In der Zeitschrift Archaeology findet sich ein Artikel benannt "Das Wikinger-Experiment":
"Crouched in the stern of a Viking longship, I feel remarkably unprepared. The shirtless, helmeted raiders rowing us at full speed up the Dziwna River are all heavily armed. Even the full-bearded captain standing at the rudder swearing profusely in Polish has a huge knife hanging from his belt. What am I doing heading into a sea battle armed with nothing but a notebook and a camera?
At least I can be reasonably confident we won't sink. As we bear down on our prey--a wooden fishing boat incongruously packed with more armed warriors--the hull of the ship cuts through the water the way it would have 1,000 years ago. We are aboard a copy of a Viking raiding vessel, Skuldelev V, built to explore the construction techniques of these legendary seafarers. As we close in on the smaller vessel, the men aboard begin beating their swords against the hull of their craft, forcing the captain to swear even louder. Finally, the two boats clash. Men swarm from boat to boat, swinging axes and swords. Sailors with knives clenched in their teeth dive overboard. There is shouting and more swearing. In the end, we win--I think. ..."
(Übersetzung:) "So wie ich hier im Heck eines Wikinger-Langschiffes hocke, fühle ich mich bemerkenswert unvorbereitet. Die hemdlosen, behelmten Angreifer, die uns mit voller Geschwindigkeit den Dievenow-Fluß hinaufrudern, sind alle schwer bewaffnet. Selbst dem vollbärtigen Kapitän, der am Ruder steht und verschwenderisch polnisch flucht, baumelt ein riesiges Messer am Gürtel. Was mache ich hier eigentlich? Ich fahre doch hier wohl nicht in eine Seeschlacht mit nichts als einem Notizbuch und einer Kamera bewaffnet?
Aber vernünftigerweise kann ich wohl darauf vertrauen, daß wir nicht untergehen werden. Während wir uns auf unsere Beute stürzen - ein hölzernes Fischerboot, unpassenderweise vollgepackt mit noch mehr bewaffneten Kriegern - schneidet der Kiel unseres Schiffes seinen Weg durch das Wasser wie er es vor tausend Jahren getan hätte. Wir sind an Bord eines Nachbaus eines Wikinger-Kriegsschiffes, Skuldelev V, gebaut, um die Konstruktions-Techniken dieser legendären Seefahrer zu erforschen. Als wir dem kleineren Gefährt näher kommen, fangen die Männer an Bord an, ihre Schwerter gegen die Bordwand zu schlagen, wodurch sie ihren Kapitän veranlassen, nur noch lauter zu fluchen. Schließlich prallen die beiden Boote aufeinander. Männer springen von Boot zu Boot, schwingen ihre Äxte und Schwerter. Seefahrer mit Messern zwischen den Zähnen stürzen über Bord. Überall Schreien und noch mehr Fluchen. Am Ende gewinnen wir - glaube ich ..."
Worüber berichtet der da? Alles so seltsam bekannt und so seltsam unbekannt ... Genaueres Lesen und Recherchieren läßt schließlich klar werden: Es handelt sich um einen Bericht über ein Mittelalter-Festival an der Odermündung in der Nähe der Stadt Wollin am Dievenow-Fluß (= Dzwina), einem der Seitenarme, in die sich die Oder verzweigt. Hier wird von Archäologen eine frühere Wikinger-Burg, die Jomsburg, vermutet. Liest man in einem deutschen Zeitungsbericht darüber weiter, wird man an viele Dinge erinnert. Nicht nur an die Wikinger, sondern auch an eine frühere deutsche Urlaubsregion:
"Auf einer Schwemminsel im Flüsschen gleich vor Wolin stehen die Zelte, harren ungesattelte Pferde ihrer Reiter. Hohe Wolken treiben über den Himmel. Vor Strohscheiben üben Bogenschützen. Bernstein und Fibeln aus Silberdraht werden feilgehalten. Am Ufer liegen Boote mit geschwungenem Steven, warten auf das nächste Wettrudern.
Das Gewässer heißt Dziwna. Sie trollt sich als östlichster und bescheidenster der drei Mündungsarme der Oder gemächlich vom Stettiner Haff zur Ostsee – gemeinsam mit dem mittleren, der kanalisierten Swina, grenzt sie die Insel Wolin (einst Wollin geschrieben) auf ihrer Westseite von der Insel Usedom und im Osten vom pommerschen Festland ab." (Siehe Karte - hier: Dievenow.) "Über die Dziwna wurde schnell eine Pontonbrücke zum Lager geschlagen. Die als Wikinger verkleideten Polen, Schweden, Dänen und Deutschen treffen sich hier auch nur vorübergehend, und zwar zum „Festiwal Wiking=F3w Jomsborg-Wolin“, das der Ort allsommerlich mit großer Begeisterung ausrichtet."
Bei den Polen hat es ja immer schon ein großes Geschichtsbewußtsein und Geschichtsinteresse gegeben. So wurden ja beispielsweise auch die Marienburg an der Weichsel und die Altstadt von Danzig historisch getreu wieder aufgebaut. Nun also auch ein Mittelalter-Festival.
Im Bericht heißt es weiter: "Dafür hat Wolin triftige Gründe: Genau hier am Ufer breitete sich bereits im 9. Jahrhundert eine blühende Handelsstadt mit befestigter Burg aus, in der Slawen lebten und ebenso zugewanderte Wikinger. Der Platz hieß Jumne oder Jomsborg, zählte über 6000 Einwohner, besaß lange Kais aus Eichenpfählen. Jeder wollte ihn haben, weshalb er im 10. und 11. Jahrhundert fortwährend von Polen und Dänen verwüstet, erobert und anschließend jeweils wieder neu aufgebaut wurde. Kein Zweifel, der sturmgeschützte Flusshafen spielte eine beträchtliche Rolle im Ostseehandel. Ein eindrucksvolles Modell der historischen Ansiedlung und zahlreiche archäologische Funde im kleinen Regionalmuseum neben dem Woliner Rathaus dokumentieren die aufregende Vergangenheit. Dennoch wäre das Interesse daran eher gering, hätte man hier nicht die Legende von „Vineta“. (...)
Jetzt spielt Wolin keine Rolle mehr. Es liegt zwar an der Straße und der Eisenbahnstrecke von Stettin nach Swinoujscie, dem einst preußischen Swinemünde. Bis dahin sind es aber gerade noch 28 Kilometer, und bloß 18 Kilometer entfernt dehnt sich Polens beliebtestes Seebad am puderfeinen Sandstrand aus, Miedzyzdroje, das bis 1945 deutsche Misdroy. Es darf sich einer besonders malerischen Lage rühmen, denn die Gletscher der letzten nordeuropäischen Eiszeit schoben dort bis über hundert Meter hohe Lehmhügel und Dünen zusammen, auf denen tiefe Wälder mit Buchen, Eichen, Kiefern und Birken Wurzeln schlugen. Lange galt es als die „Badewanne der Berliner“, denn als man noch mit der Bahn in Urlaub reiste, war es für sie das beinahe nächstgelegene Ferienziel am Meer. (...)
200000 bis 300000 Urlauber kommen im Jahr in die 6800 Einwohner kleine Stadt, davon jedoch bestenfalls zehn Prozent aus dem Ausland. Noch umweht ein ungewohnter Hauch von Großmutters behäbiger Sommerfrische den kilometerlangen Strand." - Noch einige Fotos:
"Crouched in the stern of a Viking longship, I feel remarkably unprepared. The shirtless, helmeted raiders rowing us at full speed up the Dziwna River are all heavily armed. Even the full-bearded captain standing at the rudder swearing profusely in Polish has a huge knife hanging from his belt. What am I doing heading into a sea battle armed with nothing but a notebook and a camera?
At least I can be reasonably confident we won't sink. As we bear down on our prey--a wooden fishing boat incongruously packed with more armed warriors--the hull of the ship cuts through the water the way it would have 1,000 years ago. We are aboard a copy of a Viking raiding vessel, Skuldelev V, built to explore the construction techniques of these legendary seafarers. As we close in on the smaller vessel, the men aboard begin beating their swords against the hull of their craft, forcing the captain to swear even louder. Finally, the two boats clash. Men swarm from boat to boat, swinging axes and swords. Sailors with knives clenched in their teeth dive overboard. There is shouting and more swearing. In the end, we win--I think. ..."
(Übersetzung:) "So wie ich hier im Heck eines Wikinger-Langschiffes hocke, fühle ich mich bemerkenswert unvorbereitet. Die hemdlosen, behelmten Angreifer, die uns mit voller Geschwindigkeit den Dievenow-Fluß hinaufrudern, sind alle schwer bewaffnet. Selbst dem vollbärtigen Kapitän, der am Ruder steht und verschwenderisch polnisch flucht, baumelt ein riesiges Messer am Gürtel. Was mache ich hier eigentlich? Ich fahre doch hier wohl nicht in eine Seeschlacht mit nichts als einem Notizbuch und einer Kamera bewaffnet?
Aber vernünftigerweise kann ich wohl darauf vertrauen, daß wir nicht untergehen werden. Während wir uns auf unsere Beute stürzen - ein hölzernes Fischerboot, unpassenderweise vollgepackt mit noch mehr bewaffneten Kriegern - schneidet der Kiel unseres Schiffes seinen Weg durch das Wasser wie er es vor tausend Jahren getan hätte. Wir sind an Bord eines Nachbaus eines Wikinger-Kriegsschiffes, Skuldelev V, gebaut, um die Konstruktions-Techniken dieser legendären Seefahrer zu erforschen. Als wir dem kleineren Gefährt näher kommen, fangen die Männer an Bord an, ihre Schwerter gegen die Bordwand zu schlagen, wodurch sie ihren Kapitän veranlassen, nur noch lauter zu fluchen. Schließlich prallen die beiden Boote aufeinander. Männer springen von Boot zu Boot, schwingen ihre Äxte und Schwerter. Seefahrer mit Messern zwischen den Zähnen stürzen über Bord. Überall Schreien und noch mehr Fluchen. Am Ende gewinnen wir - glaube ich ..."
Worüber berichtet der da? Alles so seltsam bekannt und so seltsam unbekannt ... Genaueres Lesen und Recherchieren läßt schließlich klar werden: Es handelt sich um einen Bericht über ein Mittelalter-Festival an der Odermündung in der Nähe der Stadt Wollin am Dievenow-Fluß (= Dzwina), einem der Seitenarme, in die sich die Oder verzweigt. Hier wird von Archäologen eine frühere Wikinger-Burg, die Jomsburg, vermutet. Liest man in einem deutschen Zeitungsbericht darüber weiter, wird man an viele Dinge erinnert. Nicht nur an die Wikinger, sondern auch an eine frühere deutsche Urlaubsregion:
"Auf einer Schwemminsel im Flüsschen gleich vor Wolin stehen die Zelte, harren ungesattelte Pferde ihrer Reiter. Hohe Wolken treiben über den Himmel. Vor Strohscheiben üben Bogenschützen. Bernstein und Fibeln aus Silberdraht werden feilgehalten. Am Ufer liegen Boote mit geschwungenem Steven, warten auf das nächste Wettrudern.
Das Gewässer heißt Dziwna. Sie trollt sich als östlichster und bescheidenster der drei Mündungsarme der Oder gemächlich vom Stettiner Haff zur Ostsee – gemeinsam mit dem mittleren, der kanalisierten Swina, grenzt sie die Insel Wolin (einst Wollin geschrieben) auf ihrer Westseite von der Insel Usedom und im Osten vom pommerschen Festland ab." (Siehe Karte - hier: Dievenow.) "Über die Dziwna wurde schnell eine Pontonbrücke zum Lager geschlagen. Die als Wikinger verkleideten Polen, Schweden, Dänen und Deutschen treffen sich hier auch nur vorübergehend, und zwar zum „Festiwal Wiking=F3w Jomsborg-Wolin“, das der Ort allsommerlich mit großer Begeisterung ausrichtet."
Bei den Polen hat es ja immer schon ein großes Geschichtsbewußtsein und Geschichtsinteresse gegeben. So wurden ja beispielsweise auch die Marienburg an der Weichsel und die Altstadt von Danzig historisch getreu wieder aufgebaut. Nun also auch ein Mittelalter-Festival.
Im Bericht heißt es weiter: "Dafür hat Wolin triftige Gründe: Genau hier am Ufer breitete sich bereits im 9. Jahrhundert eine blühende Handelsstadt mit befestigter Burg aus, in der Slawen lebten und ebenso zugewanderte Wikinger. Der Platz hieß Jumne oder Jomsborg, zählte über 6000 Einwohner, besaß lange Kais aus Eichenpfählen. Jeder wollte ihn haben, weshalb er im 10. und 11. Jahrhundert fortwährend von Polen und Dänen verwüstet, erobert und anschließend jeweils wieder neu aufgebaut wurde. Kein Zweifel, der sturmgeschützte Flusshafen spielte eine beträchtliche Rolle im Ostseehandel. Ein eindrucksvolles Modell der historischen Ansiedlung und zahlreiche archäologische Funde im kleinen Regionalmuseum neben dem Woliner Rathaus dokumentieren die aufregende Vergangenheit. Dennoch wäre das Interesse daran eher gering, hätte man hier nicht die Legende von „Vineta“. (...)
Jetzt spielt Wolin keine Rolle mehr. Es liegt zwar an der Straße und der Eisenbahnstrecke von Stettin nach Swinoujscie, dem einst preußischen Swinemünde. Bis dahin sind es aber gerade noch 28 Kilometer, und bloß 18 Kilometer entfernt dehnt sich Polens beliebtestes Seebad am puderfeinen Sandstrand aus, Miedzyzdroje, das bis 1945 deutsche Misdroy. Es darf sich einer besonders malerischen Lage rühmen, denn die Gletscher der letzten nordeuropäischen Eiszeit schoben dort bis über hundert Meter hohe Lehmhügel und Dünen zusammen, auf denen tiefe Wälder mit Buchen, Eichen, Kiefern und Birken Wurzeln schlugen. Lange galt es als die „Badewanne der Berliner“, denn als man noch mit der Bahn in Urlaub reiste, war es für sie das beinahe nächstgelegene Ferienziel am Meer. (...)
200000 bis 300000 Urlauber kommen im Jahr in die 6800 Einwohner kleine Stadt, davon jedoch bestenfalls zehn Prozent aus dem Ausland. Noch umweht ein ungewohnter Hauch von Großmutters behäbiger Sommerfrische den kilometerlangen Strand." - Noch einige Fotos: