groß wie ein Elefant. Die Jagd auf das Tier ist bereits in Höhlenmalereien wie in Lascaux dokumentiert. Die frühe Verbreitung des Wildrindes in Europa verringerte sich aufgrund der Vergletscherung vor circa 16.000 Jahren, schreiben die Forscher jetzt in den “Proceedings”. Danach sei die Zahl der Auerochsen wieder angestiegen. Vor etwa 11.000 Jahren sei er fast in ganz Europa heimisch gewesen - ausgenommen der Norden Skandinaviens, nördliche Teile Russlands und Irland."
Daß sich ein Elefanten-artiger Auerochse mit einem noch relativ kleinwüchsigen anatolischen Hausrind hätte kreuzen können sollen, erscheint einem da auch eher unwahrscheinlich.
Nach der Zeit von vor 11.000 Jahren breiteten sich Lindenwälder in Mitteleuropa aus, in denen nicht so viele Auerochsen gelebt haben werden, da die "monokulturartigen", europäischen Wälder der damaligen Zeit sehr artenarm waren - und auch menschenarm.
Man könnte sich denken, daß auch die Hausrinder - wie noch bis vor wenigen hundert Jahren in Europa allgemein üblich - von Hirten herumgeführt wurden. (Weidezäune wurden in vielen Gegenden Deutschlands erst nach 1800 eingeführt.) Noch bis vor wenigen hundert Jahren geschah das auch oft wenigstens zum Teil noch in sogenannten "Weidewäldern", also in Wäldern, in denen die Tiere das Laub von den Bäumen fressen und die jungen Baumtriebe am Boden, wodurch der dichte Urwald allmählich "gelichtet" wird zu jenen "savannenartigen" Landschaften, die wir auf den alten europäischen Landschafts-Gemälden so oft dargestellt finden (und für die wir Menschen möglicherweise schon in Ostafrika eine besondere Präferenz entwickeltet haben - sogenannte "Savannen-Hypothese").
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