Statistische Daten zu Menschen, die einen „anthroposophischen Lebensstil“ leben, machen auf einen Fall aufmerksam, der in der "Evolutionären Religionswissenschaft" und in der Religionsdemographie noch nicht erforscht worden ist: Überdurchschnittliche Geburtenrate bei gleichzeitiger überdurchschnittlicher Konfessionslosigkeit. An diesem ersten exemplarischen Fall wird aufgezeigt, dass auch Konfessionslose mit moderner, philosophisch und naturwissenschaftlich zumindest partiell aufgeklärter Religiosität - insofern ihr Lebensstil in eine solche Gemeinschaftsbildung eingebettet ist, wie sie der "anthroposophische Lebensstil" aufweist - zur Erhöhung von Geburtenraten und offenbar auch zur Erhöhung von gesellschaftlicher Solidarität beitragen können.
AbstractScientific data about people following an "anthroposophic lifestyle" show that new forms of religiosity developed mainly in the 20th century are able to enhance social solidarity and birth rates of people, also of those who have left the traditional christian churches.An english version of this article is also available (1).
Einleitung
Die junge Wissenschaftsdisziplin der "Evolutionären Religionswissenschaft", bzw. Religionsbiologie (auch „Religionswissenschaftliche Studien aus evolutionärer Perspektive“ genannt, engl. "Evolutionary Religious Studies" [s. Binghamton]), und darin spezieller die Religionsdemographie hat in den letzten Jahren zahlreiche Erkenntnisfortschritte mit sich gebracht.*) Als einige wesentlichere seien benannt: Religiosität steht in Wechselbeziehung zur Humangenetik und wurzelt in angeborenen Komponenten (2). Religiosität nimmt weltweit ausgeprägter und universeller auf das Fortpflanzungsverhalten von Menschen Einfluss, als jedes andere kulturelle Merkmal. Religiöse, menschliche Gemeinschaften sind kulturell stabiler als nicht-religiöse (3-5). Religiöse Menschen haben mehr Kinder als atheistische (5).
Der Fokus der jungen Disziplin lag zu Anfang auf den traditionellen Großkirchen oder auf jener stammesorientierten Vorgänger-Religion, aus der diese hervorgegangen sind (der jüdischen Religion).
Es existiert derzeit in der wissenschaftlichen Literatur - soweit übersehbar - noch kein wissenschaftlicher Nachweis oder auch nur Hinweis darauf, dass auch moderne, erst im 20. Jahrhundert entstandene Formen von Religiosität eine Erhöhung der Geburtenrate von Menschen mit sich bringen können. Auf diese Thematik macht die vorliegende Studie aufmerksam, indem sie in einem ersten Schritt empirische Daten auswertet zum sogenannten "anthropophischen Lebensstil". Er soll hier als ein erster exemplarischer Fall zumindest partiell "modernerer", im 20. Jahrhundert entstandener Religiosität in dieser Hinsicht behandelt werden.
Dabei ist natürlich gleich einzuschränken, daß der Gründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner (1861-1925) (Wiki), seinen Anhängern sozusagen einen "tollen Mix" aus außerordentlich archaischen Formen von Religiosität verbunden mit moderneren, philosophisch und wissenschaftlich aufgeklärten Formen von Religiosität angeboten hat. Der "anthroposophische Lebensstil" ist aber insgesamt weniger explizit an die eigentlichen Lehren von Rudolf Steiner gebunden, sondern mehrheitlich von diesen heute eher abgekoppelt (siehe unten). Rudolf Steiner war sowohl ein Vertreter des Geistesgutes solcher Christentums-feindlichen Denker wie Friedrich Nietzsche und Johann Wolfgang von Goethe (10), wie er Verehrer von Jesus oder Buddha war. Er steht dabei in der Tradition der theosophischen Bewegung, in der Okkultismus, esoterisches und magisches Denken aller Art blühten, also sehr archaische Formen menschlicher Religiosität und Vergemeinschaftung (etwa: Freimaurerei). Er glaubte an die Reinkarnation und er und seine engsten Anhänger ließen offen, ob er nicht selbst eine Reinkarnation von Buddha, Jesus oder Goethe wäre (oder gar von allen dreien zusammen).
Menschen, die einen „anthroposophischen Lebensstil" leben, finden sich heute vor allem in Westeuropa. Hier insbesondere in Westdeutschland, in den Niederlanden, der Schweiz, Schweden und Großbritannien. Außerdem in Nordamerika und Australien. In Deutschland bilden sie jene gesellschaftliche Gruppierung mit den meisten Privat-Schulen. Hier betreiben sie 200 Waldorf-Schulen mit nicht weniger als 80.000 Schülern.
Abb. 1: "Badging" - Ein gruppenspezifisches Erkennungsmerkmal (Wiki) |
Außerdem betreiben sie Kindergärten. Es gibt anthroposophisch orientierte Ärzte, die gemäß "anthroposophischer Medizin" behandeln. Es gibt Krankenhäuser, Altersheime und Universitäten, die vornehmlich von der gesellschaftlichen Gruppierung der Anthroposophen getragen werden. All das sind deutliche Indikatoren eines überdurchschnittlichen sozialen Engagements und des Gefühls überdurchschnittlicher sozialer Verantwortlichkeit und Solidarität, die mit einem solchen Lebensstil verbunden zu sein scheinen. Es ist sozusagen eine eigene Infrastruktur aufgebaut worden, innerhalb sich Menschen, die sich diesem Lebensstil verbunden fühlen, bewegen können und beheimatet fühlen können.
Es handelt sich bei den genannten Bereichen zudem um soziale Lebensbereiche, die evolutionspsychologisch und traditionell immer auch das besondere Interesse von Frauen angesprochen haben und ansprechen. Von Frauen ist bekannt, dass sie sich im Durchschnitt mehr für Religiosität und Spiritualität interessieren als Männer. Dementsprechend befinden sich beispielsweise auch mehr Frauen als Männer unter den Patienten von anthroposophisch orientierten Ärzten. Im Gegensatz dazu ist von Atheisten bekannt, dass Frauen unter ihnen oft nur kleine Minderheiten bilden. In der vor einigen Jahren neu gegründeten Giordano-Bruno-Stiftung etwa machen sie derzeit nur 20 % der Stiftungsmitglieder aus (11, 12). Ähnliches gilt für die atheistische "Brights"-Bewegung in den angloamerikanischen Ländern.
Methoden
Als exemplarisches Beispiel, um moderere Religiosität als demographischen Faktor einschätzen zu können, wird in der vorliegenden Studie wissenschaftliche Literatur über Menschen ausgewertet, die einem "anthroposophischen Lebensstil" folgen.
Menschen, die einen "anthroposophischen Lebensstil" leben, arbeiten, wie schon erwähnt, auch an Universitäten, unter anderem in der medizinischen und in der pädagogischen Forschung. Sie betreiben eigene Forschungsprogramme und wissenschaftliche Journale. Deshalb sind sie auch schon häufig Gegenstand wissenschaftlicher Studien und Meta-Studien geworden, häufiger als viele andere, religiös vielleicht vergleichbare Gruppierungen. So unter anderem in der Medizin und in der Pädagogik (13-19). Es geht in diesen Studien z.B. um die Anerkennung der Effizienz anthroposophischer Medizin durch die Krankenkassen oder um die Folgewirkungen anthroposophischer Pädagogik (19, 20). Auch religionswissenschaftliche Studien zu ihnen liegen vor (10, 21-25).
Ergebnisse
Ein Literatur-Überblick ergibt: Tausende von Menschen, die einen "anthroposophischen Lebensstil" leben, sind in den letzten Jahren Gegenstand von wissenschaftlichen Studien gewesen (13-25).
a. Allgemeines Bild
Menschen, die einen "anthroposophischen Lebensstil" leben, zählen wesentlich mehr Akademiker unter ihre Reihen als die Durchschnittsbevölkerung. Allein lebende Menschen gibt es unter ihnen weniger als in Kontrollgruppen. Waldorf-Schüler haben im Durchschnitt etwas mehr Geschwister als Nicht-Waldorf-Schüler, Familiengröße und Haushaltsgröße liegen leicht über dem Durchschnitt von Kontrollgruppen, bzw. der Durchschnittsbevölkerung. Es gibt weniger Raucher und Übergewichtige unter ihnen.
b. Haltung gegenüber der Lehre von Rudolf Steiner und gegenüber der Waldorf-Pädagogik
1.124 ehemalige Waldorf-Schüler, geboren zwischen den 1930er und den 1970er Jahren, haben im Winter 2004/05 an einer Fragebogen-Erhebung teilgenommen, bei der sie über ihr Leben und Denken befragt worden sind (19 - 21). Die Mehrheit dieser befragten ehemaligen Waldorf-Schüler (60 %) steht der Lehre von Rudolf Steiner indifferent oder ablehnend gegenüber. Nur eine Minderheit steht ihr positiv gegenüber. Aber 80 % von ihnen würden wieder auf eine Waldorf-Schule gehen. – Hier deutet sich eine für diese Gruppierung sehr typische hohe Identifikation mit praktischen Anwendungen ihrer zugrundeliegenden Lehre an, nicht aber mit der Lehre selbst. Es ist aber davon auszugehen, dass ein "innerer Kern" von Anhängern der Lehre von Rudolf Steiner existiert, der die Existenz, den Zusammenhalt und das zahlenmäßige Wachstum dieser gesellschaftlichen Gruppierung in den letzten 80 Jahren stabilisiert hat.
c. Politische Orientierung
Die Hälfte der erwähnten 1.124 ehemaligen Waldorf-Schüler sympathisieren mit politischen Parteien. Von dieser Hälfte sympathisiert wiederum die Hälfte mit der Partei "Bündnis 90/Die Grünen". Die Hälfte der anderen mit politischen Parteien sympathisierenden ehemaligen Waldorf-Schüler nennen die SPD als jene Partei, mit der sie sympathisieren.
d. Geburtenrate
Von den befragten 1.124 ehemaligen Waldorf-Schülern hatten 692 Kinder (61 %) und 352 (noch) keine (30 %). 50 % von ihnen waren unter 37 Jahre alt, viele werden also künftig noch Kinder bekommen. 253 waren zwischen 64 und 68 Jahre alt und hatten durchschnittlich 2,2 Kinder pro Person. 236 waren zwischen 50 und 64 Jahre alt und hatten 2,0 Kinder pro Person. 542 waren zwischen 30 und 37 Jahre alt und hatten 0,9 Kinder pro Person (20, S. 6). Wenn diese 542 am Ende ihres Lebens doppelt so viele Kinder haben wie zum Zeitpunkt der Studie, was nicht sehr unwahrscheinlich sein dürfte, dann werden sie durchschnittlich 1,8 Kinder pro Person haben. Die Gruppe insgesamt hat dann – über die drei letzten Generationen hinweg - eine Geburtenrate von 1,9 Kindern pro Person. (26) All diese Werte liegen deutlich über der gegenwärtigen durchschnittlichen Geburtenrate in Deutschland, die bekanntlich 1,3 Kinder pro Frau beträgt.
e. Konfessionszugehörigkeit
In Westdeutschland waren im Jahr 2004
19 % der Menschen nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft und 74 % Mitglied einer christlichen Kirche.
32 % der Menschen konfessionslos und 65 % Kirchenmitglieder,
da es in den ehemaligen atheistischen neuen Bundesländern schon seit Jahrzehnten
70 % Konfessionslose und nur 27 % Kirchenmitglieder gibt.)
Von den 1.124 befragten ehemaligen Waldorf-Schülern (die alle in Westdeutschland aufgewachsen sind), waren
43 % nicht Mitglied einer Kirche oder Religionsgemeinschaft und 57 % waren Mitglied einer Kirche oder Religionsgemeinschaft.
Die Nichtkirchlichkeits-Rate der ehemaligen Waldorf-Schüler ist also mehr als doppelt so hoch wie die Nichtkirchlichkeits-Rate der mit ihnen zu vergleichenden Durchschnittsbevölkerung in Westdeutschland. Überdurchschnittliche Nichtkirchlichkeits-Raten finden sich bei ihnen schon in den älteren, in den 1930er Jahren geborenen Jahrgängen. In den jüngeren Jahrgängen werden sie noch ausgeprägter.
Somit liegt ein Fall vor, der noch wenig oder gar nicht in "Religionswissenschaftlichen Studien aus evolutionärer Perspektive" ("Evolutionary Religious Studies") thematisiert und erforscht worden ist: Überdurchschnittliche Geburtenrate bei gleichzeitig (gegenüber dem Durchschnitt) doppelt so häufiger Konfessionslosigkeit.
f. Beruht der gesamtdemographische Effekt vorwiegend auf den konfessionell Gebundenen?
Im folgenden ist noch kritisch die Frage zu überprüfen, ob die Geburtenrate der kirchlich Gebundenen unter den ehemaligen Waldorf-Schülern so stark überdurchschnittlich ist, dass eine Geburtenrate der Konfessionslosen unter ihnen, die mit der Geburtenrate sonstiger Konfessionsloser in Deutschland übereinstimmen könnte, "verdeckt" sein könnte. Jedoch scheint auch dies nicht in besonders ausgeprägtem Maße der Fall zu sein. Dies soll anhand der weiteren Daten gezeigt werden.
Von den 57 % Mitgliedern einer Kirche oder Religionsgemeinschaft unter den befragten 1.124 ehemaligen Waldorf-Schülern befanden sich:
55 % Mitglieder protestantischer Kirchen,17 % Mitglieder der katholischen Kirche,
17 % Mitglieder der anthroposophischen "Christengemeinschaft" (gegründet 1922 zusammen mit Rudolf Steiner, ohne dass dieser selbst Mitglied wurde; nicht anerkannt von den offiziellen christlichen Kirchen in Deutschland),
10 % Mitglieder der jüdischen, buddhistischen und anderer Religionsgemeinschaften.
In den letzten Jahrzehnten hat es dabei einen Anstieg des zahlenmäßigen Anteils der Mitglieder der katholischen Kirche gegeben (jüngste Jahrgangsgruppe: 27 %) und einen Rückgang des zahlenmäßigen Anteils der "Christengemeinschaft" (jüngste Jahrgangsgruppe: 12 %).
g. Kirchenzugehörigkeit und positive Einstellung gegenüber der Lehre von Rudolf Steiner als demographisch vorteilhafte Faktoren
Es scheint keine ausgeprägten Unterschiede in der Identifikation mit der Lehre von Rudolf Steiner zu geben zwischen Kirchenmitgliedern und Konfessionslosen unter den ehemaligen Waldorf-Schülern. Nur Mitglieder der "Christengemeinschaft" weisen eine auffällig höhere Identifikation mit der Lehre von Rudolf Steiner auf.
Von den 692 befragten ehemaligen Waldorf-Schülern mit Kindern waren 60 % Kirchenmitglieder und 40 % konfessionslos. Von den 352 befragten ehemaligen Waldorf-Schülern ohne Kinder waren 50 % Kirchenmitglieder und 50 % konfessionslos (20, S. 193). Leider erlauben es die bisher veröffentlichten Daten nicht, danach zu fragen, ob es unter den Konfessionslosen - bspw. - mehr Eltern mit Einzelkindern gibt als unter den Kirchenmitgliedern und ob - bspw. - "Christengemeinschafts"-Mitglieder deutlich stärker zu Mehrkind-Familien neigen als andere Gruppierungen. Durch solche Daten könnten die bislang schon aufzeigbaren Unterschiede, was Korrelation zwischen Elternschaft und Kirchenzugehörigkeit betrifft, noch prononcierter hervortreten. Gegenwärtig kann dazu aber nichts gesagt werden.
Von den 692 befragten ehemaligen Waldorf-Schülern mit Kindern standen 43 % der Lehre von Rudolf Steiner positiv gegenüber und 56 % nicht. Von den 352 befragten ehemaligen Waldorf-Schülern ohne Kinder standen 34 % der Lehre von Rudolf Steiner positiv gegenüber und 65 % nicht.
Das heißt: Sowohl Kirchenzugehörigkeit wie positive Einstellung gegenüber der Philosophie von Rudolf Steiner haben positive Effekte auf die Geburtenrate. Aber Kirchenzugehörigkeit hat immer noch mehr positive Effekte als die positive Einstellung gegenüber der Philosophie von Rudolf Steiner.
h. Religiöse Orientierung im allgemeinen Sinn
Auf den Satz „Der Gedanke an eine höhere kosmische Ordnung gibt mir Sinn und Orientierung in meinem Leben." antworteten im Fragebogen von den befragten 1.124 ehemaligen Waldorf-Schülern 58 % mit "Ja".
Diskussion
Die Geburtenrate von Kirchenmitgliedern unter den ehemaligen Waldorf-Schülern liegt über derjenigen von Kirchenmitgliedern unter ehemaligen Nicht-Waldorf-Schülern, und ist ebenso überdurchschnittlich bezogen auf die Gesamt-Geburtenrate in Deutschland. (Für Mitglieder der "Christengemeinschaft" könnten noch deutlich höhere überdurchschnittliche Geburtenzahlen angenommen werden.)
Jenes Ergebnis jedoch, das am meisten überrascht, ist das bezüglich der Konfessionslosen unter den ehemaligen Waldorf-Schülern. Sie scheinen nach den bisher veröffentlichten Zahlen eine Geburtenrate zu haben, die nur wenig unter der von kirchlich gebundenen ehemaligen Waldorf-Schülern liegt, und die damit ebenfalls nicht nur deutlich über der Geburtenrate von Konfessionslosen in der Normalbevölkerung liegt, sondern auch gegenüber der durchschnittlichen Geburtenrate von konfessionell Gebundenen unter der Normalbevölkerung.
Anders ausgedrückt: Die überdurchschnittliche Geburtenrate von anthroposophisch orientierten Menschen kann bei einem überdurchschnittlichen Anteil von Konfessionslosen unter ihnen nicht allein auf einer überdurchschnittlichen Geburtenrate der konfessionell Gebundenen unter ihnen beruhen, zumal die anteilmäßigen Unterschiede zwischen denen, die Kinder haben, zu denen die keine haben, in Bezug auf konfessionelle Einordnung nur um 10 % unterschieden sind, und zumal auch nur allein schon eine positive Einstellung zur Lehre von Rudolf Steiner positive Auswirkung auf die Geburtenrate hat.
Religionswissenschaftler Michael Ebertz hat die Befragung der ehemaligen Waldorf-Schüler auf ihre religiösen Aspekte hin ausgewertet. Seine Interpretation der Ergebnisse geht in die Richtung, dass er sagt (21), dass moderne Menschen zweierlei Formen von Religiosität kennen und leben (27). Die eine ist die institutionalisierte: Menschen sind Mitglieder von Kirchen. Die andere ist die so genannte „universelle Religion“ in dem Sinne des abgefragten „Glaubens an eine höhere kosmische Ordnung“. Er nennt letztere Form der Religiosität auch eine "vitalistische" Weltsicht, vielleicht in der geistigen Nähe von Ernst Haeckel's "Monismus" angesiedelt. Und Ebertz vermutet, dass die ältere Form der Religiosität (die institutionalisierte) heute oft überlagert ist von der zweiten Form der Religiosität, die sich in vielerlei Hinsicht von der ersten Form unterscheidet. Und die hier präsentierten Daten zeigen, dass offenbar auch diese zweite Form der Religiosität im Prinzip Auswirkungen hinsichtlich einer positiven Beeinflussung der Geburtenrate haben kann, zumal in einem solchen sozialen Umfeld, "Setting" wie desjenigen eines „anthroposophischen Lebensstils“.
Es könnte wichtig sein, auf den Umstand hinzuweisen, dass im Prinzip auch solche Formen von Religiosität wie sie etwa von Albert Einstein vertreten worden sind - und denen auch Atheisten wie Richard Dawkins aufgeschlossen gegenüber stehen (28) -, dass solche Formen von Religiosität im Prinzip auch künftig dazu befähigt sein können, solche "reproduktiven Regime" zu etablieren, wie sie notwendig sind, wenn das demographische - und damit kulturelle - Überleben der westlichen Welt und aller seiner emanzipatorischen Werte sichergestellt sein soll.
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