Über die Größe der Götter
Die Vorstellung, die sich Menschen von Göttern machen, können sehr unterschiedlich sein.
Die 13 Meter hohe Zeus-Statue des Phidias im Zeus-Temel in Olympia (Wiki) (Abb. 2) kann einen leicht irritieren. Welchem Bedürfnis entsprang es, Götterfiguren in einem Tempel so überlebensgroß darzustellen?
Abb.: Spartanisches Heroen-Relief, Amyklai, Sparta, 540 v. Ztr., 87 Zentimeter hoch |
Aber in einem neuen fachwissenschaftlichen Aufsatz wird darauf hingewiesen, daß es eine Denktradition in der griechischen Antike gab (viele Epikuräer), nach der die Götter nicht nur der Vorstellung nach, sondern auch tatsächlich menschliche Gestalt besaßen, nach der sie sehr schön waren, nach der sie sich selbst genügten, nach der sie größer waren als Menschen und nach der sie von den Sterblichen gesehen werden konnten (1).
Bei der vielen "Vergeistigung" von Bildwerken, an die wir Abendländer uns gewöhnt haben, mag die Auseinandersetzung mit einer solchen "materialistischen Theologie" einmal ganz hilfreich sein und Verständnis ermöglichen.
So wie auf attischen Grabreliefs Hausbedienstete, die dem Verstorbenen nahestanden, neben ihm oft kleiner dargestellt wurden, so stellte man Götter als größer dar als jene, die ihnen Opfer darbrachten (Abb. 1) (2).
Die Götter, die auf Votivreliefs dargestellt und in Tempeln aufgestellt worden sind, sollten nicht lediglich als künstlerischer Ausdruck von etwas sein, dem ein Ausdruck in letztem Sinne nicht gegeben werden könne, sondern "sondern als persönlich Anwesende".
All das macht einem bewußt: Der Monotheismus mit seinem "Du sollst dir kein Bild von Gott machen" hat allerhand durcheinander gewirbelt. Das hat - zum Beispiel - dazu geführt, daß die Christen sich den "lieben Gott" um wurstiger als gütigen alten Mann mit wallendem weißem Bart vorstellten, der ständig mit dem Belohnen und Betrafen von guten oder bösen Taten beschäftigt war. (Daß dieser alte Mann im übrigen eigentlich reichlich einsam war, scheint die Christen nicht gestört zu haben. Die antiken Griechen - oder auch die heidnischen Germanen - ließen ihre Götter in einem bunten, vielfältigen Pantheon leben, wo sie Gesellschaft hatten. Das ist eigentlich ein angenehmerer Gedanke, als einem einsamen, isolierten alten Mann gegenüber zu stehen. Im wäre man auf Gnade und Verderben ausgeliefert, während ein Grieche bei einem anderen Gott Zuflucht suchen konnte, wenn ein anderer Gott ihm nicht wohlwollte. Was ja oft genug geschieht in der "Ilias".)
Der genannte Gedanke des Monotheismus hat außerdem dazu geführt, daß Moslems in vielen Teilen über viele Jahrhunderte völlig auf bildende Kunst verzichteten. Da wurde die Wurstigkeit noch extremer betrieben.
Aber sich auf das genannte griechisch-antike Denken einzulassen, daß eben Götter konkret "da" sein konnten, vor Ort sein konnten, menschliche Gestalt haben konnten, all das könnte auch dazu dienen, den Menschen nicht nur der Antike, sondern auch der europäischen Bronzezeit besser zu verstehen. Götter waren eben, wo und wie immer sie verehrt wurden, wo und wie immer ihnen geopfert wurde, viel konkreter da, viel konkreter vor Ort als wir uns das heute vorstellen können.
Abb. 2: Zeus-Statue im Zeus-Tempel in Olympia, Griechenland (Wiki) (der da auf Händen und Knien kniet, soll wohl ein Orientale sein, der sich nach Griechenland verirrt hat) |
Und im übrigen ist derselbe Gedanke - daß Gott groß, die Menschen klein sind und daß das den Menschen auch vor Augen geführt werden kann - auch der Beweggrund für den Bau der gotischen Kathedralen gewesen. Über sie kam in diesem Zusammenhang das Heidentum zurück in die Geistesgeschichte.
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- Hedreen, G. (2021). On the Magnitude of the Gods in Materialist Theology and Greek Art. The Journal of Hellenic Studies, 141, 31-53. doi:10.1017/S0075426921000021
- https://artsandculture.google.com/asset/spartan-hero-relief-unknown/5AFBjzWk_sMP_w
1 Kommentar:
Mir kommt bei diesem Gedanken immer wieder das Gedicht "Die Götter Griechenlands" von Schiller ins Gedächtnis.
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