Ein großer Teil der bekannten vorderasiatischen und antiken Städte ist im Kernbereich auf Bergen und Siedlungshügeln (den sogenannten Tells) und um diese herum entstanden und gewachsen.
Abb. 1: "Depotfund" von Vollgriffdolchen (Stabdolchen) und Ösenhalsringen aus Oberbayern |
Im Levanteraum nicht erst seit der Bronzezeit, sondern schon lange zuvor. Aber dies gilt nicht nur für die ersten Städte Vorderasiens, sondern auch für die Griechenlands und Roms. Denken wir an den berühmten Siedlungshügel von Troja, denken wir an die Akropolis von Athen und die um sie herum gruppierte Stadt, denken wir an die "Siebenhügel-Stadt" Rom. Auch eine große Anzahl von heute bekannten keltischen Städten lag über lange Bergkuppen hinweg ausgebreitet, in denen eine volkreiche Bevölkerung gelebt hat. Die Regelhaftigkeit dieser keltischen Siedlungsweise auch schon in der Zeit davor ist der Forschung erst in den letzten Jahrzehnten voll bewußt geworden (siehe die letzten Beiträge).
Oft hatten die bis hier genannten Stadtanlagen Anschluß an Häfen oder profitierten auf sonstige Weise von den Handelswegen und schützten diese zugleich.
Immer wieder stellt man fest, daß man die gesellschaftlich-wirtschaftliche Komplexität von archäologischen, schriftlosen Kulturen unterschätzt hat, also an sie über lange Zeiten hinweg ganz falsche Vor-Urteile und aus diesen abgeleitete wissenschaftliche Hypothesen herangetragen hat. Hinweise darauf gibt es letztlich schon seit Jahrzehnten. Doch ist die Regelhaftigkeit und die Häufigkeit dieser Stadtanlagen über weite europäische Regionen hinweg ist erst in jüngster Zeit von der Forschung in vollem Umfang erkannt und anerkannt worden.
Der Grund dafür, daß die Ähnlichkeit der stadtähnlichen, bronzezeitlichen, mitteleuropäischen Siedlungsstruktur mit der zeitgleichen mediterranen erst so spät erkannt wurde, liegt offenbar vor allem an der Vergänglichkeit des Materials, mit dem in Mitteleuropa fast ausschließlich gebaut wurde: Holz. Einen anderen wesentlichen Grund, weshalb man die offenbar sonst nur geringen Unterschiede zu Siedlungsstruktur und -dichte des bronzezeitlichen mitteleuropäischen Raumes zu dem des bronzezeitlichen, mediterranen Raumes nicht schon früher erkannt hat, gibt es, soweit derzeit übersehbar nicht. Also Unterschiede zwischen der hier vorliegenden wirtschaftlich-arbeitsteilig-gesellschaftlichen Komplexität und damit des bestehenden wirtschaftlichen und bevölkerungsmäßigen Wohlstandes, Reichtums.
Abb. 2: Die "klassische" Tasse der Aunjetitzer Kultur im Elbsaale-Gebiet |
Für viele sonstige wesentliche Fundgruppen aus anderem Material, das die Jahrtausende weit besser überdauert hat als Holz, finden sich zwischen dem mediterranen Raum und dem mitteleuropäischen Raum für die Bronzezeit inzwischen - soweit übersehbar - keine ausgeprägten Unterschiede mehr. Selbst das Tafelgeschirr der Aunjetitzer Kultur wird inzwischen als "modern", also als mit dem zeitgleichen mediterranen Raum vergleichbar, beschrieben (Willroth, S. 21):
Von den Vorratsgefäßen abgesehen entspricht der Aunjetitzer Gefäßsatz nahezu dem heute gebräuchlichen, und es wäre ohne weiteres möglich, daraus etwa ein Service zusammenzustellen. Da gibt es Tassen, Töpfe, Schüsseln, Krüge, Becher und Näpfe, sowie viele Spezialformen, (...) Amphoren, Vasen und Dosen, um nur die markantesten zu nennen.
Ist es für den Erkenntnisfortschritt also ab diesem Punkt in der Forschung nicht sinnvoller, statt von deutlichen Unterschieden zwischen beiden Kulturräumen auszugehen und nach "dennoch" bestehenden Gemeinsamkeiten zu suchen, stattdessen grundsätzlich von weitgehenden Gemeinsamkeiten auszugehen und "dennoch" bestehende Unterschiede herauszuarbeiten?
Inzwischen ist auch bekannt, daß die Bauweise der mitteleuropäischen, bronzezeitlichen Langhäuser einen Wärmedämmwert der Wände erreichte, der durch moderne Forschung erst im letzten Jahrzehnt wieder erreicht worden ist. Es ist inzwischen bekannt, daß diese Wände - wie im Mittelmeerraum - mit farbenfrohen Mustern bemalt waren.
Abb. 3: Handels- und Kulturkontakte in der Bronzezeit |
Man wird sich deshalb die bronzezeitliche Gesellschaft nur wesentlich unterschieden vorstellen können von der der eisenzeitlichen Kultur der Kelten und ihrer "Salzherren", ihrer Fürsten. Für die Frühbronzezeit gilt deshalb (Zich, S. 19f):
Ein kleiner Personenkreis setzt sich deutlich ab, der viel aufwendiger gestaltete und ausgestattete Grabmonumente erhielt. Die sogenannten Fürstengräber sind eine Besonderheit der nördlichen Aunjetitzer Kultur. (...) Die bedeutendsten dieser Fürstengräber sind die von Leubingen, Helmsdorf und Dieskau. (...) Sie schöpften ihren Reichtum aus der Kontrolle der Salzgewinnung. Dieser Wirtschaftszweig ist gerade für den Ostharzer Bereich, vornehmlich die Umgebung von Halle, bereits für die Frühe Bronzezeit gut belegt. (...)
Der erwirtschaftete Reichtum (...) dokumentiert sich vorwiegend in den Hortfunden. (...) Die größte Funddichte besteht in der Umgebung des Hallenser Saaletales, wo allein im heutigen Ortsteil Kanena drei Deponierungen zutage kamen. Richtet man den Blick nur wenige Kilometer darüber hinaus, so kommen fünf weitere hinzu, darunter so bedeutende wie die Ensembles von Dieskau. (...) Zu den imponierendsten Deponierungen zählt (...) Dieskau mit 293 Beilen vom sogenannten sächsischen Typ.
Ebenso wie solche "Depotfunde" im Vorderen Orient vornehmlich unter Tempeln oder in der Nähe von Tempeln als Opfer- und Weihgaben niedergelegt wurden, wird man dies auch für diese mitteleuropäischen "Depotfunde" annehmen müssen. Damit würde das Hallenser Saaletal in der Frühbronzezeit nicht nur ein wirtschaftliches Zentrum gebildet haben, sondern zusätzlich auch ein religiöses. An vielen Orten könnten Tempel und heilige, geweihte Stätten vorhanden gewesen sein.
Weihgaben für die Götter, niedergelegt an heiligen Orten (= "Depotfunde")
Die Frauen der reichen Oberschicht verrichteten weniger körperlich mühsame Handarbeiten als die Durchschnittsbevölkerung, wie Untersuchungen der Muskalansatzstellen an den Oberarmen der Skelette eines 300 Gräber umfassenden frühbronzezeitlichen Bestattungsplatzes der Maros-Kultur im nördlichen Banat im heutigen Serbien ergaben (2.100 - 1.800 v. Ztr.). (Porcic) Jedoch wiesen die Oberarme der Männer der reichen Oberschicht sogar noch stärkere Muskelansatzstellen auf als die der Durchschnittsbevölkerung:
High status men use their schoulder and arm muscles more then low status men.
Dies könnte man darauf zurückführen, daß sie "waffengeübt" waren und sich erhielten, oder daß sie als Schmiede oder Handwerker tätig waren wie der süddeutsche Bogenschützen-Fürst von Stonehenge oder wie "Wieland der Schmied" in der germanischen Sage. Auch an intensiv betriebene Jagd mit Bogenschießen und anderem ist zu denken.
Ösenhalsringe - das erste Geld Mitteleuropas (um 2.000 v. Ztr.)
Wenn man einem solchen "protourbanen" Wirtschaftssystem wie dem im letzten Beitrag umrissenen hinterherdenkt, taucht irgendwann die Frage auf: Eigentlich fehlten da nur noch das Geld, die Münzen. Da man derartiges für die keltische Zeit schon kennt, ist es nicht so fernliegend, ähnliches auch für das bronzezeitliche Mitteleuropa anzunehmen.
Die auf Abb. 1 gezeigten Ösenhalsringe auf der rechten Bildseite stellten nach derzeitigem Forschungsstand um 2.000 v. Ztr. eine Art Tauschwährung dar.
Abb. 4: Verbreitung der Ösenhalsringe in Mitteleuropa - um 2.000 v. Ztr. |
Wir erfahren für Mitteleuropa (Hänsel, S. 117):
Während der Frühbronzezeit (ca. 2.200 - 1.600/1.550 v. Chr.) etablierte sich in vielen Regionen Europas ein weit gespanntes Austausch- und Vertriebssystem für Metalle und andere Waren, wie es in dieser Intensität bislang noch nicht da gewesen war.Diese Ösenhalsringe scheinen eine erste Form des "Geldes" im mitteleuropäischen Waren-und Dienstleistungs-Verkehr dargestellt zu haben. Und zwar ohne dabei ganz ihre Funktion als Schmuckstücke verloren zu haben. Diese Geldfunktion haben sie nach derzeitigem Forschungsstand insbesondere innerhalb des "Wirtschaftsraumes" des rot markierten Bereiches von Abb. 4, eingegrenzt vom Elbsaale-Gebiet, Schlesien, Bayern und dem Burgenland innegehabt. Dies scheint ein vergleichsweise einheitlicher Wirtschaftsraum gewesen zu sein, dominiert von der bedeutenden Aunjetitzer Kultur, aus der auch die berühmte Himmelsscheibe von Nebra hervorgegangen ist:
Wir sprechen daher von einem prämonetären Wirtschaftsverkehr. (...) Ähnliche Erscheinungen sind z.B. bei verschiedenen neuzeitlichen Völkern Afrikas und Südasiens bekannt. (Hänsel S. 117)
Der Zeitraum zwischen - etwa - 2.300 v. Ztr. und 1.800 v. Ztr. ist ein für Europa und den Vorderen Orient sehr "lebhafter" Zeitraum gewesen. Um 2.300 bringt ein süddeutscher Bogenschützen-Fürst und Bronzeschmied die Glockenbecherkultur und damit die Bronzezeit nach Stonehenge in Südengland, wo die klassische, steinerne Anlage von Stonehenge nur eine Generation später entsteht (aus einer hölzernen Vorgängerversion).
Um 2.000 v. Ztr. breitet sich die Kultur der Großsiedlungen auf Bergen, der befestigten protourbanen Handelssiedlungen, Fürstensitze und Bergfestungen, also geradezu von Städten - offenbar vom Schwarzen Meer und von Griechenland über Karpaten, Balkan und Adria kommend, aber auch unter Kultureinflüssen von Italien her (Vollgriffdolche / Stabdolche), sehr schnell bis in das Elbesaalegebiet, bis nach Bayern und bis in das Elsaß hinein aus. Mit Ausstrahlungen bis weit in die norddeutsche Tiefebene hinein.
In diesem genannten Bereich bildet sich ein einheitlicher Wirtschaftsraum heraus, in dem Ösenhalsringe und Prunk-Vollgriffdolche nicht nur beliebteste Schmuck- und Prestigeobjekte darstellen, sondern in nicht fertig verarbeiteter Rohform offenbar auch als eine Art frühe Geldwährung im Handel der Menschen untereinander und als Weihgaben an die Götter in Tempeln ("Depotfunde") benutzt werden.
In dieser Zeit wandern kentumsprachige, also westindogermanische Mitteleuropäer in die Taklamakan an der Westgrenze Chinas ein (die Tocharer). In dieser Zeit werden die ersten Fürstentümer des westindogermanischen Volkes der Hethiter in Anatolien gegründet (Wikip.).
Ösenhalsringträger im Umfeld der Handelsstädte Ugarit und Byblos - 1.900 v. Ztr.
Und in dieser Zeit scheinen mitteleuropäische Ösenhalsringträger und -nutzer auch die levantischen Handelsstädte Ugarit und Byblos, sowie ihr Hinterland militärisch erobert und besetzt zu haben. Das scheinen Brand- und Ascheschichten in diesen Städten, sowie darauffolgende Gräber mit Trägern von Ösenhalsringen auszuweisen, also solchen Ösenhalsringen, wie sie vorher in diesem Raum nicht üblich gewesen waren.
Die naheliegendste Vermutung ist, daß es sich um eine Zuwanderung aus Mitteleuropa handelte in einem Zeitraum, nachdem sich in Mitteleuropa der einheitliche Kulturraum der Ösenhalsring-Träger ausgebildet hatte. In einer diesbezüglichen Studie aus dem Jahr 1994 heißt es dazu zusammenfassend (Schlor, S. 66):
In der europäischen Frühbronzezeit wird ein Teil der Bevölkerung durch reichen Bronzeschmuck als reiche und sozial hochgeachtete Gruppe charakterisiert. Das Prestigeobjekt schlechthin ist der Ösenhalsring. In den gleichen Zeitraum fällt das plötzliche Auftreten von Ösenhalsringen in der Levante. Die absoluten Daten dieser Kulturstufen sind zwischen 2100 und 1850 v. Chr. anzusetzen. Die Genese der Ösenhalsringe muß in Mitteleuropa angenommen werden, zumal hier neuere C-14 Daten die älteren Exemplare nachweisen. Folglich wurden sie vom "Okzident" in den "Orient" gebracht. Weitere mit dem Ösenhalsring verbundene Trachtenelemente, vor allem Ruderkopfnadeln und geschwollene Lochhalsnadeln, bestätigen mögliche Kulturbeziehungen.
Weiter heißt es von den Hortfunden im levantinischen Raum, die Ösenhalsringe enthalten (Schlor, S. 14), sie
sind eindeutig in kultisch-religiöses Ambiente zu weisen, was jeweils durch ihr Auffinden (wie in Mitteleuropa) in einem Behälter nahe oder unterhalb eines Tempels oder kultisch zu interpretierendem Gebäude bestätigt wird.
Diese Entdeckungen wurden schon bei Ausgrabungen in Byblos und Ugarit in den 1920er und 1930er Jahren gemacht. Über den Siedlungshügel (= "Tell") Ras Schamra von Ugarit, der 1931 ausgegraben wurde, erfahren wir etwa (von Reden, S. 166 - 170):
Die Gräberfelder im Stratum II des Ras Schamra signalisieren zweifellos die Ankunft eines neuen Volkes auf dem Tell, der nach der Zerstörung der frühbronzezeitlichen Stadt gegen 2200 v. u. Z. lange Zeit verlassen blieb. (...)
Ösenhalsringe, Schmuckspiralen und "toggle pins" sowie dreieckige Dolche mit Mittelrippe waren (dem Ausgräber) Claude Schaeffer seit den Ausgrabungen prähistorischer Grabhügel im Elsaß und von vielen anderen mitteleuropäischen Fundstätten aus der Frühbronzezeit bekannt. Kamen die Hersteller dieser Objekte aus Europa nach der Levante? (...)
Schädeluntersuchungen bewiesen auch, daß sich die Torques-Träger von Byblos rassich wesentlich von den Einheimischen unterschieden. (...) In Byblos wie auf dem Ras Schamra wirkten die Torques-Träger wie Zugewanderte, wie eine verhältnismäßig kleine Gruppe. Die Nekropole auf der Akropolis bewies, daß sich die Bestattungssitten grundlegend von jenen der Einheimischen unterschieden. Die Erdgruben, in denen die Verstorbenen meist in Hockstellung ruhten, entsprachen hingegen frühen Totenbräuchen in Mittel- und Osteuropa. (...)
Die Zahl der europäischen Ösenhalsringe aus Gräbern, Horten und Depots beträgt mehrere Tausend. Im Nahen Osten kamen nur ungefähr 200 zutage, die meisten in Ugarit und Byblos. Einzelfunde, die vielleicht den Weg der Torques-Träger nach dem Orient markieren, wurden von Nordanatolien, Syrien, Palästina bis Ägypten entdeckt.
Woher stammen die europäischen Vollgriffdolche (um 2.000 v. Ztr.)?
Die ältesten bekannten Vollgriffdolche finden sich um 2.500 v. Ztr. als Beigaben in Königsgräbern in Vorderasien.
Abb. 5: Verbreitung der Vollgriffdolche in Mitteleuropa - um 2.000 v. Ztr. |
Nach einer sehr detaillierten Forschungsstudie aus dem Jahr 2002 (Röntgenuntersuchungen, Metallanalysen, Stilvergleich, Datierungen) sind die ältesten mitteleuropäischen Vollgriffdolche in Italien hergestellt worden und haben sich über die Westschweiz nach Mitteleuropa ausgebreitet (Schwenzer):
... Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten, die zum Teil in Zusammenarbeit mit dem Römisch Germanischen Zentralmuseum in Mainz entstanden, konnte Schwenzer zeigen, dass bisher weder in Italien noch im Raum der Westschweiz Dolche gefunden wurden, deren Herkunft aus dem Heimatgebiet der Aunjetitzer Kultur zweifelsfrei nachzuweisen ist. Dagegen konnte er mehrfach den Einfluss südlicher Dolche auf die Produktion der Vollgriffdolche in den Werkstätten der Aunjetitzer Kultur belegen.
Es werden also bei der Entstehung und Ausformung der Aunjetitzer Kultur nicht nur Kultureinflüsse aus Südosteuropa unterstellt werden müssen, sondern auch aus Südwest-Europa. Immer deutlicher wird, daß die Frühbronzezeit ein allgemein-europäisches Phänomen gewesen ist, in das auch die iberische Halbinsel bei den Erörterungen mit einbezogen werden muß, weil auch auf ihr gerade um diese Zeit Städte auf Bergen entstehen.
Abb. 6: Frühbronzezeitliche Städte auf der Halbinsel Istrien |
Der Berliner Archäololge Bernhard Hänsel schreibt:
Istrien war bis in den frühen Abschnitt der Frühbronzezeit, also bis etwa 2.000 v. Ztr., dünn besiedelt. Bewohnt wurden Höhlen sowie kleinere Weiler an der Küste und im Inland an Stellen mit günstigem Zugang zum Wasser. Selten wurden die für die Landschaft Istriens so typischen Hügel genutzt. (...) Nach 2.000 v. Ztr. ändern sich die Verhältnisse grundlegend. Die gesamte Halbinsel wurde nun von einem Netz von Wohnplätzen durchzogen, die häufig nur in Sichtweite voneinander entfernt lagen (siehe Abb. ..). Zug um Zug erschloß eine zuvor in dieser großen Zahl nicht vorhandene Bevölkerung das gesamte Territorium Istriens. Gradinen oder Castellieri nennt man die eindrucksvollen, durch gewaltige Steinmauern gesicherten frühstädtischen Plätze, die in der Regel auf Bergkuppen liegen, zum teil aber auch in den Niederungen angelegt worden sind. Es gibt größere zentrale Orte, die von kleineren umgeben sind.
Diese Kolonisation und dieser Landesausbau vollzog sich, wie Hänsel schreibt,
in einem weiträumigen Geflecht von Wirtschaftsbeziehungen (...) zwischen Oberitalien, dem deutschen Mittelgebirgsraum, Polen und dem Donauraum bis zum Eisernen Tor,
belegt durch die geographische Verteilung der archäologischen Fundgruppe der sogenannten tönernen "Brotlaibidole". Sie werden als ein erstes Zeichen von Schriftlichkeit im Warenverkehr gedeutet. In einer anderen Deutung handelt es sich um Stempel (Wikipedia).
Kupferbergbau in den Alpen nördlich des Alpenhauptkammes seit 1700 v. Ztr.
Auch die Archäologie des Bergbaus auf Kupfer und Salz dringt in Mitteleuropa in immer frühere Zeiten zurück. Kupferbergbau in den Alpen nördlich des Alpenhauptkammes ist bislang nachgewiesen am Hochkönig bei Bischofshofen zwischen 1700 und 1000 v. Ztr., am Jochberg zwischen 1600 und 1200 v. Ztr., auf der nahegelegenen Kelchalm zwischen 1256 und 1237 v. Ztr., in Schwaz/Brixlegg/Radfeld zwischen 1400 und 500 v. Ztr. und in Leogang/Viehofen um 1250 v. Ztr. herum. (Pichler, S. 71) Welche Rolle der Bergbau in den Südkarpaten gespielt haben muß für die dortigen Städtegründungen wird noch in einem der nächsten Beiträge deutlich werden. Um 1.000 v. Ztr. wurden kupferhaltige Erze in Schwarzenberg in Tirol abgebaut (Pfisterer).
Salzbergbau in Hallstatt seit 1460 v. Ztr.
Und der Pionier der modernen Archäologie im Salzbergbau, F.E. Barth, schreibt 1998:
(...) Ich hoffe gezeigt zu haben, daß Hallstatt zwar für seine Funde aus der älteren Eisenzeit Weltberühmtheit erlangte, daß die Wurzeln dafür aber wesentlich älter und tief in der Bronzezeit verankert sind. Obwohl sich diese Tatsache schon durch die ersten Radiokohlenstoffdatierungen Mitte der siebziger Jahre klar abgezeichnet hat, blieb sie bis heute weitestgehend unbeachtet.
In archäologischen Fundstätten im Salzbergewerk von Hallstatt hat man inzwischen die acht Meter lange "älteste Stiege der Welt" entdeckt. Ihr Holz wurde nach den dendrochronologischen Untersuchungen 1344 v. Ztr. geschlagen. (Kern) Sonstige Funde konnte auf den Zeitraum zwischen 1458 bis 1245 v. Ztr. datiert werden. (Kern)
Nachbemerkung, 11.4.19: Dieser Beitrag und Folgebeiträge verdanken Bernhard Hänsel sehr viel. Deshalb liest man einen Nachruf auf ihn mit besonderem Interesse (Metzner-Nebelsick 2019). Hänsel stammte aus der DDR und hat gemeinsam mit Jens Lüning und Harald Hauptmann in Heidelberg studiert. Beide namhafte Archäologen haben ebenfalls Beiträge zur Erinnerung an ihren ehemaligen Kommilitonen und Kollegen verfaßt. Metzner-Nebelsick schreibt über ihre Zeit als Studentin an der FU Berlin (wo auch der Verfasser dieser Zeilen kurzzeitig Vorlesungen von Professor Ament besuchte):
Für seine Studenten war Bernhard Hänsel stets präsent. Oft sah man in spät am Abend oder an den Wochenenden durch die Bibliothek gehen, um Literaturrecherchen zu betreiben. Bei solchen Gelegenheiten suchte er dann stets das Gespräch.
Solche Abende und Wochenenden in der Bibliothek - wer der Wissenschaft aufgeschlossene Mensch kennt sie nicht? Es sind oft die fruchtbarsten.
überarbeitet und veröffentlicht: 20.5.10
ergänzt: 11.4.2019
Literatur:
- Bading, Ingo: Zur Religions- und Stadtgeschichte des bronzezeitlichen Mitteleuropa. Personale Gottheiten und Himmelskunde in ersten Städten. Studium generale, 5.1.2010
- Zich, Bernd: Von Aunjetitz zu Lausitz - Beginn des ehernen Zeitalters. In: AiD, 1/1997, S. 18-22
- Porčić, Marko; Stefanović, Sofia: Physical activity and social status in Early Bronze Age society: The Mokrin necropolis. In: Journal of Anthropological Archaeology, Vol. 28, Issue 3, September 2009, Pages 259-273
- Schwenzer, Stefan: Vollgriffdolche als Statussymbole frühbronzezeitlicher Eliten. Archäologie Online 1, 2 [21.1.10]
- Schwenzer, Stefan: Vom Kampfobjekt zum Schmuckstück. Zur Herkunftsgeschichte prähistorischer Prunkwaffen. Innovations-report.de, 3.9.2002, bzw. Uni-Protokolle [21.1.10]
- Hänsel, Bernhard: Die Bronzezeit (2.200 - 800 v. Chr.). In: S. von Schnurbein (Hg.): Atlas der Vorgeschichte. Europa von den ersten Menschen bis Christi Geburt. Theiss-Verlag, Stuttgart 2009, S. 108-149
- Zeitler, John P.: Handel und Austausch in der Bronzezeit. In: Mühldorfer, B.; Zeitler, J. P.: Mykene, Nürnberg, Stonehenge. Handel und Austausch in der Bronzezeit. Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V.. VKA-Verlag, Fürth 2000, S. 75-94
- Schneider, Eugen: Fertigprodukthandel in der süddeutschen Bronzezeit. In: Mühldorfer, B.; Zeitler, J. P.: Mykene, Nürnberg, Stonehenge. Handel und Austausch in der Bronzezeit. Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V.. VKA-Verlag, Fürth 2000, S. 109-118
- Schlor, Ingrid: Kulturbeziehungen während der Frühbronzezeit zwischen Mitteleuropa und Syrien. Ein Kulturvergleich anhand von Ösenhalsringen. In: Klio, 76/1994, S. 7-66
- von Reden, Sybille: Ugarit und seine Welt. Die Entdeckung einer der ältesten Handelsmetropolen am Mittelmeer. Gustav Lübbe-Verlag, Bergisch-Gladbach 1992
- Kern, Anton: Hallstatt: Salzbergbau seit 3000 Jahren. In: AiD 4/2008, S. 34f
- Barth, Fritz Eckart: Bronzezeitliche Salzgewinnung in Hallstatt. In: Hänsel, B. (Hg.): Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas. Oetker-Voges Verlag, Kiel 1998, S. 123-128
- Pichler, Thomas; Nicolussi, Kurt; Goldenberg, Gert; Klaunzer, Michael: Die Hölzer des bronzezeitlichen Bergbaus auf der Kelchalm bei Kitzbühel – Dokumentation und erste Ergebnisse dendrochronologischer Analysen. In: Archäolog. Korr.bl. 39, 2009 (Heft 1), S. 59-75
- Pfisterer, Josch H. (mit Gert Goldenberg): Ur- und frühgeschichtliche Grabung am Schwarzenberg bei Brixlegg. Video auf: Youtube, 1.8.08
- Lißner, Birgit: Zu den frühbronzezeitlichen Gruppen in Süddeutschland. In: Leipziger online-Beiträge zur Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie. Leipzig 2004 (pdf.)
- Bading, Ingo: Populationsstrukturen und Transitions-Vorgänge im Levanteraum vom Epi-Paläolithikum bis zum PPNB. Unveröffentlichte Seminararbeit. Anthropologischer Kurs II: Populationsstrukturen. Leitung PD Dr. W. Henke, Universtität Mainz, SS 1995 (unveröffentlicht)
- Salimbeti, Andrea: The Greek Age of Bronze. Weapons and Warfare in the late Helladic time 1600 - 1100 BC. (20.1.10)
- Prof. Dr. Carola Metzner-Nebelsick: Dem Andenken an Bernhard Hänsel (24. Mai 1937-1. April 2017). Prähistorische Zeitschrift, online erschienen: 09.04.2019 | DOI: https://doi.org/10.1515/pz-2018-0016, https://www.degruyter.com/view/j/prhz.2018.93.issue-2/pz-2018-0016/pz-2018-0016.xml
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