DIE ZEIT, 15.02.2007 Nr. 08
Schluß mit dem Streit!
Vollzeitmütter und berufstätige Mütter führen einen Kampf um das beste Lebensmodell. Damit werden sie die Familie nicht retten.
Im Augenblick gibt es Streit zwischen Müttern. Zwei Fronten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Auf der einen Seite der Barrikade befinden sich die Vertreterinnen der Vereinbarkeitstheorie. Sie proklamieren die grundsätzliche Vereinbarkeit von Kindern und Karriere und haben seit vielen Jahren eine große Anhängerschaft. Auf der anderen Seite stehen die neuen Apologeten des alten Familienmodells. Sie gehen davon aus, dass eine Vereinbarkeit von Kindern und Karriere strukturell unmöglich ist, und bekommen in der augenblicklichen Krise immer mehr Zulauf. ....
Das Bemerkenswerte an diesem Text ist, daß derzeit offenbar ERSTMALS in Deutschland und der "Zeit" (so weit ich sehe) die "Lebensmodelle" Vollzeitmutter und berufstätige Mutter als gänzlich GLEICHWERTIGE Lebensmodelle behandelt werden. Bislang konnte von einer gleichwertigen gesellschaftlichen Anerkennung des Lebensmodells Vollzeitmutter ja wohl wirklich nicht die Rede sein. Auch nicht in der "Zeit". Und die merkwürdige Ursula von der Leyen, die angeblich einer "konservativ-bewahrenden" Partei angehört, bewegt sich, was diese Dinge betrifft, derzeit in eine gnadenlos merkwürdige Richtung.
Aber nun ist sogar der "Trend" durchzuspüren, daß sich die gesellschaftliche Anerkennung stärker in Richtung Vollzeitmütter-Modell bewegt, daß dies nur noch nicht bei jenen vollständig angekommen ist, die normalerweise über "öffentliche Meinung" Bericht erstatten und sie dadurch auch zu formen versuchen. Wie anders soll man denn sonst den Tonfall von Iris Radisch verstehen?
Dann würde ich nur noch sagen: Arme, arme Ursula von der Leyen.
Wenn es in dem Aufsatz heißt
Die Lehre von den angeblich natürlichen Eigenschaften der Frau ist keineswegs eine, die bereits seit Urzeiten Gültigkeit hätte. Sie ist erfunden worden,
so ist diese Aussage offenbar keineswegs durch biologische Sachkenntnis "getrübt". Es lassen sich ja auch so viel einfacher Gesellschaftsmodelle entwerfen ohne Berücksichtigung der Biologie und der evolutionären Psychologie. Und auch der folgende Satz
Zuvor war die ganztägige Berufstätigkeit der Frau, etwa im Stall und auf dem Acker, die selbstverständlichste Sache der Welt.
Ich möchte DAS bäuerliche Kind kennenlernen, daß das Gefühl hätte oder gehabt hätte, unter Abwesenheit seiner Mutter aufgewachsen zu sein, nur weil sie auch Stall- und Feldarbeit nachgegangen ist. Woher hat Frau Radisch ihre Kenntnisse? Wer selbst auf dem Land aufgewachsen ist, WEISS, daß es keine kinderfreundlicheren Arbeitsverhältnisse gibt, als einen Bauernhof. Deshalb möchte ich es entschieden bestreiten, daß die bäuerliche "Berufswelt", in der Haushalt, Hof und Feldarbeit fließend ineinander übergehen, auch nur in irgendeiner Weise zu vergleichen ist mit den streng separierten Lebenswelten moderner Dienstleistungsgesellschaften - mit "Büros", in denen Kindergeschrei etwas so Ungewöhnliches ist wie Menschen auf dem Mond. - Wiederum so ein außerordentlich schwaches und schlechtes Argument. Gibt es denn wirklich keine besseren, Frau Radisch?
Aber hören wir uns doch einmal dieses "merkwürdig" offene, ehrliche Zitat an, auch ihm ist ein neuer Tonfall, eine neue Ehrlichkeit zu entnehmen:
Der Feminismus hat zwar für die Mütterfrage nie ein Herz gehabt, weil er ursprünglich davon ausging, dass ein erfülltes und emanzipiertes Frauenleben ein kinderloses zu sein hat. Doch hat er sich in einer zweiten Phase und unter dem Druck der Mütter dazu bequemt, von dieser buchstäblich zum Aussterben verurteilten Position abzurücken und dem Vereinbarkeitsideal näherzutreten.
- "Von dieser buchstäblich zum Aussterben verurteilten Position ..."
Den letzten Sätzen ist dann aber allerdings vorbehaltlos zuzustimmen, wodurch deutlich wird, daß sich der Bewußtseinswandel wohl nicht aufhalten läßt:
Die durch Kinder unbehinderte Arbeitszeit der Eltern genießt allgemeine Anerkennung und staatliche Förderung, die durch Arbeit unbehinderte Familienzeit muss noch entdeckt – und geschützt werden. Denn ohne Familienzeit gibt es keine Familien. Und ohne Familien gibt es keine Kinder. Wer alles auf einmal haben will, wird bald gar nichts mehr haben. Nichts außer einer sensationell ausgestatteten Einsamkeit und einem verpassten Leben.
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