Montag, 8. Oktober 2007

Sind aschkenasische Juden genetisch zu 40 Prozent Deutsche?

Interview von Razib Khan mit dem Buchautor Jon Entine

Humangenetiker Razib Khan bei "Gene Expression" veröffentlicht ein Interview mit dem amerikanischen Sachbuchautor Jon Entine, dem Autor des Buches "Taboo - Why Black Athletes Dominate Sports and Why We're Afraid to Talk About It" aus dem Jahr 2000, der soeben gerade ein lange erwartetes neues Buch herausgebracht hat unter dem Titel: "Abraham's Children: Race, Identity, and the DNA of the Chosen People" (GeneExpression, Amaz/St.gen.). Ohne noch einen einzigen Blick in dieses Buch hineingeworfen zu haben, kann von vornherein gesagt werden, daß man dieses Buch gelesen haben muß. Man kaufe es - am besten: hier.

Abb. 1: Jon Entine's neues Buch

Schon die erste Frage von Razib Khan ist unwahrscheinlich spannend:

... Ist es allgemein bekannt, daß viele jüdische Vorfahrinnen nichtjüdischer europäischer Herkunft waren?
... Is the likelihood that many Jewish foremothers were of gentile European ethnic background common knowledge?

Er meint unter den heutigen aschkenasischen Juden, zu denen sich auch Jon Entine zählt. Und Jon Entine antwortet ebenso spannend:

Die differenzierteren Erkenntnisse aus der Erforschung der jüdischen Genetik – etwa die Tatsache, daß die meisten Aschkenasim mütterlicherseits von Christen oder Heiden abstammen, die höchstwahrscheinlich nie formell konvertiert sind (was die meisten Aschkenasim nach israelischem Recht zu Nichtjuden machen würde) – sind kaum bekannt. Dies könnte insbesondere unter orthodoxen Juden zu einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit der Frage führen, was Judentum ausmacht. Ich bin gespannt auf meine Gespräche mit jüdischen Gruppen und darauf, wie sich diese heikle Thematik entwickelt. (...)
Viele Juden stammen tatsächlich von Konvertiten ab, zumindest mütterlicherseits; gleichzeitig haben sie aber auch eine bemerkenswerte relative Reinheit ihres jüdischen Blutes in der männlichen Linie bewahrt. Die historische Mischehenrate unter Juden (die ihre jüdische Identität beibehielten) lag von biblischen Zeiten bis Mitte des 20. Jahrhunderts bei unter einem halben Prozent. Und selbst nachdem aschkenasische Männer in den Gründungsjahren der mittelalterlichen europäischen jüdischen Gemeinde nichtjüdische Frauen heirateten, hielt die jüdische Treue mit aller Macht an Bedeutung. (...)
Juden sind ein eigenartiges Völkchen, wenn es um die Implikationen der Genforschung geht, und ich bin da keine Ausnahme. Wir wurden so erzogen, dass wir glaubten, einzigartig zu sein – wenn nicht von Gott auserwählt, was Atheisten wie mir nie behagte, so doch zumindest kulturell eigenständig. Wir waren ein moderner Stamm mit all den Ritualen, nonverbalen Kommunikationsformen und Initiationsriten, die viele Nichtjuden verwirren und irritieren. Doch Juden sind auch von dem Glauben durchdrungen, daß wir diese kulturelle Eigenart unter keinen Umständen öffentlich anerkennen sollten, aus Angst vor einer Gegenreaktion – die Geschichten des Holocaust wurden uns von Kindheit an eingetrichtert, warum also Gefahr laufen?
Nun deuten Forschungsergebnisse darauf hin, daß unsere kulturelle Einzigartigkeit genetisch bedingt sein könnte. Das ist für Juden gleichermaßen bestärkend wie beunruhigend. ...
For the more nuanced narratives that have emerged from the study of Jewish genetics - such as the fact that most Ashkenazi Jews are descended on their maternal line from Christians or pagans who more than likely never went through a formal conversion (which would make most Ashkenazim non-Jews under Israeli law) no, that's barely known. It could provoke some intriguing soul searching among Jews, especially Orthodox Jews, about what determines Jewishness. I'm looking forward to my talks to Jewish groups to see how this prickly issues plays out. (...)
Many Jews ARE descendants of converts, at least on the maternal side; but they have also maintained a relative blood purity on the male side that is extraordinary. The historical intermarriage rate of Jews (those who maintained their Jewish identity) remained at less than one half of one percent from biblical times until the mid twentieth century. And even after Askenazi males took on non-Jewish wives during the founding years of the medieval European Jewish community, Jewish fidelity took hold with a vengeance. (...)
Jews are a funny lot when it comes to discussing the implications of genetic research, and I'm no different. We were brought up to believe that we were unique - if not chosen by God, which never sat well with atheists like myself, than at least culturally distinct. We were a modern day tribe with all the rituals, silent forms of communication, and initiation rites that puzzles and irritates many non-Jews. Yet Jews are also imbued with the belief that we should never, at all costs, publicly acknowledge this cultural distinctiveness for fear of stirring a backlash-stories of the Holocaust were drilled into us from childhood, so why court danger?
Now research appears that suggests that our cultural exceptionalism may be rooted in genetics. This is both empowering and disquieting to Jews. ...

Hier kann an dieser Stelle nicht alles weitere gebracht und diskutiert werden. In den Kommentaren ergänzt dann Humangenetiker Gregory Cochran (Koautor von Humangenetiker Henry Harpending, beide Universität Utah und schon oft hier auf dem Blog behandelt) wichtige Informationen, die auch in diesem neuen Buch enthalten sein werden, und auf die sich die Worte von Jon Entine stützen werden:

Bezüglich der vier aschkenasischen mtDNA-Typen, die zusammen etwa 40 % der aschkenasischen Abstammungslinien ausmachen: Drei stammen wahrscheinlich aus dem Nahen Osten, aber die größte, die etwa 20 % der aschkenasischen Abstammungslinien repräsentiert, hat Schwesterlinien nur im westlichen Mittelmeerraum – in Italien, Nordafrika und auf der Iberischen Halbinsel, wenn ich mich recht erinnere. Es gibt keine Schwesterlinien im Nahen Osten – sie stammt also nicht aus dem Nahen Osten.
Was die übrigen 60 % betrifft, kann ich es nicht genau sagen. Ich vermute aber, daß viele davon europäischer Abstammung sind, da die Aschkenasim, wie wir in unserer Studie bereits erwähnt haben, bei Betrachtung der autosomalen Gene zu etwa 40 % europäische Merkmale aufweisen.
Concerning those four Ashkenazi mtDNA types, which together account for about 40% of Ashkenazi lineages: three are probably from the Middle East, but the largest, which accounts for about 20% of Ashkenazi lineages, has sister lineages only in the western Mediterranean - in Italy, north Africa, and the Iberian peninsula, if memory serves. No sister lineages from the Middle East - so it's not from the Middle East.
As for the other 60%, I can't tell. But I'd guess that a lot are European, since if you look at autosomal genes, the Ash look about 40% European, as we said in our paper.

(Hervorhebungen hier alle von mir, I.B..) (Die Diskussion auf der Kommentar-Seite scheint noch nicht beendet und es steht noch eine weitere Antwort von Gregory Cochran aus.)

Und natürlich ebenfalls das Thema: Evolution und geschichtliche Entwicklung der menschlichen Religiosität, wobei wir immer mehr erkennen, daß "geschichtliche Entwicklung" schlicht Evolution ist.

Nachbemerkung 2.12.25: Es deutet ja doch wohl alles darauf hin, daß das hier erörterte Vermischungsereignis schon vor der Zuwanderung der aschkenasischen Juden an die Schum-Städte am Rhein sich in Italien ereignet hat. Es wäre also eher zu fragen: "Sie aschkenasische Juden genetisch zu 40 Prozent Italiener aus dem frühmittelalterlichen mittleren Italien? 

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