Montag, 18. November 2024

Der Kaukasus - Seine reiche und vielfältige Völkergeschichte

Wir Indogermanen - Wir Tscherkessen
- Rund um den Kaukasus - Völker entstehen und vergehen - 6000 bis 1000 v. Ztr.

Einige Erkenntnisse der neuen, im folgenden behandelten archäogenetischen Studie: 
  • Tscherkessien war die Heimat von zwei Fünfteln der Vorfahren der Späten Urindogermanen
  • Das heißt, die Europäer sind tatsächlich: "Kaukasier" 
  • Und das heißt auch: die Tscherkessen sind entfernte Brüder aller heutigen Europäer
  • Vielfältige Ethnogenesen unter dem Dach des Großreiches der Maikop-Kultur
  • Vermutlich hat der Lebensraum Steppe jene Veränderungsbereitschaft mit sich gebracht, von der die Menschheitsgeschichte seit dem Spätneolithikum durch die Indogermanen geprägt ist 

Die Urheimat des Volkes der Späten Urindogermanen, deren Nachkommen sich von 3.300 v. Ztr. ab nach und nach über ganz Europa ausgebreitet haben, war der Untere Dnjepr. Die Vorfahren dieser Späten Urindogermanen stammten zu 20 % von den Menschen der Dnjepr-Donez-Kultur der Ukraine ab. Außerdem stammten sie zu 30 bis 40 % aus Tscherkessien im Nordkaukasus und zu 40 bis 50 % von der Mittleren Wolga (s. Stg2024 und das folgende).*) Die genannten 30 bis 40 % Herkunft aus Tscherkessien kann auf die damalige Darkveti-Meshoko-Kultur (4.500 bis 3.800 v. Ztr.) (Wiki) im Nordwestkaukasus zurück geführt werden. Da Tscherkessisch aller Wahrscheinlichkeit nach eine "Ursprache" des Kaukasus ist (vergleichbar dem Baskischen in Nordspanien), ist es nicht unwahrscheinlich, daß noch die heutigen Tscherkessen - ihrer Sprache und Genetik nach - die unmittelbaren Nachfahren der Darkveti-Meshoko-Kultur sind.

Abb. 1: Die Nordgrenze des Ausbreitungsgebietes des "Kaukasus-Clusters" liegt nördlich des Hauptkamms des Kaukasus-Gebirges, nämlich am Fuße desselben, dort wo die Steppe beginnt (aus: Wang/Haack 2019) - Die gestrichelte Linie zeigt die Grenze zum "Steppen-Cluster" im Norden an, eingezeichnet sind die Fundorte von bis 2019 sequenzierten Menschenfunden

Wenn im späten 19. Jahrhundert von den Europäern die Rede war, daß sie einer sogenannten "kaukasischen Rasse" angehören würden (Wiki), so lag man damit damals also - vor dem Hintergrund der heutigen Erkenntnisse aus der Archäogenetik - gar nicht so falsch. Allerdings könnte man die Europäer mit gleichem Recht "Wolga-Leute" oder "Dnjepr-Leute" nennen.

Die Bauernvölker des Kaukasus, die iranisch-anatolisch-neolithischer Herkunft waren, haben Jahrtausendelang beharrlich unter sich geheiratet und eine kulturelle Heiratsgrenze am nördlichen Fuß des Kaukasus ("Piemont") aufrecht erhalten (s. Abb 1). Das war schon 2019 in einer archäogenetischen Studie festgestellt worden (s. Abb 1) (Stgen2022). Die Ausbreitung der indogermanischen Steppengenetik in Richtung Kaukasus zwischen dem 6. und 3. Jahrtausend v. Ztr. endete an dieser Grenze. 

Das heißt, die indogermanische Steppengenetik hat sich - im Wesentlichen - bis in die Spätbronzezeit, bis 2.400 v. Ztr. nicht in den Kaukasus ausgebreitet, also auch nicht bis zum Hauptkamm des Kaukasus. Dies ist ein wesentlicher Umstand, den es für alle folgenden Ausführungen im Hinterkopf zu behalten gilt.

Das ist auch der Grund, weshalb man bislang - zum Beispiel - beim klar indogermanischen Volk der Hethiter in Anatolien keine indogermanische Steppengenetik gefunden hat. Es muß allerdings mindestens ein Volk als sprachlich und kulturell indogermanisiert angenommen werden für die Zeit der Maikop-Kultur. Denn daß die anatolischen indogermanischen Sprachen (Wiki) aus einer anderen Region als aus dem Kaukasus stammen, ist mehr als unwahrscheinlich. Vielleicht wird man vermuten können, daß eine Form des Frühen Urindogermanisch eine Art Verkehrssprache ("lingua franca") innerhalb der Maikop-Kultur dargestellt hat. Denn auch die kulturelle Einheitlichkeit der Maikop-Kultur über die genannte genetische Grenze am Fuße des Kaukasus hinweg weit in die Steppe hinein macht diesen Umstand wahrscheinlich. Allerdings kann auch diese Frage aktuell nicht als definitiv geklärt gelten.

Angesichts der heutigen sprachlichen Vielfalt im Kaukasus muß im übrigen auch nicht zwangsläufig angenommen werden, daß es eine solche Vielfalt nicht auch schon unter dem Dach des Großreichs der Maikop-Kultur gegeben hätte.

Nur in selteneren Ausnahmefällen kam indogermanische (Steppen-)Genetik in größeren Anteilen auch schon vor 2.400 v. Ztr. in den Kaukasus und nach Anatolien. Diese ist für 4.100 v. Ztr.  in Menschenfunden der Areni-Höhle in Armenien festgestellt worden (s. Stgen2022). Während sich die frühen anatolisch-indogermanischen Sprachen mit der Kura-Araxes-Kultur über Anatolien ausgebreitet haben können, wobei nur ein dünner Schleier von mitgenommener "Steppen"-Genetik auf die eigentlichen sprachlichen Ursprünge zurück weist, kommt Steppen-Genetik dann besonders ausgeprägt erst mit der Trialeti-Kirovakan-Kultur (Wikieng) des Südkaukausus ab 2.200 v. Ztr. nach Armenien. Im Rahmen dieser Kultur ist ein berühmter Silberbecher gefunden worden, der eine wesentliche Geschichtsquelle für diese Ausbreitungsbewegung darstellt (Stgen2023). Mit dieser Kultur kam höchstwahrscheinlich das Armenische nach Anatolien. Beim Armenischen handelt es sich aber nicht um eine frühe Abzweigung jener frühen urindogermanischen Sprache, sondern um eine Abzweigung von der späten urindogermanischen Sprache der Jamnaja- und Katakombengrab-Kultur. Das Armenische kam zur selben Zeit nach Armenien wie das Griechische nach Griechenland kam - und offenbar unter vergleichbaren Umständen (archäologischer Zerstörungshorizont).   

Abb. 2: Tscherkessien im Nordwestkaukasus um 1830 (aus: GfbV) - Es deckt sich geographisch recht gut mit der Verbreitung der Darkveti-Meshoko-Kultur im 5. Jahrtausend v. Ztr. in derselben Region

Abgesehen von diesem genannten Grundzug der Völkergeschichte rund um den Kaukasus sind sowohl südlich wie nördlich des "Piedmont", des nördlichen Fußes des Kaukasus, im Laufe der Jahrtausende viele Völker entstanden und auch wieder vergangen. Im Wesentlichen wurde dabei aber die genannte Heiratsgrenze innegehalten.

In abgelegenen Tälern des Kaukasus haben anfangs (siehe unten) noch mesolithische Restbevölkerungen gelebt, und zwar gab es dort einerseits Menschen mit reiner osteuropäischen Jäger-Sammler-Herkunft und andererseits - wichtiger noch - Menschen mit rein kaukasisch-neolithischer Jäger-Sammler-Herkunft. Diese Restbevölkerungen sind auch im ganzen übrigen Europa konstitutiv für die Ethnogenesen des Mittel- und Spätneolithikums. Da bildet der Kaukasus keine Ausnahme. 

Der Wildreichtum, den unter anderem die Saiga-Antilope am Fuße des Kaukasus und die Wisente im Kaukasus darstellen, hat zur Lebensgrundlage dieser Jäger und Sammler gehört, die in dieser großartigen Berglandschaft lebten (2). 

Während die osteuropäischen Jäger und Sammler an der Mittleren Wolga konstitutiv sind für die Ethnogenese des Urvolkes der Frühen Indogermanen, der Chwalynsk-Kultur, sind die kaukasischen Jäger und Sammler konstitutiv für das Entstehen der Darkveti-Meshoko-Kultur im Nordwestkaukasus und den aus ihr hervorgehenden Folgekulturen bis hin zu den Tscherkessen.

Als vorläufig noch isoliert für sich stehende Erkenntnis muß benannt werden, daß die Völkergruppe der osteuropäischen Jäger und Sammler um 6.100 v. Ztr. über die genannte genetische "Grenze" am nördlichen Fuß des Kaukasus hinweg bis in den nördlichen Kaukasus hinein verbreitet war. Dort ist sie danach dann aber offenbar abgelöst worden von Menschen vor allem kaukasisch-iranischer Herkunft (1). Inmitten des nachmaligen Verbreitungsgebietes der recht bedeutenden Nowoswobodnaja-(Maikop-)Kultur mit ihren berühmten Dolmen (Wiki), einer Untergruppierung der Maikop-Kultur, in der dortigen Satanaj-Höhle im historischen Siedlungsgebiet der Tscherkessen (Wiki) 70 Kilometer südöstlich der Stadt Maikop im Gubs-Tal (WikiaGMaps) - dem vormaligen Siedlungsgebiet des stolzen Tscherkessen-Stammes der Beslenejer (Wiki) (Abb 2) - sind 1963 und 1975 die Überreste osteuropäischer Jäger/Sammler gefunden worden. Als solche sind sie soeben in einer neu veröffentlichten archäogenetischen Studie identifiziert worden (1).

Es ist insgesamt die Absicht dieses Blogbeitrages, die Ergebnisse dieser neuen archäogenetischen Studie zu referieren und einzuordnen. Sie wartet mit reichen neuen Detailerkenntnissen auf.

Da durch diese neue Studie die Heimat und das Volk der Tscherkessen im Nordwestkaukasus bedeutsam wird, erarbeiten wir parallel zwei weitere Beiträge: Einen über die Herkunft, Kultur und Geschichte der Tscherkessen. Einen weiteren über die Erfahrungen der Soldaten jener 26 bis 30 deutschen, rumänischen und slowakischen Divisionen, die zwischen Sommer 1942 und Januar 1943 in der Kalmückensteppe nördlich des Kaukasus, am Terek-Fluß am Fuße des Kaukasus, im Hochgebirge des nördlichen Kaukasus und im vorgelagerten Waldkaukasus den Zweiten Weltkrieg erlebten (Wiki). 

Osteuropäische und kaukasische Jäger und Sammler trafen Jahrtausende lang im Kaukasus aufeinander, ohne daß dabei neue Völker entstanden

Wie wir unten noch sehen werden, ging aus der Nowoswobodnaja-(Maikop-)Kultur (Wiki) im nachmaligen Tscherkessien die bedeutende bronzezeitliche Kura-Araxes-Kultur Anatoliens hervor (deren Angehörige - zumindest in Teilen - Hurritisch und Hattisch gesprochen haben können). 

Abb. 3: Die Ethnogenese der Vor-Maikop-Kultur nördlich des Kaukasus 4.500 bis 4.000 v. Ztr. (aus 1)

Doch zurück ins 7. und 6. Jahrtausend v. Ztr., in jene Zeit des europäischen Frühneolithikums, in der sich rund um die Mittelmeer-Küsten der Ackerbau ausbreitete, und in der im Wiener Becken die Bandkeramik entstand. In derselben Zeit stießen im Kaukasus bäuerliche Kulturen aus dem Süden auf dort einheimische Jäger und Sammler. In der hier zu referierenden neuen Studie heißt es dazu (1):

Die ältesten Individuen in dieser Studie stammen aus der Satanaj-Höhle in Rußland (SJG001, 6221-6082 v. Ztr.) und von der frühneolithischen Stätte Arukhlo in Georgien (5885-5476 v. Ztr., n=4). SJG001 datiert vor der Ankunft des Vorderasiatischen Neolithikums im Kaukasus und überschneidet sich im PC-Raum mit osteuropäischen Jägern und Sammlern (EHGs), obwohl es geografisch nahe (ca. 50 km) an Stätten kaukasischer Jäger und Sammler (CHG) im Südkaukasus liegt, deren Individuen ein anderes genetisches Abstammungsprofil aufweisen.
The oldest individuals in this study are from Satanaj cave in Russia (SJG001, 6221–6082 cal bc), and from the early Neolithic site of Arukhlo in Georgia (5885–5476 cal bc, n = 4; Fig. 1). SJG001 predates the arrival of the Near Eastern Neolithic into the Caucasus and overlaps with Eastern European hunter-gatherers (EHGs) in PC space, despite being geographically close (about 50 km) to Caucasus hunter-gatherer (CHG) sites in the South Caucasus, whose individuals carry a different genetic ancestry profile (Fig. 2a).

Zu dieser neuen Erkenntnislage heißt es im Diskussionsteil (1):

SJG001 hat eine enge genetische Verwandtschaft mit Jäger-Sammler-Gruppen aus Karelien und der Samara-Region, im Gegensatz zu den geographisch näher gelegenen mesolithischen und neolithischen Individuen in der Ukraine, womit ein lange fortbestehendes Erbe der EHG-Abstammung in einem großen Gebiet Osteuropas bezeugt wird.
SJG001 shares a close genetic affinity to hunter-gatherer groups from Karelia and the Samara region, as opposed to the geographically closer Ukraine_Mesolithic and Neolithic individuals, attesting to a lasting legacy of EHG ancestry across a large area of eastern Europe. 

Das heißt, daß jene Einmischung westeuropäischer Jäger und Sammler, die später bei den osteuropäischen Jägern und Sammlern der Ukraine, der Dnjepr-Donez-Kultur zu beobachten ist, sich um 6.100 v. Ztr. noch nicht bis in den Nordwestkaukasus ausgebreitet hatte. 

Diese Erkenntnis enthält nun vielerlei, keineswegs unbedeutende Schlußfolgerungen. Zunächst: Wer hätte gedacht, daß die Völkergruppe der osteuropäischen Jäger und Sammler, die bis hinauf nach Karelien und bis herunter in die Ukraine verbreitet war, sogar im nördlichen Teil des Kaukasus lebte? Der hier genannte Menschenfund um 6.100 v. Ztr. liegt zeitlich noch einige Jahrhunderte vor der Ausbreitung von Hirten- und Bauernkulturen von Anatolien und vom Iran her in den Kaukasus hinein.

a) Bauern im Südost-Kaukasus

Menschen der bäuerlichen Shulaveri-Shomu-Kultur im heutigen Georgien, die zur Hälfte iranisch- und zur Hälfte anatolisch-neolithische Genetik in sich trugen (in Abb. 3 "Georgia_Neolithic"), wurden dann - mit einer Zeitstellung um 5.500 v. Ztr. gefunden. Und zwar in einer Höhle bei Arukhlo (WikiGMaps) in Georgien inmitten des Kaukasus - südlich von Tiflis und südlich des Hauptkammes des Kaukasus. Es handelt sich um die bis jetzt nördlichst-gelegene bekannte Siedlung dieser reichen, bäuerlichen Shulaveri-Shomu-Kultur. Diese Kultur hat schon in großen Bottichen Wein verarbeitet. Die Ausgrabungen dort hatten schon 1966 und 1978 bis 1985 stattgefunden (1, Anhang, S. 11f). Die Menschenfunde dieses Ortes trugen den höchsten Anteil von kaukasisch-iranischer Genetik innerhalb der Shulaveri-Shomu-Kultur (s. Abb. 3: "Georgia_Neolithic"). An der Ausbreitungsgrenze ("Frontier") haben sich diese Bauern also offenbar noch einmal erneut mit einheimischen kaukasischen Jägern und Sammlern vermischt. 

b) Bauern im Nordwest-Kaukasus 

Zu schlußfolgern ist aufgrund dessen weiterhin: Im Nordwest-Kaukasus müssen zeitgleich auch noch unvermischte Angehörige der kaukasischen Jäger und Sammler (bzw. der iranisch-neolithischen Völkergruppe gelebt haben - beide zeitlich aufeinanderfolgenden Völkergruppen sind ja genetisch fast identisch). Und diese hinwiederum haben offenbar in bedeutender Weise auf nachfolgende Ethnogenesen genetisch Einfluß genommen. Und von diesen stammen deshalb noch heute alle genetisch indogermanisierten Europäer - zumindest in kleinen Anteilen  - ab. Denn die dortige bäuerliche Darkveti-Meshoko-Kultur entstand offenbar dadurch, daß sich Menschen der Shulaveri-Shomu-Kultur im Nordwestkaukasus um 5.000 v. Ztr. noch einmal erneut zur Hälfte mit unvermischten Angehörigen der Kaukasus-iranischen Völkergruppe vermischt haben (in Abb. 3 "Caucasus_Eneolithic").

Daraus hinwiederum darf man schlußfolgern, daß Menschen der Völkergruppe der osteuropäischen Jäger und Sammler und Menschen der Kaukasus-iranischen Völkergruppe am Hauptkamm des Kaukasus mehrere Jahrtausende lang aufeinander getroffen waren, ohne daß beide Völkergruppen schon zu diesem frühen Zeitpunkt sich in einem bleibenden Ethnogenese-Prozeß miteinander vermischt hatten. (Zumindest soweit bislang bekannt.)

c) Menschen an der Straße von Kertsch

Allerdings vermischten sich um 4.500 v. Ztr. nahe der Straße von Kertsch am Südende des Asowschen Meeres, ganz im Westen der Kalmücken-Steppe noch einmal unvermischte Angehörige der Kaukasus-iranischen Völkergruppe mit noch mesolithisch lebenden Menschen der Dnejpr-Donez-Kultur (Abb. 3: "Steppe_Eneolithic_outlier_West", Individuum "KHB003"). Die ersteren könnten entweder von der Wolga her nach Westen gekommen sein, bevor es zur Ausbreitung der Chwalynsk-Kultur von der Mittleren Wolga aus ab 4.500 v. Ztr. kam. Oder sie könnten über den Nordwestkaukasus hinweg bis zur Straße von Kertsch gekommen sein (oder gar direkt vom Zagros-Gebirge schon während der PPNB-Zeit). Dann müßten sie aber nördlich des Kaukasus die osteuropäischen Jäger und Sammler verdrängt und ersetzt oder zumindest umgangen haben. Dieses Vermischungsereignis nahe der Straße von Kertsch - in Abb. 3 benannt "Steppe_Eneolithic_outlier_West" - ähnelt genetisch ein wenig dem zeitgleichen Vermischungsereignis, aus dem das Volk der Frühen Urindogermanen an der Mittleren Wolga, die Chwalynsk-Kultur, hervor gegangen ist. In der Studie heißt es über die Menschenfunde nahe der Straße von Kertsch (1):

KHB003 (4318-4057 v. Ztr.) vom am weitesten im Westen gelegenen Fundort weist eine höhere genetische Nähe zu westeuropäischen Jägern und Sammlern (WHG) und zu anatolisch-neolithischer Herkunft auf (|Z| > 3). Es kann modelliert werden als eine Zwei-Wege-Mischung zwischen CHG und Ukraine-Neolithikum.
KHB003 (4318-4057 cal bc) from the western-most site has a higher genetic affinity to Western hunter-gatherer (WHG) and Anatolia Neolithic-like ancestry (|Z| > 3), and can be modelled as a two-way mixture between CHG and Ukraine_Neolithic.

Wie wir schon von der vorherigen Studie aus dem Frühjahr 2024 wissen, hatten sich in der Ukraine die osteuropäischen Jäger und Sammler mit hereinkommenden westeuropäischen Jägern und Sammlern vermischt, daher die hier genannte letztere Komponente. Wie hier sich allerdings die anatolisch-neolithische Herkunft mit einer Zwei-Wege-Mischung vereinbaren läßt, verstehen wir noch nicht. Das scheint uns widersprüchlich formuliert. Oder sie stammt von Menschen der Darkveti-Meshoko-Kultur, bei denen es ja einen anatolisch-neolithischen Herkunftsanteil gab.

d) Ethnogenese an der Mittleren Wolga

Zeitgleich geschah um 4.500 v. Ztr. an der Mittleren Wolga dann jedenfalls das oben genannte Einzigartige, daß sich an der Ostseite des Kaspischen Meeres und entlang des Unterlaufes der Wolga noch unvermischte Schafs- und Rinderhirten der iranisch-neolithischen Völkergruppe nach Norden ausbreiteten (in Abb. 3: CHG) und dort - einmal erneut - auf unvermischte Angehörige der osteuropäischen Jäger und Sammler trafen. Und hier ergab sich dann erst jener Ethnogenese-Prozeß, der zum Volk der Frühen Urindogermanen führte, zur Chwalynsk-Kultur mit ihrer sehr einzigartigen, exzentrischen Ausbreitungstendenz und dieser ganz neuen, exzentrischen Hirten-Kultur des Volkes der Frühen Urindogermanen.

Gelegenheit zu vergleichbaren Ethnogenese-Prozessen wie jenem an der Mittleren Wolga könnte es aber - wie schon an mehreren Stellen deutlich wurde - durchaus auch schon in anderen Regionen und auch in früheren Jahrtausenden gegeben haben, zum Beispiel in der Nähe des Hauptkammes des Kaukasus oder an der Straße von Kertsch. Dieser Umstand könnte noch einmal deutlich machen, daß die weltgeschichtlich so bedeutsame und folgenreiche Ethnogenese der Frühen Urindogermanen an der Mittleren Wolga an ganz bestimmte räumliche und zugleich auch Zeit-Bedingungen gebunden gewesen sein muß.

Man möchte fast vermuten, daß es der zeitlichen Bedingungen des Mittel- und Spätneolithikums bedurfte und auch genau dieser Region an der Mittleren Wolga, damit ein solcher Ethnogenese-Prozeß solche weltgeschichtlich nachhaltigen Folgen mit sich bringen konnte. Erst zu diesem Zeitpunkt mögen sich die noch mesolithisch lebenden Völker am Nordrand der Ausbreitung der bäuerlichen Kulturen wieder verstärkt auf sich selbst besonnen haben, selbstbewußter geworden sein im Angesicht der Bauern-und Hirten-Kulturen aus dem Süden. Und dadurch mögen sie sowohl kulturell wie auch demographisch anteilsmäßig - ausgesprochener als zuvor - auf Ethnogenese-Prozesse dieser Zeit Einfluß genommen haben. Und dabei müssen die klimatisch sehr schwankenden Lebensbedingungen der Steppe Einfluß genommen haben, darauf, daß in dieser nur sehr veränderungsbereite, wandlungsfreudige Menschen überleben konnten (mehr dazu weiter unten).

Andererseits war ein solcher nachhaltiger Ethnogenese-Prozeß um so leichter, als bäuerliche Kulturen in der Steppe zwischen Dnjepr und Wolga zwar gegenüber mesolithischen Völkern schon deutlich erhöhte Siedlungsdichten aufgewiesen haben werden, aber keineswegs so hohen Siedlungsdichten wie die von der vollbäuerlichen, aus der mitteleuropäischen Bandkeramik hervorgegangene Cucutenni-Tripolje-Kultur westlich des Dnjepr und die bäuerlichen Kulturen südlich des nördlichen Fußes des Kaukasus ausgebildet hatten. Die nicht oder nur wenig Ackerbau-mäßig bearbeitete Steppe bildete kulturgeschichtlich somit einen völlig neuen Lebens- und Wirtschaftsraum, der Jahrtausende lang Einflüsse nehmen sollte auf die Weltgeschichte. Solche hier ausgebildeten "mittleren" Steppen-Siedlungsdichten könnten Jahrtausende-lang der Hauptfaktor gewesen sein dafür, daß jeweils hälftige Herkunfts-Anteile Anteil an Ethnogenese-Prozessen nehmen konnten. Herkunftsanteile, die sonst in Europa von vollneolithischen Herkunftsanteilen demographisch "erdrückt" wurden.

Ethnogenesen nach 4.500 v. Ztr.

a) Von der Chwalsynsk- zur Steppen-Maikop-Kultur

Ab 4.500 v. Ztr. beginnt also die demographische Ausbreitung der Frühen Urindogermanen von der Mittleren Wolga aus Richtung Süden, und zwar anfangs, was es zu beachten gilt, schwerpunktmäßig östlich der Wolga, später dann auch westlich der Wolga (s. Abb. 5). In Abbildung 4 ist die Ethnogenese der indogermanischen Vor-Maikop-Kultur nördlich des Kaukasus zwischen 4.500 und 4.000 v. Ztr. grafisch dargestellt als "Steppe Eneolithic" (1):

f4-Statistiken zeigen, daß Steppen_Äneolithikum-Individuen aus dem Nordkaukasus eine größere Nähe zu CHG haben als Individuen aus Chwalynsk (...) und daß sie modelliert werden können mit 55 % CHG-ähnlicher und 45 % EHG-ähnlicher Abstammung.
f4-statistics show that Steppe_Eneolithic individuals from the North Caucasus have a higher affinity to CHG than individuals from Khvalynsk (Extended Data Figs. 4 and 6 and Supplementary Table 9), and can be modelled as 55% CHG-like and 45% EHG-like ancestry.

Dieses Geschehen wird ja hier auf dem Blog schon seit 2019 eingeordnet. Innerhalb der Menschen mit Steppengenetik in der Steppe gab es nach dieser Studie dann ab 4.000 v. Ztr. noch leichtere Verschiebungen in den Herkunftsanteilen, und zwar in Richtung auf osteuropäische Jäger-Sammler, deren Herkunftsanteil nun 52 % ausmachte (in Abb. 4: "Steppe_Eneolithic" und "Late_Steppe_Eneolithic").

Am Fuße des Kaukasus und am Rande der Steppe rund um Nalchik ist es zur Vermischung von Menschen mit Steppengenetik und Menschen der Shulaveri-Shomu-Kultur gekommen. Jahrtausende lang hatten ja die Hirten des Kaukasus ihre Winterviehweiden in der Steppe, ihre Sommerviehweiden im Gebirge. Nachkommen der Chwalynsk-Kultur mit hälftigen Anteilen EHG/CHG-Herkunft vermischten sich mit Menschen der Shulaveri-Shomu-Kultur, wobei letztere 55 % der Herkunft beitrugen. Oder, im Originalton der Studie (1):

Die Individuen ZO1002 und ZO1004 (3953-3713 cal v. Ztr.) sind in PCA und ADMIXTURE in Richtung des Kaukasus-Clusters verschoben (...) und weisen im Vergleich zu den Late_Steppe_Eneolithic-Individuen weniger EHG-bezogene Abstammung auf und werden daher als Late_Steppe_Eneolithic_outlier bezeichnet. Unter Verwendung proximaler Quellen konnten wir beide als eine Zwei-Wege-Mischung aus Caucasus_Eneolithic (55 % ± 6,4) und Steppe_Eneolithic (45 % ± 6,4)-Abstammung modellieren (...). Zusammen mit den Individuen Nalchik und Steppe_Maykop_outlier1 spiegelt dies den Genfluß zwischen eneolithischen Gruppen wider, die in der Steppe und in den Ausläufern des Kaukasus leben.
The individuals ZO1002 and ZO1004 (3953–3713 cal bc) are shifted towards the Caucasus cluster in PCA and ADMIXTURE (Fig. 2b and Extended Data Fig. 2), and carry less EHG-related ancestry compared to the Late_Steppe_Eneolithic individuals, and are thus labelled Late_Steppe_Eneolithic_outlier. Using proximal sources, we could model both as a two-way mixture of Caucasus_Eneolithic (55% ± 6.4) and Steppe_Eneolithic (45% ± 6.4) ancestries (Fig. 2d and Supplementary Table 13). Together with the Nalchik and Steppe_Maykop_outlier1 individuals, this reflects gene flow between Eneolithic groups living in the steppe and the Caucasus foothills.

Für welchen Zeitraum sich diese Vermischung etablierte und ob sie auf nachfolgende Ethnogenesen Einfluß genommen hat, scheint einstweilen nicht klar zu sein. Vielleicht handelt es sich um eine lokal und zeitlich begrenzte Vermischung, die auf nachfolgende Ethnogenesen keinen Einfluß genommen hat. 

Nördlich des Hauptkammes des Kaukasus gab es dann bis 3.500 v. Ztr., das heißt bis zur Unterwerfung der Cucuteni-Tripolje-Kultur durch die Maikop-Kultur (s. Stgen2022) keine genetischen Veränderungen mehr in der Herkunftszusammensetzung der Menschen der Maikop-Kultur innerhalb des Kaukasus und am Fuße desselben (s. "Late_Maykop").

b) Von der Chwalynsk- zur "Manych-Kultur"

Dann gab es eine Ethnogenese, die bis heute auf alle Europäer und auf alle Völker mit Steppengenetik-Anteilen nachwirkt: In der Kalmücken-Steppe nördlich des Kaukasus vermischen sich Menschen der Chwalynsk-Kultur mit Menschen der dortigen Darkveti-Meshoko-Kultur (Abb. 3: "Eneolithic Intermediate"). Beide Seiten steuerten jeweils zur Hälfte die Herkunft bei, so daß der von den Menschen der Chwalynsk-Kultur mitgebrachte Herkunftsanteil osteuropäischer Jäger und Sammler in der entstehenden Population 26 % betrug. (In der Studie vom Frühjahr 2024 waren hierfür 30 % osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft angeführt worden [s. Stg24].) Einen ähnlichen Anteil nahm die anatolisch-neolithische Herkunft hier ein, während die iranisch-neolithische Herkunft etwa die Hälfte betrug. Diese Herkunft etablierte sich in einer Region nördlich des nördlichen Fußes des Kaukasus. Kulturell ist diese genetisch neue Population in der Kalmücken-Steppe von den Archäologen - soweit wir wissen - noch gar nicht als eigenständige Gruppe charakterisiert worden. Vom Blickwinkel der Genetik her nennen hätte man womöglich Grund, sie "Manych-Kultur" zu nennen. (Entsprechend des in der Studie vom Frühjahr 2024 in den Mittelpunkt gestellten Fundortes Remontnoye könnte man auch von "Remontnoye-Kultur" sprechen [s. Stg24].) 

Wie wir schon aus Blogbeiträgen von Anfang dieses Jahres wissen, hat diese Kultur offenbar gute demographische Ausbreitungsmöglichkeiten besessen und genutzt und sich aufgrund dessen entlang des Manych bis zum Don und von dort bis zum Unteren Dnjepr ausgebreitet. Diese Kultur dürfte also höhere Siedlungsdichten und fortschrittlichere Wirtschaftsweisen aufgewiesen haben als die mesolithische Dnjepr-Donez-Kultur dieses Raumes. Am Unteren Dnjepr bildete sich aus der Vermischung mit den dortigen Bewohnern die Sredni-Stog-Kultur und aus dieser dann ab 3.300 v. Ztr. das Volk der Späten Urindogermanen, das Volk der Jamnaja-Kultur. Das Volk der "Manych-Kultur", das diese Ethnogenese voran trieb, wurde damit zu einem der bedeutendsten Vorfahren-Völker aller heutigen Europäer. Zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil stammen damit alle heutigen Europäer aus - Tscherkessien, bzw. aus dem Nordkaukasus.

Die vormals in der Region des nördlichen Kaukasus lebenden osteuropäischen Jäger und Sammler haben offenbar auf die nachfolgenden Ethnogenesen in diesem Raum keinen genetischen Einfluß mehr genommen. Das kann nur heißen, daß sie in diesem Raum genetisch vollständig "ersetzt" worden sind, sprich, daß sie in diesem Raum ausgestorben sind.

Abb. 4: Die genetischen Verschiebungen innerhalb der Maikop-Kultur 4.500 bis 3.500 v. Ztr. (aus 1

Innerhalb des Großreiches der frühen Maikop-Kultur ist es dann - ähnlich wie innerhalb der zeitgleichen Sredni-Stog-Kultur am Unteren Dnjepr zu weiteren Verschiebungen in den Herkunftsanteilen in den vielen "Reichsteilen", bzw. in den vielen dort lebenden Stämmen, Völkern und Sprachgruppen gekommen.

c) Von der Darkveti-Meshoko- zur Nowoswobodnaja- und zur Kura-Araxes-Kultur

Dazu muß zunächst folgendes erläutert werden: Das in der Grafik von Abbildung 4 genannte Dorf Nowoswobodnaja (vormals "Tsarskoy") (Wiki, russ) liegt in dem schon genannten bergigen Waldgebiet von Tscherkessien, 50 Kilometer südöstlich der Stadt Maikop (GMaps). Es weist archäologisch und geschichtlich vielfältige Zeugnisse auf. 1861 traf sich hier der russische Kaiser Alexander II. mit einer Delegation von in der Heimat verbliebenen Tscherkessen zusammen. Zur Erinnerung daran wurde hier 1881 eine Kapelle errichtet. Diese ist heute verfallen.

Innerhalb der archäologischen Forschung hat es in den letzten 100 Jahre nun viele Erörterungen gegeben zur Datierung und zur Herkunft der in der Umgebung dieses Dorfes vorgefundenen vielfältigen archäologischen Zeugnisse, sprich, der "Nowoswobodnaja-Kultur" (Wiki, engl). Diese weist nämlich deutliche Eigenständigkeit gegenüber der zeitgleichen Maikop-Kultur auf. Am ehesten dürfte sich der heutige Forschungsstand mit den folgenden Ausführungen decken (Wiki):

Einige Archäologen, darunter Sergei Korenevsky, bevorzugen die Hypothese der Existenz einer allgemeineren Maikop-Nowoswobodnaja-Kulturgemeinschaft, die viele lokale Varianten umfaßte, wie sie beispielsweise in der Siedlung Galjugajewskaja (Bezirk Kurski, Region Stawropol, Rußland) gefunden wurden.
Some archaeologists, including Sergei Korenevsky, prefer the hypothesis of the existence of a more general Maykop-Novosvobodnaya cultural community, that included many local variants such as found at the Galyugayevskaya settlement (Kursky District, Stavropol Krai, Russia).

Bei Nutzung einer allen verständlichen Verkehrssprache konnten ja einzelne Regionen der Maikop-Kultur ihre eigene Sprache und Kultur weiter führen. So könnte die staatliche Struktur der Maikop-Kultur modelliert werden. Nach Wikipedia haben die Archäologen Trifonov und Shishlina erst jüngst wieder bei Nowoswobonaja gegraben. Man darf deshalb auf weitere Erkenntnisse gespannt sein.

Nach der Genetik handelt es sich bei der Nowoswobodnaja-Kultur und ihrer berühmten Dolmen (Wiki) um Nachkommen der Darkveti-Meshoko-Kultur. Während es in der übrigen Maikop-Kultur südlich des nördlichen Fußes des Kaukasus während des 4. Jahrtausends noch einmal zur Erhöhung des Kaukasus-iranischen Herkunftsanteils um 28 % gekommen ist (!), hat sich dieser in der Nowoswobodnaja-Kultur sogar auf 42 % erhöht (Abb. 4 von unten: "Maykop" und "Maykop_Novovobodnaya"). Das heißt, daß es zu jenem Zeitpunkt immer noch unvermischte Kaukasus-Jäger-Sammler in abgelegenen Tälern des Kaukasus gegeben hatte, die nun "integriert" wurden, bzw. die womöglich sogar bedeutend zur Ausprägung einer neuen Kultur beigetragen haben. Außerdem nahmen Nachkommen von Menschen der Shulaveri-Shomu-Kultur genetisch Einfluß auf beide Kulturen mit 50 % und 17 % Herkunftsanteilen. Indogermanische Steppen-Genetik kommt in beiden Kulturen, gelegen nördlich des Hauptkammes des Kaukasus nicht vor. Das schließt aber - wie schon gesagt - nicht aus, daß kulturell oder sogar sprachlich indogermanische Einflüsse unterstellt werden müssen im Verlauf der hier stattfindenden Ethnogenesen. Schließlich hatte sich Steppen-Genetik ja zwischenzeitlich schon - vermutlich über den Gebirgspaß der nachmaligen "Georgischen Heerstraße" (Wiki) - bis in die Areni-Höhle im heutigen nördlichen Armenien ausgebreitet, weit südlich des Hauptkamms des Kaukasus. Und sie breitete sich dort in weiteren Jahrhunderten - mit der Kura-Araxes-Kultur bis ins Innere Anatoliens aus.

Da die Lebensweise der aus der Nowoswobodnaja-Kultur hervorgehenden Kura-Araxes-Kultur mit ihrer Halbseßhaftigkeit in abgelegeneren Siedlungsräumen zwischen den vollneolithischen Dörfern und Städten Anatoliens sehr derjenigen zeitgleicher indogermanischer Kulturen in Europa ähnelt, wird schon seit längerem vermutet, daß die Kura-Araxes-Kultur Anatoliens kulturell vom Volk der Frühen Urindogermanen beeinflußt gewesen ist. Gegebenenfalls hat sie sogar schon (Verkehrs-)Sprachen in Anatolien verbreitet, die von der Sprachforschung heute vom Frühen Urindogermanischen abgeleitet werden und die sich zumindest in nachfolgenden Jahrtausenden dann in Anatolien finden (Hethitisch, Lykisch, Lydisch usw., will heißen die anatolischen indogermanischen Sprachen) (Wiki). Wir lesen in einem späteren Abschnitt der Studie (1):

Individuen, die mit der Kura-Araxes-Kultur in Georgien (3600/3300–2400 cal v. Chr., n = 6) in Verbindung gebracht werden, stimmen in der PC- wie in der ADMIXTURE-Analyse mit schon bekannten Kura-Araxes-Individuen aus Armenien und Dagestan ebenso wie mit Maykop-Individuen überein (...), was auf eine Kontinuität des Kaukasus-Abstammungsprofils während der Mittleren Bronzezeit hindeutet, jedoch auch auf Heterogenität zwischen verschiedenen Kura-Araxes-Gruppen (Supplementary Table 14). Wenn Maykop-Gruppen als einzige Herkunfts-Quelle unterstellt werden, gelangt man zu gut passenden Herkunfts-Modellen (von P = 0,09 bis P = 0,7; Supplementary Table 15), wobei Maykop_Novosvobodnaya die beste Quelle für Kura-Araxes-Individuen aus Georgien und Armenien darstellt (Berkaber, Kalavan, Karnut und Shengavit) und Maykop als paßendste Herkunfts-Quelle für Talin (P = 0,2). Im Gegensatz dazu werden zur Herkunfts-Modellierung von Individuen aus Kaps in Armenien oder Velikent in Dagestan zusätzliche Herkunft aus Armenia_C oder Iran_C benötigt, bzw. aus beiden.
Individuals associated with the Kura–Araxes culture in Georgia (3600/3300–2400 cal bc, n = 6) fall close in PC space and ADMIXTURE with published Kura-Araxes individuals from Armenia and Dagestan, as well as Maykop individuals (Figs. 2b and 3a and Extended Data Fig. 2), suggesting continuity of the Caucasus ancestry profile during the MBA, but with heterogeneity20 among different Kura–Araxes groups (Supplementary Table 14). Using Maykop groups as a single source results in well-fitted models (from P = 0.09 to P = 0.7; Supplementary Table 15), with Maykop_Novosvobodnaya as the best source for Kura–Araxes individuals from Georgia and Armenia (Berkaber, Kalavan, Karnut and Shengavit), and Maykop as the best source for Talin (P = 0.2). By contrast, individuals from Kaps in Armenia or Velikent in Dagestan require additional ancestry from either Armenia_C or Iran_C, or both.

Talin (Wiki) ist eine Kleinstadt im Nordwesten Armeniens. Der Satz, daß "Maykop_Novosvobodnaya die beste Quelle für Kura-Araxes-Individuen aus Georgien und Armenien darstellt", dürfte für mancherlei Erkenntnisschübe im Verstehen der sprachgeschichtlichen Zusammenhänge beitragen. Aber auch hier wird noch einmal deutlich, mit was für komplexen Ethnogenese-Prozessen man es im Kaukasus zu tun hat. Daß hier die Nowoswobodnaja-Kultur als eine wesentliche Ursprungs-Kultur der Kura-Araxes-Kultur angesprochen wird, dürfte, soweit uns das erkennbar ist, gerade für eine "kleine" Sensation innerhalb der Archäologie und innerhalb der historischen Sprachwissenschaften sorgen. Denn wir finden bis dato Zusammenhänge zwischen der Nowoswobodnaja- und der Kura-Araxes-Kultur auf keinem Wikipedia-Artikel erwähnt (weder auf dem deutschen, englischen oder russischen). Das könnte bedeuten, daß man diese Zusammenhänge bisher von archäologischer Seite aus bislang so deutlich nicht gesehen hatte.

d) Westsibirische Herkunft - Sie kommt in die Steppen-Maikop-Kultur hinein und verliert sich dann wieder

Innerhalb der Steppe kommt es aber erstaunlicherweise noch zu bedeutenden genetischen Verschiebungen. Und zwar zu einer hälftigen Einmischung von Menschen westsibirischer, genetischer Herkunft. Dies ist auch der wichtigste Herkunftsanteil der frühen, recht europäisch aussehenden Wüstenmumien in der Taklamakan in Innerasien - wie wir erst seit zwei bis drei Jahren wissen (Stgen2022).

Zwei Mißverständnissen darf man in diesem Zusammenhang nicht verfallen. Erstens: Diese "westsibirische Herkunft" darf nicht mit der Naganasan-Herkunft verwechselt werden, die sich erst später in Westsibirien ausgebreitet hat, und die den Kern der finno-ugrischen Völkergruppe bildete und die mit einem deutlich asiatischeren Menschentypus einher geht. Zweitens: Die in der Studie diesbezüglich erwähnte Botai-Kultur trug selbst nur 25 % westsibirischer Herkunft in sich (und zu 75 % osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft), insofern dürfte explizit diese keineswegs als der eigentlich Ursprung dieser Beimischung infrage kommen. Es darf aber daran erinnert werden, daß die viel später lebenden Altai-Skythen, bzw. die Pazyryk-Kultur 20 bis 40% westsibirische Genetik aufweisen, und daß die vielleicht in der Pazyryk-Kultur wurzelnden Turkvölker bis heute - zumindest kulturell - als Repräsentanten dieser Herkunftsgruppe gelten können. Auch die germanische Gott-Vorstellung Odin und die ihnen ähnelnden Narten-Sagen des Kaukasus könnten ja von den Sarmaten und Alanen in der Eisenzeit von den Altai-Skythen übernommen und nach Westen in den Kaukasus und in den germanischen Bereich Europas übermittelt worden sein (siehe andere Beiträge hier auf dem Blog: Stgen2020, Stgen2024).

Von der fast vollneolithisch anmutenden Kelteminar-Kultur (Wiki) südöstlich des Kaspischen Meeres wird man zunächst annehmen können, daß ihre Träger rein iranisch-neolithischer Herkunft waren. Von dort ausgehend wird sich diese Herkunft entlang der Wolga nach Norden ausgebreitet haben. Aber nördlich der Kelteminar-Kultur könnte die westsibirische Herkunft die Hauptrolle gespielt haben. Und in diesem Raum könnten sich Angehörige des Volkes der Frühen Urindogermanen mit Angehörigen der westsibirischen Herkunftsgruppe vermischt haben.  

Auf jeden Fall überraschend, daß es auch schon zu so früher Zeit zur Vermischung zwischen urindogermanischer und westsibirischer Herkunft gekommen ist, auch wenn sich die Nachkommen dieser Vermischung offenbar nicht nachhaltiger in der turbulenten Weltgeschichte nördlich des Kaukasus scheinen gehalten zu haben.

Abb. 5: Geographische Ausbreitung der urindogermanischen Wildpferdekopf-Zepter von Chwalynsk an der Mittleren ausgehend: Der Schwerpunkt der ersten Ausbreitungsphase liegt östlich der Wolga und des Kaspischen Meeres - Kreis="schematisches" Zepter, Quadrat="realistisches" Zepter (aus 3, S. 147)

Wie aber war es zu dieser westsibirischen Einmischung gekommen? Das Verbreitungsgebiet der westsibirischen Völkergruppe erstreckte sich zumindest bis in die Nähe des Ostufers des Kaspischen Meeres. Die Chwalynsk-Kultur hatte sich nicht nur westlich der Wolga, sondern insbesondere auch in der frühen Phase ihrer Ausbreitung am Ostufer der Wolga und des Kaspischen Meeres nach Süden ausgebreitet - wie man entsprechenden Verbreitungskarten entnehmen kann (Abb. 5). Offenbar hat sich in diesem Bereich oder von diesem Bereich ausgehend eine neue Misch-Population gebildet, die sich dann hinwiederum über die Wolga hinweg nach Westen ausgebreitet hat und die dort vorherrschende Steppen-Maikop-Kultur mit reiner indogermanischer Steppen-Genetik zu größeren Teilen ersetzt hat. Vielleicht waren auch größere Teile der dortigen Bevölkerungen nach Westen oder nach Süden über den Kaukasus hinweg abgewandert. In der Studie heißt es zu dieser Verbindung mit westsibirischer Herkunft (1):

Diese Verbindung ist rätselhaft und steht bisher mit keinem bekannten archäologischen Phänomen in Zusammenhang.
This link is enigmatic and not yet related to any known archaeological phenomenon.

Diese hälftig westsibirische Steppen-Maikop-Kultur hat dann im Bereich Nowoswbodnaja 41 % der dortigen Herkunft neu eingebracht (Abb. 4: "Steppe_Maykop_oulier_1"), während Menschen der Nowoswobdnaja-Kultur 38 % Herkunft zu einer weiteren Unterpopulation der Steppen-Maikop-Kultur beigetragen haben (Abb. 4: "Steppe_Maykop_outlier_2"). Aber diese Unterpopulationen haben offenbar auf spätere Ethnogenesen keinen Einfluß mehr ausgeübt, sind also - nach derzeitigem Kenntnisstand - genetisch ausgestorben.

Es wird dennoch insgesamt deutlich, welch eine Dynamik es in den Völkerbewegungen insbesondere nördlich des Kaukasus vor, während und nach der der Maikop-Kultur gegeben hat. Unter dem Dach des anzunehmenden Großreiches der Maikop-Kultur haben sich über die Jahrhunderte immer wieder beträchtlich unterschiedliche Ethnogenese-Prozesse und Herkunftsverschiebungen ergeben, die insbesondere auch mit Halbseßhaftigkeit zu tun gehabt haben. Dieser Umstand ist jedenfalls in ein allgemeineres Bild der Geschichte der Maikop-Kultur einzufügen. Hierfür die angemessenen Interpretationen und Deutungen zu liefern, wird sicherlich die Aufgabe der diese Region bearbeitenden Archäologen der nächsten Jahre sein. 

Nach 3.300 v. Ztr. - Die Jamnaja-Kultur

Als nächstes tritt dann die Jamnaja-Kultur in der Steppe nördlich des Kaukasus auf. Sie weist ihre wiederum ganz eigene, spezifische Genetik auf, die unabhängig von westsibirischen genetischen Einflüssen entstanden ist, und deren Entstehungsprozeß schon im Frühjahr 2024 geklärt worden ist und in mehreren Blogartikeln hier auf dem Blog behandelt worden ist. Das westsibirisch-indogermanische Mischvolk der Steppen-Maikop-Kultur wird also wiederum genetisch vollständig von den Jamanja ersetzt. Vielleicht hat sich das westsibirisch-indogermanische Mischvolk der Steppen-Maikop-Kultur bei der Eroberung der Tripolje-Cucuteni-Kultur um 3.500 v. Ztr. "verbraucht" (?). 

Die Jamnaja-Kultur findet sich in der Folge-Grafik (Abb. 6) als "Yamnaja_North_Caucasus" und "North_Caucasus (NCC)" dargestellt mit der Zeitstellung 2.500 v. Ztr.. Allerdings suggeriert die Grafik, daß die Einmischung von 15 % Ukrainisch-neolithischer Herkunft zeitgleich zur Einmischung von 15 % Nowoswobodnaja-Herkunft geschehen sei. Das ist natürlich nicht der Fall. Die erstere Einmischung hatte sich ab 3.300 v. Ztr. bei den Kern-Jamnaja am Unteren Dnjepr etabliert, die letztere Einmischung wird erst stattgefunden haben, nachdem die Jamnaja sich bis an den Fuß des Kaukasus und womöglich darüber hinaus ausgebreitet hatte. 

Es tritt also im Nord-Kaukasus noch ein 21%iger Herkunftsanteil der Nowoswobnaja-Kultur hinzu (wobei die westsibirische Herkunftskomponente wiederum keine Rolle gespielt hat, was zeigt, daß es unvermischte Nowoswobodnaja-Menschen weiterhin und parallel zu den Menschen mit westsibirischer Einmischung gegeben hatte). 

Abb. 6: Ethnogenesen rund um den Kaukasus um 3.000 v. Ztr.

Von der Jamanaja-Kultur zur Katakombengrab-Kultur hat es dann nördlich des Kaukasus offenbar 100%ige genetische Kontinuität gegeben (s. Abb. 6: "Catacomb"). Der Nowoswobnaja-Herkunftsanteil sinkt allerdings in dieser Zeit im Nordkaukasus von 21%  auf 15% (s. Abb. 6: "Catacomb"). 

Ab 2.400 v. Ztr.

Der Grund dafür, daß in Abbildung 6 "North_Caucasus" und "Yamnaja_North_Caucasus" unterschieden werden, obwohl die Unterschiede in den Herkunftsanteilen zwischen beiden nicht sehr groß sind, wird erst deutlich, wenn man sich Abbildung 7 ansieht. Auf dieser kann nämlich nachvollzogen werden, daß regionale Untergruppen der Kura-Araxes-Kultur ab 2.400 v. Ztr. durch unterschiedlichen Zustrom von Jamanaja-Genetik gekennzeichnet sind. 

Diese Veränderungen ab 2.400 v. Ztr. vollziehen sich zeitgleich und parallel zur Ankunft von Steppengenetik in Nordgriechenland und von dort aus dann im übrigen Griechenland.

Abb. 7: Ethnogenesen rund um den Kaukasus um 2.000 v. Ztr.

a) Jamnaja-Genetik kommt in den Kaukasus und nach Armenien und fort die heutigen Kaukasus-Völker

Ab 2.200 v. Ztr. mischte sich 36 % Jamnaja-Genetik bei den Kura-Araxes-Leuten der Region Berkaber (Wiki) in Nordarmenien ein (Abb. 7: "Caucasus_MBA"). Mit ihnen kam die Sprache des Armenischen nach Armenien.

Kurze Zeit später mischten sich ab 2.100 v. Ztr. zu 21 % Nachkommen von Kura-Araxes-Leuten aus der Region Berkaber in Nordarmenien bei Jamnaja-/Nach-Katakombengrab-Leuten in der Steppe nördlich des Kaukasus ein (Abb. 7: "Post_Catacomb"). Womöglich sind sie als Frauen in Nordarmenien geraubt worden oder sonst als Sklaven über den Kaukasus geholt worden? 

Ab 2000 v. Ztr. leben in Nordossetien in der Region des Berges Arkhon (4.100 m) und des von dort nach Norden abfließenden Flusses Arkhon und der dortigen heutigen Landschaftsschutzgebiete (unter anderem Arkhonskiy Pereval GMaps), etwa 63 Kilometer südwestlich von Wladikawkas, der heutigen Hauptstadt der Republik Nordossetien-Alanien Menschen, die zur Hälfte Jamnaja- und zur anderen Hälfte Kura-Araxes-Genetik in sich trugen (Abb. 7: "Arkhon").

Im Osten des Kaukasus kommt es nur zu einem Zustrom von elf Prozent Jamnaja-Genetik (Abb. 7: "Highland_MBA_east"). Und diese Genetik hält sich dort bis 1500 v. Ztr. (Abb. 7: "Highland_LBA_east"). In der Studie heißt es dazu (1):

Individuen aus der letzten Phase der Mittleren Bronzezeit und der Späten Bronzezeit des Kaukasus-Clusters sind in der Hauptkomponentenanalyse deutlich nach oben in Richtung des Steppen-Clusters verschoben (...). Dies ist das erste Mal, daß sich vorgeschichtliche Individuen in der Hauptkomponentenanalyse mit heutigen Populationen decken.
The final MBA and LBA individuals from the Caucasus cluster are markedly shifted upwards on PC2 towards the Steppe cluster (Fig. 3b). This marks the first time in which ancient individuals fall within the same PC space as present-day populations.

Das heißt, daß die heutigen Völker des Kaukasus im Groben seit der Späten Bronzezeit genetische Kontinuität aufweisen, daß sie auch heute zwischen elf und 36 % Jamnaja-Genetik aufweisen. Das gilt auch für die Herkunftszusammensetzung seither in Armenien.

b) Westsibirische Genetik kommt in die Steppe nördlich des Kaukasus

Zeitgleich kommt ab etwa 2.200 v. Ztr. erneut zu einem Zustrom von westsibirischer Genetik aus der Gegend von Kumsay in Kasachstan ("ANE") in die Steppe nördlich des Kaukasus (Abb. 7: "Lola_1" und "Lola_2"). Die Ortschaft Kumsay (GMaps) liegt etwa 20 Kilometer östlich der Ortschaft Bayganin (Wiki) und Bayganin hinwiederum liegt etwa 350 Kilometer nordöstlich des Wolgamündung (GMaps). Dies könnte durchaus auch die Region sein, aus der das erste mal westsibirische Genetik in die Steppe nördlich des Kaukasus gekommen war. Wie wir in Abb. 8 sehen, steht diese Kumsay-Genetik der Genetik der Okunew-Kultur (Wiki, engl) sehr nahe, die eine sehr charakteristische Kulturgestaltung aufweist und aus der auch viele Rinderwagen-Darstellungen bekannt sind. In der Okunew-Kultur lag nicht nur westsibirische Herkunft vor, sondern auch Jamnaja-Genetik und Baikal-Genetik.

Womöglich ist dies nun wiederum ermöglicht worden durch die Abwanderung von zuvor in der Steppe ansässigen Jamnaja-/Katakombengrab-Stämmen nach Süden in den Kaukasus und nach Armenien. In der Population "Lola_1" vermischen sich zwei Drittel Okunev-Genetik mit einem Drittel Jamnaja-Genetik, womit die Jamnaja-Genetik sicherlich mehr als die Hälfte betragen haben wird.

c) Die Ethnogenese der Skythen

Ab 1400 v. Ztr. vermischen sich Sintashta-Leute, also Nachkommen der ostmitteleuropäischen Schnurkeramik-Kultur, die tausend Jahre zuvor das erste Volk waren, das Streitwagen benutzte, und deren Nachkommen zeitgleich in Indien als "Arier" auftreten, irgendwo in der Nordschwarz-Meer-Steppe mit Jamnaja-Leuten hälftig zur Srubnaja-Kultur (Wiki, engl) und breiten sich als solche bis an den Fuß des Kaukasus aus (Abb. 7: "Srubnaya"). 

Im westlichen Kaukasus mischen sich 31 % Srubnaya-Leute mit dort noch unvermischt lebenden Nachkommen von Kura-Araxes-Leuten (Abb. 7: "Highland_LBA_west"). So kommt die westsibirische Genetik erstmals auch in den Kaukasus selbst.

Ab 1100 v. Ztr. entstehen die Skythen der dortigen Steppe als Vermischung aus 33 % Srubnaja-Genetik mit 67 % Lola_1-Genetik (Abb. 7: "Steppe_Prescytian"). Da die Lola_1-Genetik zu mehr als der Hälfte aus Jamnaja--Genetik bestand, tragen die dabei entstehenden Skythen in sich grob 70 % Jamnaja-Genetik und 30 % westsibirische- und Baikal-Genetik (wobei die Schnurkeramik-Genetik innerhalb des Steppen-Genetik-Anteils auch Kugelamphoren-Genetik beinhaltete). 

Abb. 8: Vorgeschichtliche Populationen des Kaukasus nähern sich bis 1200 v. Ztr. genetisch den heutigen Populationen des Kaukasus (aus 1)

In Abb. 8 werden die neu sequenzierten vorgeschichtlichen Menschenfunde in der Hauptkomponentenanalyse dargestellt vor dem Hintergrund der grau dahinter gelegten heutigen Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Völkern des Kaukasus (basierend auf 102 sequenzierten Individuen). Die schwarz umrandeten Zeichen sind Individuen, die für diese Studie neu sequenziert worden sind, die anderen Zeichen markieren Individuen, die schon in anderen Studien sequenziert worden waren. Links, a) die Individuen aus dem Zeitraum 3.900 bis 2.100 v. Ztr. (3. Jahrtausend v. Ztr.), rechts, b) die Individuen aus dem Zeitraum 1.900 bis 1.100 v. Ztr. (2. Jahrtausend v. Ztr.).

Die gestrichelten Linien mit Pfeilen deuten die erst in diesem Zeitraum geschichtlich breiter auftretenden Vermischungen zwischen den Nach-Jamnaja-Volksstämmen in der Steppe und den Nach-Kura-Araxes-Gruppen im Kaukasus, die bis dahin über Jahrtausende genetisch vergleichsweise streng getrennt geblieben waren. Außerdem wird das Hereinkommen der Okunew-Genetik mit einem gestrichelten Pfeil angedeutet.

Als Ergebnis nähern sich die Menschenfunde des 2. Jahrtausends den Verwandtschaftsverhältnissen bis heute an. Dabei bleibt die vormalige Kaukasus-Genetik auf der Südseite des Hauptkammes in weiteren Teilen erhalten, während die Völker auf der Nordseite des Kaukasus bis heute zwischen 10 und 30 % Steppengenetik in sich tragen. Dieser Umstand mag sich mit dem späteren Hereinkommen der Skythen und Sarmaten noch einmal leicht in Richtung westsibirischer Genetik verschoben haben.

Die Veränderungsbereitschaft und Wandelfreude in der Steppe

Die Studie geht davon aus, daß der verwandtschaftliche Zusammenhalt und die verwandtschaftliche Kontinuität der Bauernkulturen des Kaukasus rund um eine jeweilige Grabstätte deutlich höher war als in den Steppen-Kulturen nördlich des Fußes des Kaukasus. Es finden sich in den Kurganen der Steppe nur in Ausnahmefällen gleichzeitig lebende Verwandte miteinander bestattet. Noch weniger finden sich Menschen in Generationenabfolge innerhalb desselben Grabhügels bestattet. Dieser Umstand macht im ganz Besonderen deutlich, welche umfassenden Folgen die halbseßhafte Lebensweise in der Steppe mit sich gebracht hat. Selbst wenn eine Kultur und Herkunftsgruppe als solche längere genetische und kulturelle Kontinuität innerhalb eines bestimmten Gebietes aufweist, bringt es offenbar die Halbseßhaftigkeit mit sich, daß immer wieder andere Familien in einem jeweiligen Kurganen vor Ort ihre Toten bestattetet haben. Kurgane sind in keinem Fall "Familiengrablegen", sondern einfach nur Stätten, wo man Gestorbene begräbt - wenn man gerade in ihrer Nähe ist und einen Gestorbenen hat!

Der verwandtschaftliche Zusammenhalt in den Steppen-Kulturen muß deshalb nicht so wesentlich geringer gewesen sein. Aber es gab eben eine viel höhere Mobilität, Veränderungsbereitschaft und vermutlich deshalb auch Veränderungsnotwendigkeit in diesen Kulturen. Genau das spiegelt sich ja auch in den vielen Ethnogenesen in der Steppe und von der Steppe ausgehend über die Jahrhunderte hinweg wider. In Trockenjahren mußten weit entlegene Weidegründe aufgesucht werden. In guten Jahren kamen dann womöglich wieder ganz andere Gruppen vor Ort - womöglich auch genetisch inzwischen neu formierte. In der Studie heißt es dazu (1):

Alle mit dem Piedmont assoziierten Maykop-Individuen tragen kaukasische Vorfahren, die sie von südneolithischen und eneolithischen Gruppen geerbt haben. Diese wurden wahrscheinlich durch die Aufrechterhaltung enger Verwandtschaftsbeziehungen in zusammenhängenden Gemeinschaften aufrechterhalten, was sich auch in gemeinsamen architektonischen Konstruktionsmerkmalen in einigen Maykop-Hügeln widerspiegelt. Im Gegensatz dazu deuten die genetische Variabilität und die Seltenheit enger biologischer Beziehungen in den vier Steppen-eneolithischen Gruppen auf unterschiedliche und flexiblere Verwandtschaftsstrukturen hin, die das Fortbestehen unterschiedlicher kultureller Praktiken widerspiegeln.
All piedmont-associated Maykop individuals carry Caucasus ancestry inherited from southern Neolithic and Eneolithic groups, which was probably maintained by keeping close kinship ties in cohesive communities, also reflected in shared architectural construction features in some Maykop mounds. By contrast, the genetic variability and scarcity of close biological relationships in the four Steppe Eneolithic groups suggest different and more flexible kin structures, which echo the persistence of varying cultural practices.

Ein anderer Unterschied ist ja auch, daß den Gräbern in der Steppe Rinderwagen mit ins Grab gegeben worden sind, während den Gräbern im Gebirge die ziehende Ochsen mit ins Grab gegeben worden sind (s. Stgen2024). In der Tat weisen ja noch die Konstruktionsmerkmale der Kurgane der Jamnaja-Kultur vergleichsweise hohe Variabilität auf. Womöglich wird man deshalb schlußfolgern können: Die Steppe selektierte Menschen in Richtung auf Veränderungsbereitschaft. Nur wer langfristiger veränderungsbereit war, war befähigt, als Familie und Kultur in einer nicht durch dichte bäuerlich Besiedlung erschlossenen Steppe zu überleben. Ist es dieser Umstand der dem Naturraumes Steppe als Ursprungsraum von neuen, viel veränderungsbereiteren Völkern eine so große Bedeutung für die gesamte Menschheitsgeschichte seither gab? Veränderungsfreudigere indogermanische Völker treffen seither rund um den Erdball auf beharrungsfreudigere Völker. Und indem es - immer wieder - zur Vermischung von beiden Völkereigenschaften kam, wurden die bisherigen beharrungsfreudigeren Völker zu größerer Veränderungsfreude hinüber gerissen.

Dieser Blogbeitrag hat sich redlich bemüht, die genannte Studie auszuwerten. Es kann aber weder garantiert werden, daß wirklich alle wesentlichen Erkenntnisse heraus destilliert worden sind, noch auch, daß jedes einzelne der genannten Details von uns richtig verstanden und eingeordnet wurde. Das kann dann ggfs. künftig noch ergänzt und korrigiert werden.

__________

*) Ein Tagungsbeitrag auf einer Archäologen-Tagung in Budapest im April 2024 hatte uns im August 2024 sehr erwartungsvoll gestimmt gegenüber der baldigen Veröffentlichung einer neuen archäogenetischen Studie (Stgen2024). Diese Studie ist vor zwei Wochen in der Fachzeitschrift "Nature" erschienen (1). Die Archive jener Institute, die in den letzten Jahrzehnten mit der archäologischen Erforschung des Kaukasus und der Steppe nördlich davon befaßt gewesen sind, sind ein weiteres mal nach noch nicht sequenzierten Skelettresten durchkämmt worden, so daß mit dieser Studie die Archäogenetik-Daten für die Region rund um den Kaukasus grob verdoppelt wird mit neuen 102 Individuen von 38 archäologischen Fundorten für einen Zeitraum von 6.000 Jahren. Von diesen 102 Individuen stammen ...

  • 7 aus Mesolithikum und Neolithikum,
  • 11 aus dem 5. Jahrtausend v. Ztr., 
  • 30 aus dem 4. Jahrtausend v. Ztr., 
  • 51 aus dem 3. Jahrtausend v. Ztr. und 
  • 42 aus dem 2. Jahrtausend v. Ztr..

________

  1. Ghalichi, A., Reinhold, S., Rohrlach, A.B. et al. The rise and transformation of Bronze Age pastoralists in the Caucasus. Nature (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-08113-5 (Nature 30 October 2024)
  2. Henry M. Mix: Der Große Kaukasus - Rußlands Dach der Welt. Expeditionen ins Tierreich (NDR 05.01.2022)
  3. Dergachev, V. A.: О скипетрах, о лошадях, о войне: этюды в защиту миграционной концепции М.Гимбутас (On sceptres, on horses, on war: Studies in defence of M. Gimbutas’ migration concepts), 2007 (Scribd)

Freitag, 11. Oktober 2024

Brückenkopf Nikopol Februar 1944 - Abschnürung und Ausbruch

Verteidigung und Räumung des Brückenkopfes Nikopol durch das Armeekorps Schörner
- Die Schlacht am Unteren Dnjepr 1943/44 - Teil 3

Der Kampf um den Brückenkopf Nikopol zwischen November 1943 und Februar 1944 hätte - wenn es nach dem Willen des befehlenden Generals Erich von Manstein gegangen wäre - nicht mit dem Verlust alles eingesetzten deutschen Materials an schweren Waffen und Fahrzeugen, der Ausrüstung von elf Divisionen enden müssen so wie es dann Mitte Februar 1944 geschehen ist, da die Fahrzeuge auf dem Rückzug im Schlamm stecken geblieben sind und aufgegeben werden mußten. Manstein hatte eine rechtzeitige Räumung des Brückenkopfes vorgeschlagen. Der Oberbefehlshaber Adolf Hitler hatte sich dagegen entschieden.

Abb. 1: "Nikopol 1944" (Reibt) - Deutsche Panzer - vermutlich auf dem Weg, die Durchbrüche der Sowjets von Norden her auf den Brückenkopf zu stoppen oder zu verlangsamen

Im folgenden soll ein grober Überblick über die Abläufe gegeben werden. Es wird deutlich werden, daß an vielen Stellen noch viele Einzelheiten hinzugefügt werden könnten. Zu viele Divisionen waren beteiligt. Zu wechselnd das Bild, an zu vielen unterschiedlichen Orten gleichzeitig vollzog sich das Geschehen.

Aber es haben sich doch auch erstaunlich viele Amateur-Fotografien von deutschen Soldaten aus den Kämpfen rund um Nikopol - und zum Teil auch Kriwoi Rog - erhalten. Sie werden gegenwärtig von ukrainischen Lokalhistorikern vor Ort gesammelt (s. z.B. Reibert). Auch viele Todesanzeigen von gefallenen deutschen Soldaten in deutschen Zeitungen, die in der Region gefallen sind, sind da zusammen gestellt. Zumindest für Kriwoi Rog wird auch die deutsche Besatzungszeit von örtlichen Historikern, Journalisten und Interessierten aufgearbeitet. Das von Lokalhistorikern gezeichnete Bild ist da mitunter doch facettenreicher ist als man es bislang gekannt und vermutet hatte.

Eine erste Phase der freundlichen Zusammenarbeit zwischen den Deutschen und den ukrainischen Nationalisten bis Winter 1942, die eine umfangreiche Förderung des ukrainischen Kultur- und Bildungswesens mit einschloß, wird da unterschieden von einer zweiten Phase, in der man deutscherseits den Ukrainern keine Schulbildung mehr über das 14. Lebensjahr hinaus zugestehen wollte (Literatur dazu schon im letzten Beitrag).

Zu der deutschen Besatzungspolitik innerhalb der Ukraine gibt es also auf den ersten Blick kein einheitliches Bild. Offenbar sind die ukrainischen Nationalisten - im Gegensatz zu der freundschaftlichen Zusammenarbeit mit Erich Ludendorff im Jahr 1918 - im Jahr 1941 sehr früh auf sehr deutliche Distanz gegangen zu einer Zusammenarbeit mit den Deutschen. Sie wurden von deutscher Seite vor den Kopf gestoßen, als gleich am Anfang des Krieges gegen die Sowjetunion deutlich wurde, daß von deutscher Seite aus die Gründung eines ukrainischen Staates nicht vorgesehen war. Dieser Umstand spiegelt sich unter anderem in der Geschichte des Bataillons Nachtigall (Wiki) wieder. Auf dem ukrainischen Wikipedia-Artikel zur "Organisation ukrainischer Nationalisten" (OUN) wird all das schon vergleichsweise differenziert dargestellt (Wiki):

Deutschen Dokumenten zufolge änderte sich die Situation nach (einer Zeit) der loyalen Haltung der OUN und einer gewissen Zusammenarbeit mit der "Abwehr" (dem deutschen militärischen Geheimdienst) in der Anfangszeit des Zweiten Weltkriegs im August-September 1941 radikal. Die erste Welle von Massenverhaftungen von Mitgliedern der OUN(b) erfolgte auf geheimen Befehl des Chefs des RSHA, Reinhard Heydrich. 1.500 Menschen wurden verhaftet, mehrere Hundert davon in Wolhynien. Bis November 1941 hatten sich die Beziehungen zwischen der OUN (b) und Deutschland so stark verschlechtert, daß am 25. November 1941 eine geheime Weisung der deutschen Polizei „014-UdSSR“ erlassen wurde, aus der hervorgeht, daß die Gruppe um Bandera einen Aufstand im Reichskommissariat vorbereiten würde und daß alle als Plünderer zu verhaften, zu verhören und zu eliminieren seien.

In Kriwoi Rog dauerte allerdings die freundschaftliche Zusammenarbeit - nach den örtlichen Historikern - zumindest was die Förderung des ukrainischen Kultur- und Bildungssektors von deutscher Seite aus betrifft, noch bis zum Winter 1942 an. Auf solche Umstände ist unserer Kenntnis nach in der deutschen öffentlichen Berichterstattung noch nie hingewiesen worden. Vielleicht ist das in deutschsprachiger wissenschaftlicher Spezialliteratur vergraben. Am ehesten finden sich noch Hinweise z.B. auf die 14. Waffen-SS-Grenadier-Division „Galizien“ (Wiki), deren Angehörige Ende 1943 im Raum um Lemberg rekrutiert worden sind, und an die vor Ort gelegentlich in den letzten Jahren noch erinnert wird (Welt/oD).

Der Angriff zum Abschnüren des Brückenkopfes Nikopol ab 30. Januar 1943

Aber nun zu den deutschen Verteidigungsbemühungen im Brückenkopf von Nikopol 1943/44. An der Nordfront des Brückenkopfes Nikopol verteidigte nordöstlich von Kriwoi Rog das LVII. Panzerkorps, an dessen rechtem Flügel die 62. Inf. Div. stand, sowie beiderseits der Ortschaft Sofijewka (Wiki) (GMaps) am Fluß Kamenka die hessische 15. Inf. Div. (letztere mit ihrem 106. und 81. Gren. Reg.). Dann folgte weiter östlich das deutsche XXX. Armeekorps mit der 123. Inf. Div. (nicht eingezeichnet) und der 16. Pz.Gren.Div. an seinem linken Flügel (Willmer1968) (s. Abb. 2). Beim XXX. Armeekorps wurde Ende Januar von deutscher Seite her entsprechend der Feindaufklärung der gefährlichste, massivste Durchbruch erwartet.

Abb. 2: Der Angriff an der Nordfront des Brückenkopfes am 30. Januar 1944 auf das LVII. Panzerkorps und das XXX. Armeekorps - Von Westen nach Osten gehörten zum LVII. PzK die 62. Inf. Div. und die 15. Inf. Div. (mit 106. und 81. Gren. Reg.). Dann folgt das XXX. AK mit 123. Inf. Div. (nicht eingezeichnet) und 16. Pz. Div. (aus: Willmer1968)

Nach einer Divisionsgeschichte der 15. Infanterie-Division aus dem Jahr 1968 wird festgehalten (n. Willmer1968):

Am 30. Januar 1944 beginnt Punkt 4:00 Uhr bei völliger Dunkelheit mit einem gewaltigen Trommelfeuer die Schlacht. Die Lage der Einschläge war vom Divisionsgefechtsstand Juliewka durch die hellen Aufflammungen genau zu beobachten. Sie lagen in großer Ausdehnung rechts von der 15. I.D. im Abschnitt des XXX. Armeekorps und beim linken Nachbar, der 62. I.D.. Mittendrin lag - "in ein unheimliches Dunkel gehüllt" (Willemer) - der Abschnitt der 15. Infanteriedivision.

Womöglich hatte man sowjetischerseits erkannt, daß der Bereich der 15. Infanteriedivision keine "Schwachstelle" innerhalb der deutschen Front darstellte, da sie als besonders kampfstark galt. Weiter heißt es (n. Willmer1968):

Bei Dämmerungsbeginn legte der Gegner das Artilleriefeuer in die Tiefe und der Angriff begann. Die rechte Nachbardivision der 15., die 123. I.D. wird nur vom Ausläufer des Angriffs getroffen und hält stand. Dagegen gelingt den Sowjets ein Einbruch im Abschnitt der 16. Panzergrenadierdivision, die sich nach rechts an die 123. I.D. anschließt. Auch beim linken Nachbarn der 15., bei der 62. I.D., gelingt dem Gegner der Einbruch. Bald steht er tief im Kampffeld. Der Anschluß der 62. I.D. an das rechts anschließende G.R. 106 geht verloren. Daraufhin bildet das Flügelbataillon des G.R. 106 einen Abwehrhaken und hält so als Eckpfeiler der Front den ganzen Tag über gegen laufende Angriffe stand.

Nun kamen von deutscher Seite Panzer-Einheiten wie solche auf Abb. 1 fotografiert zum Einsatz (n. Willmer1968):

Die 6. Armee setzte daraufhin eine gepanzerte Kampfgruppe, bestehend aus der 9. und 23. Panzerdivision mit wenigen Panzern in Marsch. Diese wird unter dem Befehl der 15. I.D. im Raum der linken Nachbardivision (62.) zum Gegenangriff angesetzt. "Die Division begrüßt diese Entlastung, versteht aber nicht, warum die gepanzerte Gruppe nicht in dem weit gefährlicheren Angriffsraum des XXX. A.K. zum Einsatz kommt." (Willemer, S. 167) (...)
Am 30. Januar setzt Tauwetter ein, so daß die Wege verschlammen und die Zuführung der gepanzerten Eingreifreserve verzögert wird. Der Gegenangriff kommt somit erst am 31. Januar in Gang. Obwohl er nicht voll durch schlägt, werden die sowjetischen Angriffsspitzen zurück geworfen und die Abwehrfront der 62. I.D. gefestigt. Am Abend des selben Tages wird die Panzergruppe dann schließlich doch noch zum XXX. A.K. in Marsch gesetzt. Hier steht der sowjetische Angreifer mittlerweile kurz vor dem Durchbruch. Am 1. Februar 1944 greift der Feind sowohl beim XXX. A.K., bei der 62. I.D. und auch im Abschnitt der 15. I.D. an, deren Divisionsreserven längst auf dem linken Flügel eingesetzt wurden. Die Division kann zwar ihre Stellungen behaupten, muß sich aber mit Rücksicht auf die Gesamtentwicklung auf eine Sehnenstellung zurückziehen. Am 2. Februar tobt der Großkampf auf der gesamten Front; nur mit Mühe kann die 15. I.D. ihre Stellungen halten.

Die sowjetischen Angriffe sind - wie schon erwartet worden war - so massiv, daß die deutsche Front insgesamt zurück genommen werden muß (n. Willmer1968):

Vor allem beim XXX. Armeekorps hat sich die Lage schließlich so verschärft, daß am Morgen des 3. Februar um 3:30 Uhr bei der Division der Befehl zum Zurückgehen eingeht. (...) Die Truppe mußte auf den völlig verschlammten Wegen 7-10 km weit in die rückwärtige Stellung geführt werden. Bei Tagesanbruch war dies geschafft, die ganze Division befand sich abwehrbereit in der Ursula-Stellung.

Nun stand die 15. ID westlich von Juliewka (ukr. Nowojuliwka) (GMaps). 300 Meter westlich des Dorfausgangs vom heutigen Nowojuliewka sieht man auf Google Maps einen Grabhügel. Südöstlich des Dorfes Wyssoke Pole (GMaps) findet sich ebenfalls ein Grabhügel. Vielleicht ist letzterer der "Grabhügel 5,7" auf dem linken Flügel der 15. ID., der, wie wir im folgenden hören werden, "ständig ein Krisenpunkt" bleibt. In der Gegend gibt es aber sicherlich noch weitere Grabhügel, die dafür infrage kommen könnten. 

Abb. 3: Rücknahme der Front der 62. und 15. Infanteriedivision auf die "Ursula-Stellung" nordöstlich von Kriwoi Rog (aus: Willmer1968)

Aber die Notwendigkeit weiterer, umfangreicher Rücknahmen der Front deutet sich an, auf die von der Divisionsführung vorausschauend reagiert wird (n. Willmer1968):

Inzwischen waren aber die Sowjets beim deutschen XXX. Armeekorps durchgebrochen, und der Gegner bedrohte somit die rechte Divisionsflanke. Von dieser Sorge getrieben, ließ die Divisionsführung eine Sehenstellung in der Schleife des Flusses Ingulez südlich von Krivoi Rog erkunden und ausbauen. Außerdem werden alle nicht unbedingt benötigten Trosse als Sicherheitsbesatzung zum Südufer des Ingulez verlegt. So soll verhindert werden, daß die um Krivoi Rog stehenden deutschen Kräfte im Falle eines feindlichen Durchbruches abgeschnitten werden.

Wir wollen hier der Schilderung nicht mehr im einzelnen folgen. Im weiteren Verlauf verteidigte die 15. Infanterie-Division dann am Ostrand von Kriwoi Rog (Abb. 4) und ist dann unter zähen Abwehrkämpfen durch die Stadt Kriwoi Rog zurück nach Westen gegangen. 

Abb. 4: Kriwoi Rog während der deutschen Besatzung - Eine der ersten Farbaufnahmen der Stadt (aus: HistoryKR2023)

Im Wehrmachtbericht wurde die Division in diesen Tagen zum Stolz ihrer Angehörigen zwei mal erwähnt (n. Willmer1968):

"23.2. Die Stadt Krivoi Rog wurde nach erbitterten Kämpfen und nach Zerstörung aller kriegswichtigen Anlagen geräumt."

Und (n. Willmer1968):

"26.2. Im Südabschnitt der Ostfront hat sich die hessische 15. I.D. unter Führung von Generalmajor Sperl hervorragend bewährt."

Soweit können wir bislang mit diesem Bericht an das Kampfgeschehen vor Ort "heranzoomen". In der weiter gefaßten kriegsgeschichtlichen Darstellung von Major Dr. Frenck, festgehalten noch im Mai 1944, werden die geschilderten Ereignisse noch etwas anders dargestellt (Frenck1944, S. 20f):

Am 30.1. um 5.00 Uhr früh trat die sowjetische 3. ukrainische Front (...) an der Nordfront der Armee zu dem erwarteten Durchbruchsangriff zum Dnjepr an. Er nahm am ersten Tag einen unerwarteten Verlauf. Denn sein Schwergewicht lag zwar im Abschnitt des XXX. Armeekorps westlich des Busuluk (...), führte aber gerade dort trotz eines einstündigen Trommelfeuers von stärksten Außmaßen (...) zu keinem Erfolg. Seine nur durch schwächere Panzergruppen unterstützte massierte Infanterie wurde schon in den Bereitstellungen durch das wirksame eigene Artilleriefeuer soweit zerschlagen, daß es zu keinem zusammenhängenden Angriff auf breiter Front kam. (...) Das XXX. Armeekorps mit der 16. Panzergrenadier-Division, der 123. und 46. Infanteriedivision erzielten einen vollen Abwehrerfolg.

Das war - wie wir gesehen haben - von der Führung der 15. Infanterie-Division vor Ort etwas anders eingeschätzt worden. Frenck schreibt dann über die Gegend weiter westlich, und zwar östlich des Flusses Saksahan (Ssakssagan) (Frenck1944, S. 21ff): 

Dahingegen glückte den Sowjets zwischen Selenyj Gai und Kamenopol ostwärts des Ssakssagan mit dem geringen Aufwand von 3 Divisionen ein Überraschungserfolg. Die 62. Infanterie-Division, durch das starke Vorbereitungsfeuer offenbar sehr stark mitgenommen, hielt dem Druck nicht stand und konnte nach Verlust von 1/3 ihrer Gefechtsstärke die 8 km breite und 6 km tiefe Einbruchsstelle gerade noch notdürftig abriegeln.

Die beiden hier genannten Ortschaften finden sich heute unter "Kamjane Pole" und "Selenyi Hai" (GMaps), das heißt, westlich von Sofijewka (heute "Sofijiwka") am Fluß Kamenka. Der Angriff vom 30. Januar 1944 an der Nordfront auf die Sehne des Brückenkopfes und die weitere Entwicklung des Angriffes findet sich auch auf der folgenden Karte dargestellt (Abb. 5).


Abb. 5: Der entscheidende sowjetische Angriff an der Nordfront der deutschen Brückenkopfes Nikopol in Richtung Apostolowo - Er zwang schließlich zur Aufgabe des Brückenkopfes (Wiki)

Frenck schreibt weiter - wir bringen nur grobe Ausrisse aus seiner Darstellung (Frenck1944, S. 21ff):

Die Lage bekam ein völlig verändertes Bild, als der Feind am 31.1. seine örtlichen Einbrüche beim XXX. Armeekorps (...) unter Einsatz von etwa 130 Panzern zu einem 12 km breiten und 4 km tiefen Einbruch nach Süden und Südwesten erweitern konnte. (...) Das XXX. Armeekorps (...) schoß 70 Panzer ab und verhinderte einen Durchbruch.

Dennoch, so Frenck (Frenck1944, S. 21ff) ... 

... stand der Feind damit nur noch 30 km vor den für die Gruppe Schörner, insbesondere den Brückenkopf entscheidenden Verbindungen. (...) Der Flaschenhals am Dnjepr-Knie wurde immer enger. Die Bewegungsfähigkeit aller Fahrzeuge und schweren Waffen näherte sich im Schlamm dem Nullpunkt. Die Infanteristen wateten bis zum Stiefelschaft im Dreck.

Wenn man es recht versteht, befindet sich heute an dem Ort der genannten Kämpfe 12 Kilometer westlich des Busuluk eine sowjetische Kriegsgräberstätte (s. Abb. 7).

Abb. 6: Nordfront des Brückenkopfes Nikopol am 1. Januar 1944 (LdW) - Ganz links die 62. Infanterie-Division zwischen den Flüssen Ssakssagan und Kamenka

Sie befindet sich zwischen den Dörfern Petrowe und Schyroke auf dem Gelände des ehemaligen Dorfes Vysokoye (WCom) (GMaps):

Massengrab sowjetischer Soldaten, die bei der Befreiung gefallen sind im November 1943 - Januar 1944. 5061 Menschen wurden begraben, geborgen in der Steppe zwischen den Dörfern Shiroke (Menzhinka) und Petrovo. (...) Im Zeitraum 2010-2016 wurden 867 Überreste sowjetischer Soldaten begraben.

Siehe auch (Yt). Die künstlerische Gestaltung der Kriegsgräberstätte möchte man sogar als ansprechend charakterisieren (Abb. 7). Ob ihr Pathos allerdings der angemessene Ausdruck für einen Sieg des Kommunismus in der Ukraine ist, mag aus heutiger Sicht doch sehr dahin stehen. Wenn wir die Lagekarte vom 1. Januar 44 richtig lesen, hat in dieser Ortschaft die deutsche 16. Panzergrenadier-Division verteidigt (Abb. 6).

Abb. 7: Kriegsgräberstätte auf dem Gelände des ehemaligen Dorfes Vysokoye, 12 Kilometer westlich des Flusses Basuluk (Wiki)

Der Befehlshaber der Armeegruppe Schörner, General Schörner, hat nun am 1. Februar erneut die Räumung des Brückenkopfes Nikopol beantragt.

Keine Genehmigung zur Räumung des Brückenkopfes, 31. Januar 1944

Immer noch wurde diese nicht erteilt. Es wurde ebenso wenig genehmigt, daß die 3. Gebirgsdivision aus dem Brückenkopf insgesamt heraus gezogen würde (Frenck1944, S. 24):

Die Armee stellte daraufhin die 3. Gebirgsdivision als Reserve in die Tiefe des Brückenkopfes.

Das heißt, die 3. Gebirgsdivision, die südlich von Nikopol und vom dortigen Dnjepr den Brückenkopf verteidigte, dürfte schon zu diesem Zeitpunkt nach Norden über den Dnjepr herüber geholt worden sein. Bei diesem Anlaß werden viele Fotografien entstanden sein (Abb. 8 bis 12). Aber die Verlegung, bei denen viel fotografiert wurde, waren nicht die eigentlichen Kampflagen, die voraus gingen, und die auch sehr schnell wieder folgen sollten. Denn die Lage für die Armeegruppe wurde nun schnell bedrohlicher (Frenck1944, S. 24):

Am 2. Februar verlor die 15. Infanterie-Division Kamenka. (...) Bei Scholochowo war der Flaschenhals bis auf wenige Kilometer zu. 

Das Dorf Scholochowo (Wiki) (GMaps) liegt am Zusammenfluß des Busuluk mit der Solonaja (Ssolenaja). Scholochowo liegt 36 Kilometer nordwestlich von Nikopol auf dem Weg nach Krivoy Rog. Vierzehn Kilometer hinter Scholochow Richtung Krivoy Rog liegt das erwähnte Dorf Kamenka. 

Abb. 8: 3. Gebirgsdivision: "2 cm-Flak auf Selbstfahrlafette der Divisions-Fla-Kompanie. Kampf im Nikopol-Brückenkopf, Winter 1943/44. Alles verschlammt, kaum noch ein Vorwärtskommen"

Bei diesen Gegenden handelt es sich um eine archäologisch inzwischen bestens erforscht Region der Urheimat der Späten Urindogermanen, der Jamanaja-Kultur, der Vorfahren aller heutigen Europäer (s. Stgen2024). Auch auf Wikipedia findet sich die Angabe (Wiki):

In der Nähe von Scholochowo wurden Siedlungen und ein Grabhügel aus der Bronzezeit (III. - Anfang des I. Jahrtausends v. Ztr.) und eine Stätte aus der skythisch-sarmatischen Zeit (IV.-II. Jahrhundert v. Ztr.) entdeckt. In den 1976 ausgegrabenen Hügeln wurden reiche skythische Gräber gefunden. Es wurden Überreste der Siedlung der Tschernjachiw-Kultur des 4. Jahrhunderts entdeckt.

Mit Tschernjachiw-Kultur wird archäologischerseits das Volk der Goten benannt, die sich - zusammen mit ihren sagenhaften Königen - in dieser Region die Schlachten mit den Hunnen lieferten, die sie verloren haben. 

Am 3. Februar 1944 endlich wurde die Aufgabe des Brückenkopfes Nikopol von der obersten deutschen Führung genehmigt. 

Beginn des Abzuges aus Nikopol, 3. Februar 1944

Nächstes Angriffsziel der Sowjets war zu diesem Zeitpunkt schon - nachdem sie Scholochowo und Kamenka eingenommen hatten: Apostolowo (Frenck1944, S. 28):

Die mit schwachen Kräften auf weiter Flur allein kämpfende 9. Panzerdivision verteidigte die Stadt am 5.2. zusammen mit der eingesetzten Heeres-Flak und Alarmeinheiten bis zum letzten Schuß. (...) Erst als die Stadt von Osten und Westen vor der Einschließung stand und die Rohre der Flak nach der letzten Granate gesprengt worden waren, ging die Division mit 7 Panzern, im übrigen ohne Fahrzeuge und Nachrichten-Mittel zu Fuß beiderseits der Bahn hinhaltend kämpfend in Richtung Kronau zurück, um sich dort neu zu ordnen und zu munitionieren.

Hier wird nun wieder ein deutsches Dorf genannt. 

Abb. 9: Handschriftlich steht auf der Rückseite: "Unsere drei Trossfahrzeuge während der Überfahrt über die Nikopolbrücke, 3.2.44" (Reibt)

Es handelt sich um das deutsche Kolonisten-Dorf Kronau (Wiki) (GMaps). Es bis Herbst 1943 Teil der deutschen Mennonitensiedlung Kronau am Inguletz, die zu diesem Zeitpunkt schon eine bewegte Geschichte hinter sich hatte. Als Teil der Gesamtgeschichte der Ukraine im 20. Jahrhundert hatte sie alles erlebt, was es in dieser so zu erleben galt: Bürgerkrieg, Massaker ganzer Dörfer, Hungersnöte, Deportationen der Männer und vieles andere mehr. In einem künftigen Blogbeitrag soll das genauer behandelt werden. Frenck schreibt weiter (Frenck1944):

Die Armee, fast bewegungsunfähig (...), nur noch auf den zu Fuß durch den Schlamm watenden Grenadier, das Tragtier des Gebirgsjägers, das Pferd, die wenigen schlammbeweglichen Panzer und Zugmaschinen sowie auf die Transport-Ju's angewiesen, wandelte zwei bittere Wochen hindurch am Rande des Abgrundes. Himmel und Hölle hatten sich gegen sie verschworen. Die Wegelage steigerte sich von Stunde zu Stunde mehr zur Katastrophe. Im zähen Schlamm blieb ein Kraftfahrzeug nach dem anderen liegen. (...) Ein großer Teil aller Räder-Kraftfahrzeuge im Kampfraum mußte bereits als verloren angesehen werden.

Das Glück der Armeegruppe Schörner war, so schreibt Frenck, daß die Sowjets ihre Angriffsspitzen des Durchbruch-Angriffs teilten - Richtung Kriwoi Rog und Richtung Nikopol. Außerdem blieben sie selbst im Schlamm stecken. So gelang es den Sowjets zwar nicht, den Kessel vollständig abzuschnüren.  

Aber es mußten dennoch schwere und verlustreiche Ausbruchkämpfe am schmalen Durchbruch von Seiten mehrerer jener deutschen Divisionen geführt werden, die auch schon an der Molotschna und an der Südfront des Brückenkopfes in monatelangen schweren Abwehrkämpfen gestanden hatten. So unter anderem in Ortschaften wie Kostromka und Solotaja Balka am Dnjepr-Knie, in denen es heute große sowjetische Kriegsgräber-Gedenkstätten gibt.

Abb. 10: Handschriftlich steht auf der Rückseite: "Die rettende Nikopol-Brücke, Aufnahme 3.2.44. Im Hintergrund die Stadt" (Reibt)

Die dritte Gebirgsdivision konnte nun noch per Bahn Richtung Scholochowo und Kamenka gefahren werden. Sie wurde an der dortigen Front am 4. Februar ausgeladen und konnte noch am selben Tag und am Folgetag die Verteidigung dort aufnehmen (Frenck1944, S. 31):

258. I.D. drückte im Angriff den aus Scholochowo auf Alexandrowka vorstoßenden Feind zurück, 3. Geb. Div. schlug bei Hp.Tok mit Panzern angreifenden Feind zurück, so daß Flaschenhals an der Kamenka offen blieb.

Am 6. und 7. Februar wurde der Brückenkopf Lepaticha auf der linken, östlichen Seite des Dnjepr geräumt. 

Abb. 11: Übersetzen über den Dnjepr (aus Rolf Hinze/Rückzugskämpfe) (FdW)

Über diese waren mehrere andere deutsche Divisionen von der Südfront des Brückenkopfes auf die rechtsseitige Dnjepr-Seite hinüber geholt worden (Frenck1944):

Es gingen über den Dnjepr die 335. I.D., Teile 111. I.D. und Masse Art. 97. Jg.Div.. Bildung zweier engster Brückenköpfe Bol. Lepaticha und Ssergejewka. Feind drückte stark nach und erzielte kleine Einbrüche.

Ein Soldat namens Stauch, Angehöriger der hessischen 9. Infanterie-Division, die hier gar nicht genannt wird, aber ebenfalls über Lepaticha zurück ging, fand sogar noch Zeit zu einer künstlerischen Darstellung der auf der Rückzugsstraße im Schlamm stecken gebliebenen Fahrzeuge (Abb. 13). 

Am 8. Februar 1944 waren die Sowjet-Soldaten dann schon selbst über den Dnjepr übergesetzt und es heißt (Frenck1944):   

Gruppe Schörner entschloß sich, am 8.2. durch Angriff 17. und 302. I.D. den Raum Marinskoje - Nowo Woronzowka zu öffnen und mit dem Ausbruch zu beginnen.

Also die Nürnberger 17. Infanterie-Division, die schon bei Alt-Nassau an der Molotschna den Ostwall verteidigt hatte, sowie die mecklenburgische 302. Infanterie-Division, die weiter nördlich den Ostwall verteidigt hatte und die dann die südöstlichste Stellung des Brückenkopfes Nikopol gehalten hatte, sind jetzt Divisionen, die den Ausbruch der Armeegruppe Schörner freikämpfen müssen.

Durchbruch zwischen Kostromka und Solotaja Balka (ab 7. Februar 1944)

Die Ortschaften, denen gegenüber der Weg freigekämpft werden mußte, waren die beiden Ortschaften am Westufer des Dnjepr-Knies (GMaps). 50 Kilometer weiter westlich in Kronau (Wiki) (GMaps) stand die 9. Panzerdivision. Frenck schreibt über den 7. und 8. Februar (Frenck1944, S. 32):

9. Pz.Div. trat mit beweglichen Teilen aus dem Raum Kronau nach Osten an, um in Zusammenwirken mit 97. Jg.Div. Ausbruch Gruppe Schörner zu unterstützen. In Südwestteil von Bol. Kostromka eingedrungen. (...) Stadt Nikopol nach Zerstörung aller wirtschaftlichen und militärischen Einrichtungen planmäßig geräumt. 900 Schwerverwundete aus Nikopol im Bahntransport in die Ausbruchsstelle vorgefahren.

Bei "Bol. Kostromka" handelt es sich um "Bolschaja-Kostromka". Bolschaja ist ein anderen Wort für "groß", so daß der Name gleichbedeutend sein dürfte mit dem heutigen Namen Welyka Kostromka (Wiki), zu Deutsch Groß-Kostromka. Im Norden der Ortschaft gibt es auch noch Klein-Kostromka (Mala Kostomka = Малая Костромка) (Wiki). 

Abb. 12: Dritte Gebirgsdivision in der Nähe von Nikopol - nicht nur Infanterie, sondern auch Kanoniere und Panzerfahrer haben inzwischen ihre Fahrzeuge stehen gelassen und waten im Schlamm zurück

Ähnliche Vorsilben gibt es übrigens für Lepaticha auf der linken Seite des Dnjepr. Auch da gibt es ein Groß-Lepeaicha (Welyka Lepaticha oder Bolschaja Lepaticha) und ein Klein-Lepeticha (Mala Lepeticha). Bei Frenck ist vermutlich falsch von "Bollwerk Kostromka" die Rede. Es wird sich dabei um ein falsches Verständnis der Abkürzung "Bol." handeln.

In Groß-Kostromka soll übrigens ein "Held der Sowjetunion" im tapferen Kampf sein Leben gelassen haben. Er hätte im Kampf 26 deutsche Soldaten mit sich in den Tod genommen, so wird berichtet (Wiki). Das ist eine Art der Heldenverehrung, die es auf deutscher Seite nicht gibt. Soweit übersehbar, ist nie gezählt worden, wie viele feindliche Soldaten ein deutscher Soldat erschossen hat. (Aber wir mögen uns irren.) Bolschaja Kostromka war viele Tage lang schwer umkämpft. Es gibt dort deshalb auch eine sowjetische Kriegsgräberstätte (Drt). In Bolschaja Kostromka wollten die Sowjets der Armeegruppe Schörner von Norden her den Rückzug abschneiden. Das Grenadier-Regiment 21 als Teil der 17. Infanterie-Division half mit, Bolschaja Kostromka zu halten (LdW):

Am 8. Februar 1944 erfolgte zusammen mit der 3. Gebirgs-Division bei Apostolowo ein Gegenangriff nach Norden. Es gelang, eine Verbindung zum eingeschlossenen XVII. Armeekorps herzustellen und zwei Wochen offen zu halten, so daß dieses bei Bolschaja-Kostromka abfließen konnte.

Auch die 302. Infanterie-Division hatte teil an den Kämpfen um Bolschaja-Kostromka. 

Abb. 13: Rückzug des Grenadier-Regiment 116 im Rahmen hessischen 9. Inf. Div. bei Lepeticha Anfang Februar 1944 - Die Fahrzeuge im Schlamm versunken (wwii)

Wir lesen zunächst noch einmal über den Einsatz dieser Division an der Südfront des Brückenkopfes Nikopol und dann bei seiner Räumung (LdW):

Die linke Flanke war an das ca. 15 km breite, dicht bewachsene Flußtal des Dnjepr angelehnt. Das Grenadier-Regiment 570 wurde am Nordufer des Flusses eingesetzt, so daß die Division die verbliebene HKL nur noch stützpunktartig besetzen konnte. In schweren Abwehrkämpfen wurde der linke Flügel der Division von den Uferhöhen am Dnjepr heruntergedrückt. Anschließend festigte sich die Frontlinie in einer nun verkürzten Frontlinie, die bis Januar 1944 gehalten werden konnte. Da die Regimenter von den vorherigen Kämpfen stark geschwächt waren, wurden die III. Bataillone aufgelöst und auf die Regimenter verteilt. Die eigene Frontlinie lag unter beständigen russischen Angriffen.

Und zur großen Lage wechselnd (LdW)

Am 31. Januar und 1. Februar 1944 stieß die 8. russische Gardearmee mit überlegenen Kräften von Norden her in die Brückenkopffront mit der Absicht, den Brückenkopf abzuschnüren. Angesichts der bedrohlichen Lage wurde der Brückenkopf Nikopol aufgegeben. Die Division überschritt als Nachhut die Brücke von Kamenka nach Nikopol. Die von Apostolowo nach Süden vorgehenden russischen Verbände hatten inzwischen Bolschaja-Kostromka genommen und so 11 deutsche Divisionen bis auf eine kleine Lücke von etwa 7 km eingeschlossen. Die 302. Infanterie-Division erhielt den Auftrag, den über Bolschaja-Kostromka vorgestoßenen Feind zurückzuwerfen und Bolschaja-Kostromka zu nehmen, um ein Abfließen der deutschen Verbände zu ermöglichen. Der Angriff der Division begann am 8. Februar mit den bereits eingetroffenen Teilen der Division und führte zur Rückeroberung von Bolschaja-Kostromka. Bis zum 26. Februar 1944 wurde der Ort unter schweren Verlusten gehalten, dann konnten sich die Reste der Division über den Inguletz zurückziehen.

Wie dramatisch sich das Geschehen entwickelte, wird auch daran erkennbar, daß die Sowjets auf der Ostseite der Ausbruchsfront, am Ufer des Dnjepr-Knies bei Solota Balka (GMaps) sehr bald einen Brückenkopf bilden konnten (wie schon erwähnt). Solota Balka liegt in der Luftlinie nur wenige Kilometer nördlich des Stammeszentrums der Späten Urindogermanen bei Michailowka (Mykhailivka) (Wikirussukr), wo, wie wir gleich hören werden, die Sowjets ebenfalls schon gelandet waren. Sie waren ebenso südlich von Michailowka bei der bei Ruine Falz Fein gelandet.

Abb. 14: Karte der Region Nikopol, Dneprowka und Lepaticha, auf der auf der Westseite des Dnjepr auch das Dorf Girly eingetragen ist

Über den 9. und 10. Februar 1944 wird von den sowjetischen Landeköpfen auf der rechten, westlichen Seite des Dnjepr berichtet (Frenck1944, S. 33):

Feind bildete zwischen Michailowka und Solotaja Balka weitere Landeköpfe, um Gruppe Schörner in den Rücken zu fallen und sich mit der nördlichen Angriffsgruppe im Raum Bol. Kostromka zu vereinigen.

Über den 11. und 12. Februar wird berichtet (Frenck1944, S. 34):

Osthälfte von Solotaja Balka genommen. Bereits Masse von 6 Schützen Divisionen und 3 mech. Brigaden des II. Gd.mech.Kps. über den Dnjepr gesetzt. (...) Süd- und Ostteil von Bol. Kostromka genommen. 320. I.D. nahm Höhe 3 km ostwärts Bol. Kostromka.

Und über den 13. und 14. Februar (Frenck1944):

In den feindlichen Landköpfen am Dnjepr, insbesondere bei Ruine Falz Fein und Solotaja Balka heftige Kämpfe. Feind versuchte in letzter Stunde von dort Ausbruch Gruppe Schörner nach Süden zu verhindern. Gruppe Schörner nach Süden abgedreht. (...) Durch einen Großangriff auf Bolschaja Kostromka versuchte Feind heute noch einmal, die Gruppe Schörner abzuschneiden. 97. Jg.Div. und 302. I.D. schlugen Angriff zurück und gewannen im feindbesetzten Nordteil des Ortes Boden.

Um das Dorf Marjanske am Dnjepr-Knie (GMaps) fanden ebenfalls schwere Kämpfe statt (Wiki):

Am 11. Februar 1944 rückte das 179. Regiment (...) in Richtung Marjanske vor, um die Straße nach Nowo Woronzowka zu unterbrechen. Mehr als 70 sowjetische Soldaten starben in den Kämpfen um die Befreiung von Marjanske, darunter: Gardemajor V.I. Fokin, Gardehauptmann A.K. Kamenev, Gardeunterleutnants M.I. T. M. Vorobyov und andere. Im Zentrum des Dorfes liegt ihr Massengrab.

Über den 14. und 15. Februar 1944 ist zu lesen (Frenck1944, S. 34):

Erbittertes Ringen an den Dnjeprlandeköpfen. Tiefer Einbruch bei Solotaja Balka wurde beseitigt, Feind drang in Südteil von Girly ein.

Das Dorf Girly findet sich auf der Karte in Abb. 14. Im weiteren wird die Ortschaft "Werchne Michailowka" erwähnt, das könnte für "Oberes Michailowka" stehen. Es handelt sich jedenfalls um eine Häusergruppe südlich von Nowossemeniwka (GMaps) (s. Abb. 15), die auf Google Maps heute gar nicht mehr ausgewiesen ist. Sie darf nicht verwechselt werden mit dem Dorf Michailowka am Dnjepr-Ufer. Frenck schreibt (Frenck1944):

Feind stieß mit stärkeren Kräften in die Westflanke des IV. A.K. und erzielte auf Werch. Michailowka einen 4 km tiefen Einbruch, saß der Gruppe Schörner damit im Rücken.

Zum 15. und 16. Februar heißt es (Frenck1944, S. 35):

Frost, Besserung der Wege- und Versorgungslage. Da Gruppe Schörner kräftemäßig nicht in der Lage, den tiefen Einbruch bei Werch. Michailowka zu beseitigen, wurden IV. und XVII. A.K. heute Nacht auf die allgemeine Linie Nowo Woronzowka Nord Bolschaja Kostromka zurück genommen.

Damit, so Frenck, war der Ausbruch abgeschlossen.

Abb. 15: Die Ausbruchskämpfe der Armeegruppe Schörner (aus Rolf Hinze/Rückzugskämpfe) (FdW) - Werchne Michailowka liegt nordöstlich von Bolschaja Kostromka - Der sowjetische Brückenkopf zwischen Solotaja Balka und Ruine Falz Fein ist nicht dargestellt   

Das heißt aber nicht, daß die Kämpfe um Bolschaja Kostromka zu Ende gewesen wären. Am 19. Februar 1944 fiel dort bei einem Gegenstoß Karl Pongratz, Angehöriger der 3. Gebirgsdivision (RegioWiki). Ob er einer derjenigen war, der von dem "Helden der Sowjetunion" mit in den Tod genommen worden ist?

Ebenso gingen die Kämpfe westlich von Solotaja Balka weiter. Im Südteil der Ortschaft Chreschtscheniwka (Wiki), von Solotaja Balka einige Kilometer landeinwärts gelegen, gibt es ebenfalls eine sowjetische Kriegsgräberstätte (GMaps). Die dort begrabenen Soldaten werden in den Kämpfen Ende Februar gefallen sein. 

Abb. 16: Neue Angriffe auf die noch nicht gefestigte deutsche Front bei Schirokoje am 5. März 1944 (aus Rolf Hinze/Rückzugskämpfe) (FdW)

Nach der Aufgabe von Bolschaja Kostromka und weiterer Rücknahme der Front verläuft diese am 5. März schließlich am rechten Dnjepr-Ufer nördlich von Dultschina (heute: Dudtschany) (Wiki) (GMaps) (s. Abb. 16).

Rückblick: Der Ablauf der Räumung von höherer Warte aus gesehen

Über die Schicksale 3. Gebirgs-Division im Brückenkopf heißt es zusammenfassend (Wiki):

Es begann in der ersten Februarhälfte die planmäßige Räumung des Brückenkopfes. Der Rückzug nach Westen war äußerst schwierig, weil tagelanger Regen die Straßen unpassierbar gemacht hatte. Schlamm und Morast behinderten die Rückführung der schweren Waffen, so daß vor allem die Geschütze der Artillerie gesprengt werden mußten.
Bei diesem Rückzug wurde die 3. Gebirgs-Division zum ersten Mal eingekesselt, konnte aber bis zum 12. Februar nach Krassnyj bei Nikolajew ausbrechen. Die Lagekarte des OKH vom 29. Februar 1944 zeigte als Momentaufnahme die angespannte Situation der Heeresgruppe Süd. Die Gebirgs-Division war darauf in einem Raum nordwestlich des ehemaligen Brückenkopfgebietes im Zentrum der Verteidigungslinie des XXIX. Armeekorps zu finden. In der Zeit vom 13. bis 27. Februar zogen sich die Verbände der Gebirgs-Division stets bedrängt von der Roten Armee bis zum Fluß Ingulez zurück. Angelehnt an den Fluß wurde wieder Front gemacht und den nachstoßenden Sowjeteinheiten bis zum 7. März energischer Widerstand entgegengesetzt, ehe aufgrund einer erneuten Überflügelung durch die Rote Armee (Beresnegowatoje-Snigirjower Operation) der Rückzug angetreten werden mußte.

Es kann nun auch noch einmal eine Zusammenfassung der Rückzugsschlacht um Nikopol vom 30. Januar bis 29. Februar 1944 gegeben werden (Wiki):

Das deutsche IV., XVII. und XXIX. Armeekorps befand sich noch in einem östlichen Frontvorsprung an der Dnjepr-Linie. Um die Wehrmacht von der Richtung eines Hauptangriffes aus dem Raum 40 Kilometer nordwestlich von Saporischja abzulenken, begann am 30. Januar von Süden her durch die 5. Stoßarmee eine neue Offensive gegen den Nikopoler Brückenkopf. Um diesen Stoß aufzuhalten, wurden zwei deutsche Panzerdivisionen dorthin verlegt, ein Umstand der bald dem sowjetischen Hauptangriff nützte. Nachdem der Fehler erkannt wurde, wurden die 9. Panzer-Division zurückverlegt, doch der sowjetische Hauptstoß hatte derweil die Verbindung zu dem bei Kriwoi Rog stehenden XXX. Armeekorps abgeschnitten. Am 5. Februar befreite die sowjetische 46. Armee (General Glagolew) die Kleinstadt Apostolowo, rechts von ihr spaltete die 8. Gardearmee (General Tschuikow) die 6. Armee in zwei Teile. General Hollidt befahl daraufhin seinen abgeschnittenen Armeeteilen den Rückzug. Die 4. Ukrainische Front, die am 31. Januar eine Offensive begann, eroberte mit der 3. Gardearmee (General Leljuschenko) den Nikopoler Brückenkopf und befreite am 8. Februar zusammen mit Teilen der 6. Armee der 3. Ukrainischen Front die am nördlichen Dnjepr-Ufer liegende Stadt Nikopol.
Am 11. Februar begann ein Gegenschlag des XXXX. Panzerkorps in Richtung auf Apostolowo, um den noch offenen Korridor entlang des rechten Dnjeprufers für die zurückweichenden deutsche Truppen zu halten. Die sowjetischen Truppen wurden zwar verlangsamt, aber die zurückgehenden Einheiten der Wehrmacht erlitten hohe Verluste. Am 17. Februar setzte die 3. Ukrainische Front ihre Offensive fort, die sowjetische 37. und 46. Armee befreiten am 22. Februar Kriwoi Rog und erreichte zum 29. Februar den Fluß Ingulez.
Die Rote Armee zerschlug zwölf deutsche Divisionen (darunter drei Panzer-Divisionen und eine motorisierte) und eroberte die Mangan- und Eisenerzvorkommen.

Rund um die Ortschaft Apostolowo finden sich wiederum viele Grabhügel der Urindogermanen. Über das hier erwähnte XXX. Armeekorps lesen wir (Wiki):

Zu Beginn 1944 waren dem XXX. Korps die 46., 257., 304., 306. und 387. Infanterie-Division sowie die 16. Panzer-Grenadier-Division unterstellt. Das Oberkommando der übergeordneten 1. Panzerarmee wurde aus dem Dnjepr-Bogen herausgezogen und in die westliche Ukraine umgruppiert. Der Frontabschnitt der 6. Armee (Generaloberst Hollidt) verlängerte sich dadurch vom Brückenkopf Nikopol bis ostwärts Kirowograd, wo das LVII. Panzerkorps als linker Flügel die Front bis nordwestlich Kriwoi Rog verlängerte. Die Russen griffen wieder verstärkt das XXX. A.K. an, die 9. Panzer-Division mußte zur Stützung eingreifen. Einsetzendes Tauwetter machte das Gelände bald unpassierbar, Wasser sickerte in die Unterstände ein. Als die kurzweilig zugewiesene 24. Panzer-Division plötzlich abgezogen wurde, folgte am 31. Januar der Durchbruch der sowjetischen 8. Gardearmee und zweier Panzerkorps auf Apostolowo. Mit großer Mühe gelang es, dem um Kriwoj Rog konzentrierten XXX. Korps am Fluß Ingulez eine Zwischenstellung aufzurichten. Am 22. Februar wurde Kriwoj Rog geräumt, am 26. Februar setzten die erwarteten schweren Angriffe auf den Ingulez-Abschnitt ein.

Detaillierter ist zu erfahren (Wiki):

Hinter der deutschen Frontlinie im Brückenkopf von Nikopol befand sich die sumpfige Überschwemmungsebene des Dnjepr, die im Winter selten zufror. Die einzigen Ausgänge vom Brückenkopf waren eine Behelfsbrücke im nördlichen Sektor östlich von Nikopol und ein Paar einspuriger Pontonbrücken am äußersten südlichen Ende des Brückenkopfes bei Velikaya (Bolshaya) Lepetikha. Der Rest des Sektors der 6. Armee, der nach Norden und leicht nach Osten ausgerichtet war, erstreckte sich zwischen Stellungen 29 km nördlich von Krivoi Rog und 48 km nördlich von Apostolovo, wo die einzige Eisenbahnlinie, die die Armee versorgte, nach Norden und in Richtung Nikopol abzweigte. Die Stellungen verliefen über offene Steppe, die rechtwinklig durch zahlreiche Schluchten und die Wasserläufe von fünf großen Flüssen geteilt war.

In einem sowjetischen Film mit englischen Untertiteln ist die Eroberung der Brückenkopfes von Nikopol Thema (Yt). Die großen Verluste an Waffen und Fahrzeugen aller Art auf deutscher Seite werden in diesem Film heraus gestellt.

Wie man auf deutschen Lagekarten aus dem Januar 1944 für die Kämpfe rund um Nikopol und westwärts Nikopol entnehmen kann, war das gesamte Gebiet des heutigen Kachowka-Stausees eine feuchte Niederung. In dieser Region verteidigte das XXXX. Armeekorps unter dem Gebirgsjäger-General Ferdinand Schörner (1892-1972) (Wiki). Über Schörner lesen wir (Wiki):

Ende Oktober 1943 Monats übernahm Schörner die Führung der in diesem Brückenkopf stehenden drei Korps, die als Gruppe Schörner oder Armeeabteilung Nikopol bezeichnet wurden. Am 17. Februar 1944 erhielt Schörner das Eichenlaub zum Ritterkreuz für die erfolgreiche Räumung des Brückenkopfes bei Nikopol. Allerdings gab er einen Rückzugsbefehl über den Dnjepr so spät, daß die Armeegruppe Nikopol alle ihre Kraftfahrzeuge verlor.

Solche zurückgelassenen deutschen Wehrmachtfahrzeuge mag man auf einem der wenigen zeitgenössischen Fotografien aus dem Februar 1944 von einer Ausfallstraße von Nikopol sehen (s. Abb. 17). 

Abb. 17: Die Überreste des Armeegruppe Schörner - Im Februar-Schlamm des Jahres 1944 stecken geblieben und zurückgelassen: Wehrmachtfahrzeuge rechts und links der Ausbruchstraße von Nikopol nach Frosteinbruch und nach Einnahme durch die Rote Armee, Ende Februar 1944 (Wiki)

Noch genauer lesen wir über dieses von Schörner geführte Armeekorps (Wiki):

Ende Oktober 1943 wurde das Korps bei der 8. Armee eingesetzt, um den ersten sowjetischen Angriff auf Kriwoy Rog abzuschlagen. In dieser Zeit waren unterstellt: 14. und 24. Panzer-Division, 376. Infanterie und Teile der 3. SS-Division Totenkopf. Ab 27. November 1943 wurde das Generalkommando nach ihren Kommandierenden Generalen auch als Gruppe Schörner und ab 1. Februar 1944 als Gruppe von Knobelsdorff bezeichnet. Den ganzen Winter war der Großverband im Rahmen der 1. Panzerarmee zusammen mit dem XVI. Armeekorps für die Verteidigung im Dnjepr-Brückenkopf von Nikopol zuständig. Der übergeordneten Gruppe Schörner (Generalkommando XXXX.) waren dabei Ende 1943 große Teile der 6. Armee taktisch zugeteilt:
XVII. Armeekorps, General der Gebirgstruppe Hans Kreysing
123., 125. und 294. Infanterie-Division
IV. Armeekorps, General der Infanterie Friedrich Mieth
24. Panzer-Division
3. Gebirgs-, 17., 79., 111., 258. und 302. Infanterie-Division
XXIX. Armeekorps, General der Panzertruppe Erich Brandenberger
97. Jäger-, 9. und 335. Infanterie-Division
1944
Nachdem die Rote Armee die Nikopol-Kriwoi Roger Operation vom 10. Januar bis 29. Februar 1944 erfolgreich gegen das deutsche LVII. und LII. Armeekorps begonnen hatte, drohte der Gruppe von Knobelsdorff die Abschneidung aller Verbindungen. Schließlich mußte der Brückenkopf von Nikopol Mitte Februar geräumt werden. Während der zweiten Phase der Dnjepr-Karpaten-Operation mußte sich das Korps ab 5. März 1944 dem allgemeinen deutschen Rückzug durch die südwestliche Ukraine anschließen.

Wenn man es der Lagekarte recht entnimmt, befand sich der Befehlsstand von Schörner zeitweise östlich des Dorfes Marjanske am Nordufer des Dnjepr (GMaps).

Soweit ein grober Überblick über die Abläufe eines höchst vielfältigen Geschehens. Bei Gelegenheit sollen noch weitere Details dem hier gezeichneten Bild hinzugefügt werden. Man erhält als Deutscher ein ganz anderes Verhältnis zu dieser Landschaft, wenn man sich tiefergehender mit solchen Vorgängen beschäftigt, die erst zwei oder drei Generationen zurück liegen. Die Ukraine ist damit nicht mehr "irgendein" Land. Es ist zu viel hier geschehen, es sind zu viele Anstrengungen unternommen worden, als daß es uns jemals wieder ganz gleichgültig lassen könnte, was in dieser Landschaft und den Menschen darin geschieht.

Wir wollen uns in diesem Zusammenhang daran erinnern: Diejenigen Kräfte, die in allen Völkern glaubwürdig für ein gedeihliches Miteinander der Völker stehen, tauchen in der Politik und in den großen Medien im Grunde gar nicht mehr auf. In Politik und Medien weltweit ist eine "Zwischenwelt" entstanden und geschaffen worden, die mit den Lebensinteressen der Völker, für die diese zu sprechen vorgeben, gar nichts mehr zu tun hat. 

Völker Europas, schaut auf die Ukraine. Hier liegen eure Wurzeln. Und ein Land, in dem man wurzelt, das ehrt man.

_____________

  1. Major Dr. Frenck: Die Winterschlachten der 6. Armee im Großen Dnjepr-Bogen, im Brückenkopf Nikopol und im Raum Nikopol-Apostolowo-Kriwoi Rog vom 10.1. bis 18.2.1944. Armee-Oberkommando 6, Mai 1944 (wwii)
  2. Marc: Die Schlacht um Krivoi Rog30. Januar - 22. Februar 1944. Nach: Wilhelm Willemer, Paul Zärban: Die 15. Infanterie-Division im Zweiten Weltkrieg. Selbstverlag, Wiesbaden 1968 (15ID)
  3. Wie Kriwoi Rog während der Besatzung aussah (1941-1944) (HistoryKR2023)
  4. Rolf Hinze: Rückzugskämpfe in der Ukraine 1943/44 (FdW
  5. Lagekarte (wwii).
  6. Sowjetische Wochenschau offenbar über die Einnahme des Brückenkopfes Nikopol Anfang 1944 (Yt)
  7. Roman Digger: Wilde Amateur-Ausgrabungen am Brückenkopf Nikopol (Yt)
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