Ein neuer Artikel über den Fisch-Konsum im südlichen Kaukasus in der dortigen ersten Bauernkultur (1, 2) weckte unsere Aufmerksamkeit (Abb. 2). Eine darin enthaltene Abbildung zeigte eng aneinander gebaute Lehm-Rundhäuser in den Siedlungen dieser Kultur. Das wirkte nach. Waren denn Lehm-Rundhäuser nicht schon mit der Verbreitung des PPNB im Levante-Raum im Westen außer Gebrauch gekommen? Wenn es diese südlich des Kaukasus noch lange später gab, wie wäre dieser Umstand denn in die Kulturgeschichte des Vorderen Orients - bzw. genauer: "Südwestasiens" - einzuorden?
Könnte man sagen, daß runde Lehmhäuser ein unterscheidendes Merkmal der iranisch-neolithischen Völkergruppe waren gegenüber der anatolisch-neolithischen Völkergruppe? So unser erster Gedanke. Und in der weiteren Recherche stellt sich heraus, daß schon in einer Doktorarbeit des Jahres 2000 von einem "Rundhaus-Horizont entlang des Tauros-Zagros-Gebirges" die Rede war (Brian L. Paesnall 2000).
Abb. 1: Die Ausbreitung des Ackerbaus rund um das Schwarze und das Kaspische Meer (Ausschnitt einer Karte von Detlev Gronenborn und Barbara Horejs) (23) |
Sortiert
sich von einer solchen Erkenntnis her die Kulturgeschichte des heutigen
Irans, des Irak, Syriens, der
Türkei, Georgiens für uns neu? Und enthält dieses Neusortieren auch
Teile der Antwort zu der Frage nach der Herkunft des iranischen
genetischen Anteils im Urvolk der Indogermanen, das 4.700 v. Ztr. an der
Mittleren Wolga entstanden ist?
Nach der Bearbeitung eines unendlich langen Rattenschwanzes von Folgefragen, die noch längst nicht fertig bearbeitet sind, soll zumindest einmal der erste Teil einer auf drei Teile angelegten Blogartikel-Serie vorgelegt werden über "Das Zagros-Gebirge in der Völkergeschichte (9000 bis 5000 v. Ztr.)". Die Serie war ursprünglich angelegt unter dem Überthema "Völker zwischen Kaukasus und Levante (7000 bis 2000 v. Ztr.)". Erst ganz gegen Ende kam das Zagros-Gebirge in den Fokus.
Es handelt sich hier übrigens sehr oft um Länder, die sich in ihrer Mitte
rund um "Kurdistan" gruppieren, gelegen im großen Zagros-Gebirge. (Das Zagros-Gebirge hat übrigens eine Länge, die mit derjenigen der Alpen vergleichbar ist, und von dem wir noch viel zu wenig wissen.) Jedenfalls: Dieses "Kurdistan", heute traditionellerweise bewohnt von einem Volk indogermanischer (iranischer) Sprache, von einem Volk zudem, das von allen Völkern muslimischen Glaubens noch heute den höchsten Anteil indogermanischer (Steppen-)Genetik in sich trägt, ist womöglich keinesfalls die unwichtigste Region, wenn es um die Ethnogenese der
Urindogermanen an der Mittleren Wolga geht. Die Gründe für diese auf den ersten Blick ungewöhnliche These werden sich nach und nach in
der vorliegenden dreiteiligen Blogartikel-Serie herausschälen.
1. Rundhäuser - Die ältesten Häuser der Menschheitsgeschichte
Völker und Kulturen kennzeichnen und unterscheiden sich sehr deutlich darin, wie sie Häuser bauen (Wiki, engl). So ist etwa die große Kultur der Bandkeramik, die erste Bauernkultur Mitteleuropas, durch einzeln stehende oder weilerartig angeordnete bis zu 30 Meter lange, im Grundriß rechteckige Langhäuser gekennzeichnet. Die ersten bäuerlichen Balkan-Kulturen jedoch, aus denen die Bandkeramik im Wiener Becken hervorgegangen ist, lebten in sogenannten Tell-Siedlungen, das heißt, in Wand an Wand gebauten rechteckigen Häusern, die immer wieder erneut über die früheren Häuser gebaut worden sind, so daß ein Siedlungshügel entstand. Und in dieser Art von Siedlungshügeln bauten fast alle Kulturen im Vorderen Orients ihre Siedlungen, noch bis hin zu Troja und ähnlichen berühmten antiken Städten.
Die ersten gemauerten Häuser der Menschheit waren aber Rundhäuser (Wiki). Diesen Umstand haben wir hier auf dem Blog noch nie behandelt. Auf ihn muß endlich einmal etwas genauer eingegangen werden. Der Grund dafür ist leicht nachvollziehbar. Hatte der Mensch doch bis dahin weltweit - soweit wir sehen - immer nur in runden Behausungen gelebt. Gut erforscht ist dazu etwa eine solche in Northumberland im nördlichen England aus der Zeit um 7.800 v. Ztr., die sogenannte "Steinzeithütte von Howick" (Wiki). Diese sei hier nur als Beispiel angeführt. Aber mindestens bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts haben die Menschen fast überall in Afrika südlich und westlich der Sahara in runden Hütten gelebt, etwa
- in dem aus Stroh und Zweigen kunstvoll errichteten "Tikkit" in Mauretanien in Westafrika (Wiki) oder
- in dem aus Lehm errichteten "Pontok" der Buschleute in Südwestafrika oder
- in vergleichbaren Häusern in Mosambique (Wiki).
Rundhütten oder - häuser waren in vielen Teilen Afrikas durch einen Kraal (Wiki) umschlossen, etwa bei den Zulu. Das Gegenstück zu solchen Hütten in Leichtbauweise in Afrika in nördlicheren Breitengraden ist natürlich die Jurte (Wiki). Soviel uns bekannt, sind Überreste von Behausungen des Urvolks der Indogermanen, der Chwalynsk-Kultur noch nicht erforscht worden. Auf jeden Fall haben viele indogermanische Völker über Jahrtausende hinweg Jurten bewohnt, womöglich sogar noch die halbseßhafte schnurkeramische Kultur in Mitteleuropa oder auch die zeitgleiche Glockenbecher-Kultur. Und womöglich war es deshalb für die Glockenbecher-Kultur auf den britischen Inseln so leicht, die dort vorherrschende Hausbau-Weise von Rundhäusern zu übernehmen (siehe gleich).
Solche Hütten in Leichtbauweise jedenfalls wurden nun allmählich in festere Hütten umgewandelt im Zuge der dauerhafteren Seßhaftigkeit und "Neolithisierung". Am Anfang - nämlich im sogenannten "Natufium" und im sogenannten "PPNA" - waren das dementsprechend im Fruchtbaren Halbmond immer Rundhäuser (Wiki):
Rundhäuser finden sich vor allem im Präkeramischen Neolithikum Stufe A der Levante und Zyperns, aber auch im Neolithikum der West-Türkei, außerdem im Mittelneolithikum Großbritanniens in Verbindung mit der Grooved Ware (Skara Brae, Gwithian, Durrington Walls), wo sie sich jeweils unabhängig entwickelten. (...) Ihre Verbreitung ist im Neolithikum vom Alpenrand bis in die Mongolei nachgewiesen.
Das ist eine unerwartet weite Verbreitung von Rundhäusern.
2. Rundhaus-Horizont entlang des Tauros-Zagros-Gebirges
Die Rundbauten des südanatolischen Bergheiligtums Göbekli Tepe werden die bekanntesten dieser Art sein. Neuerdings ist am Fundort Tappeh Asiab im Zagros-Gebirge im westlichen Iran von Peder Mortensen und anderen ein Rundhaus aus der Zeit um 9.500 v. Ztr. (erneut) ausgegraben worden (Antiq 2018, Mort 2019). In ihm fanden sich die Knochen von 19 Wildschweinen, sowie Überreste eines Rothirschs und eines Braunbären. Größere Wildschwein-Zähne waren sauber aus dem Gebiß entfernt. Sie wurden sicherlich für Schmuck benutzt. Die Archäologen nehmen an, daß es sich hier um die Überreste eines rituellen Festmahles handelt. Es wird ausgeführt:
Der Fundort scheint einige Ähnlichkeit mit etwa zeitgleichen Fundorten im östlichen Fruchtbaren Halbmond aufzuweisen wie etwa Hallan Çemi. Peasnall gruppierte diese Fundorte unter die Kultur-Bezeichnung "Rundhaus-Horizont" ein mit einer geographischen Verbreitung entlang des Taurus-Zagros-Gebirges. In Bezug auf die Typologie der Steinwerkzeuge kann dieser Fundort eingeordnet werden in die Vor- oder frühe M'lefaatische Werkzeug-Industrie des zehnten und des mittleren neunten Jahrtausends v. Ztr..The site appears to share some similarities with broadly contemporary sites in the eastern Fertile Crescent, such as Hallan Çemi (Rosenberg & Davis 1992; Rosenberg et al. 1995; Rosenberg, Nesbitt, Redding and Peasnall 1998). Peasnall (Peasnall 2000) grouped these sites under the cultural label ‘Round House Horizon’ with a geographical range along the Taurus-Zagros Arc. Going on lithic typology, the site can be grouped under the Pre- or Early M'lefaatian lithic industry of the tenth and mid ninth millennium bc (Darabi Reference Darabi2015; Kozlowski Kozlowski1999; Nishiaki & Darabi Nishiaki and Darabi2018).
Der hier angeführte US-amerikanische Archäologe Brian L. Paesnall schreibt in der Zusammenfassung seiner Doktorarbeit aus dem Jahr 2000 (Resg):
Daß der östliche Teil von Südwest-Asien ein unabhängiges Zentrum der Entwicklung darstellte, hat sich nun geklärt. In dieser Region entsteht eine eigene, einzigartige kulturelle Entität, die in den lokalen späten epipaläolithischen Kulturen wurzelt. Die wichtigste derselben ist die (Jäger-Sammler-Kultur des) Zarzian. Es wird damit klar, daß das Ernten von dicht stehendem, wilden Getreide (wie im mittel- und westanatolischen Teil des Fruchtbaren Halbmonds) keine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung der Seßhaftigkeit war. ... Der Anbau von Getreide war für zweitausend Jahre nur eine der weniger bedeutsamen Komponenten des Substistenz-Systems. Es scheint als hätte es mehrere Strategien zu geben, um mit den Risiken geringerer Mobilität umzugehen.It is now clear that the eastern part of southwest Asia was an independent center of development. This region constitutes a unique cultural entity rooted in local late Upper Paleolithic/Epipaleolithic cultures, the most notable of which is the Zarzian. These data also challenge several long held assumptions concerning the nature of this economic shift and the development of sedentary society. It is now evident that the exploitation of dense stands of wild cereal grasses was not a necessary precondition for the development of sedentism. Additionally, although food production had a tremendous impact on later social and cultural developments, the shift to food production was not at all dramatic. For more than two millennia, food production constituted only a minor component of the larger subsistence system. It appears to have been one of several strategies used to mitigate risks incurred by decreased mobility. Thus, these recent excavations force us to rethink the questions we have been asking as well as our explanations for the changes which took place at the end of the Pleistocene and the beginning of the Holocene.
Im westanatolischen Teil des Fruchtbaren Halbmonds und im Levante-Raum spielte die Massenjagd auf jährlich wandernde, wilde Gazellenherden mittels großer angelegter Steppenkrale eine große Rolle (neben dem Sammeln/Anbauen von wildem Getreide). Dieser Umstand ist gut erforscht (Überblick: Bading 1995). Daß es im östlichen Teil des Fruchtbaren Halbmonds ganz andere Tierarten waren, die diesbezüglich eine Rolle spielten - vor allem wilde Schafe, Ziegen und Schweine - hat sich erst in den letzten beiden Jahrzehnten nach und nach in der Forschung herausgeschält und erhärtet. Die hier zitierte Doktorarbeit umfaßt 600 Seiten und ist frei zugänglich (Uni Bamberg).
Abb. 2: Rundhäuser in Archuchlo, Georgien, südlicher Kaukasus, 5. Jhtsd. v. Ztr. (aus: 1) |
Wir wollen in diesem Blogartikel nur erste Eindrücke vom Thema "Zagros-Gebirge in der Völkergeschichte" und der diesbezüglichen Literatur geben, es soll keine umfassende Sichtung erfolgen. Denn es sind zunächst noch zahlreiche andere, daran anknüpfende Fragen zu behandeln. Deshalb zunächst nur die folgenden Schlaglichter:
Zu den hier genannten Erkenntnissen trug nicht zum wenigsten die Ausgrabung des erwähnten Hallan Çemi (um 9.700 bis 9.300 v. Ztr) (Wiki, engl) bei, einem Dorf in der Südost-Türkei, das in Vorbereitung auf die Flutung der Batman-Talsperre ergraben wurde, und dessen akeramische Lebensweise mit dem Natufium weiter westlich zwar in Parallele gesetzt werden kann. Es fanden sich Rundhäuser gruppiert rund um einen zentralen Platz, in dessen Mitte sich eine große Grube befand, in der sich viele Tierknochen fanden. In Hallan Çemi spielte das Schwein eine wesentliche Rolle. Bei den Häusern scheint es sich - womöglich vergleichbar mit dem 270 Kilometer entfernten Nevali Cori - weniger um private Häuser gehandelt zu haben als um sozusagen öffentliche, die für kultische Zwecke genutzt wurden.
Überhaupt gibt es wohl allen Grund, daß solche Ausgrabungsorte wie Hallan Çemi ähnlich ins kulturelle Gedächtnis eingeschrieben würden, wie das für Nevali Cori gilt, das ja in den letzten Jahrzehnten mit Recht viel öffentliche Aufmerksamkeit erhielt.
Die zwei Tonnen Tierknochen dieses Ausgrabungsortes Hallan Çemi ergeben für die dort geschlachteten/geopferten Tiere folgende Zusammensetzung 36% Wildschafe, 7% Wildziegen, zusammen 43%, außerdem 27% Rothirsche, 13% Hunde, Füchse und Schakale, 12% Schweine, 3% Grizzly-Bär, 2% Hasen. Außerdem zahlreiche andere Tiere (Fische, Vögel, Eidechsen ...). Auch viele Frischwasser-Muscheln wurden gesammelt, wobei die erkennbaren Sammlungszeiten über den Jahresverlauf hinweg deutlich machen, daß dabei "Managment" betrieben wurde, das auf Bestandserhaltung der Muscheln ausgerichtet war bei gleichzeitig größtmöglichem Ertrag. Auch Linsen, Erbsen, Nüsse und ähnliches wurden gegessen.
Von den Wildschafen und -ziegen sind vor allem die männliche Tiere gejagt, bzw. geschlachtet worden. Vermutlich auch hier, um die Populationsgröße zu erhalten. Nur die Schweineknochen weisen Anzeichen von Domestikation auf. Es wird angenommen, daß sie gehalten wurden wie die Schweine bei den Eingeborenen auf Neuguinea. Dort läßt man die gehaltenen Schweine sich mit wilden Schweinen paaren, die männlichen Schweine unter den Nachkommen werden in einem bestimmten Alter geschlachtet, die weiblichen werden gefüttert.
Eine ähnliche Form des Managements scheint sich ja auch bei Schafen und Ziegen anzudeuten. Hiermit wird natürlich der allmähliche und schrittweise Übergang zur Domestikation dieser Tierarten wesentlich besser greifbar als das bislang der Fall war.
Man könnte sich übrigens denken, daß man das Verhalten gegenüber Wildpferden ähnlich deuten könnte - etwa in den indogermanischen Kulturen vor Einführung des domestizierten Streitwagen-ziehenden Pferdes, von dem heute alle Pferde abstammen, während die vormaligen Wildpferde ausgestorben sind. Denn eine "heraushobene" Stellung von Wildpferden deutet sich schon bei der Chwalynsk-Kultur an und auch später bei den Schnurkeramikern (weshalb man bislang immer davon ausgegangen war, daß sie domestizierte Pferde besessen hätten, was aber inzwischen sehr in Zweifel zu stellen ist).
3. "Getreide gegen Schafe" - Großräumiger Kulturtausch im 7. Jahrtausend v. Ztr.?
Die Herdenhaltung von Schafen und Ziegen hat nach der Überjagung der Gazellen im Levanteraum die Gazelle als wesentliche Subsistenzgrundlage im 7. Jahrtausend v. Ztr. abgelöst (PPNC, Keramikum). Zugleich sehen wir eine gegenseitige Durchdringung von menschlicher iranischer und anatolischer Genetik in diesem Raum. Es würde sich damit ein Szenario andeuten, daß herdenhaltende iranische frühe Bauernkulturen sich samt ihrer Herden nach Westen ausgebreitet haben, sich mit den Einheimischen dort vermischt haben und daß aus diesen Prozessen die nachfolgende Halaf-Kultur entstanden ist mit einem West-Ost-Gradienten des Vermischungsgrades, der in der Archäogenetik festgestellt worden ist (siehe weitere Artikel dieser Blogartikel-Serie). Umgekehrt konnten Menschen mit anatolischer Genetik die im westlichen Teil domestizierten Getreidesorten Richtung Osten ausbreiten, wodurch sich deren Genetik in Anteilen bis hin zum Tianshan-Gebirge ausbreiten konnte in Form der dortigen, nachmaligen Marghiana-Kultur.
[Einfügung 19.11.23:] Im heutigen Nordsyrien liegt der Ausgrabungsort Tell Sabi Abyad (Wiki). Die Archäologen stellen fest, daß hier ein Dorf um 5.200 v. Ztr. in einem heftigen Feuer verbrannt ist (Wiki):
Im „verbrannten Dorf“ wurde reichlich Keramik aufgefunden, die mit eigenartigen schwarzen Strichen verziert war. Diese Dekoration bestand aus Bitumen, das direkt nach dem Brennen auf die Keramik aufgetragen wurde. Chemisch-analytische Untersuchungen und Vergleiche mit Bitumen aus den nächstliegenden Vorkommen ergaben, daß dieses Rohmaterial aus Zakho oder Kirkuk im heutigen Irak stammte. Die neolithischen Bewohner des Tell Sabi Abyad unterhielten also Handelsbeziehungen über zumindest 500 Kilometer nach Osten.
[Ende Einfügung] Jedenfalls findet sich das genannte "Schweine-Management" auch noch in dem neolithischen Siedlungsort Jarmo im Nordirak in der Zeit um 6.800 v. Ztr. und auch noch als dort schon Keramik genutzt wurde (Price/Arbuckle 2013; pdf):
Wir zeigen, daß die Schweine von Jarmo Anzeichen von Größenreduktion aufweisen wie sie zustande kommen durch intensives Management. Sie hatten aber noch nicht jene Größenreduktion (...) erreicht wie sie in späteren neolithischen, domestizierten Schweinepopulationen erreicht worden ist. (...) Es gibt Hinweise darauf, daß es domestizierte Schweine in Jarmo seit dem späten 8. Jahrtausend v. Ztr. gegeben hat. (...) Wir diskutieren auch die Mechanismen, über die sich neolithische Technologien, einschließlich domestizierter Tiere in neue Regionen hinein ausgebreitet haben.We show that the Jarmo pigs exhibit evidence for size decrease associated with intensive management, but had not yet achieved the degree of dental or post-cranial size reduction seen in later Neolithic domestic populations. Although samples from the earliest (Pre-Pottery) occupation of the site are small, there is some evidence to suggest that domestic pigs were present at Jarmo as early as the late 8th millennium cal. BC. In either case, Jarmo likely represents the earliest appearance of pig husbandry along the Zagros flanks, and we discuss the mechanisms by which Neolithic technologies, including domesticated animals, spread to new regions.
Gerade der letzte Satz gibt Anlaß, sich diese Studie künftig noch genauer anzuschauen. Vielleicht wird dadurch die Entstehung des anatolisch-iranischen Vollneolithikums des 7. Jahrtausends v. Ztr. schon wieder etwas besser verständlich.
Die genannte halbseßhafte Jäger-Samler-Kultur im Zagros-Gebirge existierte zwar parallel zum Natufium weiter westlich, scheint aber eigene, örtliche kulturelle (und sicherlich auch genetische) Wurzeln in der genannten Kultur des iranischen "Zarzian" gehabt zu haben. Alles deutet darauf hin, daß wir es im Zagros-Gebirge mit der genetisch erkennbar gewordenen iranisch-neolithischen Völkergruppe zu tun haben, wahrscheinlich bevor sich diese ab dem 7. Jahrtausend v. Ztr. mit anatolisch-neolithischer Genetik vermischt hat. Diese archäologischen Daten würden jedenfalls sehr gut zu den neuen Daten der Archäogenetik passen, die im nächsten Teil dieser Blogartikel-Serie behandelt werden sollen.
Die Entfernung zwischen Hallan Çemi und dem Bergheiligtum Nevali Cori beträgt im Grunde "nur" 270 Kilometer. Die Entfernung von Hallan Çemi weiter nach Osten bis zur Shanidar-Höhle im Zagros-Gebirge beträgt 450 Kilometer (G-Maps). Vermutlich muß zwischen diesen beiden Ausgrabungsorten - Nevali Cori einerseits und Hallan Çemi andererseits - die ursprüngliche Verbreitungsgrenze zwischen der iranisch-neolithischen Völkergruppe und der westlichen Völkergruppe des Natufium ("levantinische Genetik") gesucht werden.
Die im Zagros-Gebirge auf Natufium und PPNA folgende Kulturstufe des PPNB wird als "Kultur des M’lefatien" benannt. Über sie gibt es unglüclicherweise noch keine Wikipedia-Artikel. Auf Wikipedia ist bislang nur erwähnt, daß sie aus der dort seit 18.000 oder 15.000 v. Ztr. bestehenden, schon erwähnten Kultur des Zarzien (Wiki) hervorgegangen ist, die bis etwa 8.000 v. Ztr. bestand (Wiki):
Damit bestand die Kultur gleichzeitig mit dem Kebarien und dem Natufien in Syrien und Palästina, steht allerdings erheblich weniger im Fokus der Forschung. Ihren Namen erhielt die Kultur nach der Fundstätte Zarzi im irakischen Teil Kurdistans.
Die Fundstätte Zarzi ist eine Höhle ähnlich der berühmteren Shanidar-Höhle im nordirakischen Teil des Zagros-Gebirges, also in einem Teil Kurdistans. Sogar heute noch wird die Shanidar-Höhle von kurdischen Nomaden bewohnt (Wiki). Die Shanidar-Höhle ist vor allem bekannt wegen ihrer reichen Neandertaler-Funde. Daß sich über diesen Neandertaler-Funden archäologische Schichten fanden der ersten neolithischen Kultur des Iran, ist weniger bekannt (Wiki):
In der Höhle fanden sich auch zwei Gräberfelder, die auf die Zeit um 8.600 v. Ztr. datieren, und die 35 Individuen enthielten. Von Seiten des Ausgräbers Solecki wird angenommen, daß sie zur Kultur des Natufien gehörten.The cave also contains two later proto-Neolithic cemeteries, one of which dates back about 10,600 years and contains 35 individuals, and is considered by Solecki to belong to the Natufian culture.
Die Shanidar-Höhle liegt 200 Kilometer nördlich der Zarzi-Höhle (G-Maps).
Wir werden im weiteren noch erfahren, daß der Südkaukaus als bislang älteste Region des Weinanbaus gilt. Aber im Zagros-Gebirge ist ebenfalls sehr früh Wein angebaut worden (Wiki):
Die Plätze Hadschi Firuz Tepe und Godin Tepe zeigen, daß in der Zeit zwischen 5400 und 3500 v. Chr. im Zagros Weinbau betrieben wurde.
Genauer wird über Hadschi Firuz Tepe ausgeführt (Wiki):
Der Zāgros, der die Staaten Armenien, Türkei und Irak vom Iran trennt, ist das Verbreitungsgebiet vieler wilder Arten der Weinrebe. Die getrenntgeschlechtige Pflanze bot den antiken Einwohnern die Möglichkeit an Trauben zu gelangen. Mehrere andere Fundstätten aus der Umgebung des Zāgros zeigen ähnliche Funde wie Hadschi Firuz Tepe. Weiter südlich, in Godin Tepe, das 3500-3000 v. Chr. bewohnt war, fand man eingegrabene Krüge mit einem Fassungsvermögen von 30 oder sogar 60 Litern. Sowohl diese Krüge als auch Becken, die wohl zum Pressen der Trauben dienten, zeigten Spuren von Weinrückständen.
Um 3.500 v. Ztr. hatte sich der Weinbau aber schon bis nach Sizilien und auf den Balkan ausgebreitet. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob sich der Ursprung des Weinanbaus auf eine kleinere Region zwischen dem heutigen Georgien, Armenien und dem Iran wird eingrenzen lassen oder ob es unabhängige Orte der Domestikation gegeben hat. Womöglich gehörte also auch domestizierter Wein zu den "Tauschgütern", die die iranisch-genetische Völkergruppe in den "Tausch" mit der anatolisch-neolithischen Völkergruppe einbrachte.
Womöglich liegt das hier erwähnte Godin Tepe übrigens außerhalb der Kernregion des ursprünglichen Weinanbaus. Es ist womöglich erst in der Späten Halaf-Zeit begründet worden (Wiki). Es liegt in der Nähe der Stadt Kangavar (G-Maps). Zwischen Hadschi Firuz Tepe (Wiki) und Godin Tepe liegen 500 Kilometer. Von Zari bis Godin Tepe sind es 300 Kilometer. (Von Hadschi Firuz Tepe bis Zarzi sind es ebenfalls 300 Kilometer.)
All diese Vorgänge im Zagros-Gebirge sind aber nun - unter anderem! - auch deshalb so spannend, weil Archäologen Kulturelemente des PPNB sogar - - - sogar: am Unterlauf des Don gefunden haben, also nördlich des Kaukasus und nördlich des Schwarzen Meeres. Sie glauben, Ähnlichkeiten mit der "Kultur des M’lefatien" im Zagros-Gebirge erkennen zu können (siehe unten).
Auch weitere Erkenntnisse rund um die Geschichte der frühen Bauernvölker des Süd- und Nordkaukaus lassen inzwischen eher den Schluß zu, daß die iranische genetische Komponente im Urvolk der Indogermanen sich nicht direkt über den Kaukasus hinweg bis an die Mittlere Wolga ausbreitet haben wird, so daß stattdessen der Weg über die Küsten des Schwarzen Meeres oder des Kaspischen Meeres als näherliegend in Betracht kommen. Daß es Fernhandelsverbindungen von Jäger-Sammler-Völkern über viele Jahrhunderte hinweg über Wasserwege gegeben hat, wird heute noch immer viel zu selten in Betracht gezogen. Auf jeden Fall macht es auch aus diesem Grund Sinn, sich mit den frühen Bauernkulturen des Zagros-Gebirges noch sehr viel gründlicher zu beschäftigen als das an dieser Stelle geschehen kann, um hier zu besseren Einordnungen kommen zu können.
Abb. 3: Rundhäuser auf Chirokitia auf Zypern, 7. bis 4. Jtsd. v. Ztr. (Wiki) |
Nun sei aber erst einmal das Zagros-Gebirge verlassen und sei auf weitere Aspekte der Geschichte des Rundhauses in der Menschheitsgeschichte hingewiesen. Ganz oben ist diesbezüglich im Zitat schon Zypern genannt worden. In Zypern wurde eine Siedlung bei Chirokitia mit 60 Rundhäusern ausgegraben (Wiki). Diese Siedlung bestand vom 7. bis 4. Jahrtausend v. Ztr. (Abb. 3), also weit über das erwähnte PPNA hinaus (das ja sowohl im Osten wie im Westen des Fruchtbaren Halbmonds von Rundhäusern geprägt gewesen war).
Rundhäuser ähnlicher Zeitstellung wie auf Zypern finden sich ja auch in Georgien südlich des Kaukasus, etwa am Ausgrabungsort Aruchlo (1, 2, 7) (Abb. 2) wie wir einleitend sagten. Dieser Umstand war ja der Ausgangspunkt für die Erarbeitung dieser ganzen dreiteiligen Blogartikel-Serie.
4. Rundhäuser auf den britischen Inseln - Ein Exkurs
Interessanterweise haben Rundhäuser aber auch auf den britischen Inseln zwei fast vollständige genetische Bevölkerungsaustausch-Vorgänge überstanden, nämlich jenen am Anfang und jenen am Ende des dortigen Neolithikums. Und das obwohl auf dem europäischen Festland - soweit wir sehen - überall schon rechteckige Hausbau-Formen genutzt worden waren. Von dort aber waren ja die jeweils neuen Bevölkerungen gekommen, die die britischen Inseln besiedelten. Die runde Hausbauform hat auf den britischen Inseln sogar noch fortbestanden bis in die Römische Kaiserzeit (Wiki):
Rundhäuser waren die Standardform der Häuser, die in Britannien über die Bronze- und Eisenzeit hinweg gebaut wurden, in einigen Gegenden sogar bis in die römische Zeit hinein. (...) Das Atlantische Rundhaus, Broch, wurde in Schottland genutzt. Die Überreste vieler bronzezeitlicher Rundhäuser können noch heute verstreut in offenen Heidelandschaften gefunden werden.Roundhouses were the standard form of housing built in Britain from the Bronze Age throughout the Iron Age, and in some areas well into the Sub Roman period. (...) The Atlantic roundhouse, Broch, and Wheelhouse styles were used in Scotland. The remains of many Bronze Age roundhouses can still be found scattered across open heathland, such as Dartmoor, as stone 'hut circles'.
So wie in Schottland (Wiki) fanden sich Rundhäuser auch auf den Orkaden (Wiki) oder in Wales (Abb. 4). Überall ein ähnliches Bild.
"Unabhängig" (siehe Zitat ganz oben) hatten sich die Rundhäuser in Britannien deshalb entwickelt, weil die dort einwandernden Bauern vom Festland zuvor eigentlich schon rechteckige Hausbauformen genutzt hatten. Sie scheinen sich aber trotz des sehr weitgehenden Bevölkerungsaustausches im Zusammenhang mit der Einführung der bäuerlichen Lebensweise in Britannien mit dieser Bauweise nicht durchgesetzt zu haben, sondern einheimische mesolithische Traditionen übernommen zu haben.
Daß auf den britischen Inseln Rundhäuser dann aber auch noch nach dem
fast vollständigen Bevölkerungsaustausch durch die indogermanische Glockenbecher-Kultur
weiter genutzt wurden, ist womöglich noch bemerkenswerter. Dieser Umstand zeigt, daß sogar die Glockenbecher-Leute dort die einheimische
Hausbau-Art weiter geführt haben. Vielleicht weil sie es als anfangs halbseßhafte Herdenhalter-Kultur sowieso gewohnt waren, sich mit einfachen Hausbau-Arten zu begnügen. Auch das jedenfalls zu einer Zeit, in der auf dem europäischen Festland
schon - seit dem Frühneolithikum - rechteckige Häuser in Gebrauch waren
und blieben.
Abb. 4: Wales - Eisenzeitliche Rundhäuser (Rekonstruktion) (Wiki) (Fotograf: Ethan Doyle White) |
Man darf sich aber gerne bei all dem bewußt bleiben, daß runde Hausbauweise, ja, sogar Halbseßhaftigkeit keinerlei Hinweis auf sonstige materielle oder kulturelle "Rückständigkeit" ist. Im Südkaukasus ist in riesigen Bottichen der früheste Wein verarbeitet worden. Irland ist das Land, aus dem aus der Bronzezeit die meisten Goldfunde überliefert sind. Reiche Bronzefunde gibt aus allen Gegenden der britischen Inseln (St. gen. 12/2021). Kulturell waren die Bauern und Glockenbecher-Leute Britanniens und Irlands gegenüber dem europäischen Festland keinesfalls rückständig. Auch dort gab es schon im Mittelneolithikum Königreiche mit einem Hochadel, mit Administration und Verwaltung.
Womöglich ist rechteckige Bauweise während der Eisenzeit auf den britischen Inseln übrigens ein weiterer untrüglicher Hinweis - neben den schon behandelten genetischen Hinweisen (St. gen. 12/2021) - auf Zuwanderungen vom Festland hinüber zu ihnen während der Eisenzeit.
Übrigens sei noch festgehalten daß in vielen Völkern der Bau und die Instandhaltung der Häuser mehr Angelegenheit der Frauen war als der Männer, zumindest in südlicheren Gegenden und insbesondere auch der Lehmhäuser, für deren Verputz-Erneuerung oft Frauen zuständig waren. (Auch bezüglich der Frage, ob eher Männer oder eher Frauen für die Instandhaltung von Behausungen verantwortlich waren, wäre noch einmal ein völkerkundlicher Überblick von Nutzen.)
5. Die Shulaveri-Shomu-Kultur im südlichen Kaukasus
Nachdem wir uns einige Grundzüge der Geschichte und Verbreitung von Rundhäusern und rechteckigen Häusern in der Menschheitsgeschichte vergegenwärtig haben, sei noch einmal wiederholt: Im westlichen Teil des Fruchtbaren Halbmonds ist man (abgesehen von Randlagen wie Zypern) schon im PPNB zu dem Bau von im Grundriß rechteckigen Häusern übergegangen. Diese kulturelle Tradition haben dann auch Bauern in vielen anderen Teilen Anatoliens und im Levanteraum übernommen. Auch wenn die runde Hausbauweise am Anfang eine Zeit lang in Nordwest-Anatolien genutzt worden ist (ein interessanter Umstand!), war es schließlich die rechteckige Hausbauweise, die bis ins Mittelneolithikum in dieser anatolisch-neolithischen Völkergruppe beibehalten worden ist, die sich bis auf die britischen Inseln (dort wieder mit runder Hausbauweise!) und bis nach Skandinavien ausgebreitet hat.
Die
iranisch-neolithische Völkergruppe hingegen, die sich aus dem östlichen Teil des Fruchtbaren Halbmonds aus bis in den Süden des
Kaukasus, bis an die westlichen Hänge des Tianshan (als
Marghiana-Kultur) und bis nach Indien ausgebreitet hat, hat über weite
Räume und Zeiten hinweg zwar auch rechteckige Hausgrundrisse genutzt,
aber die Form der Rundhäuser
offenbar viel länger beibehalten. Nicht selten werden in diesen Räumen auch beide Hausbau-Formen miteinander kombiniert (pdf).
Wir haben es im Georgien im südlichen Kaukasus mit der Shulaveri-Shomu-Kultur (Wiki) zu tun (3). Und dieser Blogartikel entstand, weil unsere Aufmerksamkeit von dem Umstand gefesselt wurde, daß es in dieser Kultur im südlichen Kaukasus noch Rundlehmbauten gegeben hat.
Jene Halaf-Kultur (6.100 - 5.100 v. Ztr.) (Wiki) nun, die die Archäologen als nächste Verwandte der Shulaveri-Shomu-Kultur ansprechen, ist allerdings keineswegs im östlichen, iranischen Teil des Fruchtbaren Halbmonds entstanden, sondern in ihrem Kernbereich, nämlich zwischen den Oberläufen von Euphrat und Tigris. Und diese liegen in Nordsyrien. Von hier aus scheint sie sich in den Nordirak (z.B. rund um Mosul) und von dort in die heutige Südosttürkei ausgebreitet zu haben. Wie wir noch sehen werden, scheint es aber schon in dieser Halaf-Kultur zu vergleichweise umfangreicher Vermischung zwischen iranisch-neolithischer und anatolisch-neolithischer Herkunft gekommen zu sein (5) und das in den Abläufen genauer zu erklären, wird noch eine spannende Aufgabe der Archäologen und Archäogenetiker sein.
Vom nördlichen Irak (z.B. von Mosul) bis nach Georgien sind es etwa tausend Kilometer (G-Maps). Das entspricht der Entfernung vom nördlichen Levanteraum (z.B. İskenderun, Hatay, Türkei), aus dem die Donau-neolithischen Bauernkulturen zu stammen zu scheinen (4), bis nach Istanbul. Aber es wird vermutet werden müssen, daß die Ausbreitung entlang der Mittelmeer-Küsten und entlang der Donau eine Rolle gespielt hat. Bis ins Wiener Becken sind vom nördlichen Levanteraum aus immerhin 2.500 Kilometer zu überbrücken (G-Maps).
Auf der Strecke Nordirak bis Georgien liegt außer dem Van-See ansonsten nur Festland. Aber es handelt sich um uralten Kulturboden, um uralte Handelswege, die es hier zwischen dem Kaukasus und Mesopotamien gegeben hat.
6. PPNB-Kulturelemente am Unteren Don ab 7.200 v. Ztr.?
Vom Zagros-Gebirge aus scheint es überraschenderweise eine Verbreitung von kulturellen PPNB-Elementen sogar bis in den Bereich des Unteren Don gegeben zu haben. Darauf wird in der archäogenetischen Wang et. al.-Studie von 2019 von Seiten des deutschen Archäologen Sven Hansen hingewiesen. Damit würden für die räumlichen Dimensionen, wie sie für die Levante-Mittelmeer- und Donau-Route gelten auch für die Route Zagros-Gebirge Schwarzes Meer und/oder Kaspisches Meer gelten was die Ausbreitung von neolithischer Lebensweise betrifft.
Über den Neolithisierungsprozeß am
Unteren Don ist in einer Studie aus dem Jahr 2014 das Folgende festgestellt
worden (Gorelik et. al. 2014):
Die Untersuchungen ... zeigten, daß die hier lebende Population seit dem Ende des 8. Jahrtausends v. Ztr. wirtschaftlich an die jahreszeitliche Nutzung der reichen Flußressourcen gebunden waren, vielleicht von Fischen (sturgeon, Zander) ... ebenso an die Jagd. Seit der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausends v. Ztr. (seit 6.500 v. Ztr.) wurde die Jäger-Sammler-Subsistenz ergänzt durch die Nutzung von domestizierten Tieren: Rinder, Schafe und Ziegen, ebenso Schweine. Die Autoren legen ihr Augenmerk auf viele Parallelen zum Neolithikum des Mittleren Ostens, und zwar betreffend der Nutzung von Lehm (zunächst als Baumaterial, ebenso für die Produktion unterschiedlicher Gegenstände und Figurinen und - seit der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausends v. Ztr. - für die Herstellung von Keramik), ... Diese Tatsachen könnten Kontakte zur Kultur des PPNB nahelegen, wahrscheinlich über den Seeweg zwischen Populationen des Mittleren Ostens, insbesondere in der Region des Zagros-Gebirges und dem Unteren Don als einen wichtigen Faktor für die Neolithisierung dieser Region.The investigations of some early Neolithic sites in the basin of the Lower Don, first of all the settlements near Matveev Kurgan and Razdorskaya 2 in the Rostov region (Russia), have showed that since the end of the 8th Millennium cal. B.C. the population living there was oriented economically on seasonal exploitation of the rich resources of the river, perhaps fish (sturgeon, zander), running to spawn from the Azov sea, as well as hunting. Since the second half of the 7th Millennium cal. B.C. the hunting and gathering subsistence was supported by the use of some domestic animals: cattle, sheep and goats, as well as pigs. The authors pay attention to many parallels to the Middle East Neolithic, concerning the use of clay (first as a raw materials for living constructions, as well as for the production of different tokens and figurines and only since the second half of the 7th Millennium cal. B.C. for the manufacturing of pottery), then the use of ground stones as a raw material, the manufacturing of grooved stones, stone vessels, medallions, pendants with double drill openings, etc. These facts could implythe reiterated contacts, probably also by sea in the PPNB, between the population of the Middle East, especilly in the region of the Zagros mountains and the Lower Don, as an important factor in the Neolithisation of the latter region.
Die Daten dieser Studie könnten auch darauf hinaus zu laufen, daß der Übergang vom Akeramikum zum Keramikum im Fruchtbaren Halbmond, im Zagros-Gebirge und am Unteren Don parallel erfolgte, denn der "vorkeramische" Umgang mit Lehm am Unteren Don gleicht dem vorkeramischen Umgang mit Lehm im PPNB im Zagros-Gebirge. Die Forscher schreiben über vorkeramische Tonobjekte (Gorlik 2014):
Nach Meinung von St. Kozlowski und O. Aurenche, die die Verbreitung dieser Objekte in den verschiedenen Phasen des Neolithikums untersucht haben, ist eine Konzentration anthropomorpher, zoomorpher und geometrischer Plastiken im Zagrosgebirge zu beobachten. Wir teilen die Bewertung von L. J. Kriz˘evskaja, die eine Parallele zwischen der Tonnutzung in den Matveev-Kurgan-Siedlungen und der Anfangsphase der Tonnutzung im gesamten Nahen Osten nach der bekannten Periodisierung von D. Schmand-Besser, gesehen hatte. Die neuen Erkenntnisse von Razdors-kaja 2 bestätigen die Bedeutung dieser Parallele.
Leider wird in den Anmerkungen fast nur auf russischsprachige Forschungsliteratur Bezug genommen. Es scheint hier in russischer Sprache viel archäologisches Wissen vorzuliegen über die Neolithisierungsprozesse nördlich des östlichen Fruchtbaren Halbmonds bis hinauf zum Don, die in der westlichen Forschung noch kaum aufgegriffen, rezipiert worden sind. In der Schlußbetrachtung schreiben die Forscher (Gorlik 2014):
Unsere Vergleichsanalyse hat gezeigt, daß mindestens zwei Regionen starke Verbindungen zum Neolithikum des Unteren Dons zeigen. Es handelt sich um das nördliche Zagros-Gebirge und die Region um die Schwarzmeerküste des Kaukasus. In der Kulturgruppe M’lefatien im Nord-Zentral Zagros können wir wirklich mehrere kulturelle Gemeinsamkeiten mit dem Neolithikum des Unteren Dons beobachten. Im 10-8. Jt. cal. B.C. entwickelten sich hier im Rahmen eines Jäger-Sammler-Wirtschaftsmodells viele neolithische Errungenschaften wie Teil-Seßhaftigkeit, "wattle and daub"-Architektur und vielfältige anthropomorphe sowie zoomorphe Ton- und Steinplastiken. Zudem findet eine breitere Verwendung von Weichgestein (Tongesteine) für die Produktion unterschiedlicher Geräte, wie geschliffene Beile, Meißel, Steinglätter, Gefäße, Medaillons und Schmuck. (...)Seit dem 7. Jt. cal. B.C. beginnt die Töpferei. In vielerlei Hinsicht kann man das gleiche Entwicklungsmuster an der kaukasischen Schwarzmeerküste verfolgen, für dessen Neolithikum jedoch leider keine 14C-Datierungen vorliegen. Hier kommen die gleichen M’lefatien-Kulturelemente wie Steinkügelchen und in den späteren Phasen flachbodige Keramik ohne oder mit geringen Verzierungen vor. Möglicherweise tauchen am Unteren Don sowie in der Westkaukasischen Kultur unter dem Einfluß des nordkaukasischen Mesolithikums Segmente sowie Trapeze mit Heluan-Retusche auf. Im gebündelten Erscheinen neuer Kulturelemente im Zagros, an der Schwarzmeerküste Kaukasiens und am Unteren Don wurden schon seit Danilenko Argumente für Migrationsprozesse gesehen.Es gibt viele Gründe, eher Wanderungen von Menschen als Ideentransfer anzunehmen. Erstens: es ist kaum vorstellbar, daß die neue Symbolik des Neolithikums, im Sinne von J. Cauvin, ohne entsprechende Symbol-Träger, die in dieser Kultur aufgewachsen sind, in ferne Gegenden gebracht werden konnte. Unter diesen Symbolen verstehen wir als männliches den Büffel (als ein Beispiel des Büffelkultes kann man die oben beschriebene Schädelbestattung eines Wisents mit einem großen Beil in der Siedlung Matveev Kurgan2 nennen) und als weibliche die entsprechenden Tonstatuetten. Zweitens: worauf C. Perles mit Recht hingewiesen hatte, ist eine Übertragung der domestizierten Pflanzen und Tiere sowie des Wissens um ihre Behandlung ohne den Transfer von Menschen unmöglich. Drittens: die Vielfalt kultureller Elemente, die von den neolithischen Bewohnern des Unteren Dons in Vorderasien übernommen wurden, impliziert ebenfalls diesen Transfer von Menschen. Unseres Erachtens ist die PPNB-Periode (8.500-7.000 cal. B.C.) als zeitlicher Rahmen für diese möglichen, wahrscheinlich mehrmaligen Migrationsereignisse angebracht. Die PPNB-Zeit ist für ihre Wanderungen bekannt.
Eine Fülle von Fragen tun sich auf, wenn man von diesen ungewöhnlichen Dingen liest. Ganz unmöglich, diesen allen in einem Blogartikel nachzugehen. Erwähnt sei hier zunächst einmal nur, daß die hier erwähnte "Heluan-Retusche" aufhorchen lassen könnte. Handelt es sich bei ihr um ein definierendes Objekt des
Frühen Natufium, das mehrere tausend Jahre vor dem PPNB liegt (hmongwiki)? Oder um solche wie sie erstmals 1952 beschrieben worden sind, als sie im Bereich des Roten Meeres gefunden wurde (GB: Schyle/Urpmann 1996)?
Abb. 5: Der Fruchtbare Halbmond zur Zeit des PPNB (aus Crassard 2013) |
Oder handelt es sich dabei um die in der englischsprachigen Literatur als "Helwan-Pfeilspitzen" ("Helwan point") benannten Objekte, die einen sehr wesentlichen Hinweis innerhalb des Fruchtbaren Halbmonds darstellen, daß sich dort das PPNB (mit seinen rechteckigen Häusern und deren Terrazzofußböden) in kriegerischer und erobernder Form gegenüber den PPNA-Kulturen durchgesetzt hatte, und zwar in einer Bewegung von Norden nach Süden, vom Siedlungsort Mureybet am Oberen Euphrat (Wiki) über die Levante hinweg bis an den Rand der Negev-Wüste im Süden (Gopher 1989, Bading 1995, S. 17-19), ja, bis nach Ägypten und bis in die Südspitze des Sinai (Crassard 2013).
Der Ort, nach dem beide benannt sind, Helwan (auch Heluan oder Helouna) (Wiki), ist ein Ausgrabungsort in Ägypten, 25 Kilometer südlich von Kairo.
Wenn es die letzteren Pfeilspitzen nun - ausgerechnet! - auch am Unteren Don gegeben haben sollte, dann wäre das ein mehr als bemerkenswerter Umstand. Der bisherige Kenntnisstand einer weiträumigeren Bewegung von der nördlichen Levante nach Süden wäre ja dann noch um eine weitaus weiträumigere parallele Bewegung vom Zagros-Gebirge aus nach Norden zu ergänzen.
Aber
wird man dann nicht auch annehmen können, daß es bei dieser Ausbreitung
von PPNB-Populationen zu jenen Mischungen aus anatolischer und
iranischer Genetik gekommen ist, die dann bis heute die Genetik dieses
Großraumes geprägt hat? Das würde die ab 6.500 v. Ztr. festgestellten, im Folgeartikel zu behandelnden Mischungsverhältnisse bei den Völkern der Halaf-Kultur und der
Shulaveri-Shomu-Kultur womöglich deutlich passender erklären als das
bislang von archäologischer Seite geschehen ist. Fragen über Fragen!
Aus diesen Zusammenhängen heraus wäre dann auch die Herkunft der "rein iranischen"
Herkunftskomponente des Urvolks der Indogermanen an der Mittleren Wolga
zu erklären. Jene PPNB-Kultur im Zagros-Gebirge könnte sie - beispielsweise! - in sich getragen haben. Aber für deren Herkunft kommen womöglich noch zahlreiche weitere Populationen im Umfeld des Kaspischen Meeres infrage. Im "Jamnaja-Herkunfts-Projekt" des Archäogenetik-Labors von David Reich, an dem der Archäologe David Anthony mitarbeitet, und von dem er in Interviews (u. a. mit Razib Khan) im letzten Jahr erzählt hat, geht man gegenwärtig all diesen Fragen nach.
Da aber im Levanteraum noch lange später eine genetische, auf das "Natufium" zurückgehende "levantinische" Herkunftskomponente aufzufinden ist, muß diese Ausbreitungsbewegung dort von dieser mitgetragen gewesen sein. (Und diese findet sich ja anderwärts nicht.) (Es will viel an Überlegungen berücksichtigt sein, wenn man zu einem stimmigen, widerspruchslosen Bild kommen möchte.)
Auf jeden Fall flossen diese archäologischen Forschungen auch ein in Ausführungen im Supplement zu der archäogenetischen Wang et. al. Studie von 2019, die vermutlich von Svend Hansen oder in seinem Umfeld verfaßt worden sind. Dort heißt es (22):
… Andere neolithische Gemeinschaften in den Ebenen westlich des Kaukasus und an der Küste des Schwarzen Meeres oder in den zentralen Bergtälern blieben undeutlich und mögen lokale Populationen widerspiegeln, die teilweise Elemente des neolithischen Pakets übernommen hatten. Neolithische Elemente am Unteren Don, die auf das späte 7. Jahrtausend datieren, sind umstritten, könnten aber Licht werfen auf eine südliche Komponente in der Entwicklung kultureller Formierungen vor der tatsächlichen Ankunft des Neolithikums im Norden des Kaukasus während der Mitte des 5. Jahrtausends v. Ztr..Early Neolithic communities established a sedentary lifestyle with a Near Eastern set of domesticates in the South Caucasus by 6000 calBCE. They developed a sophisticated set of settlements but kept to the floodplains of the major river drainages. Other Neolithic communities in the West Caucasian lowlands and at the Black Sea coast or in the central mountain valleys remained vague and might reflect local populations that selectively adopted elements of the Neolithic package. Neolithic elements in the Lower Don area north of the Caucasus and dating to the late 7th millennium BCE are disputed but might shed light on a southern component in the development of cultural formations before the actual advent of the Neolithic in the North Caucasus during the mid-5th millennium BCE.
Diese Forschungen am Unteren Don finden also Erwähnung, aber eine noch sehr zurückhaltende, zudem eine irreführende. Denn gute Datierungen gibt es ja für die PPNB-Elemente am Unteren Don nicht. PPNB würde aber eher ins 9. und 8. Jahrtausend passen und weniger ins 7., in dem es sich ja schon in seinem Endstadium befand.
Von Zarzi im Zagros-Gebirge bis in die Gegend von Rostow am Unteren Don sind es jedenfalls etwa 2000 Kilometer (G-Maps),
wobei eine Fahrt entlang der Küsten des Schwarzen Meeres einzuberechnen
ist.
Die Frage stellt sich auch: In welchem Zusammenhang stehen Neolithisierung südlich des Kaukasus durch die Shulaveri-Shomu-Kultur und die Neolithisierung am Unteren Don? Wo sich doch die Wege zu beider Ausgangspunkte "überkreuzen": Der Ausgangspunkt des PPNB am Unterer Don scheint das Zagros-Gebirge zu sein, der Ausgangspunkt von Shulaveri-Schomu-Kultur im südlichen Kaukasus scheint das nördliche Syrien zu sein.
An die Arbeit, Archäologen. Nur nicht ermüden. Zu tun gibt es wahrlich genug.
7. Die Shulaveri-Sholu-Kultur stammt von der Halaf-Kultur im nördlichen Syrien
Die Halaf-Kultur (6.100-5.100 v. Ztr.) (Wiki), auf die wir von Seiten der Archäologie ebenso wie von Seiten der Archäogenetik verwiesen werden, wenn wir nach der Herkunft der Ausbreitung der bäuerlichen Lebensweise nach Georgien fragen, ist benannt nach dem Siedlungshügel Tell Halaf (Wiki), der im Nordosten Syriens, etwa auf halbem Weg zwischen dem Oberlauf von Euphrat und Tigris liegt. Dieser wurde 1899 bis 1927 von dem Kölner Bankierssohn Max von Oppenheim (1860-1946) (Wiki) ausgegraben (Wiki):
Das Kerngebiet der Halaf-Kultur befindet sich im Quellgebiet von Euphrat und Tigris. Es erstreckt sich jedoch weiter nach Süden bis in den Norden Syriens und des Iraks. Die Halaf-Kultur hat sich relativ gleichzeitig im gesamten Verbreitungsgebiet aus lokalen neolithischen Kulturen entwickelt.
Eine bemerkenswerte Aussage. Nur in den Levanteraum an der Mittelmeerküste hinein scheint sich die Halaf-Kultur nicht ausgebreitet zu haben. Vielleicht paßt dazu die sich andeutende Erkenntnis aus der Archäogenetik, daß die Bandkeramik genetisch aus einem Bereich der nördlichen Levante stammen könnte, obwohl sie keine Natufium-Genetik in sich trägt. Womöglich haben sich also Bauern mit anatolischer Genetik, aus denen zuvor die Balkan-Donau-neolithische Völkergruppe hervorgegangen war, nach der Abwanderung der letzteren mit Menschen im nördlichen Levanteraum vermischt, weshalb sich dort in der Bronzezeit eine seltene Y-Chromosom-Haplogruppe von Bandkeramikern wieder findet, die es sonst nirgendwo gibt bislang. Diesen Umstand haben wir hier auf dem Blog schon behandelt.
Im Supplement 1 der diesbezüglichen archäogenetischen Studie von 2021 (6) werden in der dortigen Excel-Tabelle ganz oben in den ersten vier Reihen die Ausgrabungsorte angegeben, an denen man die Skelette der vier hier relevanten Männer gefunden hat, die als Y-Chromosom die seltene Haplogruppe H2d aufweisen (8, Suppl. 1), die - nach Ansicht dieser Studie - den Ursprungsraum der Balkan-Donau-neolithischen Bauern-Völkergruppe eingrenzen könnten. Es sind das die Ausgrabungsorte Alalach (Wiki) und Arslantepe (Wiki). Beide liegen in der heutigen mittleren, südlichen Türkei, also im nördlichen Levanteraum und sind 400 Kilometer voneinander entfernt (G-Maps). Als Zeitstellung werden für diese vier Menschenfunde die Bronzezeit angegeben. (Und weiterhin wird ein Fund von Aruchlo in Georgien im Südkaukasus gekennzeichnet mit der Haplogruppe H2*. Er war neu für diese Studie sequenziert worden.)
Die Halaf-Kultur jedenfalls scheint aus der vorhergehenden PPNB-Kultur hervorgegangen zu sein (Wiki):
Ein zuvor unbekanntes Übergangsstadium zwischen der Vor-Halaf-Epoche und der Epoche der Halaf-Kultur ist im Balikh-Tal am Tell Sabi Abyad (dem Berg des Weißen Jungen) entdeckt worden. Zur Zeit sind elf archäologische Schichten in Sabi Abyad aufgedeckt worden. Die archäologischen Schichten 11 bis 7 werden als Vor-Halaf-Schichten angesprochen; die Schichten 6 bis 4 als Übergangskultur und die Schichten 3 bis 1 als Frühe Halaf-Kultur. Es ist keine Siedlungsunterbrechung beobachtet worden, außer zwischen den Schichten 11 und 10. Die neue Archäologie zeigte auf, daß die Halaf-Kultur nicht plötzlich aufgetreten ist und daß sie nicht die Hervorbringung von auswärtigen Menschen war, sondern daß sie einen kontinuierlichen Prozeß einheimischer kultureller Veränderungen im nördlichen Syrien repräsentiert, der sich nach anderen Regionen hin ausbreitete.A formerly unknown transitional culture between the pre-Halaf Neolithic's era and Halaf's era was uncovered in the Balikh valley, at Tell Sabi Abyad (the Mound of the White Boy). Currently, eleven occupational layers have been unearthed in Sabi Abyad. Levels from 11 to 7 are considered pre-Halaf; from 6 to 4, transitional; and from 3 to 1, early Halaf. No hiatus in occupation is observed except between levels 11 and 10. The new archaeology demonstrated that Halaf culture was not sudden and was not the result of foreign people, but rather a continuous process of indigenous cultural changes in northern Syria, that spread to the other regions.
Es darf voraus gesetzt werden, daß die Halaf-Kultur entstand in dem oben angedeuteten kulturellen Tausch-Vorgängen "Schafe gegen Getreide", die mit menschlichen genetischen Austausch-Vorgängen iranisch gegen anatolisch parallel gegangen sein könnten. Über die Geschichte Georgiens lesen wir (Wiki):
Im Neolithikum vom 8. bis 5. Jahrtausend v. Chr. entwickelte sich in Georgien wie in den südlich angrenzenden Gebieten Ackerbau und Viehzucht sowie die Keramikherstellung. (...) Die ersten Siedlungen bestanden vermutlich aus Holzhäusern, die Fundorte liegen vor allem in Westgeorgien. Aruchlo stellt eine der bisher ältesten bekannten neolithischen Siedlungen dar.
Und in Aruchlo ist im letzten Jahrzehnt erneut gegraben worden unter Mitbeteiligung deutscher Archäologen rund um Svend Hansen (1, 2, 7). Auf dem englischen Wikipedia lesen wir (Wiki):
Die sogenannten frühneolithischen Siedlungsorte finden sich vornehmlich im westlichen Georgien. Es sind dies Khutsubani, Anaseuli, Kistriki, Kobuleti, Tetramitsa, Apiancha, Makhvilauri, Kotias Klde, Paluri und andere. (...) Siedlungen wie Tsopi, Aruchlo und Sadakhlo entlang des Kura-Tales im östlichen Georgien unterscheiden sich durch eine langewährende kulturelle Tradition, unterschiedliche Architektur und beträchtliche Fähigkeiten in der Steinbearbeitung. Die meisten dieser Siedlungen stehen in Beziehung zu der aufblühenden spätneolithischen Schulaveri-Shomu-Kultur. Radiokarbon-Daten legen nahe, daß die frühesten Siedlungen in das späte 6. und frühe 5. Jahrtausend v. Ztr. fallen.The so-called early Neolithic sites are chiefly found in western Georgia. These are Khutsubani, Anaseuli, Kistriki, Kobuleti, Tetramitsa, Apiancha, Makhvilauri, Kotias Klde, Paluri and others. In the 5th millennium BC, the Kura (Mtkvari) basin also became stably populated, and settlements such as those at Tsopi, Aruchlo, and Sadakhlo along the Kura in eastern Georgia are distinguished by a long lasting cultural tradition, distinctive architecture, and considerable skill in stoneworking. Most of these sites relate to the flourishing late Neolithic/Eneolithic archaeological complex known as the Shulaveri-Shomu culture. Radiocarbon dating at Shulaveri sites indicates that the earliest settlements there date from the late sixth - early fifth millennium BC.
Das hieße, daß sie etwa ab 6.300 v. Ztr. begonnen hätte. Schon 2017 hatten wir hier auf dem Blog uns ein wenig mit dieser Kultur beschäftigt (3) (St.gen. 2017). Wir hatten ausgeführt: Seit 6.000 v. Ztr. wird im südlichen Georgien Wein angebaut (10) (s. Patrick O'Gavern 2017). Die Shulaveri-Kultur war von der berühmten Hassuna- und Halaf-Kultur beeinflußt ist, bzw. stammt von diesen ab, die sich zuvor im Zagros-Gebirge über weite Gebiete des heutigen Iran ausgebreitet hatte. Die Hassuna-Kultur ist unter anderem berühmt wegen ihrer eindrucksvollen Keramik (Kaukasus-Wiki):
Um 6.000 bis 4.200 v. Ztr. benutzten die Shulaveri-Shomu-Kultur und andere neolithische/kupferzeitliche Kulturen des Südlichen Kaukasus örtlichen Obsidian für Werkzeuge, sie hielten Tiere wie Rinder und Schweine, bauten Getreide und Wein an. Von vielen Charakteristika der Shulaverischen materiellen Kultur (Rundlehm-Architektur, Keramik dekoriert durch plastisches Design, anthropomorphe weibliche Figurinen, Obsidian-Industrie mit einer Betonung auf der Produktion lange prismatischer Klingen) wird angenommen, daß sie ihren Ursprung im Nahen Osten haben (Hassuna, Halaf).In around ca. 6000-4200 B.C the Shulaveri-Shomu and other Neolithic/Chalcolithic cultures of the Southern Caucasus use local obsidian for tools, raise animals such as cattle and pigs, and grow crops, including grapes. Many of the characteristic traits of the Shulaverian material culture (circular mudbrick architecture, pottery decorated by plastic design, anthropomorphic female figurines, obsidian industry with an emphasys on production of long prismatic blades) are believed to have their origin in the Near Eatern Neolithic (Hassuna, Halaf).
Indem wir aber nun zunächst rein archäologisch nach der Herkunft dieser Kultur fragten, stießen wir auf jene neuen archäogenetische Studien, die im Folgebeitrag behandelt werden. Mit ihnen rollt sich jener für uns ganz neue Fragenkreis rund um die Archäologie zwischen Kaukaus, Zagros und Levanteraum im Neolithikum und in der Bronzezeit auf, von dem wir aus diesem Anlaß erst merken, daß wir uns mit ihm schon längst hätten beschäftigen können.
Denn der Forschungsstand ist, so sehen wir jetzt, schon seit 2020 ein anderer als zuvor. Und weil uns in einer 2020er-Studien einiges einfach nicht richtig klar wird, greifen wir noch einmal Parallel- und Vorgängerstudien aus den Jahren 2919 und 2020 auf. Und indem wir uns so tiefergehend in all diese archäogenetischen Studien einarbeiten, geht uns die Welt eines neuen Kenntnisstandes auf, die uns zuvor in dieser "Dichte" gar nicht bewußt gewesen war (obwohl ja die dafür wichtigen archäogenetischen Studien - wie gesagt - schon 2019 und 2020 erschienen waren). Wir waren auf diese Studien entweder gar nicht aufmerksam geworden, bzw. verstehen die große Bedeutung der 2019-Studie erst vor dem Hintergrund der - zunächst schwer verständlichen - 2020er-Studie. Auf diese Weise erschließt sich uns nun der Forschungsstand zu diesem riesen großen Thema zum ersten mal einigermaßen übersichtlich, insbesondere auch zu der Frage der Art und Zeitstellung der so überraschenden Ausbreitung der iranischen Genetik bis in den westlichen Mittelmeer-Raum. In den beiden Folgeartikeln ist der Versuch gemacht worden, all dies auch so übersichtlich wie möglich darzustellen.
/ Ergänzt um [24] - 24.5.2022 /
___________
- Ritchie,
K.; Wouters, W.; Mirtskhulava, G.; Jokhadze, S.; Zhvania, D.; Abuladze,
J. & Hansen, S. (2021). Neolithic fishing in the South Caucasus as
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- Hansen, Svend: Fischknochen aus Aruchlo (Georgien), 18.6.2021, https://www.dainst.blog/archaeology-in-eurasia/fischknochen-aus-aruchlo-georgien-homeoffice/
- Bading, I: Neue Forschungen zur Entstehung der Indogermanen, 2017, https://studgendeutsch.blogspot.com/2017/07/neue-forschungen-zur-entstehung-der.html
- Bading, I.: Stammen die ersten Donau-neolithischen Bauernvölker aus der Levante? 7/2021, https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/07/korrektur-notwendig-die-ersten.html
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- Rohrlach, A.B., Papac, L., Childebayeva, A. et al. Using Y-chromosome capture enrichment to resolve haplogroup H2 shows new evidence for a two-path Neolithic expansion to Western Europe. Sci Rep 11, 15005 (2021). 22.7.2021, https://doi.org/10.1038/s41598-021-94491-z
- Katrin
Bastert-Lamprichs, Svend Hansen, Guram Mirtskhulava, Andrea Ricci und
Michael Ullrich: Archuchlo, Georgien - Neolithische Siedlung im
Südkaukasus. Die Arbeiten der Jahre 2012 bis 2014, Forschungsberichte
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