Die antiken Griechen - Ein "indogermanisiertes" Volk vornehmlich mediterraner Herkunft
Ein neuer Blick in die Weltgeschichte: Die "Indogermanisierung" der Welt ab 3.000 v. Ztr.
Die antiken Griechen waren kulturell "indogermanisiert" aber sie wiesen nur überraschend wenig indogermanische genetische Herkunft auf:
Acht Prozent.
Dieser Umstand wirft die Frage auf: Ist das Weltgeschichte? - Kleine Dosen Brausepulver mit großer kultureller Wirkung?
Läßt sich dies unter anderem aufzeigen an einem von mehreren weltgeschichtlichen Brausepulvern, in diesem Fall anhand des Brausepulvers mit dem Namen "Indogermanen"?
Auf welchem Wege waren die Indogermanen "Katalysatoren" der Weltgeschichte? Mehr auf kulturellem Weg über bloße kulturelle "Indogermanisierung"? Oder mehr auf genetischem Weg über demographische Ausbreitung (so wie sich der Ackerbau selbst ausgebreitet hat)?
Zu dieser Frage hatte die Wissenschaft seit über 150 Jahren nur sehr verschwommene Vorstellungen. Und diese Frage klärt sich gerade jetzt - mit dem 25. August 2022 - sehr überraschend. Nämlich anhand des "Paradevolkes" der Indogermanen, anhand der antiken Griechen.
Ist mit dieser Erkenntnis nun eine völlig neue Gesetzmäßigkeit für die Weltgeschichte zu formulieren? Nämlich eine, die in die Worte gefaßt werden könnte:
Um so früher die Indogermanen in der Weltgeschichte auftraten, um so weniger hinterließen sie genetische Spuren und riefen dennoch weitreichende weltgeschichtliche Wirkungen hervor, nämlich durch eine kulturelle "Indogermanisierung". Diese könnte vergleichbar sein mit der Art, wie später die antiken Griechen eine kulturelle "Hellenisierung" bewirkten oder wie die antiken Juden eine religiöse Umwälzung bewirkten, die sich mit der Ausbreitung monotheistischer Religionen und der damit verbundenen Ethnogenese zahlreicher neuer Völker ergeben hat. In diesem Sinne sind natürlich auch die antiken Juden als Beispiel für ein weiteres weltgeschichtliches "Brausepulver" zu benennen.Was aber bedeutet das alles für die betroffenen Völker und Kulturen?
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Abb. 1: Kopf der Aphrodite von Knidos, Louvre, Paris / Fotograf. v. Marie-Lan Nguyen (2010) (Wiki) |
Die Griechen der klassischen Antike um 500 v. Ztr. haben die wesentlichsten Grundlagen der Kultur des Abendlandes gelegt (Abb. 1). Sie hatten im Durchschnitt aber nur 8 % indogermanische Steppengenetik in sich getragen.
Nur acht Prozent indogermanische Steppengenetik.Das ist die Kernaussage des vorliegenden Blogartikels. Eine Aussage, die einen umtreiben kann, und die nach neuen geschichtlichen Einordnungen ruft.
Dieses Forschungsergebnis gehört zu jenen, die man auf den ersten Blick überhaupt nicht einordnen kann. Und deshalb auch überhaupt nicht
wirklich glauben möchte. Nur acht Prozent indogermanische Steppengenetik? Bei den Griechen der klassischen Antike?
Letztes Jahr erst hatten wir davon berichtet, daß die Forschung als frühestes Auftreten von indogermanischer "Steppen"-Genetik in Griechenland solche um 2.200 v. Ztr. in Nordgriechenland hat feststellen können (Stugen2021). In den dort gefundenen Menschen war ein 50 %-iger "Steppen-Genetik"-Anteil festgestellt worden. In welchen Anteilen diese Steppen-Genetik sich dann in den folgenden Jahrhunderten in der Region rundum, also in Thrakien, Nord- und Südgriechenland und bis an die levantinische Küste - ausgebreitet hat - und sich dort gehalten hat, das war letztes Jahr noch kaum erahnbar, zumindest nicht in der Konkretheit, in der dies jetzt in Umrissen recht deutlich hervor tritt und konkret wird.
Denn nun zeigt eine neuen Studie in "Science" vom 25. August 2022 (3), daß die antiken Griechen, die mit mancherlei Recht als die Verkörperung indogermanischen Wesens, indogermanischer Geisteshaltung und des indogermanischen Begabungsspektrums angesehen worden sind und angesehen werden, und die sich auch selbst und ihre Götter in der Literatur und Kunst oft als blond (Wiki), hellhaarig und hellhäutig dargestellt haben, daß diese im Durchschnitt nur 8 % indogermanische "Steppen"-Genetik aufgewiesen haben. Nur acht Prozent.
In Attika, im Kernland Griechenlands sogar noch weniger. Und ausgerechnet die Athener der klassischen Zeit hatten genau das schon von sich selbst behauptet: Daß sie in "grauer Vorzeit" weniger Zuwanderung erfahren hätten als viele andere griechische Stadtstaaten rundum (3). Und dieser Acht-Prozent-Anteil findet sich sowohl in mykenischer Zeit in Griechenland wie auch noch in der Zeit der klassischen griechischen Antike. Er findet sich sowohl im Kernland der klassischen griechischen Kultur wie in den weit ausgedehnten griechischen Kolonien. Er findet sich - bislang zwar nur punktuell festgestellt - auch bei den Thrakern im Norden und bei den Philistern an der levantinischen Küste.
Wenn sich das bewahrheiten würde - und alles deutet darauf hin - ist Weltgeschichte in vielen Aspekten ganz neu zu deuten.
Erinnern wir uns auch: In Apulien, im Stiefelabsatz Italiens waren für die Antike letztes Jahr noch 20 bis 40 % indogermanische Steppen-Genetik festgestellt worden (Stgen2021). Auch im sonstigen antiken Italien waren vergleichbare Steppen-Genetik-Anteile festgestellt worden, insbesondere auch für die Römer (Stgen2019). Und in Kerkouane, einer karthagischen Handelsstadt östlich der Cap Bon-Halbinsel in Tunesien sind in einer Studie diesen Jahres für die Eisenzeit ebenfalls 15 bis 20 % Steppen-Herkunft festgestellt worden. Vier von dort sequenzierte Individuen wiesen die Herkunft der neolithischen Bauern des Maghreb auf. Diese bestand aus 70% frühneolithischer Marokko-Herkunft und 30% anatolisch-neolithischer Herkunft ... (5):
Drei Individuen können modelliert werden als welche, die vorwiegend diese Herkunft aufwiesen zusammen it 15 bis 20 % Steppen-Herkunft.Three individuals, R11746, R11755, R11790, can be modeled predominantly with this component, along with the addition of 15 - 20% Steppe-related ancestry.
Man wird also bald sagen können: An allen Mittelmeer-Küsten ist spätestens während der Eisenzeit (womöglich mit den Seevölkern um 1200 v. Ztr.?) mehr Steppen-Genetik angekommen als ausgerechnet im östlichen Mittelmeer-Raum bei den antiken Griechen. Jedes mal, wenn wir uns mit diesem Befund beschäftigen, sind wir erneut erstaunt.
Arge Zahnschmerzen für Gustaf Kossinna
Das sind nämlich für das antike Griechenland auch noch weniger indogermanische "Steppen"-Herkunft als dies die heutigen, modernen Griechen aufweisen, die noch einen weiteren Zufluß dieser indogermanischen "Steppen"-Herkunft durch die Slawen des Frühmittelalter erhalten haben. Wer glaubt da nicht, daß der alte Herr Gustaf Kossinna droben im Himmel das Heulen und Zähneklappern kriegt? Um im Bilde unseres Artikels von 2017 zu bleiben (s. Stgen2017). Daß er droben richtig, richtig, richtig heftige Zahnschmerzen kriegt - ? Er, der so wild und ungestüm herum gehopst war ob "Kossinna's smile" vor fünf Jahren (s. Stgen2017). Und jetzt weist das Paradevolk der Indogermanen nur 8 % eigentliche indogermanische Steppen-Genetik auf. Wie soll das jemand verdauen und noch bei gesunden Sinnen bleiben können, wenn er einen Namen trägt wie Gustaf Kossinna?
Wie will man so unerwartete Erkenntnisse den bisherigen vagen - oder auch sehr konkreten - Auffassungen von dieser antik-griechischen Kultur - wie sie sich seit der Entstehung der anthropologischen Wissenschaften Ende des 19. Jahrhunderts heraus gebildet hatten - was ihre genetische Herkunft und ihre genetischen Ursprünge betrifft, zuordnen? Wo bleiben nun all die vielen Theorien über die angebliche weltgeschichtliche Bedeutung der blonden, nordischen Herren-Rasse?
Herr Gustaf Kossinna, den wir vor fünf Jahren hier auf dem Blog so fröhlich droben im Himmel hatten lachen, tanzen und hopsen sehen - er hat so dolle Zahnschmerzen wie er es noch niemals hatte. (Soweit Zahnschmerzen und Nachleben im Himmel überhaupt miteinander zusammen passen, natürlich ...) War er doch - mit vielen anderen - einer, der auf der besonderen und außergewöhnlichen Rolle der sogenannten "nordischen Rasse" in der Weltgeschichte sein ganzes übriges Weltbild aufbaute. Die "mediterrane Rasse" der Italiener seiner Zeit galt ihm nicht viel. Und nun sind es diese "Mediterranen" zu 93 %, die die hoch gerühmte antik-griechische Kultur - von Seiten der Genetik - hervor gebracht haben. "Rasse" hieß ja für die Rasse-Anthropologen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts "Genetik" und nicht bloß kultureller Einfluß, nicht bloß kulturelle Umprägungen und Neuprägungen, nicht bloß kulturelle "Indogermanisierung".
Diese acht Prozent laufen wahrlich konträr zu sehr vielem, was die Wissenschaft seit dem Aufkommen der "Rasseforschung" Ende des 19. Jahrhunderts als "die weltgeschichtliche Bedeutung der nordischen Rasse" so im allgemeinen und besonderen voraus gesetzt hatte. Statt "Rasse" wird vielleicht künftig viel mehr gesprochen werden müssen von der weltgeschichtlichen Rolle der Ausbreitung des "indogermanischen Zeitgeistes", von einer kulturellen "Indogermanisierung" in Südosteuropa, im Kaukasus und noch weiter östlich.
Über 700 neue Menschenfunde sequenziert - Zwischen Kaukasus und Kreta
Denn wir haben ja bisher nur das i-Tüpfelchen der neuesten Forschungsergebnisse benannt. Aus
Skelettresten von über 700 Menschen, die in den letzten 10.000 Jahren
zwischen Kreta, dem Balkan, dem Kaukasus und Mesopotamien gelebt haben,
sind im Zusammenhang der genannten neuen Studie genetische Daten gewonnen worden! In insgesamt drei archäogenetischen Studien wurden diese neuen Daten nun dem bisherigen archäogenetischen und
archäologischen Forschungsstand zugeordnet. Veröffentlicht wurde all das - wie gesagt - am 25. August im
Wissenschaftsmagazin "Science" (1-3) (4). Und wir hier auf dem Blog haben seither zu tun, das in unser bisheriges Weltbild einzuordnen. (So wie alle, die sich über diese Fragen Gedanken machen.)
Federführender Verfasser der drei Studien ist der griechische Humangenetiker Iosif Lazaridis, dessen Twitter-Account wir schon seit längerer Zeit als sehr nützlich empfunden hatten, um mit den wichtigsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Archäogenetik möglichst zeitnah Schritt halten zu können (Tw). Er arbeitet mit vielen anderen Koautoren am Institut von David Reich an der Harvard-Universität in Boston (USA).
Zu den aufsehenerregenderen untersuchten Skelettresten gehörten - wie ausgeführt - Menschen aus mykenischer und klassischer Zeit aus vielen Teilen Griechenlands und seiner Kolonien, darunter aus Attika und aus der Peloponnes. Darunter auch das Skelett des 2015 entdeckten berühmten "Greifenkriegers" aus der Zeit um 1450 v. Ztr. (Abb. 2).
Wie noch gezeigt werden soll, sind wir der Meinung, daß aus einer qualitativ und quantitativ so umfangreichen neuen Datenlage wie sie mit diesen drei Studien vorgelegt worden ist, noch mehr Neuerkenntnisse hätten gewonnen müssen als zumindest im Haupttext dieser Studien formuliert worden ist. (Dazu in einem zweiten Teil zu diesem Blogartikel noch mehr.) Trotzdem haben wir angesichts der Fülle der vorgelegten Neuerkenntnisse im folgenden genug zu tun, um alles angemessen darzustellen, einzuordnen und zuzuordnen.
Zwar finden sich zu den spannenden Völkerbewegungen in Anatolien im 7. und 6. Jahrtausend v. Ztr. in den drei neuen Studien viele neue Daten, aber im Haupttext finden sich dazu keine wirklichen Neuerkenntnisse genannt. Hätten da nicht mehr Neuerkenntnisse formuliert werden müssen? Ebensowenig finden sich - soweit wir sehen - im Haupttext Neuerkenntnisse dazu genannt, wie sich denn nun genauer der Herkunftsanteil der kaukasischen Jäger und Sammler schon während des 5. oder 4. Jahrtausends v. Ztr. bis in den östlichen Mittelmeerraum hat ausbreiten können - nämlich als wichtiger Beitrag zur Ethnogenese zum Beispiel der nachmaligen minoischen und mykenischen Kultur. Auch das ist weiterhin eine offene Frage. Und ebenso wenig finden sich Neuerkenntnisse zur Ethnogenese der Urindogermanen um 4.700 v. Ztr. an der Mittleren Wolga genannt. Ausführungen zu all diesen Themen verbannen wir deshalb in den Anhang zu dem zweiten Teil dieses Blogartikels.
In dem vorliegenden Blogartikel setzen wir zeitlich vielmehr zunächst dort ein, wo auch im Haupttext der Studien selbst - zumindest partiell - auffallendere Neuerkenntnisse mitgeteilt werden. Und die Bedeutung dieser Neuerkenntnisse steigert sich dann bis hin zu den schon genannten Mykenern und den Griechen der klassischen Zeit. Aber auch für die Zeit nach dem Untergang der klassischen Griechen haben die Studien noch einige interessantere Neuerkenntnisse mitzuteilen.
1. Die Entstehung der Jamnaja-Kultur - 3.600 v. Ztr.
Aktualisierung 6.11.24: Dieser Abschnitt ist schon wieder Wissenschaftsgeschichte und kann nur zeigen, wie sehr man sich irren kann, wenn man noch nicht genug Skelette im größeren geographischen Rahmen sequenziert hat. Der aktuelle Forschungsstand hier: Stgen2024. So gibt es zur Entstehung der indogermanischen Jamnaja-Kultur (3.600-2.500 v. Ztr.) (Wiki) im Nordschwarz-Meer-Raum die folgenden Neuerkenntnisse (1):
Es ist vorgeschlagen worden, daß Genetik der Cucuteni-Tripolje- oder der Kugelamphoren-Kultur zur Genetik der Jamnaja-Kultur beigetragen hat. Unsere genetischen Ergebnisse widersprechen einem solchen Szenario. Denn die europäischen Bauern waren selbst eine Mischung aus anatolisch-neolithischer und europäischer Jäger-Sammler-Herkunft. Bei den Jamnaja fehlt aber die europäische Jäger-Sammler-Herkunft, die die europäischen von den westasiatischen Bauern unterscheidet. Sie wiesen vielmehr in unserem Fünf-Wege-Modell levantinische und anatolische Herkunft in einem Verhältnis von 1:1 auf - und das steht im Gegensatz zu der überwiegenden Vorherrschaft der anatolischen Herkunft bei den europäischen Bauern.Archaeological evidence documents how western steppe populations interacted with European farmer groups such as the Cucuteni-Trypillia and Globular Amphora cultures, and it was previously suggested that ancestry from such groups contributed to the ancestry of the Yamnaya. Our genetic results contradict this scenario because European farmers were themselves a mixture of Anatolian Neolithic and European hunter-gatherer ancestry, but the Yamnaya lacked the European hunter-gatherer ancestry differentiating European from West Asian farmers, and had an ~1:1 ratio of Levantine-to-Anatolian ancestry in our five-way model, contrasting with the over-whelming predominance of Anatolian ancestry in European farmers.
Eine unglaublich spannende Erkenntnis. Die Jamnaja haben sich also im Nordschwarzmeer-Raum im 4. Jahrtausend v. Ztr. mit einer Population vermischt, die nur levantinische und anatolische Herkunft aufwies, obwohl sich doch in dieser Zeit die kaukasische Jäger-Sammler-Herkunft bis in den Mittelmeer-Raum ausbreitete. Welchen archäologisch bekannten Vorgängen diese Umstände genauer zugeordnet werden können, wird auf den ersten Blick in der Studie gar nicht erörtert. (Vielleicht müssen wir dazu noch einmal genauer in den Anhang schauen. Es sind ja doch alles sehr umfangreiche Ausführungen zu riesigen Zeiträumen und geograischen Räumen und zu einer Fülle von archäologischen Kulturen. Wieder einmal.)
Jedenfalls wollen die Forscher im Haupttext nicht genauer eingrenzen, wo entlang des schon länger bekannten levantinisch-anatolischen Vermischungs-Gradienten über (West-)Anatolien hinweg (siehe unten) sie den Ursprungsraum der Herkunftsgruppe dieser anteiligen Vermischung suchen sollen, bzw. wie sich ein solcher gegenüber der Ausbreitung der genannten kaukasischen Komponente so lange "isoliert" hatte halten können. Auch diese muß sich ja vom anatolischen Ursprungsraum abgetrennt haben, bevor es dort zu einer noch weiteren genetischen Homogenisierung durch die Westausbreitung der kaukasisch-iranischen Genetik gekommen ist.
Naheliegend wäre es unserer unmaßgeblichen Meinung nach, an die Zeit des PPNB am Unteren Don zu denken. Das hatten wir hier auf dem Blog schon behandelt. Die Archäologen vermuteten für das PPNB am Unteren Don zwar Zusammenhänge mit dem Zagros-Gebirge. Der Kernraum der PPNB-Kultur war aber die Südtürkei. Und dort wird man am ehesten den Kernraum einer 1:1-Vermischung zwischen levantinischer und anatolischer Genetik antreffen können. Von dort also könnte sich das PPNB über Mittelanatolien hinweg bis zur Schwarzmeer-Küste ausgebreitet haben und von dort dann auch bis zum Don. Und am Don könnte kann die "Begegnung" mit der Jamnaja-Kultur stattgefunden haben. Die Nordküste Anatoliens und/oder die Nordküste des Schwarzen Meeres könnten unseres Erachtens hier noch allerhand Erkenntnisse bergen.
Daß Lazaridis und Mitarbeiter unter solchen Umständen nicht auch bedacht zu haben scheinen, daß doch auch die Nordküste des Kaspischen Meeres manche Neuerkenntnis (zur Ethnogenese der Indogermanen) bergen könnte, darf uns da dann schon auch zusätzlich verwundern (siehe unten).
Einen kleinen Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunftsanteil in Südost-Europa wollen Lazaridis und Mitarbeiter weder durch die Westausbreitung der kaukasischen Herkunft über Anatolien hinweg, noch durch die nachherige Zuwanderung der Steppen-Genetik der Indogermanen erklären (die ein Verhältnis osteuropäischer zu Kaukasus-Jäger-Sammler-Genetik von ziemlich genau 1:1 aufweist). Sie vermuten vielmehr ihr Vorhandensein in kleinen Anteilen schon während des Mesolithikums auf dem Balkan. Sie erörtern ... (1):
... Südosteuropa, wo bronzezeitliche Individuen einen höheren Anteil von Kaukasus- anstelle von osteuropäischer Jäger-Sammler-Herkunft nicht nur in der Ägäis hatten (17 % sowohl bei den Minoern wie bei den Mykenern), sondern über die ganze Balkan-Halbinsel hinweg, wo das durchschnittliche Überwiegen der Kaukaus-Herkunft etwa 7,4 % beträgt. Eine Erklärung für dieses Überwiegen könnte die Anwesenheit einer kleinen Kaukasus-Jäger-Sammler-Komponente von 5,2% im neolithischen Substrat des südöstlichen Europa sein.... for Southeastern Europe, where Bronze Age individuals had an excess of Caucasus over Eastern hunter-gatherer ancestry not only in the Aegean (~17% in both Minoans and Mycenaeans) (16), but throughout the Balkan peninsula (Fig. 3B), where the overall Bronze Age excess is 7.4 ± 1.7% (with by-country estimates of ~4 to 13%). A possible explanation for this excess is the existence of a small 5.2 ± 0.6% Caucasus hunter-gatherer component in the Neolithic substratum of Southeastern Europe (Fig. 4A); we estimated that this proportion is ~0 to 1% in four separate Early Neolithic populations from Hungary (Starčevo-Körös cultural complex), France, Spain, and the Linearbandkeramik of Austria, Germany, and Hungary (3, 23–30).
Auch der Herkunft dieses Vorhandenseins im neolithischen "Substrat" wird hier nicht ausführlicher weiter verfolgt. Es wird vielmehr weiterhin nur "allgemein" ausgeführt, daß der hohe Anteil in der Ägäis und bei Minoern und den Mykenern sich in der Bronzezeit von Anatolien aus in den östlichen Mittelmeer-Raum ausgebreitet haben wird. Dann wird das aber auch für den Balkan-Raum gelten müssen. Was noch weitere Fragen für die dort arbeitenden Archäologen aufwirft. Und nur ein sehr kleiner Anteil würde dann hier mit mesolithischen Ursprüngen vor Ort erklärt werden können.
Die große Aufmerksamkeit, die auf die Ausbreitungs-Mechanismen der Steppengenetik gerichtet wird, scheint uns in diesen Studien auf Kosten der Aufmerksamkeit zu gehen, die auf die Ausbreitungs-Mechanismen der kaukasischen Genetik im Ostmittelmeer-Raum gerichtet wird und zuvor schon auf Kosten der Mechanismen, die zur allgemeineren genetischen Homogenisierung in Anatolien schon im 8. bis 6. Jahrtausend v. Ztr. führten.
2. Das lange Fortbestehen einheimischer Jäger- und Sammler-Genetik in den Karpaten - 4.000 v. Ztr. bis heute
Das Anwachsen einheimischer europäischer Jäger-Sammler-Genetik in verschiedenen Völkern des Mittelneolithikums und auch noch in der Bronzezeit wie es unter anderem schon so eindrucksvoll für die nördlichen Karpaten, für Böhmen, die Slowakei und Schlesien von anderen Forschungsgruppen hatte herausgearbeitet werden können (Stgen2022, Stgen2021), wird hier nun ebenso auch für Rumänien und die südlichen Karpaten festgestellt. Man beachte allerdings dabei: nicht für Griechenland (1):
Balkan-Jäger-Sammler-Herkunft bestand zu unterschiedlichen Anteilen während der Bronzezeit fort, mitbestimmt von der Geographie. Ein auffälliger Kontrast findet sich in Rumänien, wo unsere neuen Daten zeigen, daß sie bis zu 12 % der Herkunft von 42 Individuen der kupferzeitlichen Bodrogkeresztúr-Kultur ausmacht und 24 bis 30 % in zehn bronzezeitlichen Individuen in Cârlomăneşti (Arman) und aus Ploieşti und Târgşoru Vechi südlich der Karpaten. Zusammen mit einem anderen bronzezeitlichen Individuum von Padina in Serbien (2460 bis 2300 v. Ztr.) nahe dem Eisernen Tor, dessen Balkan-Jäger-Sammler-Herkunft 37 % betrug, bezeugen diese Ergebnisse die beträchtliche Fortdauer von einheimischer Jäger-Sammler-Herkunft im nördlichen Balkan. (...) Dies kontrastiert mit dem südlichen Ende der Balkan-Halbinsel in der Ägäis, wo weder neolithische noch bronzezeitliche Individuen nennenswerte Balkan-Jäger-Sammler-Herkunft aufwiesen, was die Frage aufwirft, ob die vorneolithischen Populationen dieser Region eher denen des nördlichen Balkan geglichen haben oder denen von Westanatolien.Balkan hunter-gatherer ancestry was variable during the Bronze Age and related to geography. A marked contrast is found within Romania, where our new data show that it makes up ~12% of the ancestry of 42 individuals from the Bodrogkeresztúr Chalcolithic and ~24 to 30% in 10 Bronze Age individuals from Cârlomăneşti (Arman) and from Ploieşti and Târgşoru Vechi south of the Carpathian Mountains. Together with another Bronze Age individual from Padina in Serbia [2460 to 2296 calibrated (cal) BCE] near the Iron Gates, whose Balkan hunter-gatherer ancestry was ~37%, these results prove substantial hunter-gatherer ancestry preservation in the North Balkans postdating the arrival of both Anatolian Neolithic and steppe ancestry in the region. This contrasts with the southern end of the Balkan peninsula in the Aegean (6), where neither the Neolithic nor the Bronze Age populations had any significant Balkan hunter-gatherer ancestry, raising the question of whether the region’s pre-Neolithic population was more similar to that of the North Balkans (Balkan hunter-gatherer-like) or Western Anatolia (and thus similar to the Neolithic population).
Die letztere Frage scheint noch nicht geklärt zu sein. Es geht dieses "Wiederaufleben" von einheimischer Jäger-Sammler-Herkunft parallel zu der "Wiederausbreitung" der Körös-Jäger-Sammler-Herkunft im nördlichen Karpaten-Raum bis nach Böhmen und Schlesien hinein während des Mittelneolithikums und in der Bronzezeit und parallel zu einer "Wiederausbreitung" osteuropäischer Jäger-Sammler-Herkunft um 3.000 v. Ztr. im Ostseraum.
Die hier genannte Bodrogkeresztúr-Kultur (4000-3600/3500 v. Ztr.) (Don-Arch) (Wiki) ist die Nachfolge-Kultur der vorhergehenden Tiszapolgár-Kultur (4.500/4400-4.000 v. Ztr.) (Wiki) im selben Raum, allerdings nun eben offenbar mit deutlich zum Einheimischen verschobener Genetik.
Während sich zur gleichen Zeit in die Cucuteni-Tripolje-Kultur schon etwa ab 4.000 v. Ztr. Steppen-Herkunft einmischte, mischte sich also in die Bauernkulturen im südlichen Karpatenbogen einheimische Jäger-Sammler-Genetik ein. Als Hauptmotor für diese Vorgänge ist die Anwesenheit von Indogermanen - wenn auch nur vereinzelt feststellbar - anzusprechen. Dasselbe sahen wir ja im Ostseeraum, auf Sardinien und anderwärts: Daß die zugewanderten Indogermanen sich oft mit den "Randgruppen" vor Ort, den "Einheimischen" zusammen taten, um die etablierten Eliten zu Fall zu bringen.
3. Die Jamnaja kommen massiv auf den Balkan - 2.850 v. Ztr.
So ähnlich wird dies auch für den Balkan gesehen. Etwas mißverständlich wird im folgenden anstelle von Steppengenetik von osteuropäischer Jäger-Sammler-Genetik als Kennzeichen für Steppengenetik gesprochen. Dies geschieht deshalb, weil die Kaukasus-Jäger-Sammler-Genetik auch schon auf anderem Weg in den Westen gekommen war. Da die osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft aber nur ziemlich exakt die Hälfte der Steppen-Herkunft ausmacht, beträgt der Steppen-Herkunftsanteil, von dem im folgenden die Rede ist, jeweils das Doppelte. Das sei vorweg gleich bemerkt. In Studie 3 wird dies auch sehr ausdrücklich so benannt (3):
Osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft als Marker für die Jamnaja-Steppenhirten-Herkunft.Eastern European hunter-gatherer ancestry as a marker for Yamnaya steppe pastoralist ancestry.
Die Steppenherkunft betrug also - nach den Angaben des folgenden Zitates - insgesamt:
- in Moldawien 62 bis 88 %,
- auf dem restlichen Balkan 30 % und
- bei den Mykenern 8 %.
Und jetzt das Zitat selbst (1):
Hauptmotor der bronzezeitlichen genetischen Vielfalt war das Auftreten von osteuropäischer Jäger-Sammler-Genetik, die nach ihrem sporadischen kupferzeitlichen Auftreten allgegenwärtig wurde im südöstlichen Europa. Am auffälligsten ist dies (~31 bis 44%) an einigen bronzezeitlichen Fundorten in Moldawien, einschließlich denen der Katakomben- und Multi-Schnurkeramik-Kulturen und bei Individuen aus Rumänien (Trestiana and Smeeni) auf den östlichen/südöstlichen Hängen der Karpaten, was kontrastiert mit der Gruppe von Arman, die eine hohe Balkan-Jäger-Sammler-Herkunft aufweist. .... Auf dem restlichen Balkan beträgt der Anteil der östlichen Jäger-Sammler-Herkunft 15 % und sinkt auf 4 % bei den mykenischen Griechen und auf vernachlässigbare Anteile bei den minoischen Kretern.The key driver of the Bronze Age heterogeneity was the appearance of Eastern hunter-gatherer ancestry that became ubiquitous in Southeastern Europe after its sporadic Chalcolithic appearance (3). This is most evident (~31 to 44%) in Moldova at several Bronze Age sites, including those of the Catacomb and Multi-cordoned Ware cultures, and individuals from Romania (Trestiana and Smeeni) on the eastern/southeastern slopes of the Carpathians, which contrast with the high-Balkan hunter-gatherer group from Arman. We also detect a contrast between Catacomb culture individuals from Moldova and those from the Caucasus (17), driven by an individual from Purcari with substantial (17 ± 4%) Anatolian Neolithic ancestry, suggesting some heterogeneity within this culture on opposite sides of the Black Sea. For the rest of the Balkans, the amount of Eastern hunter-gatherer ancestry is ~15% and drops to ~4% in Mycenaean Greece and to negligible levels in Minoan Crete (6, 16).
Die minoischen Kreter wiesen etwa 2 % Steppen-Genetik auf wie es noch einmal genauer dem Anhang zu dieser Studie zu entnehmen ist (1, Suppl., S. 234) und wie es auch in Abb. 3 verzeichnet ist.
Das hieße zum Beispiel, daß die bronzezeitlichen Bergfestungen in Istrien (Monkodonja und andere) von Menschen begründet wurden, die einen deutlich höheren Steppen-Herkunftsanteil in sich trugen als die Mykener oder deren Nachfahren, die antiken Griechen.
Bei den hier genannten Kulturen handelt es sich um Nachfolge-Kulturen der Jamnaja-Kultur, nämlich der Katakombengrab-Kultur (2700/2600-1900/1800 v. Ztr.) (Wiki) und der auf sie folgenden "Multi-Schnurkeramik"-Kultur (2200-1800 v. Ztr.) (Wiki). Beide waren jeweils vom Don bis Moldawien verbreitet. Zu diesen Kulturen heißt es in den länderbezogenenen Ausführungen im Supplement (1, Suppl, S. 226):
Der Umfang der anatolisch-neolithischen Herkunftskomponente war in anderen Gruppen, die aus der Steppe stammten und in diesem Land (Modawien) gefunden wurden, geringer, so wie bei Menschenfunden aus der Katakombengrab-Kultur und so wie die Kimmerer. (...) Wir haben auch die neu sequenzierten Individuen aus Moldawien, die in Verbindung mit der Katakombengrab-Kultur stehen, verglichen mit solchen Angehörigen der Katakombengrab-Kultur im Nordkaukasus, wobei wir beide Seiten des Schwarzen Meeres miteinander vergleichen konnten. In beiden Gruppen überwiegt die CHG/EHG-Mischung. Eines der Individuen hat ein beträchtlichen Anteil an anatolisch-neolithischer Herkunft (17 %) im Gegensatz zu analogen Individuen der Katakombengrab-Kultur des Kaukasus, wobei es keine zusätzliche CHG- oder levantinische Genetik aufweist, was nahelegt, daß es seine Herkunft erlangt hat durch Vermischung mit anatolisch-neolithischen Bauern.The amount of Anatolian Neolithic ancestry was lower in other steppe-derived groups from the country (Moldovia) such as samples of the Catacomb culture and Cimmerians. (...) We also examined (Fig. S 37) the newly reported individuals from Moldova associated with the Catacomb culture with those from the North Caucasus Catacomb culture (17) allowing us to compare the two locales on opposite sides of the Black Sea. In both, the CHG/EHG mix predominates and one individual (I20088; Purcari) has a significant amount (17±4%) of Anatolian Neolithic ancestry, in contrast to analogous individuals from Catacomb cultures of the Caucasus, while not having an excess of either CHG or Levantine-related ancestry, suggesting plausibly that it acquired this ancestry by admixture with Anatolian Neolithic-derived farmers.
Weiter heißt es (1):
Unsere Studie identifiziert eine Gruppe von Individuen, mit einem "hohen Anteil Steppenherkunft". (...) Diese schließt ein zwei schon früher publizierte Individuen von Nova Zagora in Bulgarien und Vucedol in Kroatien (3) ebenso wie fünf von uns neu sequenzierte Individuen, einschließlich eines frühbronzezeitlichen Individuums von Çinamak in Albanien (2663 bis 2472 v. Ztr.) und vier, die kulturell der Jamnaja-Kultur zugehörig sind: eines aus Vojlovica-Humka in Serbien, zwei aus Boyanovo und eines aus Mogila in Bulgarien. Diese Gruppe von Balkan-Individuen haben 35,9 % osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft, 36,4 % Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunft und 23 % anatolisch-neolithische Herkunft, verglichen mit Jamnaja-Individuen (jeweils 46,1 %, 46,6 % und 3%), also dieselben osteuropäisch-Kaukasus-Anteile verschoben von einem Fünftel lokaler neolithischer Herkunft letztlich anatolischen Ursprungs.Our study identifies a “high-steppe ancestry” set of individuals, a term we use to refer to individuals from the Balkans during the Early Bronze Age who had unusually high proportions of Eastern hunter-gatherer ancestry compared with their contemporaries (Fig. 4B). This includes two previously published individuals from Nova Zagora in Bulgaria and Vucedol in Croatia (3), as well as five newly reported individuals, including an Early Bronze Age individual from Çinamak in Albania (2663 to 2472 calBCE) and four that are culturally Yamnaya: one from Vojlovica-Humka in Serbia, two from Boyanovo, and one from Mogila in Bulgaria. In aggregate, this group of Balkan individuals has 35.9 ± 2.5% Eastern hunter-gatherer, 36.4 ± 1.9% Caucasus hunter-gatherer, and 23.0 ± 1.9% Anatolian Neolithic ancestry compared with the Yamnaya cluster individuals (46.1 ± 1.0%, 46.6 ± 1.6%, and 3.0 ± 1.0%, respectively), i.e., the same Caucasus/Eastern hunter-gatherer balance as the Yamnaya but diluted by about one-fifth by local Neolithic ancestry of ultimately Anatolian origin.
Das sind also 77 % Steppengenetik in Serbien, Bulgarien, Kroatien und Albanien. (In einer Studie, die nur 3 1/2 Monate später, im Januar 2023 veröffentlicht wird, wird diese Region dann als wahrscheinliche Ausgangsregion der Zuwanderung nach Griechenland bezeichnet: Stgen2023. Und es ist diesselbe Region, für die genau um 2.200 v. Ztr. herum schon im Januar 2022 umfangreiche Abwanderungen festgestellt worden sind: Stgen2022.) In einer zugehörigen Pressemitteilung heißt es zu dieser Gruppe (Uni Wien 24.8.22):
"Wir finden in Albanien, Bulgarien, Kroatien und Serbien Menschen, die genetisch so aussehen, als wären direkt aus der Steppe hierher verpflanzt," sagt David Reich. "Die Verbindung ist unbezweifelbar und um so mehr Zeit ins Land ging, um so mehr vermischten sich die Neuankömmlinge mit den Einheimischen, wobei sich mehr von ihrer Herkunft im Norden der Balkan-Halbinsel gehalten hat als im Süden, wobei sich ihre Anwesenheit sprachlich aber überall ähnlich auswirkte."“We find in Albania, Bulgaria, Croatia, Serbia people that genetically appear as if they were transplanted from the steppe,” says David Reich. “The connection is unmistakable, and as time went on, the newcomers fused with the locals, leaving more of their ancestry in the north of the Balkan peninsula than in the south, but having a linguistic impact throughout.”
Hier wird deutlicher als vielleicht jemals zuvor, daß genetisch einheitlich strukturierte und klar zu kennzeichnende Ethnien, Stämme sich aus einem offenbar kleinen Ursprungsraum, in dem ihre Ethnogenese stattgefunden hat (Vermischung mit einem ganz bestimmten Anteil anatolischer Genetik) wohl ab 2.850 v. Ztr., unmittelbar nach der Ausbreitung der Jamnaja-Kultur (3.600-2.500 v. Ztr.) (Wiki) über weite Teile des Balkans ausgebreitet haben. Es geschah das also etwa hundert Jahre nach Beginn der Ausbreitung der Schnurkeramik- und der Glockenbecher-Kulturen in Mittel- und Nordeuropa und bis nach Spanien und Italien hinein.
Der seitherige Steppen-Herkunftsanteil auf dem Balkan stammt also - so die Studie - nicht von der "sporadischen" Ausbreitung von Steppenherkunft bis in den Donau-Raum seit 4.500 v. Ztr. her, sondern von genau dieser Ausbreitung her.
(Zu den genetischen Bauern-Anteile bei den Jamnaja und ihren Nachkommen auf dem Balkan gibt es in all den gebrachten Zitaten noch widersprüchliche Angaben. Das wollen wir an dieser Stelle erst mal nicht klären.)
4. Abwanderungen aus Ungarn und der Ukraine nach Süden
In der schon genannten Pressemitteilung heißt es (Uni Wien 24.8.22):
"Wir glauben zumeist, daß die Jamnaja ihre Herkunft in alle Richtungen ausgebreitet haben aber irgendwann um 2.500 v. Ztr. sind sie selbst in der Steppe genetisch ersetzt worden von neuen Völkern, die aus Nordeuropa kamen," sagt Lazaridis. Kurz danach tauchen ihre Nachkommen in Armenien auf.“We often think of the Yamnaya spreading around their ancestry, but sometime around 4,500 years ago they are replaced themselves in the steppe by a new people coming from Northern Europe,” says Lazaridis. Soon after, their descendants turn up in Armenia.
Zu den oben schon genannten Nachfolge-Kulturen der Jamnaja-Kultur, der Katakombengrab-Kultur (2700/2600-1900/1800 v. Ztr.) (Wiki) und der auf sie folgenden "Multi-Schnurkeramik"-Kultur (2200-1800 v. Ztr.) (Wiki), die beide jeweils vom Don bis Moldawien verbreitet waren, heißt es in den länderbezogenenen Ausführungen im Supplement (1, Suppl, S. 226):
Der Umfang der anatolisch-neolithischen Herkunftskomponente war in anderen Gruppen, die aus der Steppe stammten und in diesem Land (Modawien) gefunden wurden, geringer, so wie Menschenfunde aus der Katakombengrab-Kultur und die Kimmerer.The amount of Anatolian Neolithic ancestry was lower in other steppe-derived groups from the country (Moldovia) such as samples of the Catacomb culture and Cimmerians.
Daß die Völkerschaften, die das Armenische nach Armenien gebracht haben, wirklich von der Jamnaja-Kultur her stammten, wird in der Studie anhand der ähnlichen Y-Chromosomen in der Jamnaja-Kultur und in Armenien bis heute angenommen. Da es diese vergleichsweise enge Verwandtschaft zwischen Armenisch und Griechisch gibt, wird das damit parallel wohl auch für das Griechische in Griechenland gelten. Auch dieses wird von dem Jamnaja dorthin ausgebreitet worden sein.
Erstaunlich dann zugleich, daß die Jamnaja in der Ukraine ersetzt worden sind durch Völker, die sich in Nordeuropa gebildet hatten, nachdem dort um 3.000 v. Ztr. die Schnurkeramiker zugewandert waren, also vermutlich von Nachkommen der Fatnajowo- und Sintashta-Kultur, die sich ja zugleich auch bis Indien ausbreiteten. (Ähnlich sind ja Abwanderungen am Plattensee in Ungarn um 2.200 v. Ztr. zu beobachten von Menschen mit hohen Steppengenetik-Anteilen und Nachrücken von Menschen anderer Herkunft: Stgen2022.)
Solche Entwicklungen sind - unseres Wissens - bislang selten bis nie so konkret angenommen
worden in der Forschung, insbesondere in der archäologischen Forschung. Noch in dem Aufsatz "The Forgotten Child of the Wider Corded Ware Family" von Volker Heydt (Stgen2020) war von einem solchen "genetic replacement" in der Ukraine nicht die Rede.
Und noch bei der Ausbreitung des domestizierten Pferdes, ausgehend von der Sintashta-Kultur (Stgen2021), war von einem solchen "genetic replacement" bei den indogermanischen Steppen-Kulturen in der Ukraine durch Völker von Norden kommend nicht die Rede. Insbesondere wäre wohl zu klären, ob auch die Poltavka-Kultur (2.900 bis 2.300 v. Ztr.) (Wiki), die südlich der Mittleren Wolga existierte, und innerhalb der sich die Domestikation unserer heutigen Pferde vollzogen haben könnte, schon die "neue" nordeuropäische Genetik aufgewiesen hat (was naheliegend sein könnte) oder eher die "alte" Jamnaja-Genetik. (Daß es viel häufiger "genetic replacement" gegeben hat in der Vorgeschichte als jemals zuvor von der Forschung angenommen, zumindest in der europäischen, ist ja 2021 auch schon so überraschend durch eine Archäogenetik-Studie zu Böhmen aufgezeigt worden: Stgen2021.)
5. Die Indogermanen kommen nach Armenien - 4.000 und 2.500 v. Ztr.
Über Armenien wird in der Studie dann das folgende ausgeführt, wobei auch hier erneut die Prozent-Angaben jeweils zu verdoppeln sind, um den Steppenherkunftsanteil vollständig benennen zu können, also auf 28 % und 20 % Steppenherkunft in der Mittleren und Späten Bronzezeit (1):
- Das Auftreten von osteuropäischer Jäger-Sammler-Herkunft in der kupferzeitlichen Areni-1-Höhe um 4.000 v. Ztr.,
- gefolgt von ihrer Abwesenheit 3.000 v. Ztr. in der frühbronzezeitlichen Kura-Araxes-Kultur und
- ihrem Wiederauftreten in der Mittleren Bronzezeit, als ein Anteil von 14 % ...
- von einem Anteil von 10 % in der Späten Bronzezeit und in der Eisenzeit abgelöst wurde, der sich dann ...
- auf 7 % in der urartäischen Zeit der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Ztr. verminderte und weiter auf
- 1 bis 3 % seit der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Ztr. an Fundorten wie Aghitu und durch das Mittelalter hindurch (in Agarak) bis zu den heutigen Armeniern.
- ... In der Maikop-Kultur nördlich des Kaukasus machte dieser Anteil 3 % aus.
The most noticeable feature of the history of Armenia compared with all other Asian regions of the Southern Arc is the tentative appearance of Eastern hunter-gatherer ancestry in the Chalcolithic at Areni-1 Cave (10) ~6000 years ago (Fig. 5B), followed by its disappearance ~5000 years ago with the Early Bronze Age Kura-Araxes culture and its reappearance at the Middle Bronze Age, when a level of ~14% was followed by ~10% in the Late Bronze Age and Iron Age and then diluted to ~7% by the Urartian period of the first half of the 1st millennium BCE and to the ~1 to 3% levels observed since the second half of that millnium at sites such as Aghitu and through the medieval period (at Agarak) down to present-day Armenians. When we compare the Middle/ Late Bronze Age individuals from Armenia (when Eastern hunter-gatherer ancestry was highest and from which we have individuals from >20 sites) with other West Asian European and steppe populations (Fig. 5E), it is evident that Armenia is an outlier. Populations from Armenia have significantly more such ancestry than all surrounding populations: Anatolia and the Levant, where this ancestry is undetected during the Bronze Age; Iran, where it makes up ~2% overall; and even the Maykop cluster populations of the North Caucasus (17), where it reaches ~3%. These analyses in Armenia show that Eastern hunter-gatherer ancestry flowed from the steppe not only west of the Black Sea into Southeastern Europe, attaining its minimum in the Aegean and east of it, but also across the Caucasus into Armenia. However, substantial proportions of steppe ancestry spread no further into Anatolia from either west or east.
Damit werden unsere Ausführungen aus dem Juni dieses Jahres zur genetischen Geschichte Armeniens (Stgen2022) und dabei insbesondere zur Geschichte der Kimmerer sehr gut bestätigt - aber noch deutlich ergänzt und erweitert durch Angaben zur vorhergehenden Zeit. Die hier behandelte Bronzezeit Anatoliens war die Zeit, in der "die Frauen Anatoliens Waffen trugen" wie wir ebenfalls schon im Mai dieses Jahres ausführten (Studgen2022). Wir erfahren zu all dem noch weiter (1):
Bei der Epoche mit der vergleichsweise hohen Steppenherkunft handelt es sich um die Lchashen-Metsamor-Kultur im Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit. ... Nach unserer genetischen Analyse entstand sie eineinhalb Jahrtausende früher in der Mitte des 3. Jahrtausends, parallel zur Umwälzung in Europa und auf dem Balkan. In Armenien korrespondiert die Mitte des 3. Jahrtausends mit dem Untergang der Kura-Araxes-Kultur und dem Auftreten der nachfolgenden "Frühen Kurgan"-Kultur, gefolgt in der Endzeit des 3. Jahrtausends von der Trialeti-Vanadzor-Komplex, von dem ein Individuum von Tashut (2127 bis 1900 v. Ztr.) schon die 10 % osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft der Lchashen-Metsamor-Kultur aufweist.This period of relatively high-steppe ancestry corresponds to the “Lchashen-Metsamor” culture of the Bronze-to-Iron Age (1). Linkage disequilibrium dating of steppe admixture (Fig. 5F) in our extensive set of individuals of average late 2nd millennium BCE date suggests it occurred a millennium and a half earlier, at the middle of the 3rd millennium BCE, and thus in parallel to the transformation of mainland Europe and the Balkans. In Armenia itself, the mid-3rd millennium BCE corresponds to the demise of the Kura-Araxes culture and its succession by the “Early Kurgan” culture, followed during the end of that millennium by the “Trialeti-Vanadzor” complex from which an individual from Tavshut (2127 to 1900 calBCE) already has the ~10% Eastern hunter-gatherer ancestry of the Lchashen-Metsamor population, the first documented steppe descendant in Armenia two millennia after the Chalcolithic.
Die Lchashen-Metsamor-Kultur (1500-700 v. Ztr.) (Wiki) ist verbunden mit dem Bau von "Zyklopen-Mauern"-Burgen.
Sprachverwandtschaft rund um das Armenische
Aber wenn wir es recht verstehen, sind diejenigen, die die indogermanische Sprache des Armenischen nach Armenien gebracht haben, dort schon um 2.500 v. Ztr. eingetroffen. Das ist etwa die Zeit, in der die Indogermanen auch in Griechenland auftraten. Dazu paßt die Angabe (Wiki):
Das Armenische hat im Wortschatz Ähnlichkeiten mit dem Griechischen (viele Parallelen bei etymologischen Wurzeln), weswegen eine engere Verwandtschaft innerhalb der Indogermanischen Sprachen angenommen wird.
Am Anfang des 3. Jahrtausends v. Ztr. scheinen auch die Schnurkeramiker, die ihre Sprache über das Baltikum dann letztlich bis nach dem Iran und Indien ausgebreitet haben, offenbar noch eine sehr ähnliche Sprache gesprochen wie die Jamnaja, die ihre Sprache zeitgleich nach Armenien, dem Balkan und nach Griechenland ausgebreitet haben. Hören wir doch (Wiki):
Einige Sprachforscher sind in vorläufiger Weise zu dem Schluß gekommen, daß Armenisch, Griechisch (und Phrygisch) und Indo-Iranisch nahverwandte Sprachen sind. Innerhalb dieser hypothetischen Sprachfamilie wäre das Proto-Armenisch zwischen das Proto-Griechisch (Kentum-Sprache) und das Proto-Indo-Iranisch (Satem-Sprache) zu stellen. Ronald I. Kim hat einheitliche morphologische Entwicklungen festgestellt, die das Armenische mit den Balto-Slawischen Sprachen verbindet.Some linguists tentatively conclude that Armenian, Greek (and Phrygian) and Indo-Iranian were dialectally close to each other; within this hypothetical dialect group, Proto-Armenian was situated between Proto-Greek (centum subgroup) and Proto-Indo-Iranian (satem subgroup). Ronald I. Kim has noted unique morphological developments connecting Armenian to Balto-Slavic languages.
Offenbar bekommt man hier doch über die Sprachverwandtschaft ganz gute Einblicke in das Geschehen grob um 2.500 v. Ztr.. In dieses Geschehen ist dann auch die Entstehung der Balkanindogermanischen Sprachen (Wiki) einzuordnen (Thrakisch, Dakisch, Illyrisch, Phrygisch, Makedonisch). Es wird spürbar, daß mit diesen neuen Erkenntnissen vieles "Unverstandene" was die Herkunft der Sprachverwandtschaften betrifft, nun allmählich präziser zeitlich und räumlich zuzuordnen sein wird.
Im übrigen ist festzuhalten, daß die Sprecher der westarmenischen Sprache, also die Armenier Anatoliens, 1915/16 in einem Völkermord durch Kurden und Türken fast vollständig ausgerottet worden sind (s. StgrNat2011).
6. Die Indogermanen regen die Ethnogenese der Hethiter und der Phryger an - NULL % Steppengenetik (!) - 1.600 v. Ztr.
Es hat also in Armenien zeitlich parallel zu den Hethitern in Zentralanatolien (1600-1200 v. Ztr.) (Wiki) klar Völker mit indogermanischer Steppengenetik gegeben, die aber die Hethiter selbst nicht aufweisen. Wie es nun trotz des außerordentlich geringen genetischen Einflusses der Steppen-Genetik zu der Ausbreitung mehrerer Völker indoeuropäischer Sprachen in der Bronzezeit in Anatolien gekommen sein kann (Hethiter, Luwier usw.), ist deshalb für die Forscher nicht leicht zu erklären. Sie schreiben (1):
In Individuen von Gordion, einer zentralanatolischen Stadt, die unter der Kontrolle der Hethiter stand, bevor sie die Hauptstadt der Phryger wurde und bevor sie dann unter die Kontrolle von persischen und hellenistischen Königen kam, betrug der Anteil der osteuropäischen Jäger-Sammler-Herkunft nur 2 %, ein winziger Anteil für eine Region, die von mindestens vier unterschiedlichen indoeuropäischsprachigen Gruppen beherrscht worden ist. (...) Das völlige Fehlen von osteuropäischer Jäger-Sammler-Genetik in der Kupfer- und Bronzezeit sowohl in Form von seltenen Ausnahmen wie in Form von geringfügigerem durchschnittlichen genetischen Anteil ist eine Herausforderung für die Steppen-Theorie. Es gilt, einen plausiblen Mechanismus zu entwerfen, über den eine Population die wenig, wenn überhaupt irgendeinen genetischen Einfluß ausgeübt hat, dennoch umfangreiche sprachliche Veränderungen hat bewirken können.In individuals from Gordion, a Central Anatolian city that was under the control of Hittites before becoming the Phrygian capital and then coming under the control of Persian and Hellenistic rulers, the proportion of Eastern hunter-gatherer ancestry is only ~2%, a tiny fraction for a region controlled by at least four different Indo-European-speaking groups. In medieval times, Central Asian ancestry associated with Turkic speak- ers was added (6), and it persists to the present. Clearly, Anatolia has not been impervious to linguistic change during its recorded history, and the harbingers of that change are also detected genetically, even if as outliers. By contrast, the complete absence of Eastern hunter-gatherer ancestry in the Chalcolithic and Bronze Age either as isolated outliers or as a general low-level presence challenges the steppe theory to suggest a plausible mechanism of how a population that made little, if any, genetic impact could nonetheless effect large-scale linguistic change. A common vocabulary for wheeled vehicles is not attested for both Anatolian languages and the rest of the Indo-European languages.
Diese Frage gab Veranlassung für mindedstens einen Teil der einleitenden Fragen dieses Blogartikels und für die Formulierung "Indogermanisches Brausepulver". Denn es gilt ja zu beachten: Die antiken Griechen sind zwar ein "Paradevolk" der Indogermanen - die Hethiter aber nicht gar zu viel weniger. Haben die Hethiter doch nicht nur eine indogermanische Muttersprache gesprochen, sondern auch der ganze Habitus ihrer Kultur, ihre Liebe zu Pferden, ihr hochfahrender Stolz, ihre Friedensliebe ebenso wie ihr heldisches Ideal, ihre religiöse Toleranz ebenso wie ihr Wille zur Eroberung und zum Ausgriff - all das war doch allzu deutlich als "typisch indogermanisch" von Historikern und Archäologen wahrgenommen und gedeutet worden und stach in recht deutlichem Kontrast ab zum sonstigen, nicht selten despotischen Charakter vieler zeitlich und räumlich sie umgebender Kulturen des Vorderen Orients (Assyrer, Ägypter etc. pp.). Aber das alles wäre eben nun zu erklären ohne das Vorhandensein von Steppengenetik! Wir Wie soll das überhaupt gehen? "Typischer Indogermane" sein, ohne Steppengenetik in sich zu tragen? Eine verrückte Frage. Um erste Annährungen an Antworten auf diese Fragen werden wir uns in einem zweiten Teil zu diesem Blogartikel bemühen.
Im Supplement schreiben die Forscher noch etwas genauer zu den Phrygern (1, Suppl., S. 292):
Die Menschenfunde von Gordion, der Hauptstadt des antiken Phrygiens, weisen vornehmlich Nordwest-Anatolische und Kaukaus-Jäger-Sammler-Genetik auf. Das antike Phrygien gehörte nacheinander zu Lydien, zum persischen Reich und zum hellenistischen Reich in der Folge des Eroberungszuges von Alexander dem Großen. Die Menschenfunde stammen sind zeitlich Jahrhunderte auseinander innerhalb dieser Abfolge von historischen Ereignissen. Sie sind dennoch sehr homogen in Bezug auf ihre Herkunft, so daß wir mit ziemlicher Sicherheit sagen können, daß sie die lokale "phrygische" Bevölkerung wiederspiegelt, was immer ihre Ursprünge gewesen sein mögen. Die Phyrger haben eine indoeuropäische Sprache gesprochen und es wird angenommen, daß sie vom Balkan eingewandert sind, da die phrygische Sprache nicht verwandt ist mit dem anatolischen Zweig des Indoeuropäischen, zu dem solche Sprachen wie Hethitisch und Luwisch gehören. Die Menschenfunde von Gordion weisen nur sehr kleine Anteile von osteuropäischer Jäger-Sammler-Herkunft auf, was nahelegt, daß entweder die Einwanderung von Balkan-Bevölkerungen mit größeren Anteilen Steppen-Herkunft sehr gering war oder daß sie von Balkan-Bevölkerungen abstammen, die wenig Steppen-Herkunft aufwiesen (daß solche Populationen im bronzezeitlichen südöstlichen Europa existierten, haben wir schon gesehen).The samples from Gordion, the capital of Ancient Phrygia are made up predominantly of NW Anatolia-related and CHG-related ancestry. Ancient Phrygia was successively incorporated into Lydia, the Persian Empire, and the Hellenistic Empire following the campaigns of Alexander the Great. The samples are centuries apart within this sequence of historical events. Importantly, they are rather homogeneous in terms of their ancestry, so we can be fairly confident that they represent the local “Phrygian” population whatever its origins may have been. The Phrygians were Indo-European speakers thought to have migrated from the Balkans as the Phrygian language is not related to the Anatolian branch of Indo-European which includes such languages as Hittite and Luvian. Importantly, though, the samples from Gordion have only small amounts of EHG ancestry, suggesting that either migration from steppe-enriched Balkan populations was minimal, or that it originated from Balkan populations with little steppe ancestry (such populations existed in the Bronze Age in southeastern Europe as we have seen).
Mit den Phrygern haben wir also eine ähnliche Problematik wie mit den Hethitern, wobei offenbar ganz unterschiedliche indogermanische Völker die Anregung zur Ethnogenese gegeben haben.
Abb. 2: 1450 v. Ztr., Kampfszene auf einem Siegelstein aus dem Grab des Greifenkriegers (Wiki) bei Pylos in Westgriechenland, 2015 entdeckt. Der Siegelstein ist nur 3,4-Zentimeter lang. Die ganze Szene wirkt in einem außergewöhnlich faszinierenden Maße "modern", geradezu Jugendstil-mäßig (oder ähnlich)*) |
Zum mykenischen Griechenland kann die neue Studie dann ebenfalls viele aufregende neue Ergebnisse beisteuern.
7. Die Thraker, Mykener, Griechen und Philister weisen 8 % Steppengenetik auf - 2.000 - 500 v. Ztr.
Im Supplement zur dritten Studie lesen wir (3, Suppl, pdf):
Ein Menschenfund aus der Mittleren Bronzezeit aus dem antiken Smyrna (heute Yassıtepe / Izmir) aus der Zeit zwischen 2033 und 1920 v. Ztr. weist eine osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft von 2,9 % auf. (...) Dieser Menschenfund ist der bislang früheste Beleg für Wanderungen vom Balkan nach Anatolien, ein Muster, daß mehr als ein Jahrtausend später am Fundort Değirmendere wieder anzutreffen ist und das auf die lange Geschichte des genetischen Austausches über die Ägäis hinweg aufmerksam macht.A Middle Bronze Age sample from Yassıtepe (Izmir, Ancient Σμύρνα / Smyrna) is also identified, predating the Mycenaean samples (2033-1920 calBCE). Its EHG ancestry is 2.9±2.6%. (...) This sample provides the earliest direct evidence of human migration from the Balkans to Anatolia, a pattern that recurs more than a millennium later at Değirmendere and provides evidence of a long history of genetic interchange across the Aegean.
Daß es umgekehrt schon lange zuvor genetischen Austausch hinsichtlich der iranisch-genetischen Komponente gegeben haben muß, wird in diesem Satz nicht berücksichtigt. Sei es drum. Jedenfalls schon um 2.000 v. Ztr. finden wir an der kleinasiatischen Ägäisküste 6 % indogermanische Steppengenetik.
Bei dem letztgenannten Menschenfund in diesem Zitat handelt es sich um ... (3, Suppl, pdf):
-- ein jugendliches Mädchen aus Değirmendere in Muğla aus der Region der türkischen Ägäis (750-480 v. Ztr.). Ihre (genetische) Ähnlichkeit mit der mykenischen Population ist nicht überraschend angesichts der Nähe zu Griechenland und ihrer Datierung auf die Zeit nach der griechischen Besiedlung der anatolischen Küste.... an ancient adolescent female from Değirmendere in Muğla from the Aegean region of Turkey (750-480 BCE). Her similarity to the Mycenaean population is not surprising given the proximity to Greece and her time postdating the colonization of the coast of Anatolia.
Der Haupttext kommt dann zu den entscheidenden neu sequenzieten Menschenfunden.
Abb. 3: Von Fthiotis (bei Lokris, bei Proskinas) über Delphi nach
Kolikrepi-Spata (bei Athen) (G-Maps) - Orte, an denen die neu sequenzierte Menschen der mykenischen Kultur bestattet lagen |
Wir lesen (3):
Wir berichten von ersten mykenischen Daten aus Mittelgriechenland - der bislang unsequenzierten Region nördlich des Isthmus von Korinth - einschließlich Attika, Kastrouli nahe Delphi in Phokis und aus Lokris in Phthiotis. Von südlich des Isthmus von Korinth auf der Peloponnes berichten wir von Daten von vielen Individuen aus dem "Palast des Nestor" auf Pylos und seiner Umgebung, einschließlich des elitären "Greifen-Kriegers", einem jungen Mann (30 bis 35 Jahre alt), der in einem großen Steingrab zusammen mit hunderten von wertvollen Beigaben bestattet worden ist, von denen viele auf dem minoischen Kreta hergestellt worden sind.We report the first Mycenaean data from Central Greece - that is, the previously unsampled region north of the Isthmus of Corinth - including Attica, Kastrouli near Delphi in Phokis, and Lokris in Phthiotis. South of the Isthmus in the Peloponnese, we report data from many individuals from the “Palace of Nestor” at Pylos and its environs, including the elite “Griffin Warrior,” a young (30 to 35 years old) male buried in a large stone-built tomb with hundreds of precious artifacts, many of them made in Minoan Crete (8).
Von dem hier genannten "Grab des Greifen-Kriegers" (Wiki, engl), das 2015 bei Pylos in Westgriechenland entdeckt worden ist, und zwar an jener Ausgrabungsstätte - dem "Palast des Nestor" (Wiki, engl), die der deutsche Archäologe Carl Blegen 1939 entdeckt
und ab den frühen 1950er Jahren über viele Jahrzehnte ausgegraben
hat - zeigten wir uns hier auf dem Blog schon 2019 beeindruckt (Studgen2019). Aus ihm stammt auch der Siegelstein aus Abbildung 2.
Abb. 4: Zunahme der osteuropäischen Jäger-Sammler-Herkunftskomponente (als Marker für Steppengenetik) in der Ägäis über 8000 Jahre hinweg (aus: 3) |
In der Abbildung 4 wird nun die Zunahme der Steppengenetik in der Ägäis über die Jahrtausende hinweg nachgezeichnet. Sie beträgt - wie wir nun schon ausgeführt hatten - das jeweils Doppelte der osteuropäischen Jäger-Sammler-Genetik. Ab 2.800 v. Ztr. (Frühe Bronzezeit) wächst sie in der Ägäis auf etwa 4 % an.
Interessanterweise ist der Steppenanteil in der griechischen Bevölkerung der mykenischen Zeit (also ab 1.600 v. Ztr.) vergleichsweise unterschiedlich in seinen Anteilen geographisch gestreut. Er kann 0 bis zu fast 40 % betragen. Acht Menschenfunde weisen 20 % Steppengenetik oder mehr auf, noch mal acht weisen 10 bis 15 % Steppengenetik auf. Eine ähnliche Zahl weisen aber auch null Prozent Steppengenetik auf, so daß die Forscher im Durchschnitt für die mykenischen Griechen auf acht Prozent Steppgenetik kommen (3):
Sowohl die Kaukasus-Jäger-Sammler-Genetik wie die Genetik der osteuropäischen Jäger und Sammler nimmt während der Bronzezeit in der Ägäis zu, während die anatolisch-neolithische Genetik anteilmäßig zurück geht, wobei die mykenischen Griechen 21 % Kaukasus-Jäger-Sammler-Genetik aufweisen und 4,3 % osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik.Both Caucasus and Eastern European hunter-gatherer-related ancestry increased in the Bronze Age in the Aegean just as the Anatolian-related ancestry decreased, with Mycenaean Greeks having 21.2 ± 1.3% Caucasus hunter-gatherer ancestry and 4.3 ± 1.0% Eastern European hunter-gatherer ancestry.
Das heißt wohl entweder, daß das ursprüngliche Vermischungsereignis, die jeweilige Ethnogenese vor Ort noch nicht sehr lang zurück liegen kann, daß die Zeit noch nicht lang genug war, damit sich eine genetische Homogenisierung innerhalb Gesamtgriechenlands hat einstellen können oder daß soziale Schichtung oder die vielgestaltige räumliche Gliederung Griechenlands eine Homogenisierung hinaus gezögert hat. Die Bevölkerung in der Ägäis, die dort bis zur indogermanischen Einwanderung lebte, trug schon 18 bis 21 % Kaukasus-Jäger-Sammler-Genetik in sich, bevor die Indogermanen kamen (3). Die Forscher schreiben (3):
Der genetische Einfluß der Steppe auf die Populationen in der Ägäis war von der Menge her gering. Wir schätzen den Anteil der Jamnaja-Steppen-Herkunft in den Mykenern auf ein Drittel des Anteils auf dem Balkan im Norden, auf die Hälfe desselben in Armenien im Osten und auf ein Fünftel oder ein Achtel des Anteils in den Populationen Mittel- und Nordeuropas, die in Verbindung stehen mit der Glockenbecher-Kultur oder der Schnurkeramik-Kultur.The genetic impact of steppe on Aegean populations was quantitatively minor. We estimate the Yamnaya-related steppe ancestry proportion in Mycenaeans to be ~⅓ of the level of that in the Balkans to the north, ~½ of that in Armenia in the east, and ~⅕ to ⅛ of that of populations of Central/Northern Europe associated with the Bell Beaker and Corded Ware cultures.
Einschub (25.1.23): Merkwürdigerweise kommt vier Monate später eine weitere Studie von einer Forschungsgruppe rund um Johannes Krause vom Max-Planck-Institut in Jena in diesen Fragen zu einer anderen Einschätzung. Unter ihren neu sequenzieten Menschenfunden aus dem südlichen mykenischen Griechenland findet sich ein viel einheitlicherer Steppenateil von 22 %. Unter diesen gibt es keine oder nur wenig Menschenfunde, die weniger als diesen Anteil aufweisen (Stugen2023). Deshalb haben wir aus diesem Anlaß die Ausführungen zu dieser Frage aus (3) an dieser Stelle noch einmal etwas ausführlicher ergänzt. so auch dieses (3):
Wir zeigen, daß die osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft in einigen mykenischen Individuen gar nicht vorhanden war, was nahelegt, (...) daß das Hereinkommen der osteuropäischen Jäger-Sammler-Herkunft nicht die Gesamtheit der Bevölkerung des Festlandes während der Spätbronzezeit erreichte und sogar beträchtlich variabel war innerhalb von einzelnen mykenischen Siedlungen. Der Greifen-Krieger, das früheste Individuum (1450 v. Ztr.) des Palastes des Nestor in Pylos steht genetisch inmitten der übrigen Bevölkerung der Ägäis und war deshalb wahrscheinlich ausschließlich lokaler ägäischer Herkunft. Er hatte keine feststellbare osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft (verglichen mit den durchschnittlich 4,8 % unter den restlichen Individuen mykenischer Zeitstellung, die von diesem Palast untersucht worden sind). Dieses Ergebnis könnte auf eine kretische Herkunft dieses Individuums oder seiner Vorfahren weisen; alternativ könnte er von einerm Festland-Bevölkerung stammen, die noch keine Vermischung mit osteuropäischer Jäger-Sammler-Genetik erfahren hatte, so wie zwei spätere Individuen von Pylos, von denen eines nahe dem Palast in einem Kammergrab, der andere in einem Kisten-Grab bestattet wurde. Unterschiede im Anteil der osteuropäischen Jäger-Sammler-Herkunft stellen wir über kurze geographische Distanzen und innerhalb derselben Zeitperiode fest.We show that Eastern European hunter-gatherer ancestry was also absent in some Mycenaean individuals, which suggests that although the contrast between the mainland and Crete was significant (fig. S1), the penetration of Eastern European hunter-gatherer ancestry did not reach the totality of the mainland population during the Late Bronze Age and was even significantly variable within Mycenaean sites. The Griffin Warrior (8), the earliest individual (~1450 BCE) from the Palace of Nestor in Pylos, is genetically right in the middle of the general population of the Aegean and was thus plausibly of entirely local Aegean origin. He had no detectable Eastern European hunter-gatherer ancestry (compared with the average of 4.8 ± 1.1% for the rest of the Mycenaean-era individuals sampled at the Palace; Fig. 1H). This finding could be consistent with a Cretan origin of this individual or his ancestors; alternatively, he could be drawn from a mainland population that had not experienced Eastern European hunter-gatherer admixture, as could two later individuals from Pylos - one buried near the Palace in a chamber tomb and another in a cist grave. Variation in Eastern European hunter-gatherer ancestry is observed at short geographical distance scales and within the same time periods.
Das hieße, die ursprünglich in Griechenland einheimische Bevölkerung, die Pelasger, lebten in Teilen auch noch in mykenischer Zeit unvermischt weiter. So wie es ja auch in Sparta und Messenien noch lange Bevölkerungsteile gab, die ausdrücklich keine Spartaner waren, die Heloten. Aber auch gar zu einfach gestrickte Aufteilung unterschiedlicher Herkunft auf soziale Schichten findet die Forscher ebenso wenig (3):
Die griechischen Eliten in mykenischer Zeit unterschieden sich genetisch nicht von der sonstigen Bevölkerung und schlossen sowohl Menschen ein, die einige Steppenherkunft aufwiesen und andere, die diese nicht aufgewiesen haben - so wie etwa der Greifen-Krieger.Mycenaean period elites in Greece did not differ from the general population and included both people with some steppe ancestry and others, like the Griffin Warrior, without it.
Soziale Schichtung hat zu dieser Vielfalt also zumindest nicht besonders stark beigetragen. In der Studie heißt es dazu sehr interessant (3):
Unterschiede im Anteil der osteuropäischen Jäger-Sammler-Herkunft können zur selben Zeitstufe über kurze geographische Entfernungen hinweg beobachtet werden: Wir stellen fest, daß vier Individuen (1450 v. Ztr.) aus Attika, die bei Kolikrepi-Spata bestattet worden sind, nur 2 % osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft aufwiesen, was deutlich weniger war als die der Individuen auf der benachbarten Insel Salamis und als an allen untersuchten Orten auf der Peloponnes. Dies legt nahe, daß die Behauptung der Athener aus klassischer Zeit, vor langer Vorzeit hätten sie weniger Zuwanderung erfahren als andere griechische Poleis, ein Körnchen Wahrheit enthalten könnte. Allerdings ist noch eine größere Zahl von Sequenzierungen notwendig, um solche geographische Muster als endgültig gesichert ansehen zu können.Variation in Eastern European hunter-gatherer ancestry is observed at short geographical distance scales and within the same time periods: We observe that four individuals (~1450 BCE) of the sample from Attica buried at Kolikrepi-Spata had only 2 ± 1% Eastern European hunter-gatherer ancestry that was significantly less (by more than two standard errors) than that of individuals from the neighboring island of Salamis and all sampling locations in the Peloponnese. This suggests that the classical Athenian claim (e.g., Plat. Menex. 237b) of having received fewer migrants than other Greek poleis in the remote past may have had an element of truth, although larger sample sizes will be necessary to definitively establish such geographic patterns.
/ Einfügung 25.1.23: Das hier genannte Körnchen Wahrheit hat sich vier Monate später schon wieder verflüchtigt (Stugen2023): Kolikrepi liegt 22 Kilometer östlich der Akropolis von Athen auf der anderen Seite des 1000 Meter hohen Hymettos (G-Maps). Nur ehn Kilometer westlich von Kolikrepi auf dem Weg nach Athen liegt Glyka Nera, ebenfalls noch auf der Ostseite des Hymettos. Hier fanden sich zur gleichen Zeit 22 % Steppengenetik (Stugen2023).
Wenn, wie ebenfalls im Januar 2023 ausgeführt wurde, ein hoher Anteil der Ehen Verwandtenehen war, wird man vielleicht annehmen können, daß genetische Herkunft auf bestimmte Familien beschränkt blieb, ohne daß damit eine soziale Schichtung hätte verbunden sein müssen. /
Man wird vielleicht schlußfolgern können, daß die Zuwanderung in jeder Polis, in jedem Stadtstaat, in jeder Kleinregion Griechenlands anderer Art gewesen ist, und daß sich diese Unterschiede - aufgrund der für die Zeit danach anzunehmenden partiell abgeschlossenen Heiratskreise innerhalb der jeweiligen Stadtstaaten - über allerhand Jahrhunderte zumindest im Groben haben halten können. Im Anhang lesen wir noch, daß es in Attika im Gegensatz zu anderen Teilen Griechenlands auch keine kaukasisch-neolithische Komponente gab (1, Suppl., S. 234). Auch dies deutet darauf hin, daß die regionalen Heiratskreise in Griechenland womöglich über Jahrtausende hinweg stabil geblieben sind.
Auch noch während des 8. bis 6. Jahrhunderts v. Ztr. hatte sich die Genetik in Griechenland selbst, sowie in einer griechischen Kolonie in Spanien - soweit bislang aufgrund der noch sehr verstreuten Daten übersehbar - nicht wesentlich verändert. Es handelt sich jeweils um Individuen, ... (3):
... die genetisch den bronzezeitlichen Individuen der mykenischen Zeit glichen. Damit ist ein Individuum von Kastrouli nahe Delphi in Phokis in Festland-Griechenland ebenso gekennzeichnet wie Individuen in Empúries in Nordostspanien ... (...) Eine Herkunft, die typisch für die mykenische Zeit ist, hat sich auch in den östlichen Mittelmeer-Raum verbreitet wie es der Fall ist in einem Individuum von Ashkalon, das in einem archäologischen Kontext der Philister gefunden worden ist. Wir zeigen ebenso die Ähnlichkeit von einigen Individuen aus dem Inland von Thrakien (von Kapitan Anreevo) mit dem mykenischen genetischen Profil, was nahelegt, daß die Mykener genetisch einigen Thrakern vom östlichen Balkan glichen, die außerhalb der Sphäre der ägäischen Späten Bronzezeit lebten.We report a preliminary look at demographic patterns associated with the Greek colonial period (eighth to sixth centuries BCE) by identifying individuals from both the Southern Arc and outside of it who were genetically similar to Bronze Age individuals of the Mycenaean period (supplementary text S1 and fig. S3) (17). This identifies an Archaic period individual from Kastrouli near Delphi in Phokis on the Greek mainland and individuals at Empúries in Northeastern Spain who are genetically very similar to Mycenaean-era individuals from the Greek mainland (20). (...) Ancestry typical of the Mycenaean period also spread to the Eastern Mediterranean, as in the case of an individual from Ashkelon associated with a Philistine archaeological context (21). We also show the similarity of some individuals from inland Thrace (at Kapitan Andreevo) with the Mycenaean genetic profile, which suggests that Mycenaeans were genetically similar to some Thracians from the East Balkans, outside the sphere of the Late Bronze Age Aegean.
Im Grunde wird hier schon ein Muster deutlich, von dem man kaum erwarten kann, daß es sich durch die künftige Forschung noch wesentlich ändern wird.
8. Was bewirkten da eigentlich noch Dorische Wanderung und Seevölker-Sturm um 1200 v. Ztr.?
Ein sieben prozentiger Steppengenetik-Herkunftsanteil wird in der Bevölkerung der Levante von heute immer noch gefunden. Und seine Ankunft dasselbst wurde schon in einer Studie von 2017 - die auch auf Wikipedia zu den Phöniziern Erwähnung findet (Wiki) - folgendermaßen datiert (Haber et al 2017):
Wir fanden Bestätigung für die Annahme, daß die Vermischung zwischen der bronzezeitlichen Herkunft in Sidon und der bronzezeitlichen Steppenherkunft um 950 v. Ztr. plus/minus 750 Jahren aufgetreten ist. (...) Dieser Zeitpunkt überlappt mit dem Niedergang des Ägyptischen Reiches und seiner Vorherrschaft über die Levante, was zur Vergrößerung der Macht einiger Küstenstädte führte, einschließlich von Sidon und Tyros, die zu dieser Zeit ein erfolgreiches Handelsnetzwerk über das gesamte Mittelmeer hinweg aufbauten.We found support (p = 0.00017) for a mixture between Sidon_BA and Steppe_EMBA which has occurred around 2,950 ± 790 ya (Figure S13B). It is important to note here that Bronze Age Steppe populations used in the model need not be the actual ancestral mixing populations, and the admixture could have involved a population which was itself admixed with a Steppe-like ancestry population. The time period of this mixture overlaps with the decline of the Egyptian empire and its domination over the Levant, leading some of the coastal cities to thrive, including Sidon and Tyre, which established at this time a successful maritime trade network throughout the Mediterranean. The decline in Egypt’s power was also followed by a succession of conquests of the region by distant populations such as the Assyrians, Persians, and Macedonians, any or all of whom could have carried the Steppe-like ancestry observed here in the Levant after the Bronze Age.
Nun, daß - wie in diesem Zitat angenommen - Assyrer, Perser oder Makedonen diesen Steppen-Herkunftsanteil in den Levanteraum gebracht haben können, scheint uns mehr als unwahrscheinlich. Spielten hier also doch die Seevölker um 1200 v. Ztr. eine Rolle?
Aber immerhin ist ja auch so auffallend, daß so unterschiedliche Kulturen wie die Thraker, die Griechen und die Philister alle während der Spätbronzezeit bis in die vorchristlichen Jahrhunderte eine sehr vergleichbare Genetik aufweisen. Das ist so ähnlich wie wenn wir heute beobachten, daß die Deutschen und ihre slawischen Nachbarvölker eine sehr ähnliche Herkunftszusammensetzung aufweisen, obwohl sie geschichtlich über lange Zeiträume hinweg beträchtliche kulturelle, wirtschaftliche und sprachliche Unterschiede aufgewiesen haben und aufweisen. (Man beachte: Für die Griechen waren ja die ihnen genetisch ziemlich verwandten Thraker und Makedonen "Barbaren".)
Da der Seevölkersturm und die Dorische Wanderung (Wiki) in Griechenland (nach dem referierten neuen Forschungsstand) insgesamt gesehen vergleichweise wenig genetische Verschiebungen mit sich gebracht zu haben scheinen, was gewiß eine nicht unbedeutende Erkenntnis sein könnte, könnte dieser Umstand ebenfalls für den Levanteraum gelten. Womit jene Völkerbewegungen der Mittelbronzezeit um 1900 v. Ztr. (!), die ja doch das mykenische Herkunftsmuster vor allem in Thrakien und in Griechenland zur Ausbildung gebracht haben werden, womöglich genetisch schon bleibendere Nachwirkungen hinterlassen hatten als der spätere Seevölkersturm um 1200 v. Ztr.. Wir hatten hier auf dem Blog schon auf "Ösenhalsringträger im Umfeld der Handelsstädte Ugarit und Byblos in der Zeit um 1.900 v. Ztr." im Levanteraum hingewiesen, deren Herkunft - archäologisch gesehen - auf das südliche Deutschland verweist (Stgen2010).
Wer weiß, was die künftigen Forschungen hier noch an genaueren Detailerkenntnissen heraus bringen werden.
Auch in langobardischen und byzantinischen archäologischen Zusammenhängen findet sich dann noch vereinzelt die hier zusammenfassend "mykenisch" genannte Genetik der spätbronzezeitlichen und eisenzeitlichen antiken Griechen (Suppl, pdf).
9. Slawen bringen erneut Steppengenetik nach Griechenland
In römischer Zeit beträgt der Anteil der Steppengenetik in Griechenland dann - nach der Grafik in Abbildung 3 - etwa 12 %.
Und mit der germanischen und slawischen Zuwanderung aus Nordost- und Osteuropa wächst sie im Frühmittelalter noch einmal an auf die heutigen 20 %. Mit dieser slawischen Zuwanderung kam auch etwa 8 % einheimische Balkan-Jäger-Sammler-Genetik in die heutigen Griechen.
Das macht auf den schon eingangs genannten - vielleicht - "verrückten" Umstand aufmerksam: Die Griechen der Neuzeit haben mehr Steppengenetik in sich als die allzu oft als "blond" und hellhaarig dargestellten Griechen der Antike (Wiki).
Dieser Umstand stellt nicht nur das Weltbild eines Gustaf Kossinna auf den Kopf, sondern auch das eines solchen völkischen "Rasseforschers" wie Hans F. K. Günther. In seiner "Lebensgeschichte des hellenischen Volkes" von 1956 (und auch schon in Vorläufern dieses Buches vor 1945) vertrat er den Gedanken, daß der Untergang der antiken Kultur mit einem Aussterben der "nordischen Eliten" parallel gegangen sei (das er deshalb zu seinen Lebzeiten für Mittel-und Nordeuropa verhindert wissen wollte) (s.a. Stgen2022). Dabei hat sich aber der "nordische" genetische Anteil der Steppengenetik im Frühmittelalter in Griechenland sogar noch erhöht. Und wir wissen ja heute, daß die slawischen indogermanischen Völker keinen niedrigeren durchschnittlichen IQ haben als die germanischen indogermanischen Völker. Damit wird also schlagend verdeutlicht, daß Genetik und Intelligenzgenetik bei weitem nicht alles allein und für sich erklären können in der Kulturgeschichte der Menschheit. Vielmehr wird damit verdeutlicht, welche immense Macht der Kultur, der Religion, dem Zeitgeist, der Muttersprache und vielen ähnlichen Phänomenen zusätzlich noch zuzusprechen sind.
"Philhellenen" und Freunde der Indogermanen
Ein Faktor war doch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, daß die Lebensweise und die Art der Urindogermanen - als die "Spezialisten für Kriegsführung" als die sie sich den Archäologen präsentieren - als besonders eindrucksvoll und "vorbildlich" auf ihre Mitwelt gewirkt haben könnten, und daß womöglich deshalb viele nachmals große Völker sehr leicht ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Mentalität und ihren Habitus angenommen haben, womöglich auch ohne daß sich Urinodgermanen deshalb schon besonders umfangreich mit Angehörigen dieser Kultur familiär vermischen mußten. Ähnliches deutete sich ja - zumindest für einen Teil - der frühen Angehörigen der Glockenbecher-Kultur auf Sardinien oder in Spanien ebenfalls schon an.
Auch auf einer Ostseeinsel fanden sich ja, wie wir in früheren Blogartikeln behandelten, Menschen mit mesolithischer Jäger-Sammler-Herkunft bestattet mit Grabinventar von typischen Schnurkeramikern ihrer Zeit.
Auch schon die frühesten Kurgane im Nordkaukasus des 5. Jahrtausends v. Ztr. zeigen ja, daß die Urindogermanen ein ausgesprochen starkes Selbstbewußtsein gehabt haben müssen und daß sie ausgesprochen "groß" von sich selbst gedacht zu haben scheinen. Vielleicht kann auch gesagt werden, daß sie sich als "Edle" angesehen haben, als "Söhne der Sonne", als "Söhne der Götter", als "Adlige", als hoch über allem "Gemeinen" stehend. Von anderen Völkern wurden sie deshalb womöglich - mitunter - als eine Art "Götter" angesehen oder verehrt, so daß ansonsten von Seiten der Urindogermanen gar nicht mehr so viel hatte dazu getan werden müssen und sich dennoch andere Völker sehr vieles von ihnen "abguckt" haben oder nachgeahmt haben in Staunen, Bewunderung und Begeisterung für sie.
Das ist nur ein erster Deutungsversuch. (Dieser Gedanken ist noch ausführlicher dargestellt worden hier: Stugen2022.)
Zumindest sollte man eine solche Möglichkeit angesichts der neuen Forschungsergebnisse nicht von vornherein ausschließen. Wie gesagt, kann dies alles womöglich auch ganz gut verglichen werden mit der vergleichsweise raschen Hellenisierung ganzer Weltteile im unmittelbaren Anschluß an die Eroberungszüge Alexanders des Großen. Auch hier hat ja Begeisterung für eine neue Lebensweise und ihre Vertreter eine große Rolle gespielt.
Und so wie es bis heute immer wieder "Philhellenen" (Wiki) gegeben hat, Begeisterung für die Griechen der Antike, so könnte es in der Vorgeschichte "Philindogermanen" gegeben haben, Indogermanen-Freunde, Freundschaft zu Indogermanen, die dann zur Ethnogenese ganzer Völker führen konnte.
Wir veröffentlichen diesen Blogartikel zunächst einmal in dieser - uns sehr vorläufig erscheinenden - Weise, bevor wir noch genauer die vielen Anhänge der genannten Studien gelesen haben und überhaupt alles völlig zu Ende gedacht haben. Dieser Blogartikel kann also künftig noch Umarbeitungen erfahren.
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*) Das Bild sollte für die Betrachtung vergrößert werden, um die hochgradig eindrucksvollen Darstellungen des getöteten Kriegers links unten, des jungen, langgelockten, siegesfrohen, voranstürmenden Kriegers in der Mitte, der - ohne Schild und Helm - dem mit einer Lanze bewaffneten, durch Schild und Helm beschützten Krieger rechts gerade das Schwert in die Brust stößt, in sich aufnehmen zu können. Auf 3,5 Zentimeter Länge eine solche Fülle von eindrucksvollem Geschehen und eindrucksvoller Charakteristik. Die Stimmung der jeweiligen Personen, die Art ihrer Bewaffung, ihr muskulöser Körperbau sind genau und eindrucksvoll gekennzeichnet. Nicht ganz klar ist, ob der Stoß der Lanze des rechten Kriegers am Körper seines Gegners vorbei geht oder ihn trifft. Wäre letzteres der Fall, müßte das Gesicht des mittleren Kriegers aber wohl mehr von Schmerzen erfüllt sein als das zu erkennen ist. - - - Es sei denn, es sollte hier sein Tod "lachendes Auges" dargestellt sein. Nicht völlig auszuschließen ist ja, daß hier dargestellt ist, wie der 30-jährige Greifen-Krieger selbst ums Leben kam, und daß der Künstler diese Szene miterlebt hat und beim Schaffen noch ganz von ihr erfüllt war. Es wird wohl gesagt werden dürfen, daß die Darstellung von einem sehr ähnlichen Geist erfüllt ist wie die "Ilias" des Homer, die 600 Jahre später niedergeschrieben wurde.
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- Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) The genetic history of the Southern Arc: A bridge between West Asia and Europe. Science 377, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
- Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) Ancient DNA from Mesopotamia suggests distinct Pre-Pottery and Pottery Neolithic migrations into Anatolia. Science 377, 982-7, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
- Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) A genetic probe into the ancient and medieval history of Southern Europe and West Asia. Science 377, 940-51, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
- Curry, Andrew: ‘Phenomenal’ ancient DNA data set provides clues to origin of farming and early languages, Science 25.8.2022.
- A
Genetic History of Continuity and Mobility in the Iron Age Central
Mediterranean - Hannah M Moots, Margaret L. Antonio, ... Alfredo Coppa,
Jonathan K. Pritchard, Ron Pinhasi bioRxiv, 15.3.2022, doi: https://doi.org/10.1101/2022.03.13.483276; erneut 23.8.2022, https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2022.03.13.483276v2.full
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