Dienstag, 13. Februar 2007

Durch Gesang sein Revier verteidigen

Was für ein schöner Gedanke, daß Vögel durch Gesang ihr Revier verteidigen. Man stelle sich einmal vor, (menschliche) Staaten, Völker und Volksgruppen würden durch Gesang ihr "Revier", ihr Territorium verteidigen (können). Dann wäre - wahrscheinlich - eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte angebrochen. Warum also immer und ausschließlich zu den (gewalttätigen) Schimpansen schauen, wenn es um die evolutionären Wurzeln des Territorialverhaltens des Menschen und seiner Gruppen geht? So schreibt heute (13.2.07) Kerstin Viering in der "Berliner Zeitung":

So richtig nach Winter klingt das nicht mehr. Amseln und Meisen scheinen sich in diesen Tagen schon auf Partnersuche und Fortpflanzung eingestellt zu haben und zwitschern in den höchsten Tönen. Sogar eine Feldlerche hat Markus Nipkow vom Naturschutzbund Deutschland schon gehört. Dabei kehren diese Vögel normalerweise erst Ende Februar oder Anfang März aus ihren Winterquartieren am Mittelmeer zurück. Haben die milden Temperaturen die Vogelwelt aus dem Konzept gebracht? "Nicht jeder Gesang im Winter ist ungewöhnlich", sagt Nipkow. Bei Rotkehlchen etwa ist es üblich, auch in der kalten Jahreszeit ein Revier zu verteidigen. Da brauchen sie ihr Gezwitscher, um möglichen Rivalen Respekt einzuflößen. ...

- Oder sollte das etwa auch in Beziehung gesetzt werden können zu der These, daß Sprachevolution Humanevolution gewesen ist und ist (siehe zum Beispiel der britische Anthropologe Robin Dunbar in seinem Buch "Klatsch und Tratsch")? Vielleicht stellt ja menschlicher Gesang, menschliche Tratscherei, menschliches Kulturleben und seine Äußerungen, seine Reichhaltigkeit und Buntheit tatsächlich einen Faktor dar, der andere menschliche Gruppen davon abhält, das Kulturleben dieser Gruppe zu beeinträchtigen? Man denke etwa an die "singende Revolution" des lettischen Volkes vor einigen Jahren (1987 - 1992). Vielleicht flößt die Kultur eines Volkes, eines Volksstammes ja bei einem anderen Volk oder Volksstamm (und seinen regierenden Kreisen) tatsächlich ab und an auch einmal Respekt ein gegenüber dem Leben und der kulturellen Entfaltung derselben?

Es ist wahrscheinlich sowieso gefährlich, von den deprimierendsten menschlichen politischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts GAR zu allgemeingültig auf andere Epochen der Humanevolution der Vergangenheit und Zukunft zu schließen und ganz andere Formen, Möglichkeiten und Wege von Humanevolution dabei ganz unberücksichtigt zu lassen.

Auch an die alten "männlichen-festen, trotzigen" Kirchenlieder könnte man sich erinnert fühlen, beispielsweise an Luthers "Eine feste Burg ist unser Gott". Oder auch Protestlieder gesellschaftlicher Bewegungen am Ende des 20. Jahrhunderts. Lieder also, die zum trotzigen Ausharren auffordern, zum Festhalten an für wertvoll erkannten kulturellen Gütern oder Standpunkten, wie "ernst er's jetzt (auch) meint", der "altböse Feind". Man singt sich dadurch ja auch Mut zu - so wie das kleine Rotkehlchen im tiefsten Winter.

Auf dem Wikipedia-Eintrag zu Luthers Lied heißt es, daß Heinrich Heine Luthers Protestlied als die "Marseillaise der Reformation" bezeichnet hat. Es hat auch wirklich mitreißenden Klang:
... Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib:
laß fahren dahin, sie haben's kein' Gewinn,
das Reich muß uns doch bleiben.


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Aktualisierung - 5.9.2008 hier:

http://studgenpol.blogspot.com/2008/09/durch-gesang-sein-revier-verteidigen-ii.html

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