Im ersten Teil dieser Blogartikel-Serie (St gen 1/2021) haben wir wenige, grundlegendere Einblicke in den Kenntnisstand der Archäologie über die Völkergeschichte zwischen Kaukasus, Zagros-Gebirge und Levante-Raum zwischen dem 10. und dem 6. Jahrtausend v. Ztr. gegeben. Ausgangspunkt war eine jüngst erschienen Studie von Svend Hansen und Mitarbeitern zu einem so entlegenen Thema wie dem Fischkonsum der frühsten Bauern südlich des Kaukasus.
Das Grundmuster der genetischen Geschichte der ersten bäuerlichen Kulturen und Völker zwischen Kaukasus und Levanteraum hatten wir hier auf dem Blog bis heute für uns noch nicht abschließend klären können. Spätestens seit - so überraschend - iranisch-neolithische Genetik in der bronzezeitlichen minoischen Kultur auf Kreta gefunden worden war und in weiten Teilen des Mittelmeerraumes, waren hier Fragen aufgeworfen. Wie konnte diese iranisch-neolithische Genetik in den Westen kommen? Außerdem ist sehr bald auch anatolisch-neolithische Genetik vergleichsweise früh und weit im Osten, z.B. südlich des Kaukasus und weit darüber hinaus gefunden worden. Wie konnte diese so früh so weit nach Osten kommen? Und bei Beschäftigung mit diesen Fragen taucht dann die weitere Frage am Horizont auf: Woher stammt die iranische genetische Komponente im Urvolk der Indogermanen? Vom Zagros-Gebirge? Vom Südufer des Kaspischen Meeres? Aus Nord-Anatolien? Oder doch aus dem Kaukasus?
Abb. 1: Verbreitung der Halaf-Kultur und der Shulaveri-Kultur ab 6.500 v. Ztr. (aus 1) |
Dieser Frage, so führten wir aus, gehen die Archäogenetiker im "Jamnaja-Herkunfts-Projekt" des Labors von David Reich gegenwärtig nach.
Wer wissen will, ob jener iranisch/kaukasische genetische
Herkunftsanteil, der zur einen Hälfte das Urvolk der Indogermanen an der
Mittleren und Unteren Wolga bildete, aus (vorkeramischen?) Jäger-Sammler-/Bauernkulturen des
südwestlichen (?) Kaukasus stammte oder aus einer Region am Südufer des Kaspischen Meeres oder aus dem Zagros-Gebirge, der kann die Lösung dieser Frage besser
eingrenzen, wenn er danach fragt, woher denn jene ersten Bauernkulturen südlich vom Kaukasus eigentlich stammten und in welchen Jahrtausende langen Beziehungen sie zu Völkern in der Steppe nördlich des Kaukasus standen. Zu dieser Frage sind aus den archäogenetischen Forschungsgruppen rund um Johannes Krause, David Reich und Wolfgang Haack schon
in den Jahren 2019 und 2020 drei wichtige Studien erschienen. Auf diese und ihre Bedeutung werden wir hier auf dem Blog aber erst jetzt wirklich voll aufmerksam (1-3).
Wir haben es - wie im ersten Teil angedeutet - südlich des Kaukasus mit der Shulaveri-Shomu-Kultur (Wiki) zu tun, die es dort vom 6. bis 4. Jahrtausend v. Ztr. insbesondere im heutigen Georgien gegeben hat. Sie bewohnte dort Siedlungen mit eng nebeneinander gebauten runden Lehmhäusern und war die erste Kultur der Weltgeschichte (oder eine der ersten), die Wein anbaute und diesen in großen, eindrucksvollen Bottichen verarbeitete (für das Zagros-Gebirge ist Weinanbau zeitgleich oder wenig später nachgewiesen).
Alle archäologischen - und nun auch erste archäogenetische Daten (1) - deuten darauf hin, daß diese Shulaveri-Shomu-Kultur genetisch und kulturell in Zusammenhang steht mit der Halaf-Kultur (6.100-5.100 v. Ztr.) (Wiki), die sich vom heutigen nördlichen Syrien, dem heutigen nördlichen Irak und von der heutigen Südtürkei aus ausgebreitet hat (Abb. 1). Und wenn wir so weit sind, stellt sich natürlich die Frage, wie denn die diese Halaf-Kultur entstanden ist.
Exkurs: Natufium, PPNA, PPNB
Zum besseren Verständnis soll zunächst ein wenig weiter ausgeholt werden: Ackerbau, Seßhaftigkeit, domestizierte Pflanzen- und Tierarten stammen zu großen Teilen aus dem Fruchtbaren Halbmond und aus den dortigen akeramischen Kulturen der Zeit zwischen 12.000 bis 7.500 v. Ztr.. Wissenschaftlich werden diese Kulturen Kabarien - Natufien - PPNA und PPNB genannt (Abb. 2). Im Zagros-Gebirge, das den östlichen Teil des Fruchtbaren Halbmonds dominiert, heißen die entsprechenden archäologischen Kulturen: Zarzian (18.00 bis 8.000 v. Ztr.) (parallel zu Kabrien und Natufien) und M’lefatien (parallel zu PPNB). (Allerdings fehlen zu letzteren beiden Kulturen noch Wikipedia-Artikel.) Der Kernraum des Fruchtbaren Halbmonds befindet sich an den Oberläufen von Euphrat und Tigris in der heutigen Südtürkei. Die Menschen lebten dort anfangs (im Natufium) in einer Art Halbseßhaftigkeit vom Sammeln wilden Getreides und von der Massenjagd auf wilde Gazellenherden während ihrer jährlichen Nord-Süd-Wanderungen. Ein bekannter Fundort ist natürlich auch das berühmte Bergheiligtum vom Göbekli Tepe. Aber es gibt zahllose weitere, eindrucksvolle Fundorte, etwa am Flußlauf des Euphrat (z.B. Abu Hureyra).
Abb. 2: Der Fruchtbare Halbmond (Wiki) |
Während des Natufiums und des PPNA baute man in diesen Kulturen runde Lehmhäuser, im PPNB breitete sich zumindest im westlichen Teil des Fruchtbaren Halbmonds eine neue Kultur aufwendig errichteter rechteckiger Häuser aus, die Terrazzo-Fußböden aufwiesen und die zu Städten anwuchsen, die zehntausend Einwohner haben konnten. Diese Städte wurden von Stadtdespoten regiert, deren Gesichter sich in Form der "plastered skulls" erhalten haben. Zur Haltung von domestizierten Schafen und Ziegen ging man aber erst während des Untergangs der Kultur des PPNB über, als man die Gazellen offenbar überjagt hatte und die zahlreiche Bevölkerung nicht mehr mit diesen Massenjagden - und der nachfolgenden Trocknung des Fleisches - ernähren konnte.
Wir wir schon im 1. Teil ausführten, könnten die domestizierten Schafe und Ziegen vom Zagros-Gebirge stammen, während das domestizierte Getreide aus dem Karacadağ-Gebirge (Wiki) im zentralen Teil des Fruchtbaren Halbmonds stammt.
Auch noch eine so berühmte und auch religiös eindruchsvolle Siedlung wie Çatalhöyük (7.500 bis 5.700 v. Ztr.) (Wiki) in Westanatolien ist offenbar dem Kulturraum und der Völkergruppe des PPNB zuzuordnen (Abb. 2). Wobei die Besiedlung womöglich auch hier schon um 7.000 v. Ztr. beendet worden sein könnte, es eine Siedlungslücke gegeben haben könnte und eine neue Besiedlung ab 6.000 v. Ztr. eingesetzt haben könnte, diesmal - gegebenenfalls - von neuen Menschen und neuen Kulturgruppen getragen.
Jedenfalls gehörten die Menschen, die diese frühen, stadtartigen Kulturen des Natufium, des PPNA und des PPNB getragen haben, aus genetischer Sicht im wesentlichen der "Natufium / levantinischen" Herkunftgruppe an. Und diese Kultur ist nach 7.000 v. Ztr. untergegangen. "Aufstieg und Fall der Stadt Ain Ghazal" hieß einmal in den 1990er Jahren ein eindrucksvoller Bericht über eine solche Stadt in der Zeitschrift "Bild der Wissenschaft" (4/1994) verfaßt von dem Archäologen-Ehepaar Rollefson, die dort ausgegraben haben. (Dieser Aufsatz war einstmals der erste Zugang des Autors dieser Zeilen zu dieser ganzen Thematik.)
Eine neue Kultur ab 6.500 v. Ztr.
Doch nun weiter: Ab 6.500 v. Ztr. breitet sich eine ganz neue Kultur aus. Es war dies die oben schon genannte Halaf-Kultur (6.100-5.100 v. Ztr.) (Wiki). Sie ist benannt nach dem Siedlungshügel Tell Halaf (Wiki) im Nordosten Syriens, etwa auf halbem Weg zwischen den Oberläufen von Euphrat und Tigris. Sie ist zwischen 1899 bis 1927 von dem Kölner Bankierssohn Max von Oppenheim (1860-1946) (Wiki) ergegraben worden. (von Oppenheim war väterlicherseits jüdischer Herkunft, stammte mütterlicherseits aus einer Kölner Bankiersfamilie und war katholisch getauft.) Der Ursprungsraum der Halaf-Kultur liegt in genau derselben Region wie die Ursprungsräume der vorkeramischen Kulturen, nämlich im Kernraum des Fruchtbaren Halbmonds. Es ist dies die Zeit, in der sich zeitgleich Bauernkulturen über ganz Anatolien, auf dem Balkan und rund um das gesamte Mittelmeer ausgebreitet haben. Es ist dies eEin Zeitraum, in dem gleichzeitig sehr viel passiert ist, was womöglich in seinen regionalen Details noch längst nicht vollständig überblickt werden kann und verstanden worden ist.
Die Formierung völlig neuer Völker und Völkergruppen, die dann Jahrtausende lang die Weltgeschichte bestimmen sollten - bis hoch nach Skandinavien und Schottland, bis an die Westhänge des Tianshan in Zentralasien, bis nach Indien, vollzog sich im Umfeld des Fruchtbaren Halbmonds in genau jenem, noch nicht besonders gut verstanden 7. Jahrtausend vor der Zeitrechnung.
Archäogenetisch gibt es seit kurzem Hinweise darauf, daß sich die Balkan- und Donau-neolithische Völkergruppe vom südwestanatolischen/nördlichen Levanteraum aus zum Balkan hin ausgebreitet hat, und daß die dieser Völkergruppe eng verwandte mediterran-neolithische Völkergruppe (Cardial-Kultur) von Nordwest-Anatolien ihren Ausgang genommen hat und sich rund um das nördliche Mittelmeer ausgebreitet hat (4, 5). Dies gilt zumindest für die jeweiligen Y-Chromosomen. Und nun gibt es den weiteren Hinweis, daß sich die charakteristische Mischbevölkerung der Halaf-Kultur vom nördlichen Syrien aus wohl nur wenig später mit unterschiedlichen Anteilen von iranisch-neolithischer Genetik bis an die Südhänge des Kaukasus und in genetischen Spuren bis hin nach Indien und in den Levanteraum ausgebreitet hat.
Das Kerngebiet der Halaf-Kultur befindet sich im Quellgebiet von Euphrat und Tigris. Es erstreckt sich jedoch weiter nach Süden bis in den Norden Syriens und des Iraks. Die Halaf-Kultur hat sich relativ gleichzeitig im gesamten Verbreitungsgebiet aus lokalen neolithischen Kulturen entwickelt.
Womöglich ist das ein wichtiger Satz: Die Halaf-Kultur hat sich relativ gleichzeitig im gesamten Verbreitungsgebeit aus lokalen neolithischen Kulturen entwickelt. Zwar ist das auf den ersten Blick ein ungewöhnliches Geschehen. Denn die meisten großen Kulturen und Völker dieser Zeit sind klar durch demographische Ausbreitung aus kleinen Kernräumen heraus entstanden (Bandkeramiker, Urindogermanen, mittelneolithische Kulturen in Europa ...).
Wie wir unten anhand der archäogenetischen Daten der genannten Studie der Forschungsgruppe um Johannes Krause (1) sehen werden, ist die kulturelle Vereinheitlichung durch die Halaf-Kultur über eine weitere Region hinweg zugleich einher gegangen mit Vermischungsprozessen, in denen die genetische "Naturium/levantinische" Herkunft nicht mehr die Hauptrolle spielte, sondern in unterschiedlichen Anteilen einerseits die anatolisch-neolithische Herkunft, die sich vom nördlichen Anatolien aus bis in die Kernregion des Fruchtbaren Halbmonds ausgebreitet hatte, wie auch - und womöglich noch mehr - die iranisch-neolithische Herkunftgruppe, die ebenfalls die entleerten Siedlungsräume übernommen haben könnte, die die untergegangenen Kulturen des PPNB und PPNC zurück gelassen hatten, und wo es zu Vermischungen aller drei Herkunftsgruppen innerhalb der entstehenden Halaf-Kultur gekommen ist, wobei der genetische Transfer parallel gegangen sein mag zu dem im 1. Teil behandelten Kulturtransfer "Tausche Schafe und Wein vom Zagros-Gebirge gegen Einkorn-Weizen vom Karacadağ-Gebirge".
[Einfügung 19.11.23:] Im heutigen Nordsyrien liegt der Ausgrabungsort Tell Sabi Abyad (Wiki). Die Archäologen stellen fest, daß hier ein Dorf um 5.200 v. Ztr. (oder um 6.000 v. Ztr.) in einem heftigen Feuer verbrannt ist (Wiki):
Im „verbrannten Dorf“ wurde reichlich Keramik aufgefunden, die mit eigenartigen schwarzen Strichen verziert war. Diese Dekoration bestand aus Bitumen, das direkt nach dem Brennen auf die Keramik aufgetragen wurde. Chemisch-analytische Untersuchungen und Vergleiche mit Bitumen aus den nächstliegenden Vorkommen ergaben, daß dieses Rohmaterial aus Zakho oder Kirkuk im heutigen Irak stammte. Die neolithischen Bewohner des Tell Sabi Abyad unterhielten also Handelsbeziehungen über zumindest 500 Kilometer nach Osten.
Auf dem englischen Wikipedia wird diese Schicht auf 6.000 v. Ztr. datiert (Wiki). Über der Schicht des "verbrannten Dorfes" findet sich dann die chronologisch erste Schicht der Halaf-Kultur vor Ort. In beiden Schichten gab es schon Tonsiegel mit Stempelabdrücken und Zählsteine, die auf ein Registrierungs- und Verwaltungssystem hinwiesen, bzw. auf Buchhaltung. Die frühesten solchen Zählsteine hat man schon im PPNA in Mureybet gefunden. Auf dem niederländischen Wikipedia finden sich die wohl genaueren chronologischen Angaben (Wiki):
Pre-Halaf - - - - - - - - - 6.300 v. Ztr.Proto-Halaf - - - - - - - - 6.100 v. Ztr.Früh Halaf - - - - - - - - 5.950 v. Ztr.Früh Halaf (bisher) - - 5.850 v. Ztr.
[Ende der Einfügung]
Nur in den Levanteraum an der Mittelmeerküste hinein scheint sich die Halaf-Kultur nicht ausgebreitet zu haben, ein Umstand, der sich ebenfalls in der Archäogenetik widerspiegelt (1) (siehe unten). Denn im Levanteraum hat sich die vorhergehende Natufium-/levantinische Genetik in größeren Anteilen gehalten als in anderen Regionen (aber auch im Levanteraum nur zu etwa einem Drittel, zu etwa 36 %). Die Halaf-Kultur scheint also sowohl genetisch wie kulturell aus der vorhergehenden PPNB/PPNC-Kultur hervorgegangen zu sein, aber durch Vermischung sowohl mit vormaligen anatolischen Jägern und Sammlern wie mit vormaligen iranischen Jägern und Sammlern aus dem Zagros-Gebirge. Den Forschungsstand aus Sicht der Archäologie zur Entstehung der Halaf-Kultur hatten wir schon im ersten Teil zitiert (Wiki). Es war da bezüglich des Tell Sabi Abyad von einer langen, weitgehend kontinuierlichen kulturellen Entwicklung durch fast alle archäologischen Schichten hindurch die Rede aber bemerkenswerterweise doch auch von einer einzelnen Siedlungsunterbrechung und zwar ganz zu Anfang zwischen den beiden untersten Schichten, nämlich zwischen 11 und 10.
Die genannte Siedlungsunterbrechung zwischen den Schichten 11 und 10 könnte durchaus auch ein Hinweis darauf sein, daß es hier zu jenen ethnischen Neuformierungs-Prozessen gekommen ist, die aus Sicht der neuen archäogenetischen Daten vorauszusetzen sein müßten, wobei vom nordöstlichen Anatolien und dem Iran aus vermehrt auch jene vormalige iranische Jäger-Sammler-Genetik in den Kernraum des Fruchtbaren Halbmonds gelangt sein sollte, wo sie ja zuvor nicht anzutreffen gewesen war (zumindest soweit wir das bislang übersehen können). (Daß es zuvor schon mit der PPNB-Ausbreitung von Norden nach Süden zu einer Vermischung zwischen iranischer und anatolischer Genetik gekommen ist, scheint ja nach den bisherigen Daten eher unwahrscheinlich.)
Bevor wir uns den Einzelheiten der genannten Studie zuwenden, sei zunächst noch einmal an den bisherigen Forschungsstand mit Hilfe der folgenden Grafik erinnert, um das folgende besser verstehen und einordnen zu können (Abb. 3), nämlich aus der Forschungsgruppe um Chris Tyler-Smith (6) (Almarri et. al. 2021).
Abb. 3: Herkunftsanteile der heutigen Völker des Vorderen Orients (aus: 6)*) |
In ihr kommt zur Darstellung, daß die Vorfahren der heutigen Völker des Vorderen Orients anhand des archäogenetischen Datenmaterials modelliert werden können als abstammend von drei ursprünglicheren Herkunftsgruppen:
- der Herkunftsgruppe des (halbseßhaften) Natufium (die erstmals im mittleren und westlichen Teil des Fruchtbaren Halbmonds Getreide domestiziert hat) (hellblau),
- der Herkunftsgruppe anatolisch-neolithische Bauern (lila), die im nordwestlichen Anatolien im 7. Jahrtausend v. Ztr. vom Jäger-Sammler-Dasein zum Ackerbau übergegangen sind und
- die iranisch-neolithische Herkunftsgruppe (orange/hellbraun), die - womöglich - parallel zum Natufium im Westen seßhaft geworden ist und sich während des 7. Jahrtausends vom Zagros-Gebirge ausgehend in alle Richtungen ausgebreitet hat.
Die heutigen Völker des Vorderen Orients setzen sich zu jeweils unterschiedlichen Anteilen, die der Grafik entnommen werden können (Abb. 3), aus diesen drei Herkunftsgruppen zusammen. Der - sehr kleine - sehr dunkellila Anteil in der Grafik ist der Anteil "Steppen-Genetik" der Indogermanen, der spätestens ab dem Seevölkersturm in diesen Raum gekommen ist. Aus dieser Grafik kann womöglich mehr heraus gelesen werden als man auf den ersten Blick denkt. Die natufische/levantinische Genetik (hellblau) hat sich am unvermischtesten bei den Völkern auf der arabischen Halbinsel gehalten. In der bronzezeitlichen Handelsstadt Sidon ist dieser Anteil aber auch noch höher gewesen, er findet sich auch bei Palästinensern und Libanesen und - auffallenderweise - bei den südlicher lebenden Irakern und Assyrern mehr als bei den nördlicher lebenden Kurden. Der anatolische Anteil (lila) war im Neolithikum der Levante nur gering vorhanden, war im bronzezeitlichen Sidon angestiegen und ist heute bei Palästinensern, Libanesen, Drusen, Jordaniern, Kurden und einigen Beduinen-Stämmen deutlich ausgeprägt. Er war im bronzezeitlichen Sidon etwa so hoch wie heute in Ägypten. Der iranisch-neolithische Anteil (orange-hellbraun) ist am höchsten bei Kurden und Irakern, also jenen Völkern die noch heute in der größten Nähe zum Zagros-Gebirge leben. Um so weiter im Westen die Völker leben, um so geringer ist noch heute ihr iranisch-neolithischer Herkunftsanteil. Im bronzezeitlichen Sidon war er etwa so hoch wie heute in Ägypten und auf der arabischen Halbinsel.
Nach der Bronzezeit haben sich sowohl anatolische wie iranische Genetik im Levanteraum (Sidon) noch leicht erhöht - sicherlich durch Zufluß von Norden, während scheinbar einige Beduinen-Stämme grob die bronzezeitliche Genetik dieses Raumes beibehalten haben bis heute.
Schon die Völker des vorkeramischen Neolithikums im Fruchtbaren Halbmond (benannt "Levant_N") haben also in kleinen Anteilen (Nordwest-)anatolische Genetik in sich getragen. Es ist naheliegend, daß diese sich mit der PPNB-Kultur vom südlichen Anatolien aus nach Süden in den Levanteraum ausgebreitet hat. (Denn die nachherige Halaf-Kultur hat diesen Raum ja nicht erreicht.) Und man könnte annehmen, daß es ähnliche Vorgänge während des PPNB parallel mit der iranischen Genetik auch schon im östlichen Teil des Fruchtbaren Halbmonds gegeben hat. Aber das ist zum jetzigen Stand reine Spekulation. In welchem Umfang die Kultur des PPNB im östlichen Teil des Fruchtbaren Halbmonds iranisch-neolithische Genetik in sich trug, ist - zumindest uns - einstweilen gar nicht bekannt. Das mag womöglich noch offen sein aufgrund der Spärlichkeit der bislang sequenzierten Funde dieser Region.
Wang et al. 2019
Erst über die Umwege der vorliegenden Blogartikel-Serie kommen wir dazu, uns die archäogenetischen Studien der letzten Jahre zum Kaukasus, zu Anatolien und zum Levante-Raum anzuschauen. Hier ist schon viel mehr bekannt als uns bislang bewußt war. Und wir hätten das schon längst aufgreifen können. Schon 2019 ist der Forschungsstand zu diesem geographischen Raum von der Forschungsgruppe um Wolfgang Haack (unter Einschluß von David Reich, Johannes Krause und dem deutschen Archäologen Svend Hansen) so festgestellt worden wie wir es im folgenden darstellen wollen. Zunächst wird über den Nahe Osten und Anatolien referiert, was wir schon anhand Abbildung 3 zu verdeutlichen versuchten (3) (Wang et. al. 2019):
Im Mesolithikum und im Frühneolithikum lebten hier drei unterschiedliche Ausgangspopulationen, die anatolische und Levante-Herkunft im Westen und eine Gruppe mit davon unterschiedener Herkunft im Osten. Die letztere wurde erstmals beschrieben in Individuen des Oberen Paläolithikums aus Georgien (Kaukasus-Jäger-Sammler; CHG) und dann in mesolithischen und neolithischen Individuen aus dem Iran. In den folgenden Jahrtausenden vom Neolithikum bis zur Bronzezeit kam es zur Vermischung zwischen diesen Herkunftsgruppen, was zu einer genetischen Homogenisierung der Ursprungsbevölkerungen führte.The near East and Anatolia (...). In the Mesolithic and Early Neolithic, these regions harboured three divergent populations, with Anatolian and Levantine ancestry in the west, and a group with a distinct ancestry in the east. The latter was first described in Upper Pleistocene individuals from Georgia (Caucasus hunter-gatherers; CHG) and then in Mesolithic and Neolithic individuals from Iran. The following millennia, spanning the Neolithic to BA, saw admixture between these ancestral groups, leading to a pattern of genetic homogenization of the source populations.
Diese Ausführungen über die "Homogenisierung" bekommen in weiteren Studien aus dem Jahr 2020 ihre zusätzlichen Unterstreichungen und Bestätigungen (1, 2). Und die neueren und diese ältere Studie erläutern sich auch gegenseitig, insbesondere da die 2020er Studien stillschweigend den Kenntnisstand dieser älteren Studie voraussetzen. Man muß also die Wang 2019-Studie (3) zum Verständnis - zumal als Fachfremder - notwendigerweise parallel studieren.
In dieser Wang et. al.-Studie wird dann weiter das Urvolk der Indogermanen erörtert, das sich von der Samara-Region an der Mittleren Wolga bis zum Fuße des Kaukasus (aber nicht bis in das Gebirge hinein und nicht bis zu seinem Gebirgskamm!) (also auch nicht in die Region des höchsten Berges des Kaukasus, des Elbrus) ausgebreitet hat (3) (Wang et. al. 2019):
Im Norden des Kaukasus tragen eneolthische und bronzezeitliche Individuen der Samara-Region (5.200 bis 4.000 v. Ztr.) in gleichen Anteilen osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft und "Kaukasus-iranische" Herkunft in sich, (zusammen) die sogenannten "Steppen-Herkunft", die sich schließlich weiter nach Westen ausbreitete, wo sie beträchtlich zu den heutigen Europäern beigetragen hat, und nach Osten in die Altai-Region - ebenso wie nach Südasien.North of the Caucasus, Eneolithic and BA individuals from the Samara region (5200-4000 BCE) carry an equal mixture of EHG- and CHG/Iranian ancestry, so-called ‘steppe ancestry’ that eventually spread further west, where it contributed substantially to present-day Europeans, and east to the Altai region as well as to South Asia.
So weit so bekannt hier auf dem Blog. Zumindest vom Prinzip her. Aber die im folgenden zu erörternde scharfe genetische Grenze am Fuße der Berge des nördlichen Kaukasus (Abb. 4) und am Übergang zur Steppe ist eindeutig eine neue Erkenntnis, der ab jetzt viel Bedeutung wird beigemessen werden müssen, wenn nach der Herkunft der iranischen genetischen Komponente im Urvolk der Indogermanen gefragt wird.
Denn es ist unbedingt notwendig, sich diese in der Bronzezeit bestehende so klare genetische Trennung der Populationen nördlich des Kaukasus und der Populationen südlich davon vor Augen zu führen. Die Bedeutung dieser klaren genetischen Trennung tritt aber auch erst voll hervor, wenn man sich mit der genetischen Geschichte zwischen Kaukasus und Levanteraum insgesamt beschäftigt hat wie das in der Studie von 2020 geschehen ist (1). Und dann stellt sich die weitere Frage: Wie kann es denn zu einer so frühen und so klaren Trennung gekommen sein, wenn von der Bevölkerung südlich des Kaukasus aus die Ethnogenese der Indogermanen in Gang gesetzt worden sein soll? Diese Frage scheint uns doch eine ganz entscheidende zu sein. Denn das in ihr Implizierte scheint doch unter diesem neuen Kenntnisstand mehr als unwahrscheinlich. Dann wäre es wahrlich schwierig, zugleich eine so scharfe genetische Grenze zwischen zwei großen Völkergruppen zu erklären, die nachmals sogar noch bis zum Ende der Bronzezeit fortbestanden hat. In der Tat gibt es Anlaß, sich zu wundern, daß wir hier auf dem Blog diesen wichtigen Umstand erst jetzt voll auf uns wirken lassen. Wir lesen (3) (Wang et. al. 2019):
Die beiden unterschiedlichen Cluster sind schon in den ältesten Individuen unseres zeitlichen Querschnitts sichtbar, die auf das Spätneolithikum datiert werden (4.300 bis 4.100 v. Ztr.). Drei Individuen von den Fundorten Progress 2 und Vonyuchka 1 in der am Fuße des Kaukasus angrenzenden Steppe ("Eneolithic steppe"), die osteuropäische und kaukasische Jäger/Sammler-Genetik aufweisen, sind genetisch sehr ähnlich zu eneolithischen Individuen von Chwalynsk II und der Samara-Region.The two distinct clusters are already visible in the oldest individuals of our temporal transect, dated to the Eneolithic period (~6300–6100 yBP/4300–4100 calBCE). Three individuals from the sites of Progress 2 and Vonyuchka 1 in the North Caucasus piedmont steppe (‘Eneolithic steppe’), which harbour EHG and CHG related ancestry, are genetically very similar to Eneolithic individuals from Khvalynsk II and the Samara region.
Das ist also das Urvolk der Indogermanen, das sich zu diesem Zeitpunkt schon bis an den Fuß des Kaukasus ausgebreitet hat - aber nicht weiter. Genau dieses Urvolk war ja auch 2019 erst auch anderwärts für die Forschung sichtbar geworden - für uns insbesondere durch eine Veröffentlichung des Archäologen David Anthony (St gen 2019). Aufgrund dieses Umstandes hatten wir genug zu tun, diese neue Erkenntnis auszuwerten, so daß wir erst jetzt dazu kommen, uns die parallelen Entwicklungen innerhalb des Kauskaus und südlich davon bis hinunter in den Levanteraum anzuschauen und zu fragen, was sie zur Beleuchtung der Gesamtthematik beizutragen haben. Und das ist eine ganze Menge. Die Forscher schrieben 2019 weiter (3) (Wang et al 2019):
Im Gegensatz dazu (zu den Steppenbewohnern) zeigen die ältesten Individuen in den nördlichen Höhenlagen des Kaukasus (...) gemischte Herkunft, die vornehmlich abgeleitet ist aus Ausgangspopulationen, die in Verbindung stehen mit dem anatolischen Neolithikum (orange) und den Kaukasus-Jäger-Sammlern, bzw. dem iranischen Neolithikum (grün).In contrast, the oldest individuals from the northern mountain flank itself, which are three first-degree-related individuals from the Unakozovskaya cave associated with the Darkveti-Meshoko Eneolithic culture (analysis label ‘Eneolithic Caucasus’) show mixed ancestry mostly derived from sources related to the Anatolian Neolithic (orange) and CHG/Iran Neolithic (green) in the ADMIXTURE plot (Fig. 2c).
Achtung, nicht verwirren lassen. Hier sind die Herkunftsgruppen anderen Farben zugeordnet als oben in Abbildung 3, die einer anderen Studie entnommen worden war. Aber die oben genannte "Homogeneisierung" zwischen den beiden großen genetischen Herkunftsgruppen ist schon zu diesem Zeitpunkt im Kaukasus voll ausgebildet sichtbar, war also schon sehr weitgehend abgeschlossen (!) zu jenem frühen Zeitpunkt.
Das ist ein mehr als bemerkenswerter Umstand. Das heißt: Zu Beginn des Keramikums bildet sich am Westrand des Zagros-Gebirges und hinüber bis nach Nordmesopotamien einerseits und hinauf bis in den Kaukaus andererseits eine genetisch und kulturell ganz neue Völkergruppe (Halaf-Kultur), die genetisch fast unverändert bis zum Ende der Bronzezeit fortbesteht, ja, in groben Zügen sogar bis heute (s. Abb. 3).
Um den Unterschied zur genetischen Geschichte Europas noch einmal heraus zu stellen: Zu jenem Zeitpunkt bildete sich das Volk der Bandkeramik im Wiener Becken gerade erst heraus, ein Volk, das heute in Europa so gut wie ausgestorben ist. Erst fünfhundert Jahre später bildete sich das Urvolk der Indogermanen an der Mittleren Wolga, zeitgleich zu mittelneolithischen Völkern in Mitteleuropa, deren Genetik sich auch nur in kleineren Anteilen in den heutigen Europäern wieder findet. Von diesem Zeitpunkt an sehen wir also in Europa noch sehr viel umfangreichere genetische Umbrüche, während wir für Anatolien ab diesem Zeitpunkt solche nur noch in weitaus geringerem Ausmaß feststellen, weil hier das Bild genetischer Kontinuität der im 7. Jahrtausend begründete Völkergruppe bis heute vorherrscht, einer Völkergruppe, die - gemessen an damaligen Maßstäben - eine höhere Siedlungsdichte aufwies als die Völker in Europa, weshalb genetische Umbrüche durch jeweilige erobernde Neuzwanderer viel weniger umfangreich zustande kommen konnten. Weiter (3) (Wang et. al.):
Nachdem für anatolische und armenische kupferzeitliche und bronzezeitliche Individuen ähnliche Herkunftsprofile berichtet worden sind, legt dieses Ergebnis die Anwesenheit dieser gemischten Herkunft nördlich des Kamms des Kaukasus schon um die Zeit um 4.500 v. Ztr. nahe.While similar ancestry profiles have been reported for Anatolian and Armenian Chalcolithic and BA individuals, this result suggests the presence of this mixed ancestry north of the Caucasus as early as ~6500 years ago.
Und das war ja auch das wesentliche Argument der David Anthony-Ausführungen von 2019, daß sich die anatolische Genetik, die sich südlich des Kaukasus findet, im Urvolk der Indogermanen nicht findet, weshalb es
- erstens nicht aus Anatolien stammen konnte (im Gegensatz zu der Lehre von Colin Renfrew und anderen), und weshalb
- zweitens die Kaukasus-Jäger-Sammler- bzw. iranische Herkunftskomponente in dieses schon vor der Zeit um 4.500 v. Ztr. gekommen sein mußte.
Und - offenbar - auch auf anderem Wege als ausgerechnet über den Hauptkamm des Kaukasus hinweg. Der Kaukasus grenzt im Osten an das Kaspischen Meer und im Westen an das Schwarze Meer, zwei Verbindungswege für Menschen iranischer Genetik, um in den Norden des Kaukasus, etwa an den Unteren Don und/oder an die Untere Wolga zu gelangen. Und rund um das Kaspische Meer und im Zagros-Gebirge gab es noch viel Platz, gibt es noch viele vorgeschichtliche Populationen, die archäogenetisch bislang kaum oder gar erfaßt sind, und von wo herauf die hälftig "iranischen" Vorfahren der Indogermanen gekommen sein können, von wo aus man per Schiff die Wolga ja bestens gut erreichen konnte, bzw. über das Schwarze Meer den Don.
Und der Archäologe Svend Hansen weist dann im Supplement auch gleich auf eine archäologische Studie, die glaubt, im 9. Jahrtausend v. Ztr., PPNB-Kulturelemente aus dem Zagros-Gebirge am Unteren Don erkennen zu können (siehe voriger Beitrag). Es wird dafür der Weg über die Ostküste des Schwarzen Meeres zur Ausbreitung vorgeschlagen, da es an diesen Küsten ebenfalls Hinweise für solche PPNB-Kulturelemente gibt. Aber behalten wir im Hinterkopf: Der Don ist nicht die Wolga. Die Wolga ist vom Kaspischen Meer aus deutlich leichter zu erreichen.
Erst wenn man sich mit Hilfe der neueren Studien das größere Bild klar macht, das sich für den Raum zwischen Kaukasus und Levante herausbildet, wird einem die Bedeutung dieser scharfen genetischen Grenze bewußt, die da um 4.500 v. Ztr. am Fuße des Nordhanges des Kaukasus anzutreffen ist (Abb. 5). Sie läßt die Möglichkeit, daß die iranische Ausgangsbevölkerung des Urvolks der Indogermanen vom Kaspischen Meer stammt, mehr als wahrscheinlich erscheinen. Man fühlt sich bei diesem Anlaß also daran erinnert, daß der David Reich-Mitarbeiter Nick Patterson derzeit die Ausgangspopulation für die Ethnogenese der Indogermanen an den Ufern des Kaspischen Meeres annimmt (St. gen. 2021).
Im weiteren gilt es, sich den Umstand klar zu machen, daß die anatolisch-neolithische Komponente in der frühbronzezeitlichen Majkop-Kultur (3.800-3.000 v. Ztr.) der Steppe (!) (dort gab es diese nämlich auch) auf eine "Rückausbreitung" von Nachkommen vormaliger Urindogermanen zurückgeführt werden muß, die sich irgendwann zwischen 4.500 und 3.800 v. Ztr. entweder mit Menschen der großen Cucuteni-Tripolje-Kultur oder mit Menschen der Kugelamphoren-Kultur vermischt hatten. (Erg. 8.5.24: Die weiteren Ausführungen zu diesem speziellen Thema dürften durch eine neue Studie aus dem Jahr 2024 korrigiert worden sein. Die anatolisch-neolithische Herkunftskomponente war ebenso wie die westeuropäische Jäger-Sammler-Komponente schon im Spätmesolithikum in die Region gelangt.) In beiden gab es auch eine kleinere Herkunftskomponente westeuropäischer Jäger/Sammler, die diese "zweite Welle der Indogermanen" nun ebenfalls in sich trägt. In der Wang et. al. -Studie von 2019 heißt es dazu (3):
Unsere Ergebnisse zeigen einen Zufluß von sowohl anatolisch-neolithischer Genetik wie auch von westeuropäischer Jäger-Sammler-Genetik, die wahrscheinlich hereinkamen durch mittel- und spätneolithische Bauern-Gruppen im angrenzenden Westen. (...) Die paßgenaueste Ausgangspopulation dieses Genzuflusses kann gegenwärtig aufgrund der Begrenzungen der Auflösung noch nicht identifiziert werden. Allerdings gehören die geographisch nahegelegenen und zeitgleichen Gruppen wie die Kugelamphoren-Kultur und eneolithische Gruppen am Schwarzen Meer (Ukraine und Bulgarien) (...) zu den besten Kandidaten.Our results show a subtle contribution of both AF ancestry and WHG-related ancestry (Fig. 4; Supplementary Tables 13 and 14), likely brought in through MN/LN farming groups from adjacent regions in the West. (...) At present, due to the limits of our resolution, we cannot identify a single best source population. However, geographically proximal and contemporaneous groups such as Globular Amphora and Eneolithic groups from the Black Sea area (Ukraine and Bulgaria), representing all four distal sources (CHG, EHG, WHG, and Anatolian_Neolithic), are among the best supported candidates (Fig. 4; Supplementary Table 16).
Mit eneolithischen Gruppen am Schwarzen Meer ist zunächst einmal vor allem die Cucuteni-Triploje-Kultur gemeint (die allerdings die Küste des Schwarzen Meeres fast nie erreicht hat), ebenso die Kultur der Königsgräber von Warna in Bulgarien. Sehr viel Aufwand betreiben die Forscher, um die Quellen für die Herkunftszusammensetzung für "Steppe_Maykop_outlier" festzustellen. Soweit wir es verstehen, können sie nicht definitiv entscheiden, ob die in ihnen feststellbare anatolische Bauern-Komponente aus Vermischungen mit Völkern im Norden der Steppe oder vom Süden des Kaukasus stammt. Aber diese Frage ist für uns - zumindest an dieser Stelle - nicht so entscheidend. (Für die innere Geschichte der Maykop-Kultur und der vielen Völker, die aus ihr scheinen hervorgegangen zu sein, hat diese allerdings durchaus Bedeutung. Und deshalb werden wir zu späterer Zeit sicher auch noch einmal darauf zurückkommen müssen.)
Nun aber zum Kaukasus-Cluster (Wang 2019) (3):
Die Majkop-Epoche, repräsentiert durch 12 Individuen von acht Maykop-Fundorten (....) am Fuße der Nordseite des Kaukasus erscheint homogen. Diese Individuen ähneln sehr den vorhergehenden eneolithischen Kaukasus-Individuen und repräsentieren eine Fortsetzung ihres lokalen genetischen Profils. Diese Herkunft setzt sich in den folgenden Jahrhunderten fort zumindest bis 1.100 v. Ztr., was sich auch zeigt in Individuen der Kura-Araxes-Kultur sowohl vom nordöstlichen wie südlichen Kaukasus, ebenso in mittel- und spätbronzezeitlichen Individuen von der Nordseite des Kaukasus. Insgesamt fällt das Kaukasus-Herkunfts-Profil zwischen die "armenischen und iranischen kupferzeitlichen" Individuen und ist ununterscheidbar von anderen Kura-Araxes-Individuen, was einen zwiefachen Ursprung nahelegt, ausgehend von anatolisch-levantinischer und Kaukasus-iranischer Genetik und mit nur minimalen europäischem Jäger-Sammler-Anteil, womöglich als Teil der anatolischen Bauern-Herkunft.The Maykop period, represented by 12 individuals from eight Maykop sites (Maykop, n = 2; a cultural variant ‘Novosvobodnaya’ from the site Klady, n = 4; and Late Maykop, n = 6) in the northern foothills appears homogeneous. These individuals closely resemble the preceding Eneolithic Caucasus individuals and present a continuation of the local genetic profile. This ancestry persists in the following centuries at least until ~3100 yBP (1100 calBCE), as revealed by individuals from Kura-Araxes from both the northeast (Velikent, Dagestan) and the South Caucasus (Kaps, Armenia), as well as MBA/LBA individuals (e.g. Kudachurt, Marchenkova Gora) from the north. Overall, this Caucasus ancestry profile falls among the ‘Armenian and Iranian Chalcolithic’ individuals and is indistinguishable from other Kura-Araxes individuals (Armenian EBA) on the PCA plot (Fig. 2), suggesting a dual origin involving Anatolian/Levantine and Iran Neolithic/CHG ancestry, with only minimal EHG/WHG contribution possibly as part of the AF ancestry.
Wir sehen also hier, daß die Majkop-Kultur genetische Kontinuität aufweist gegenüber der Shulaveri-Shomu rückwärts in die Vergangenheit gesehen und genetische Kontiunität aufweist mit der ihr nachfolgenden Kura-Araxes-Kultur, aus der - vermutlich - berühmte bronzezeitliche Völker in Anatolien hervorgegangen sind, die das domestizierte Pferd und indogermanische Namen, Begriffe, Kulturelemente, ja ganze Sprachen nach Anatolien brachten wie: Mittanni, Hurriter, Hethiter, Lyder und Lyker. Die Forscher modellierten ...
alle sechs Gruppen des Kaukausus-Clusters (eneolithischer Kaukadus, Maykop und Spätes Maykop, Maykop-Novosvobodnaya, Kura-Araxes und spätbronzezeitliche Dolmen-Kultur) mit Vermischungsanteilen auf einem genetischen Gradienten von 40 bis 72 % anatolisch-chalkolitisch und 28 bis 60 % Kaukasische Jäger-Sammler-Herkunft.all six groups of the Caucasus cluster (Eneolithic Caucasus, Maykop and Late Makyop, Maykop-Novosvobodnaya, Kura-Araxes, and Dolmen LBA), with admixture proportions on a genetic cline of 40–72% Anatolian Chalcolithic related and 28–60% CHG related.
Der anatolisch-neolithische Anteil wäre also bei ihnen grob um 10 % höher als der iranische-neolithische genetische Anteil. Wie hoch der Natufium-levantinische Anteil ist, wird nicht gesagt. Aber grob wird man sich vielleicht an den Kurden in Abbildung 3 orientieren können, wenn es um die Genetik dieses Kaukasus-Clusters geht.*)
Festzuhalten bleibt, daß vom Grundsätzlichen her schon um diese Zeit südlich des Kaukasus und in Anatolien ähnliche Herkunftsmischungs-Verhältnisse herrschten wie sie dort noch heute herrschen (s. Abb. 3).
Dieses Kaukasus-Cluster breitet sich dann aber sogar noch weiter nach Norden aus, bezeugt durch ein Individuum, das der spätbronzezeitlichen Dolmen-Kultur (1400 bis 1200 v. Ztr.) südlich des Asowschen Meeres am Nordrand des dortigen Schwarzen Meeres und nordwestlich des Kaukasus zugesprochen wird. Diese Dolmen-Kultur hatte zwischen 3000 und 2000 v. Ztr. (Wiki) bestanden und scheint - nach diesem Individuum - auch noch bis 1200 v. Ztr. genetische Kontinuität in diesem Raum bewahrt zu haben. Wir sehen hier also aus genetischer Sicht sehr konstante Zustände. Völlig gegensätzlich etwa gegenüber den beiden fast vollständigen Bevölkerungsaustauschen am Anfang und am Ende des Neolithikums auf den britischen Inseln (um nur einen der krasseren Fälle für die genetische Geschichte Nordeuropas heraus zu greifen).
In Anatolien und im Kaukasus ist auch keine der ursprünglichen Jäger-Sammler-Völker in einem solchen Umfang ausgestorben wie das zumindest für die Völkergruppe der westeuropäischen Jäger und Sammler gesagt werden muß. Die Völkergruppe der osteuropäischen Jäger und Sammler besteht ja vor allem in der Völkergruppe der Indogermanen fort.
War die Majkop-Kultur ein multikulturelles Königreich?
In einem der Supplements der Wang et. al.-Studie wird - vermutlich von Svend Hansen oder aus seinem Umfeld heraus - über die Majkop-Kultur das folgende ausgeführt (Wang et. al., Supplement) (3):
Von den Inventaren her beurteilt gab es in der frühen Phase dieser Kultur eine enge Verbindung nach Nordmesopotamien.Judging by the artefact spectrum, the early phase of this phenomenon appears closely linked to northern Mesopotamia.
Es wird ausgeführt, daß Steppen-Majkop-Kultur (mit Indogermanen-Genetik) und Kaukasus-Majkop-Kultur (mit Südkaukasus-Genetik) sich scheinbar vollständig parallel zueinander entwickelten. Es könne nicht gesagt werden, daß eine von beiden Kulturäume der anderen zeitlich voraus gegangen sei. Daraus könnte die Schlußfolgerung gezogen werden, daß man es womöglich mit einem multikulturellen Königreich zu tun hat, das im Süden "Kaukasus-Cluster"-Menschen und im Norden "Steppen-Cluster"-Menschen unter einem kulturellen Dach vereinigt hat.
Die Bergvölker des Kaukasus haben noch im 19. Jahrhundert das nördliche Vorland des Kaukasus als Sommerweide für ihre Weidetiere genutzt (etwa die Tscherkessen). Als es dabei zu Konflikten kam mit den sich nach Süden expandierendem Russischen Reich war der erste Anlaß für die blutigen Kaukasus-Kriege der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegeben, über die russische Schriftsteller wie Tolstoi und andere so berühmte Literatur verfaßt haben, und in der der Imam Schamil als Anführer der Tschetschenen eine so große Rolle spielte. Ob sich aus diesem Umstand Schlußfolgerungen ableiten lassen für das multikulturelle Zusammenleben von Menschen zweier großer Völkergruppen am Übergang zwischen Bergregion und Steppe während der Bronzezeit - und wie dieses zustande gekommen sein könnte - das bleibe an dieser Stelle dahin gestellt.**)
Für das Bestehen solcher multikulturellen Königreiche findet man ja immer mehr Hinweise auch aus vielen Teilen Europas insbesondere für die Zeit um 3.000 v. Ztr. (enges zeitlich paralleles Nebeneinanderher-Leben von Glockenbecher-, Schnurkeramik- und Kugelamphoren-Kultur, z.B. in Kujawien im Weichselraum oder in Dänemark oder auch in der Schweiz). Im Haupttext weisen die Forscher hin auf ... (Wang 2019) (3) ...
... das häufige Auftreten von "Sachgütern im Majkop-Stil" in Gräbern, die eneolithische Steppen-Traditionen aufzeigen, und die genetisch zum Steppen-Cluster gehören. Die unterschiedlichen "Steppen-Majkop"-Gruppen repräsentieren die gegenseitige Einflußnahme von Steppen- und Kaukasus-Gruppen und ihre kulturellen Zugehörigkeiten in dieser Sphäre des gegenseitigen Austausches.... the regular presence of ‘Maykop-style artefacts’ in burials that share Steppe Eneolithic traditions and are genetically assigned to the Steppe group. Hence the diverse ‘Steppe Maykop’ group indeed represents the mutual entanglement of Steppe and Caucasus groups and their cultural affiliations in this interaction sphere.
Allerdings legen eben die Daten so ungeheuer spannend dar, daß es über Jahrhunderte hinweg unglaublich intensiven kulturellen Austausch gegeben zu haben scheint aber so gut wie gar keinen genetischen. Ein außerordenlich spannendes Geschehen, das sich da am Fuße des Kaukausus an der Grenze zur Steppe vollzieht mit dieser scharfen genetischen Grenze, die zugleich kulturell ständig überschritten wird. Verhältnisse vergleichbar zu Europa - aber auch nur zum Teil.
Kurgane als Grablegen von Beamten
Die genetische Untersuchungen legen außerdem nahe, daß die Nutzung von Kurganen der Majkop-Kultur durch Inhaber einer gesellschaflichen Institution erfolgte, daß sie auf jeden Fall nicht als Grablegen von durch genetische Verwandtschaft verbundenen Familien und Clans gedeutet werden können. Das legen PCA-Analysen von jeweils fünf bestatteten Individuen in zwei Kurganen nahe (3) (Supplement 1, Fig. 7):
Hier heben wir hervor die genetische Heterogenität von mehreren Individuen desselben Kurgans, nämlich Marinskaya 5 und Sharakhalsun 6.Here we highlight the genetic heterogeneity of multiple individuals from the same kurgan sites: Marinskaya 5 (upper panel) and Sharakhalsun 6 (lower panel).
Die genetische Heterogenität der jeweils fünf Bestattungen eines Kurgans weist darauf hin, daß Kurgane zur Bestattung örtlich verstorbener "Beamter" genutzt wurden. So jedenfalls möchten wir das hier auf den ersten Blick deuten. Nämlich von Beamten, die - vielleicht nur für einen bestimmten Zeitraum - zu diesen Beamten ernannt worden waren (etwa von einem Großkönig als "Provinz-Gouverneure"). Jedenfalls scheinen die Grabhügel nicht mehr Familien- oder Clan-bezogen gewesen zu sein. Man könnte etwa an die römischen Provinzbeamten denken, die ebenfalls nur für einen bestimmten Zeitraum als Beamte eingesetzt worden sind von Seiten einer Zentralgewalt.
Der moderne Recurve-Bogen
Und schließlich wird aus dem Kreis um Svend Hansen herum auf die innovative Bewaffnung der Zeit um 3.200 v. Ztr. hingewiesen, eine Zeit, in der ja auch die Schriftkultur in Mesopotamien und Ägypten begonnen hat (3) (Fig. 8 in Supplement 1):
Ähnlichkeiten der Bewaffnung und der Grabsitten. Abbildungen in einer Grabkammer der Novosvobodnaya Klady-Gruppe (Kurgan 28, grave 1) nahe Maykop und des mittelneolithischen Bernburger Kultur-Fundortes in Göhlitzsch in Deutschland. Beide datieren in das späte 4. Jahrtausend v. Ztr. und zeigen Recurvebogen und Köcher als Beispiele innovativer Bewaffnung.Similarities in weaponry and burial rites. Depictions in a grave chamber of the Novosvobodnaya Klady group (Kurgan 28, grave 1) near Maykop (panel above; from reference1) and the Middle Neolithic Bernburg culture site Göhlitzsch in Germany (panel below; from reference2, no rights reserved). Both date to the late 4th millennium BCE and display a recurve bow and quiver sets as examples of innovative weaponry.
Recurvebogen (Wiki, engl) werden bis heute im Bogensport benutzt. So modern sind diese noch heute. Mit dieser innovativen Bewaffnung haben die Glockenbecher-Leute ganz Europa bis hinauf nach Schottland und bis hinunter nach Sardinien, womöglich sogar bis nach Nordafrika hinein erobert, die Schnurkeramiker bis hinauf nach Esland. Dieser Bogen wurde wohl von da an von fast allen indogermanischen Völkern genutzt, auch von den Turkvölkern, von ostasiatischen Völkern, von den Römern und so weiter.
Nach allem, was wir wissen, hat die
Kura-Araxes-Kultur, die aus der Majkop-Kultur hervor ging, keine
indogermanische Sprache gesprochen, bestenfalls Personennamen und
einzelne Worte aus dem Indogermanischen übernommen. Dem Thema Kura-Araxes-Kultur als Wiege neuer Kaukasus-Völker müssen wir künftig noch genauer nachgehen hier auf dem Blog.
Alles zusammengenommen können die Vorgänge rund um den Kaukasus womöglich so gedeutet werden, daß die Südkaukasus-Völker sich im äußeren Habitus der Steppen-Kultur angeglichen haben, sie quasi angenommen haben (z.B. die Kurgane), dabei aber genetische Kontinuität bewahrt haben. Ob das geschehen sein kann, ohne zumindest zeitweise kriegerische Dominanz der Indogermanen von der Steppe aus, bleibe dahingestellt.
Auf eine solche Weise mögen jedenfalls die nachmals in
Anatolien herrschenden, vergleichsweise kriegerischen Völker entstanden
sein: die Mitanni, die Hurri, bzw. Hurriter, die Hethiter, die Lyder, die Lyker und so weiter. Wobei es dabei
dann noch Völker gegeben hat, die ihre vormalige Kaukasus-Sprache beibehalten
haben (Hurriter und Mitanni) ebenso wie Völker, die mit mancherlei kriegerischen Mentalitäten auch
eine indogermanische Sprache angenommen haben, ohne aber wiederum Steppen-Genetik in sich aufzunehmen. Denn alle genannten Völker haben nach allem, was wir bisher wissen, ihre
vormalige Südkaukasus-Genetik bewahrt. Letzteres ist wahrscheinlich
unter anderem der viel höheren Bevölkerungsdichte der
Südkaukasus-Kulturen zu verdanken, die ja spätestens in der Bronzezeit von fast städtischer
Lebensweise geprägt war. (Also womöglich eine noch dichtere Besiedlung aufweis als die Cucuteni-Tripolje-Kultur mit ihren "Megasites".)
Wie entstanden die heutigen kriegerischen Bergvölker des Nordkaukasus?
Sehr spannend ist dann auch noch die weitere Geschichte des Kaukasus nach der Bronzezeit. Während die ausgeprägte genetische Grenze zwischen dem "Kaukasus-Cluster" und dem "Steppen-Cluster" entlang des Fußes der Nordseite des Kaukasus und entlang der Grenze zur Steppe vom Neolithikum bis in die Bronzezeit erhalten blieb (bis 1200 v. Ztr.), hat es in den Völker nördlich des Hauptkammes des Kaukasus-Gebirges danach und bis heute noch einen zusätzlichen Zufluß an Steppengenetik gegeben (Wang et al 2019) (3):
Irgendwann nach der Bronzezeit müssen die heutigen Völker des Nordkaukasus noch zusätzlichen Genzufluß von Steppenpopulationen erhalten haben, der sie nun von den Völkern südlich des Kaukasus unterscheidet, die im wesentlichen ihr bronzezeitliches genetisches Herkunftsprofil behalten haben.Sometime after the BA present-day North Caucasian populations must have received additional gene-flow from steppe populations that now separates them from southern Caucasians, who largely retained the BA ancestry profile.
Im Nordkaukasus gibt es heute Völker indogermanischer Sprache und es gibt Bergvölker, die sich bis heute ein sehr ausgeprägtes Krieger-Ethos bewahrt haben wie beispielsweise die Tschetschenen (die aber keine indogermanische Sprache sprechen).
Freiheits- und Überlebenskampf der Tschetschenen
Die Tschetschenen sind um ihrer stolzen und furchtlosen Haltung in den Kriegen gegen Rußland und im Archipel Gulag noch von Tolstoi und Alexander Solscheniztin bewundert worden, um ihres ungebrochenen Überlebenswillens sind sie von Stalin als ganzes Volk während des Zweiten Weltkrieges umgesiedelt worden (so wie die Rußlanddeutschen). Und sie haben trotz aller Versuche, ihre kriegerische Mentalität zu brechen, diesselbe in den beiden Tschetschenienkriegen nach 1990 erneut mit unbändigem Freiheitswillen und unbändiger kriegerischer Haltung unter Beweis gestellt (während zeitgleich am Volk der Donkosaken etwa erkennbar war, daß seine große Zeit lange dahin war und nicht in dem Umfang hat erneuert werden können).
Erst nachdem Tschetschenien und seine Hauptstadt Grozny zu einem ausgebomten Friedhof gemacht worden waren, bei dem selbst "Dresden 1945" noch in den Schatten gestellt worden war, erst nachdem sein Staatspräsident Dudajew während Friedensverhandlungen mit einer ferngesteuerten Rakete von Rußland völkerrechtswidrig ermordet worden war und praktisch jeder tschetschenische Widerstandskämpfer in Folterlagern ermordet oder schwerst traumatisiert worden war, ist der Widerstand der Tschetschenen mit brutalsten Gewaltmitteln und den ungeheuren militärischen Ressourcen Rußlands gebrochen worden. Die Militärmacht Rußland mußte immense Ressourcen an miliätrischem Material und an Truppen nach Tschetschenien senden, um gegen dieses kleine Bergvolk des Kaukasus zum Erfolg zu kommen. Es mußte ein Gebirgsdorf nach dem anderen buchstäblich "ausgeräuchert" werden. Und der Westen mußte so ignorant und zutiefst beschämend stillschweigend daneben stehen, wie er es eben getan hat, damit Rußland - unbeschadet von der Weltöffentlichkeit - gegenüber Tschetschnien tun konnte, was es wollte, so als würden wir nicht am Ende des 20. Jahrhundertes leben sondern zu Zeiten Iwans des Schrecklichen oder Stalins. So als hätte es nice Kriegsverbrecher-Prozesse in Nürnberg 1946 gegeben. Brutalster Völkermord. Auch die russische Organisation der "Soldatenmütter" (Wiki) konnte diesen Ausrottungskrieg nicht abwenden, aus dem auch zehn- und hundertausende von russischen Soldaten schwerst traumatisiert in ihre Familien zurück gekommen sind. In Tschetschenien herrscht noch heute die Stille des Friedhofs. Noch heute (2021/22) werden freiheitsliebende Tschetschenen von bedungenen Mördern Moskaus mitten im Tierpark Berlins ermordet und die deutsche Regierung tut so als habe sie es mit einer "normalen" Regierung in Moskau zu tun und nicht mit einem Verbrecher-Regime.
Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese Mentalität der Tschetschenen auch mit dem genannten Zufluß an Steppengenetik nach der Bronzezeit erklärt. An dem Beispiel Tschetschenen kann man sich klar machen, daß eine irgendwie spürbare "indogermanische" Mentalität aber nicht notwendigerweise auch mit einer indogermanischen Sprache einher gehen muß.
Und im umgekehrten Fall zeigen Hurri, Mitanni, Hethiter, Lyder, Lyker und andere antike, vom Kaukasus nach Anatolien zugewanderte Völker, daß man auch ohne Steppen-Genetik, sowie mit - wie ohne - indogermanische Sprache eine irgendwie spürbare kriegerische, "indogermanische" Mentalität leben konnte. - - - Die Forscher schreiben (Wang et al 2019) (3):
Aus Archäologie und Geschichtsschreibung sind zahllose Zuwanderungen (in den Kauskasus) während der nachfolgenden Eisenzeit und dem Mittelalter bezeugt. Aber wird benötigen noch archäogenetisch aufbereitete DNA aus diesen Epochen, um dies unmittelbar überprüfen zu können.The archaeological and historic records suggest numerous incursions during the subsequent Iron Age and Medieval times, but ancient DNA from these time periods will be needed to test this directly.
Zu den Zuwanderern in den Kaukasus gehört ja auch das indogermanische Volk der sarmatischen Alanen, die lange Jahrhunderte südlich des Kaukasus und im Norden der Skythen gelebt hatten und den skythischen Machtbereich übernahmen, nachdem die Skythen untergegangen waren. Sie standen auch im Bündnis mit vielen ostgermanischen Völkern wie etwa den Goten. Darauf kann zurückgeführt werden, daß ihre Nachfahren im Kaukasus Sagenbestandteile erhalten haben, die in manchem Parallelen aufweisen zur heidnischen Götterwelt des mittelalterlichen Skandinavien (z.B. die Figur des "Loki") wie andernorts hier auf dem Blog schon erörtert.
Völkerschicksale im Kaukasus über viele Jahrtausende hinweg und bis heute aufwühlend.
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*) Aber (Wang 2019) (3):
wir beobachteten, daß die Kura-Araxes- und Majkop-Novosvobodnaya-Individuen wahrscheinlich einen zusätzlichen Iran-Chalkolitischen Herkunftsanteil hinzubekamen (24,9, bzw. 37,4 %).we observed that Kura-Araxes and Maykop-Novosvobodnaya individuals had likely received additional Iran Chalcolithic-related ancestry (24.9% and 37.4%, respectively).
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- Eirini Skourtanioti, ... Wolfgang Haack, Johannes Krause: Genomic history of neolithic to bronze age Anatolia, Northern Levant, and Southern Caucasus. Cell 181(5), Mai 2020, 1158-1175. https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.04.044.
- Agranat-Tamir et al. (David Reich), The Genomic History of the Bronze Age Southern Levant, 2020, Cell 181, 1146–1157, May 28, 2020, https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.04.024, https://www.cell.com/cell/pdf/S0092-8674(20)30487-6.pdf.
- Wang, CC., Reinhold, S., Kalmykov, A. et al. Ancient human genome-wide data from a 3000-year interval in the Caucasus corresponds with eco-geographic regions. Nat Commun 10, 590 (2019), online 4.2.2019 ( Nat Commun )
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- Bading, I.: Indogermanische Steppengenetik im Vorderen Orient, 10/2020, https://studgendeutsch.blogspot.com/2020/10/indogermanische-steppengenetik-im.html
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