Mittwoch, 13. Februar 2008

"Volk vergiß sie nicht - Volk - vergiß nicht die Toten"

Kassel - Gedenkstätte für die gefallenen Soldaten beider Weltkriege

Dokumentation - Ein Beitrag zur "Kultur-Digitalisierung"

Wenn man in Kassel, dem Sitz des "Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge", der so wertvolle Arbeit leistet, im Stadtzentrum am Rande der Karlsaue herumwandert, kann man inmitten der Gebäude-Ensemble, die die alljährlichen Veranstaltungen der Ausstellung "Documenta" beherbergen und in unmittelbarer Nähe des Gebrüder Grimm-Museums auf eine recht umfangreiche Gedenkstätte für die deutschen Gefallenen beider Weltkriege stoßen.

Diese Erinnerungsstätte wurde im Jahr 1922 von dem damaligen "Kurhessischen Kriegerbund" errichtet. Diesen "Kriegerbund" scheint es heute - zufolge von Netzrecherchen - nicht mehr zu geben, auch keine Nachfolge-Organisation. Das Weltnetz ist überhaupt sehr wenig auskunftfreundlich, was diese Gedenkstätte betrifft. Und dem geringen öffentlichen Interesse entsprechend befindet sich diese Gedenkstätte auch in einem vergleichsweise verwahrlosten Zustand. Viele Inschriften sind gar nicht mehr zu entziffern.

Beispiel für eine nicht mehr zu entziffernde Tafel

Sozialdemokraten nach 1918 und "Heldenverehrung"

Diese Gedenkstätte wurde von dem der Sozialdemokratie nahestehenden Bildhauer Hans Sautter gestaltet, der ein Gegner der Nationalsozialisten war, und der auch die nahegelegene, bekanntere "Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus" nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltet hat. In einem Reisebericht erfährt man über diese Gedenkstätte:
... Die nächste Station war das Ehrenmal für die Gefallenen des 1. und 2. Weltkrieges in der Karlsaue. Nach dem 1. Weltkrieg hat der Kurhessische Kriegerbund in Kassel nach einer Möglichkeit gesucht, den Gefallenen eine Gedenkstätte zu errichten. Die Entscheidung, einen verfallenen, barocken Terrassengarten in ein Ehrenmal umzuwandeln, wurde von (dem Bildhauer) Professor (Hans) Sautter herbeigeführt. In der Anlage aus doppelarmigen Treppen, Stützmauern und Terrassen wurden Gedenktafeln angebracht, auf denen die entsprechenden Regimenter genannt werden. Auf diesen Tafeln steht die Verherrlichung des Kriegstodes im Vordergrund. Seit 1985 gibt es dort auch eine Gedenktafel, die an die Deserteure des 2. Weltkrieges erinnert.
(Gedenkstaette-Breitenau.de)
Hans Sautter war Bildhauer und lehrte an der Kunsthochschule Kassel lehrte.


Im folgenden sollen die Texte einiger Gedenktafeln, soweit sie noch entzifferbar sind, sowie einige Fotografien derselben dokumentiert werden. Aus diesen Gedenktafeln spricht ein Geist, der für den Tod vieler Millionen von Menschen verantwortlich gemacht wird.

Unsern
unsterblichen Helden

Namur Masuren 1914
Polen Galizien Bug
Styr 1915 Kurland Galizien
Siebenbürgen 1916 Karpaten 1917 Cotes Loraines Somme Maas 1918

15 Offiziere ... Unteroff. u. Mannschaften
fielen für Heimat und
Vaterland
in den Reihen des
2. Kurhessischen Feld
Art.-Regiments Nr. 47

Volk vergiß sie nicht
Volk
vergiß nicht die Toten

*

Im Kampfe um Bestand und ... des Vaterlandes
starben in treuer Pflichterfüllung den Heldentod
24 Offiziere 28 Unteroff. 192 Mannschaften vom
Husaren-Regiment
Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg
1914 - 1918

*

Fürs Vaterland starben
35 Offiziere 270 Unteroff. und Dragoner vom
Dragoner-Regiment
...

*


20. Inf.Div. mot.
nach ihrem Untergang im
Kessel von Stalingrad neu aufgestellt
20. Pz.Gren.Div.
Euch Kameraden, Euch
... die ihr nicht
heimkehrtet, Treue und Dank

Dauerndes Gedenken
den Unsern
1914 - 1918, 1939 - 1945
2. Thür. Inf. Regt. Nr. 32

1. Ober-elsässisches
Infanterie-Regiment Nr. 167
1914 - 1918
Den Heldentod starben auf den
Schlachtfeldern in Belgien, Ostpreußen
Polen, Rußland, Galizien, Frankreich
51 Offiziere, 2209 Unteroffiziere
und Mannschaften

Inf. Regiment Nr. 82
und Tochterverbände

Den für Deutschlands
Ruhm und Ehre
gefallenen Helden
zum Gedächtnis

1914 - 1918

Ost- und Westfront
Belgien, Ostpreußen
Polen, Rußland am Styr,
Ostgalizien am Sereth, Verdun
an der Seille, Emenil, Münster,
Hechtal, Laon la Fere, Chemin de Dames,
Oberelsaß, Combres Höhe Cambrai

Ich
hatt einen Kameraden
einen bessern
findst du nicht.

*

Die mit uns stritten
den Tod erlitten
vergessen wir nicht.

*

Für Deutschlands gerechte Sache kämpften und starben ...

Reserve
Feldartillerie
Regiment Nr. 57
176 Tote
Winterschlacht Masuren
Narotschsee / Toboiy
Arras / Zloczwo
Merville / Vesle
Chemin de Dames
Montdidier
Somme

Unserer Heimat das Recht
und der Väter Sitte zu wahren
hielten wir treulich die Wacht
bis uns das Auge erlosch

*

Ihr habt
einen guten
Kampf gekämpft

Feldartillerie
Regiment
248

*

Im Glauben an Deutschlands gerechte Sache, im festen Vertrauen
...

Deutschland muß leben und wenn wir sterben müssen.
Zum Gedenken an die im Weltkriege für das
Vaterland auf allen
Kriegsschauplätzen
gefallenen
Offiziere ...
und Mannschaften
der
Kriegsschule Kassel

*

Den unbesiegten Toten der Eisenbahner-Kriegsteilnehmer
1914 - 1918
in Treue und festem Zukunftsglauben.
Aus eurem Blut wird unsre Freiheit sprießen.

Armee hinter Stacheldraht *)
1914 - 1921

396 Söhne der Stadt Kassel
starben als deutsche Soldaten
in Kriegsgefangenschaft
in allen Erdteilen der Welt
den Heldentod für ihr Vaterland.

Reichsvereinigung ehemaliger
Kriegsgef. e.V. Ortsgruppe Kassel

1939 IR GD
1942 PzGrenDiv GD
1944 Panzerkorps Großdeutschland

Es ward gespannt
ein einig Band
um alles deutsche Land. (?)

*

PzGrenDiv
Brandenburg

PzGrenDiv
Kurmark

Einsatzbataillone

*

Unsere gefallenen und vermißten Kameraden 1939 - 1943
die 255. Inf.Division

Uns war gegeben
Auf keiner Stätte zu ruhen
Es fielen ... (?)
Blindlings von einer Stunde zur andern
wie Wasser
von Klippe zu Klippe geworfen
Jahrlang ins Ungewisse hinab
in das Tal - zur Heerschar der Gefallenen. ²)

1939 - 1945
87. Inf.Division

Unseren Kameraden in Treue und Dankbarkeit

Seinen gefallenen Kameraden
1. Oberrhein. Infanterie Regiment Nr. 9

Furchtlos und treu

Diese Gedenkstätte wird von den wenigsten Besuchern der Kunst-Ausstellung "Documenta" jemals beachtet worden sein, noch wird sie vielen der sonstigen Besucher und (jüngeren) Bewohner Kassels selbst jemals auch nur aufgefallen sein. Obwohl sie in ganz zentraler Lage an der "Schönen Aussicht" Kassels lokalisiert ist, liegt sie - ganz offenbar - im Schatten des öffentlichen Interesses der Stadt.

Unter allen Gedenkstätten, die in der Stadt Kassel an die Schicksale des 20. Jahrhunderts erinnern und an sie mahnen, an die Kriegstoten, an die Verfolgten und an die Ermordeten, an die Bombenopfer, sowohl unter Menschen wie unter Tieren, ist diese Gedenkstätte die älteste.
"... an der Schönen Aussicht für die umgekommenen Soldaten beider Weltkriege; darunter eine Gedenktafel für die, die den Kriegsdienst für die NS-Gewaltherrschaft verweigerten." (Kassel.de)
So lautet die knapp gehaltene Auskunft auf den offiziellen Netzseiten der Stadt Kassel. Diese erwähnen die jüngste 1985 hier angebrachte Gedenktafel (siehe Bild).

In dem vorliegenden Beitrag sind etwa die Hälfte aller Gedenktafeln wenigstens auszugsweise zitiert.

Es ist zu wünschen, dass die Stadt Kassel diese Gedenkstätte als Zeugnis einer vergangenen Epoche den Besuchern in einer Informationstafel erläutert und dann auch denkmalpflegerisch für einen angemessenen Erhaltungszustand derselben sorgt. Vor dem Hintergrund einer solchen Gedenkstätte erhält man zum Beispiel - möglicherweise! - ein etwas geschärftes Bewusstsein für unseren derzeitigen Umgang mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Zum Beispiel kann man sich auch die Frage stellen, ob wir heute mit so viel Liebe auf diese Soldaten und ihr Leiden schauen**), wie sie doch aus fast jeder dieser Tafeln spricht. Die Aufmerksamkeit, Liebe und Verbundenheit sind nämlich ein Charakterzug dieser Tafeln für sich, der möglicherweise auch gültig bleibt, wenn die Heldenverehrung abgezogen worden ist.

_____________

*) Buchtitel eines in den 1920er Jahren viel gelesenen Erlebnisberichtes des Schriftstellers und Kriegsteilnehmers Edwin Erich Dwinger.

**) natürlich gemeint: auf die Menschen unter diesen Uniformen - nicht auf den Beruf des Soldaten an sich
²) Sehr frei nach dem Gedicht von Friedrich Hölderlin "Hyperions Schicksalslied"

2 Kommentare:

renko hat gesagt…

Gott sei dank haben viele Leute hinzugelernt und schauen nicht mehr "mit so viel Liebe auf die Soldaten". Die Leute vom Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge wird man vergebens bei einer Antikriegsdemo sehen. Aus gutem Grund.

Ingo Bading hat gesagt…

Verstehe den Kommentar nicht. Die Volksbund IST eine Antikriegesdemo in jeder Minute seiner Tätigkeit. Auch verstehe ich nicht, warum nicht Mitarbeiter und Förderer des Volksbundes auf einer Antikriegsdemo zu sehen sein sollten. Ich war längere Zeit Förderer und war schon auf vielen Antikriegsdemos.

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