Ein ähnliches Changieren zwischen verschiedenen Lebensweisen als Fischer, Jäger und Sammler, sowie als Bauern und Hirten gruppiert um Langhäuser und Megalithgräber hat es in ganz Ostmitteleuropa und im Ostseeraum über viele Jahrtausende hinweg gegeben. Aus diesem Changieren sind in Ostmitteleuropa immer wieder große Kulturen und Reiche hervorgegangen so wie ja auch die Landnahme-Ungarn ein großes Reich begründet haben.
Aufgrund der Erkenntnis solcher Zusammenhänge kann gegenwärtig auch nicht ausgeschlossen werden, daß rund um die Stadt Allenstein in Ostpreußen in Masuren, auf dem einstigen Schlachtfeld der Schlacht von Tannenberg des Jahres 1914 das Urvolk der Slawen (Wiki) gelebt haben könnte (1, 2). Zumindest ist es eine denkbare Urheimat. Nach Zeitstellung und Örtlichkeit sind beim heutigen Kenntnisstand allerdings noch vielfältige andere Ursprungsorte und Zeiträume möglich. Das Urvolk der Slawen könnte entweder - wie die anderen indogermanischen Sprachfamilien Europas - im Spätneolithikum oder in der Bronzezeit oder sogar erst während der Völkerwanderungszeit entstanden sein.
Zwei neue archäogenetische Studien (1, 3) werfen neues Licht auf all diese Fragen.
Ab 3.000 v. Ztr. tritt die Kultur der Schnurkeramiker im heutigen polnischen Bereich, in Kujawien an der Weichsel und im Ostseeraum auf (s. Stgen2021). Die Schnurkeramiker leben erst als halbnomadische Stämme inmitten der vollseßhaften Kugelamphoren-Kultur, unternehmen womöglich sogar Kriegszüge mit dieser bis nach Nordjütland. Und sie vermischen sich in späteren Generationen mit der jeweils vor Ort einheimischen Bevölkerung, nämlich mit den Menschen der Kugelamphoren-Kultur im Weichselraum und mit den Menschen der Trichterbecher-Kultur im Ostseeraum. Dadurch bilden sich die indogermanischen Kulturen der Frühbronzezeit aus, insbesondere die Aunjetitzer Kultur und viele von dieser Kultur beeinflußte weitere Kulturen (siehe gleich).
In dieser Zeit könnte, so gegenwärtig noch eine Minderheiten-Meinung in der Wissenschaft, nicht nur die germanische und die keltische Sprache entstanden sein, sondern auch die slawische Sprache. Alle auf jeden Fall auf der Grundlage sehr ähnlicher Genetik, die dann auch genetische Kontinuität bis heute bewahrt hat. Wir lesen nun in einer neuen archäogenetischen Studie zu Angehörigen der bronzezeitlichen Kulturen in Westpreußen, Posen, Zentralpolen und der Ukraine, die sechshundert Jahre nach der Ausbreitung der Schnurkeramiker lebten und der Aunjetitzer Kultur nahestanden, die also schon jene Völkergruppen gebildet hatten, die bis heute fortbestehen (1):
Die Mehrheit der Individuen der Frühbronzezeit (2200-1850 v. Ztr.), die in dieser Studie ausgewertet worden sind, und die mit der Mierzanowice-Kultur (MC), der Iwno-Kultur (IC) und der Strzyżów-Kultur (SC) in Verbindung stehen, sind ihren direkten kulturellen Vorgängern (wie der Glockenbecher- und der Schnurkeramik-Kultur) genetisch ähnlich, wie aus der Hauptkomponentenanalyse (PCA) hervorgeht.
The majority of the EBA individuals in this study (2200–1850 BCE) associated with the MC, IC and SC are genetically similar to their direct cultural predecessors (such as the BBC and CWC), as indicated by the principal component analysis (PCA) plot (Fig. 1D).
Die hier genannte Iwno-Kultur (Wiki) gab es in der Frühbronzezeit in Westpreußen und in der Provinz Posen. Sie stellte - wie die beiden anderen genannten Kulturen - eine Untergruppe der Aunjetitzer Kultur (Wiki) dar. Sie ist in den 1930er Jahren von polnischen Archäologen als solche benannt und umschrieben worden.
Benannt ist die Iwno-Kultur nach dem Adelsgut Iwno (deutsch Lindental) (Wiki, poln), das in Westpreußen liegt, und zwar sieben Kilometer nordwestlich der Stadt Exin (poln. Kcynia) (Wiki) und 20 Kilometer südwestlich der Stadt Nakel an der Netze. Man orientiere sich auf ---> GMaps , wo wir den Weg von der Stadt Nakel an der Netze über das Gut Iwno nach der Stadt Exin und von dort nach dem Dorf Lohdorf bei Hohensalza in der Provinz Posen eingetragen haben, von dem gleich die Rede sein wird. Seit dem Mittelalter ist das Gut Iwno im Besitz polnischer Adels- bzw. Magnatenfamilien gewesen. Sein Gutshaus ist erhalten und heute renoviert.
Alle diese Ortschaften liegen in den ehemals deutschen Provinzen Westpreußen und Posen, und zwar in jenen Teilen dieser Provinzen, in denen die Mehrheit der Bevölkerung - vor allem auf dem Land - immer schon Polen waren, in denen aber seit der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung auch deutsche Städte und Dörfer gegründet worden waren, die also bis 1945 auch die Heimat von Millionen von Deutschen war. Nach dem Zerfall der Herrschaft des Deutschen Ritterordens in Westpreußen standen diese Gebiete unter der Oberherrschaft des polnischen Königs, 1772 kamen sie an Preußen.*)
1. Die Genetik der Kugelamphoren-Kultur - Sie bestand 1000 Jahre lang weiter
Im kulturellen Kontext der hier beheimateten Iwno-Kultur im Netze-Weichsel-Gebiet lebte nun bei Hohensalza in Kujawien im vormaligen politischen und wirtschaftlichen Zentrum des Reiches der Kugelamphoren-Kultur - nahe dem nachmaligen Dorf Lohdorf (poln. Łojewo), acht Kilometer südlich von Hohensalza (39 km südwestlich von Thorn, 48 km südöstlich von Bromberg) (s. GMaps) - ein Mann, der noch die "reine" mittelneolithische Genetik der vormaligen Kugelamphoren-Kultur aufgewiesen hat. Dieser Umstand ist ein sehr auffälliger. Der Mann ist in der Studie benannt als "poz502". Es wird über ihn ausgeführt (1):
Solche offensichtlich neolithischen Individuen wurden schon immer einmal wieder in Populationen beobachtet, die nach der Ankunft der Steppenhirten entstanden, und man vermutet, daß es sich um Ausländer handelte, die aus isolierten Populationen, die bis zum Ende des 3. Jahrtausends v. Ztr. ihre mittelneolithische genetische Ausstattung behielten, in Gesellschaften der Bronzezeit eingegliedert wurden. Wenn diese Interpretation auf poz502 angewendet wird, das durch die Radiokarbon-Methode auf die Grenze zwischen Früh- und Mittelbronzezeit (2000-1750 v. Ztr.) datiert ist, könnte dies darauf hindeuten, daß solche isolierten Populationen viel länger existierten als bisher bekannt war. Diese Hypothese wird durch archäologische Daten gestützt, die zeigen, daß einige neolithische Kulturen, insbesondere die Kugelamphoren-Kultur, bis weit in die Bronzezeit hinein Bestand hatten.
Such seemingly Neolithic individuals have occasionally been observed in populations postdating the arrival of steppe pastoralists and have been hypothesised to be foreigners who were incorporated into Bronze Age societies from isolated populations that retained a Middle Neolithic genetic makeup up to the end of the 3rd millennium BCE. If this interpretation is applied to poz502, radiocarbon dated to the border between the EBA and MBA (2008-1750 BCE), it might indicate that such isolated populations lasted far longer than previously reported. This hypothesis is supported by the archaeological record, which shows that some Neolithic cultures, most notably the GAC, lasted well into the Bronze Age.
Das könnte heißen: Im Zentrum der einstigen Kugelamphoren-Kultur überdauerte diese Kultur nicht nur kulturell, sondern auch genetisch viele Jahrhunderte länger (fast tausend Jahre länger!) als anderwärts. War es vielleicht so, daß die Schnurkeramiker dem alten Herrschaftssitz und der Kultur jenes großen Reiches, das sie tausend Jahre zuvor erst als halbnomadische Auswärtige in weniger fruchtbaren Gebieten in Randbereichen besiedelt (s. Stgen2021), dann später auch in der Fläche übernommen hatten, eine gewisse ehrfürchtige Verehrung bewahrten und darum insbesondere die Bevölkerung des Kernraumes dieses Reiches für Jahrhunderte, sozusagen, "unangetastet" ließen? (Man könnte sich denken, damit auch die einheimischen, vormaligen Reichsgottheiten weiterhin angemessen verehrt würden.)
2. Die mittelbronzezeitliche Trzciniec-Kultur - Sie wies genetisch einen erhöhten Fischer-Jäger-Sammler-Anteil auf
In der Mittleren Bronzezeit folgte auf die Iwno-Kultur in Westpreußen, Posen und Zentralpolen, sowie in der Ukraine die "Trzciniec-Kultur" (2400/1700-1300/1200 v. Ztr.) (Wiki). Insbesondere der polnische Mittelalter-Historiker und Direktor der Universität Posen in den 1960er Jahren Gerard Labuda (1916-2010) (Wiki) (s. Yt), seiner Herkunft nach ein Kaschube aus dem Kreis Karthaus in Westpreußen, in dem er 1916 als deutscher Staatsbürger
geboren worden war, und wo er 2010 auch begraben worden ist, vertrat die These, daß diese "Trzciniec-Kultur" das Urvolk der Slawen darstellen würde und auch in der Urheimat der Slawen gelebt hätte.
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Abb. 2: Die mittelbronzezeitliche Trzciniec-Kultur" (2400-1300 v. Ztr.) (Wiki) - Haben die Menschen dieser Kultur schon eine slawische Sprache gesprochen? |
Diese Kultur ist benannt nach einem Dorf Trzciniec (Wiki) nahe Lublin (GMaps), gelegen in der Weichselgegend 160 Kilometer südlich von Warschau.
Ob die Genetik die These von Gerard Labuda bestätigen kann? Angehörige dieser Trzciniec-Kultur spielen jedenfalls die Hauptrolle in der neuen archäogenetischen Studie. Zu ihnen heißt es (1):
Im Vergleich zu frühbronzezeitlichen Populationen stehen die mittelbronzezeitlichen Individuen im PCA-Bereich genetisch verschiedenen europäischen Jäger-Sammler-Populationen näher. (...) Dies deutet auf ein zusätzliches Vermischungsereignis zu Beginn der Mittleren Bronzezeit hin, bei dem eine Population mit relativ hohen Anteilen dieser genetischen Komponente beteiligt war.
Compared to EBA populations, the MBA individuals were closer in the PCA space to various hunter-gatherer populations from Europe. (...) This suggests an additional admixture event at the beginning of the MBA involving a population with relatively high proportions of this genetic component.
Zur Herkunft dieser neuen genetischen Komponente werden längere Ausführungen gemacht (1):
Bei der Verwendung von qpAdm zum Testen möglicher bidirektionaler
Vermischungsmodelle, die zur Bildung der mittelbronzezeitlichen Populationen führten,
wurden mehrere Modelle als plausibel eingestuft (s. Ergänzungsdaten 13),
wobei der höchste p-Wert (p = 0,21) erhalten wurde bei einem Paar bestehend aus Iwno-Kultur und neolithisch-baltischen Jägern und Sammlern (Neolithic Baltic=NBL). Ähnlich hohe
p-Werte wurden für andere Paare gefunden, darunter Iwno-Kultur und andere
Jäger-Sammler-Populationen: Westeuropäische Jäger und Sammler (WHG), Jäger
und Sammler von Gotland, Jäger und Sammler, die im Kontext der Brześć Kujawski-Kultur begraben wurden (BKGout) und Jäger-Sammler-Populationen, die dem baltischen Neolithikum (NBL) vorangingen (HGBL) (p = 0,207,
0,204, 0,164 bzw. 0,160).
When using qpAdm to test for possible two-way admixture models that resulted in the formation of MBA populations, several models were determined to be plausible (Supplementary Data 13) with the highest p value (p = 0.21) obtained for pair consisting of IC and Neolithic Baltic hunter-gatherers (NBL). Similarly high pvalues were found for other pairs including IC and other hunter-gatherer populations: Western Hunter Gatherers (WHG), PWC hunter-gatherers from Gotland, hunter-gatherer buried in BKG context (BKGout) and hunter-gatherer populations predating the NBL (HGBL) (p = 0.207, 0.204, 0.164, 0.160 respectively).
Im weiteren schreiben die Forscher (1):
Wir finden, daß eine Vermischung aus Schnurkeramikern, baltisch-neolithischen Jägern und Sammlern sowie Kugelamphoren-Kultur die genaueste Annäherung darstellen an jene Populationen, die an diesem Vermischungsprozeß beteiligt gewesen sein können.
We find CWCes, NBL and GAC to be the best proxies for populations involved in the admixture process.
Heißt das, daß jüngst neolithisierte Völker aus dem heutigen Raum Masurens, Ostpreußens und Litauens erobernd Richtung Süden gezogen sind, dort das brüchtig gewordene Reich der Iwno-Kultur unterworfen haben und sich mit der dortigen Bevölkerung vermischt haben? Entstand etwa hierdurch das Urvolk der Slawen in Form der mittelneolithischen "Trzciniec-Kultur"? In diesem Zusammenhang wird unter anderem verwiesen auf eine archäologische Studie von Dariusz Manasterski mit dem Titel "Exchanges between Syncretic Groups from the Mazury Lake District in Northeast Poland and Early Bronze Age Communities in Central Europe". Sie stammt aus dem Jahr 2010 (2). Ist in dieser Studie etwa die Urheimat der Slawen umschrieben? Lag sie in Masuren, im südlichen Ostpreußen?
3. Eine - vermutlich indogermanisierte - Fischer-, Jäger- und Sammler-Kultur in Masuren
Manasterski spricht von der "Ząbie-Szestno"-Kultur. Diese ist benannt nach zwei bis 1945 deutschen Dörfern. Zum einen nach dem Dorf Sombien (poln. Ząbie) (Wiki) bei Hohenstein in Ostpreußen. Es liegt 17 Kilometer östlich des einstigen Tannenberg-Denkmals inmitten des Schlachtfeldes der Schlacht von Tannenberg im Jahr 1914 (Wiki). Diese Kultur ist außerdem benannt nach dem Dorf Seehesten (Wiki) bei Sensburg in Ostpreußen. Dieses Dorf wurde 1401 von dem Ordensritter Ulrich von Jungingen begründet, der 1407 bis 1410 Hochmeister des Deutschen Ritterordens war. In Seehesten gibt es noch heute die Ruine einer Burg des Deutschen Ritterordens. Seehesten liegt ebenfalls auf dem Schlachtfeld von 1914. Beide genannten Dörfer liegen 85 Kilometer voneinander entfernt, und zwar das erstere südlich, das letztere östlich von Allenstein (GMaps).
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Abb. 3: Die Sombien-Seehesten-Kultur (poln.: "Ząbie-Szestno"-Kultur) - Eine
masurische, vermutlich indogermanisierte Jäger-Sammler-Kultur der
Frühbronzezeit - Sie stand im Kulturaustausch mit indogermanischen
Kulturen der Aunjetitzer Kultur (UC, IC, MC, SC) (aus: 2) UC - Unetice
culture, IC - Iwno culture, MC - Mierzanowice culture, SC - Strzyżów
culture, TC - Trzciniec culture, PG - Płonia group, LG - Linin group, ZS
- Ząbie-Szestno type
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Zu Deutsch wäre diese masurische Jäger-Sammler-Kultur, die "synkretistisch" neolithische Kulturelemente übernommen hatte, also zu benennen als die "Sombien-Seehesten-Kultur" (poln. "Ząbie-Szestno"-Kultur). Die Schlußsätze der Studie von Dariusz Manasterski lauten (2):
Das derzeit bekannte Material läßt nur den Schluß zu, daß diese Gruppen einen ausgesprochen synkretistischen Charakter hatten und in ihren Inventaren Merkmale vereinten, die sowohl mit spätneolithischen als auch mit frühbronzezeitlichen Kulturen Mitteleuropas in Verbindung gebracht wurden (Manasterski 2009, S. 134, 148-149). Daher werden sie (Ansammlungen vom Typ Ząbie-Szestno) vorerst mit dem Namen der archäologischen Stätten an jenen Orten bezeichnet, wo bislang die charakteristischsten Beweise für sie gefunden wurden: Sombien (Fundort X) und Seehesten (Fundort II).
The material known at present allows us only to conclude that these groups were markedly syncretic in character, combining in their inventories attributes associated with Late Neolithic as well as with Early Bronze cultures of Central Europe (Manasterski 2009, pp.134, 148-149). Consequently, for the time being they (assemblages of Ząbie-Szestno type) are referred to using the name of archaeological sites at the locations which yielded the most characteristic evidence: Ząbie site X and Szestno site II.
Diese Kultur in Masuren hatte auch Kulturaustausch mit dem westlichen Pommern, wo nahe des Dorfes Buchholz bei Stettin (Wiki), bzw. am Fluß Plöne (poln. Płonia) (Wiki) Dolche eines bestimmten Typs, nämlich des Plöne-Typs (poln. Płonia-Typs) gefunden wurden (s. Abb. 3). Solche Dolche spielten insbesondere im Zusammenhang mit der Glockenbecher-Kultur eine Rolle.
Nach der Studie können aber nicht nur Populationen in Masuren in Betracht gezogen werden, sondern aus einem viel weiteren Gebiet entlang der Zone des "Waldneolithikums" im nördlichen Osteuropa. Denn die Vermischungen sind auch in der Ukraine zu beobachten, und zwar dort sogar noch früher (1):
Die wahrscheinlichste Hypothese ist, daß diese gemischten mittelbronzezeitlichen Populationen an der Grenze der subneolithischen Waldzone entstanden sind in Verbindung mit Populationen mit dominierender genetischer Abstammung von westeuropäischen Jägern und Sammlern, sowie mit Nach-Schnurkeramik-Gruppen, die durch einen großen Anteil Steppenabstammung gekennzeichnet sind. (Original: The most likely hypothesis is that these admixed MBA populations
originated in the confluence of the sub-Neolithic forest zone,
associated with populations with dominant WHG ancestry14,15 as well as
post-CWC groups characterised by a large proportion of steppe ancestry.)
Das kann eben gut mit den Chanten und Mansen aus der Gegend südlich des Ural parallel gesetzt werden, weil auch diese hervor gegangen sind durch eine Vermischung von Indogermanen mit einheimischen Fischern. Weiter heißt es (1):
„Die subneolithische Waldzone“ ist ein weit gefaßter Begriff, der verschiedene archäologische Kulturen aus Nordosteuropa umfaßt, die durch die lang anhaltende Bewahrung eines vorwiegend von Jägern und Sammlern geprägten Lebensstils und die Einbeziehung kultureller Elemente neolithischen und bronzezeitlichen Ursprungs gekennzeichnet sind. Diese Populationen unterscheiden sich genetisch weiterhin von den neolithischen und postneolithischen Populationen, obwohl sie ein gewisses Maß an langanhaltendem kulturellem und wirtschaftlichem Austausch aufrechterhielten. Es ist möglich, daß dies zu einem gewissen Grad an Genfluß zwischen diesen Populationen führte, ähnlich dem Fall der Grübchenkamkeramischen Kultur (Pitted Ware Culture = PWC) auf Gotland, die abgelöst wurde durch anschließende Kontakte mit frühbronzezeitlichen Nachkommen von Steppenhirten. Darüber hinaus wiesen die Trzciniec-Kultur (TCC) einerseits und die subneolithische Waldzone andererseits ähnliche kulturelle Merkmale auf, hauptsächlich in Form von Töpferwaren und Technologien. Diese Ähnlichkeiten wurden oft als Zeichen eines vor allem kulturellen Austauschs interpretiert. Unsere Ergebnisse, die eine Zunahme der WHG-Abstammung während der mittleren Bronzezeit zeigen, deuten darauf hin, daß es während dieser Interaktionen zumindest zu einem gewissen Grad zu genetischen Vermischungen kam.
The sub-Neolithic forest zone” is a broad term that includes various archaeological cultures from north-eastern Europe, characterised by long-lasting preservation of a predominantly hunter-gatherer lifestyle, and the incorporation of cultural elements of Neolithic and Bronze Age origin38. These populations remained genetically distinct from the Neolithic and post-Neolithic populations, although they maintained some level of long lasting cultural and economic exchange14 It is possible that this lead to some degree of gene flow between those populations, similar to the one observed in the case of PWC in Gotland6,16 followed by subsequent contacts with EBA descendants of steppe pastoralists. Moreover, the TCC and sub-Neolithic forest zone exhibited similar cultural traits, mostly in the form of pottery and technologies12,13,39,40,41. These similarities have often been interpreted as signs of primarily cultural exchange. Our results, showing an increase in WHG ancestry during the MBA, indicate that at least some level of admixture occurred during these interactions.
Wir sahen ja schon in früheren Beiträgen, daß es mancherlei Hinweise darauf geben könnte, daß sich die Indogermanen (Schnurkeramiker, Glockenbecher-Leute) mit eher unterdrückten Völkern am Rande der Großreiche verbündeten und deren Herrschaft dann gemeinsam abwarfen (so zum Beispiel auch auf Sardinien). Vielleicht gibt es ein ähnliches Muster auch hier in Ostmitteleuropa.
Nun, dabei muß nicht zwangsläufig eine sehr grundlegend neue Sprache entstanden sein, zumal im Norden sich ja schon die baltischen Sprachen anschließen. Das Slawische könnte sich ja grundsätzlich auch schon während der Überschichtung der Kugelamphoren-Kultur durch die Schnurkeramiker ausgebildet haben.
Die erwähnte Grübchenkammkeramische Kultur (Wiki) hat im westlichen Ostseeraum parallel zur Trichterbecherkultur, um 3.000 v. Ztr. parallel zur Kugelamphoren-Kultur und zur (indogermanischen) Streitaxt-Kultur bestanden und hat insbesondere auf Gotland in mesolithischer genetischer Kontinuität die Kultur der indogermanischen Streitaxt-Leute angenommen. Ein ähnlicher Prozeß ist in den baltischen Ländern zu beobachten. Diese letzten Jäger-Sammler-Kulturen im Ostseeraum werden auch unter dem Begriff "Waldneolithikum" behandelt. Dazu wird auch die Narva-Kultur (Wiki, engl) gezählt.
Wichtig ist aber weiterhin, daß in der Studie angeführt wird, daß sich frühe Individuen mit mittelbronzezeitlicher Genetik auch im südöstlichen Polen finden (poz794 und poz758), gefunden im kulturellen Kontext der Strzyżów-Kultur. Somit käme auch diese Region als Region der Ethnogenese der mittelbronzezeitlichen Trzciniec-Kultur infrage. Allerdings weist die Strzyżów-Kultur aus archäologischer Sicht neben den vormaligen Schnurkeramik-Elemente auch kulturelle Elemente der östlicheren indogermanischen Katakombengrab-Kultur auf, die wiederum eine Nachfolge-Kultur der sehr bedeutenden Jamnaja-Kultur in der Ukraine darstellt. Da die Menschen der Strzyżów-Kultur aber keinen erhöhten Steppengenetik-Anteil aufweisen müßten, wenn diese Katakombengrab-Kultur auch genetisch Einfluß auf sie genommen hätten - was nicht der Fall ist - und sie stattdessen einen erhöhten Anteil westeuropäischer Jäger-Sammler-Genetik aufweisen, scheint auch diese Kultur genetisch vom mesolithischen Norden, bzw. vom Waldneolithikum her beeinflußt zu sein. In der Studie heißt es (1):
Der Prozeß der Vermischung, der um 1800 v. Ztr. begann, scheint ein eher kontinuierlicher Vorgang gewesen zu sein als das Ergebnis eines einzelnen Migrationsereignisses. Das wird durch die Anwesenheit von Individuen mit sehr hohem oder sehr geringem Anteil an Jäger-Sammler-Vorfahren während der gesamten Zeitspanne belegt innerhalb der Auswahl der hier analysierten MBA-Proben.
The process of admixture, which began around 1800 BCE, appears to have been a continuous rather than a result of a single migratory event, as evidenced by the presence of individuals with very high or very low proportions of hunter-gatherer ancestry throughout the whole temporal range of MBA samples analysed here.
Ein solcher allmählicher Vermischungsprozeß dürfte mit eher geringerer Wahrscheinlichkeit die Entstehung einer völlig neuen Sprache, bzw. gar Ursprache einer Sprachfamilie zur Folge gehabt haben. Insofern könnte es sich bei diesen Völkern schon im slawische Völker gehandelt haben, die sich allmählich mit Menschen aus dem Waldneolithikum vermischten, ohne daß das zumindest außergewöhnliche Auswirkungen auf ihre Sprache und Kultur gehabt haben muß.
Auch sonst ist ja in Mitteleuropa während der mittleren Bronzezeit ein allmählicher anteilmäßiger neuerlicher Anstieg der vormaligen mittelneolithischen Genetik zu sehen. Vielleicht ordnen sich die hier beobachteten Vorgänge in der Trzciniec-Kultur auch in solche Zusammenhänge ein.
Der Vermischungsprozeß soll vor allem von Männern mit hohen Anteilen von Jäger-Sammler-Genetik getragen gewesen sein, denn die Häufigkeitsverteilung der Y-chromosomalen Haplotypen änderte sich durch diesen deutlich.
4. Eine weitere Studie stellt genetische Kontinuität in der Provinz Posen von der vorgotischen Bevölkerung bis ins Mittelalter fest
Die traditionelle Slawenhypothese, nach der sich die Slawen nach der Völkerwanderungszeit aus dem Pripjet-Sümpfen heraus in alle Richtungen ausgebreitet hätten, scheint durch eine weitere archäogenetische Studie (3) zunächst widerlegt.
In dieser ist genetisches Material, gewonnen aus vielen eisenzeitlichen Skeletten der Wiebark-Kultur von Fundorten in der ehemaligen deutschen Provinz Posen und darüber hinaus, also vermutlich Skelette der dort lebenden frühen Goten gewonnen und sequenziert worden. Diese hatten sich mit dortiger, bisher einheimischer osteuropäischer Bevölkerung - in Teilen - vermischt.
Die Studie vergleicht die sequenzierten Goten des Posener Raumes dann mit der mittelalterlichen Bevölkerung desselben Raumes. Die mittelalterliche Bevölkerung gleicht genetisch noch der heutigen Bevölkerung desselben Raumes. Das Ergebnis insgesamt lautet (3):
"Die meisten der für die eisenzeitlichen und mittelalterlichen Gruppen gesammelten Daten stimmen mit der Hypothese überein, die eine genetische Kontinuität von der Eisenzeit bis zum frühen Mittelalter in Ostmitteleuropa annimmt, und legen nahe, daß eine Ausbreitung aus dem Osten im 6. Jhdt. n. Ztr. nicht notwendig ist, um den Genpool der mittelalterlichen Gruppe zu erklären. Allerdings kann man aufgrund dieser Daten weder während der Völkerwanderungszeit noch später weitere Ausbreitungsbewegungen von Osteuropa her gänzlich ausschließen."
Interessanterweise gleicht die Zusammensetzung der mitochondrialen Haplogruppen der Frauen der sequenzierten Goten noch ziemlich gut denen der mittelalterlichen Polen, während sich die Häufigkeitsverteilung der Y-chromosompalen Haplogruppen der Männer nach der Abwanderung der Goten noch sehr deutlich verändert hat.
Damit könnte die Frage nach der Entstehung der Slawen einer Lösung näher kommen. Es würde das - soweit uns das zugänglich ist - heißen, daß die slawischen Sprachen in dieser Region schon in der Bronzezeit, also in der Zeit der Aunjetitzer und der Lausitzer Kultur gesprochen worden sein können und sich dort parallel zu den keltischen und germanischen Sprachen im Westen entwickelt haben. Wenn sie aber in der Mittelbronzezeit dort schon gesprochen worden sind, können sie dort auch schon in der Frühbronzezeit, bzw. im Spätneolithikum - nach der Etablierung der Schnurkeramiker in diesem Raum - gesprochen worden sein.
Dem steht zumindest prinzipiell nichts entgegen, auch wenn es ungewöhnlich wäre, daß sich eine ganze Völkerfamilie, die parallel zur germanischen, keltischen, baltischen und finno-ugrischen gelebt hat, sich geschichtlich-archäologisch so viel weniger ausgeprägt geltend gemacht haben sollte als alle anderen, daß sie also immer wieder erneut von Völkern anderer Sprache überschichtet worden sein sollten, die kulturell und sprachlich wenig Einfluß auf die einheimische Bevölkerung genommen hätten.
All das könnte heißen: Die Sprache der Slawen, das Urslawische, entstand, als die Kugelamphoren-Kultur um 3.000 v. Ztr. von Schnurkeramik- und Glockenbecher-Leuten überlagert und indogermanisiert worden ist. Diese These halten wir schon seit vielen Jahren für plausbibel - und es scheinen sich die Daten zu mehren, die in Übereinstimmung stehen mit dieser These, insbesondere die in diesem Beitrag referierten Daten aus der Archäogenetik (1, 3).
Über die "Trzciniec-Kultur" (2400-1300 v. Ztr.) (Wiki) gibt es derzeit noch gar keinen deutschsprachigen Wikipedia-Artikel. Auf dem polnischsprachigen lesen wir (Wiki):
Einige Autoren betrachten das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Trzciniec-Kultur als Wiege der Protoslawen.
Seit 1913 wird von polnischen und tschechischen Archäologen die Theorie der autochthonen Herkunft der Slawen vertreten (Wiki):
Protoslawen sollen bereits in der Bronzezeit das Gebiet des heutigen Polen bewohnt haben (als Autochthone oder als Zustrom). Kostrzewskis autochthone Theorie von 1913 war eine Antwort auf die einige Jahre zuvor entwickelte allochthone Theorie, eine Ansicht, die die Siedlungen der frühen Slawen weiter östlich, im Dnjepr-Becken, ansiedelte (der Autor der ersten Veröffentlichung zu diesem Thema im Jahr 1902 war der tschechische Archäologe Lubor Niederle). (...) Es gibt auch Konzepte, die die Trzciniec-Kultur mit der Wiege der Protoslawen (vier westliche Gruppen dieser Kultur in Polen) verbinden.
(siehe ebenso: Wiki.) Als ein Vertreter dieser Theorie wird dann angeführt der schon erwähnte Gerard Labuda. Seine Veröffentlichungen zu diesem Thema scheinen aber nur auf polnischer Sprache vorzuliegen. Wir lesen zu ihnen (Vanaland):
Trzciniec Kultur-Hypothese: Nach dieser Theorie des polnischen Historikers Gerard Labuda ist die Ethnogenese der Balto-Slawen in der Trzciniec Kultur (ca. 1700-1200 v. Chr.) zu sehen, die die Kulturgruppen von Trzciniec, Sosnica, Komarov zusammenfaßt. Hierbei handelt es sich um Schnurkeramiker, die sich unter Einfluß der Aunjetitzer Kultur zur Trzciniec Kultur weiter entwickelten.
2016 wurde aufgrund genetischer Untersuchungen ausgeführt (Wiki):
Die Ergebnisse ließen die Annahme zu, daß die Vorfahren der modernen slawischen Bevölkerung Vertreter neolithischer Kulturen oder zumindest der bronzezeitlichen Bevölkerung Mitteleuropas sein könnten.
Von den Anteilen ihrer genetischen Herkunftsgruppen her unterscheiden sich die heutigen Mitteleuropäer, ob sie nun eine germanische oder slawische Sprache sprechen, kaum. Wenn also die Entstehung des Urgermanischen auf die Zeit der Ankunft der Schnurkeramiker und Glockenbecher-Leute im Nord- und Ostseeraum datiert wird (um 3.000 und 2.200 v. Ztr.) (Stgen2022), könnte es doch eigentlich naheliegend sein, die Entstehung des Urslawischen auf diesselbe Zeit zu datieren.
Über den polnischen Archäologen Jan Kowalczyk, der 1964 über die Kugelamphorenkultur schrieb, wird berichtet:
Ein Text von monographischem und populärwissenschaftlichem Charakter "Das Volk der Kugelamphoren-Kultur", wurde von Jan Kowalczyk in zwei nachfolgenden Büchern von (dem Verlag) "Z Abyss of Ages" veröffentlicht (Kowalczyk 1964a; 1964b). Er wurde in Form einer erzählten Geschichte verfaßt. Er bezieht sich nur auf die Kugelamphoren-Kultur, deren Gemeinschaft der Autor zu den Vorfahren der heutigen Polen zählt. (...) Der Autor betont die zerstörende und dunkle Rolle der Kugelamphoren-Gemeinschaften in der Vorgeschichte. Er bringt das Verschwinden der Trichterbecher-Kultur mit Angriffen der Kugelamphoren-Kultur in Verbindung, wie der Brand der Siedlung in Gródek beweise. Die Zeit der Vorherrschaft der Trichterbecher-Gemeinschaften bezeichnet er als „goldenes Zeitalter der Steinzeit“ und die Kugelamphoren-Gemeinschaften als „Wikinger des Neolithikums“.
A text of monographic and popular-scientific character, Lud kultury amfor kulistych [The People of the Globular Amphora culture] was published by J. Kowalczyk in two subsequent cahiers of Z otchłani wieków (Kowalczyk 1964a; 1964b). It has been written in the form of a spoken story. It refers only to the GAC, whose community the author includes among the ancestors of contemporary Poles. (...) The Author emphasizes the destructive and grim role of the GAC communities in prehistory. He connects the disappearance of the FBC with attacks from the GAC, as evidenced by the burning of the settlement in Gródek. The period of dominance of the TRB communities is referred by him to as the “golden age of the Stone Age”, and the GAC communities – as “Vikings of the Neolithic”.
Merkwürdigerweise ist von Seiten der Forschung in Bezug auf das Urslawische selten angenommen worden, daß es sich bis ins Mittel-, bzw. Spätneolithikum zurück verfolgen lassen könnte. Oft werden die slawischen Sprachen als viel jünger erachtet als die germanischen Sprachen.
Ein Grund für diese Sichtweise war sicherlich, daß man in der Bronze- und Eisenzeit sieht, wie sich keltische und germanische Stämme innerhalb Europas von Norden nach Süden und auch nach Osten ausbreiten, wobei man aber wenig Anhaltspunkte findet für eine ähnliche Ausbreitung slawischer Stämme. Von ihrer Kultur her scheinen die slawischen Stämme in dieser Zeit viel weniger auf Wanderungs- und Eroberungsbewegungen hin ausgerichtet gewesen zu sein wie viele andere indogermanische Völker. Erst die genetisch und kulturell durch die Wikinger angeregten "Russen" haben sich dann in der Neuzeit kolonisierend Richtung Osten und Süden ausgebreitet und dabei viele finno-ugrische und kaukasische Völker unterworfen.
Die Kulturgrenze, die noch heute Westeuropa von Osteuropa trennt, die die germanischen Völker von den slawischen Völkern trennt, könnte sich also womöglich doch schon im Spätneolithikum heraus gebildet haben. Bis in diese Zeit zurück läßt sich ja auch - soweit bislang übersehbar - die Ausbildung der Artgrenze zwischen der west- und der osteuropäischen Hausmaus verfolgen (Stgen2021, bzw. Stgen2008).
Von der spätbronzezeitlichen Lausitzer Kultur, die sich von Schlesien aus Richtung Norden und Osten ausgebreitet hat, wird angenommen, daß sie von der mitteldeutschen Bronzezeitlichen Hügelgräberkultur und ihrer Nachfolge-Kultur, der Urnenfelderkultur beeinflußt gewesen ist, die ihr im Westen benachbart war. Dies waren die nachmaligen Kelten. Ebenso gibt es aber Hinweise darauf, daß die Lausitzer Kultur auch schon von Germanen aus dem Norden beeinflußt und/oder getragen gewesen sein könnte. Vielleicht bildeten ja Kelten und/oder Germanen eine Art Oberschicht innerhalb der Lausitzer Kultur, während die Grundbevölkerung aus slawischsprachigen Stämmen bestanden hat.
Die ostgermanischen Königsherrschaften wären dann dadurch entstanden, daß diese - von Skandinavien kommend - die slawischen Völker vor Ort unterwarfen und ggfs. die einheimische Bevölkerung "versklavten". Daher dann der von Tacitus berichtete große Sklavenbesitz, der die Grundlage der ostgermanischen Königsherrschaften bildete. Der Handel mit Sklaven aus dem osteuropäischen Raum bildete ja noch im Frühmittelalter die Grundlage für den Reichtum der Sklavenhändler unter den Arabern, den Franken und den Wikingern. Die reichen Goldschätze auf der Insel Gotland - darunter viele arabische Münzen - werden auf die Einnahmen aus diesem Sklavenhandel zurück geführt.
Grubenhäuser
Die Archäologie unterscheidet das keltische, das germanische und das slawische Grubenhaus (Kupka 2011). Das das slawische Grubenhaus ein Indikator sein könnte für die Verbreitung des Slawen auch schon zur Zeit der germanischen Stämme in Osteuropa (4), könnte eine Beschäftigung mit diesem Phänomen weitere Erkenntnisse mit sich bringen (Kupka 2011):
Bei der Beschäftigung mit den römischen Grubenhäusern entlang des norischen und oberpannonischen Donaulimes zeigte sich, daß es sich bei diesem Bautyp nicht nur um ein vereinzelnd auftretendes Phänomen in römischen Siedlungen handelt. Vielmehr bezeugt die große Anzahl, daß Grubenhäuser ein fixer Bestandteil im Siedlungsbild entlang des untersuchten Limesabschnitts waren. Dabei muß jedoch betont werden, daß diese Hütten nur in nichtstädtischen Siedlungen zu finden sind, also militärischen und zivilen Vici. Das Fehlen in Städten wurzelt in der Tatsache, daß dieser Bautyp nicht dem typisch römischen Bauwesen entspricht und seine Tradition auch nicht in der römischen Kultur zu suchen ist. (...) (Es) stellte sich heraus, daß Giebelpfostenhäuser als typisch keltische und Sechs- bzw. Mehrpfostenhäuser als typisch germanische Grubenhäuser angesprochen werden könnten.
Und (Kupka 2011, S. 75):
In der Latènezeit war das Grubenhaus in den Siedlungen des Donauraums ein häufig erscheinender Bautyp. Er gilt vor allem für Niederungssiedlungen als typische Bauform. So werden die Grubenhütten der römischen Kaiserzeit in Pannonien häufig als Fortbestand „früheisenzeitlicher Traditionen“ betrachtet.
Und (Kupka2011, S. 81):
Vor allem im östlichen Raum bauten die Slawen aufgrund der klimatischen Verhältnisse viele Grubenhäuser. Ihre Verbreitung erstreckte sich etwa vom Dnepr bis zur Elbe, vor allem in höher gelegenen Lagen. Die Häuser waren im Osten meist mehr als einen Meter eingetieft, während nach Westen hin die Tiefe auffällig abnimmt. Dies steht wohl mit einer Anpassung an das westliche Klima in Zusammenhang.
Somit könnten Grubenhäuser - auch im keltischen oder germanischen Siedlungsbereich - die Wohnform von Unterschichten darstellen, ggfs. von andersethnischen Unterschichten, die von keltischen oder germanischen Stämmen überlagert oder ggfs. als Sklaven gehandelt wurden (Wiki):
In den slawischen Regionen Osteuropas waren Grubenhäuser größer und besaßen oft eine Feuerstelle. In den meisten Siedlungen gibt es keine Hinweise auf Gebäude, die zu ebener Erde errichtet wurden.
In the Slavonic regions of Eastern Europe, Grubenhäuser are larger and often have a fireplace. In most settlements there have been no features of buildings at ground level.
Mit der Ankunft ostgermanischer Völker wie der Wandalen und Goten treten Grubenhäuser aber parallel zu den germanischen Langhäusern auf (Wiki):
In keltischen und germanischen Siedlungen waren Grubenhäuser überwiegend Nebengebäude ohne Feuerstelle. In vielen wurden Spuren handwerklicher Tätigkeit gefunden, nicht selten Webgewichte und Spinnwirtel, gelegentlich sogar Standspuren eines Webstuhls. Es wird daher eine Nutzung als Werkstätten, besonders als Webhäuser angenommen. In dem Zusammenhang wird auf Tacitus’ Germania verwiesen, nach der die Germanen ihr Leinen „unter der Erde“ fertigten. Durch die höhere Luftfeuchtigkeit der in den Boden eingetieften Räume sind Flachsfasern geschmeidiger und damit leichter zu verarbeiten. (...)
In vor- und frühgeschichtlichen slawischen Siedlungen hatten dagegen großenteils die Wohngebäude einen eingetieften Boden. Die in den Karpaten und den osteuropäischen Waldsteppen vorkommenden Grubenhäuser werden als burdei oder bordei (Rumänisch: bordei, Ukrainisch: бурдей) bezeichnet.
Die Ursprünge dieses Grubenhauses könnten in die Bandkeramik und in das Mittelneolithikum zurück reichen (Wiki):
Besonders in der Bischeimer Kultur sind rechteckige Grubenhäuser typisch (z. B. Schernau, Rhön). Auch aus der Trichterbecherkultur, besonders der Bernburger Kultur sind sie bekannt. Ein sehr flaches rechteckiges Grubenhaus der Bernburger Kultur wurde in Windehausen, Kr. Nordhausen ausgegraben.
Diesen Zusammenhängen könnte noch weiter nachgegangen werden.
Kossinna
Deutsche Archäologen in der Tradition des christentumskritischen Gustaf Kossinna, also seine Schüler und sein Umfeld, haben seit mehr als hundert Jahren versucht, die deutschen Ostgebiete östlich der Oder, der Neiße und des Bayrischen Waldes als "uralten germanischen Siedlungsboden" darzustellen. Aus dieser Sicht hat die Ethnogenese der Slawen und ihre Ausbreitung - angeblich - aus den Pripjetsümpfen heraus erst im Frühmittelalter stattgefunden und auch erst nach Abwanderung der ostgermanischen Stämme der Wandalen, Goten und Markomannen aus diesen Gebieten, wobei Reste dieser germanischen Stämme auch weiterhin dort gelebt hätten. Einer der letzten, eng entlang des aktuellen Standes der Wissenschaft argumentierenden Vertreter dieser Sichtweise war Helmut Schröcke (Schröcke1996).
Eine Ausbreitung aus den Pripjet-Sümpfen heraus war die am weitest verbreitete Ansicht zur Ethnogenese der Slawen bis heute. Diese Ansicht wurde auch ganz unabhängig von der eingangs genannten deutsch-völkischen Sichtweise vertreten.
Die deutsch-völkische Sichtweise hatte zudem die Ethnogenese der Indogermanen in den südlichen Ostseeraum verlegt und bis in die Zeit der Bandkeramik zurück datiert, womit für die Slawen in diesem Raum nur noch wenig "Platz" geblieben wäre, weder zeitlich noch räumlich. Diese These hat sich aber weder räumlich und zeitlich seither durch die Forschung bestätigt und ist schließlich durch die Archäogenetik vollständig widerlegt worden.
Die mit der deutsch-völkischen Sichteweise verbundene damalige "Rasseforschung" hatte außerdem auch eine sogenannte "ostische" Rassekomponente bei den Slawen angenommen. Von dieser hat sich in der modernen Archäogenetik keinerlei Spur finden lassen. Genetisch sind die Slawen in Ostmitteleuropa - was die Zusammensetzung ihrer Herkunftsgruppen betrifft - von uns Deutschen kaum zu unterscheiden.
Die Frage ist dennoch bis heute offen geblieben, wo und wann eigentlich die slawische Sprach- und Völkerfamilie geschichtlich entstanden ist.
War die Substrat-Sprache aller slawischen Sprachen jene Sprache, die vom Volk der Kugelamphoren-Kultur gesprochen worden ist? So wie die Substrat-Sprache der germanischen Sprachen jene Sprache
gewesen sein ist, die vom Volk der zeitgleichen Trichterbecher-Kultur
gesprochen worden ist? Beide mittelneolithische Kulturen haben ein
umfangreiches "genetic replacement" erlebt während der Zuwanderung der
Indogermanen.
In diesem Beitrag können zu all diesen Themen nur Fragen gestellt werden. Man darf gespannt sein, in welcher Weise sich in näherer Zukunft die offenen Fragen klären werden.
Ergänzung 21.3.24: In einer neuen Studie aus März 2024 wird zu den Goten ausgeführt (8):
Die späteren Personen, die mit den ursprünglich ostgermanischsprachigen Gruppen, den ukrainischen Ostgoten und den Westgoten von Iberia, in Verbindung gebracht wurden, scheinen meistens Einheimische zu sein (...). Zwei Ausnahmen bilden Goten aus Iberien, deren genetische Herkunft auf die nordöstlich-südöstliche Ostseeküste hindeutet (von denen einer eine nordeuropäische Y-Haplogruppe trägt), was auf einen Ursprung in Nordosteuropa, aber nicht speziell in Ostskandinavien schließen läßt. Diese Abstammung umfaßt Populationen, die mit der Ausbreitung der slawischen Bevölkerung in Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik in Zusammenhang stehen und mit der aus Nordosteuropa stammenden baltischen Vorfahren aus der Bronzezeit in Zusammenhang stehen. Mit den aktuell zur Verfügung stehenden Daten ist eine genauere Bestimmung des Ausgangsortes der slawischen Völkerwanderungen noch nicht möglich.
Most later individuals associated with the originally East Germanic-speaking groups, the Ukrainian Ostrogoths and the Visigoths of Iberia, appear to be locals (Supplementary Note 6.9.6). Two exceptions are from Goths from Iberia, who genetically fall on the Northeast-Southeast Baltic cline (one of which carries a Northern European Y haplogroups), suggesting an origin in North East Europe, but not Eastern Scandinavia specifically. This cline includes populations related to the spread of Slavic populations in Poland, Hungary and the Czech Republic and are to be related to the Baltic Bronze Age ancestry originating in North East Europe. With the current sampling, determining a more precise homeland of the Slavic migrations is not yet possible.
Immerhin interessant, daß sich schon unter den Goten Menschen finden, die die spätere, typisch slawische genetische Herkunft aufweisen. Somit könnte auch die Zurückführung des Slawen auf die Goten einen wahren Kern enthalten. (Ergänzung Ende)
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*) Laut polnischem Wikipedia befand sich das Gut Iwno/Lindental durchgängig im Besitz polnischer Adelsfamilien (Wiki, poln). ("Im 14. Jahrhundert gehörte das Dorf der Familie Grzymalit, im 15. Jahrhundert der Familie Tomicki und dann der Familie Iwiński. Im 17. Jahrhundert gehörte es den Familien Cielecki und Poniński, im 18. Jahrhundert der Familie Krzycki und vom 19. Jahrhundert bis 1939 der Familie Mielżyński.") Exin gehörte zum Kreis Schubin (Wiki). Dieser kam 1772 als Teil der Provinz Westpreußens an Preußen. Ab 1815 kam dieser Kreis zum Regierungsbezirk Bromberg und damit zur Provinz Posen. Von den 44.360 Einwohnern des Kreises Schubin waren im Jahr 1890 etwa 54 % Polen, 43 % Deutsche und 3 % Juden. Das Gutshaus in Iwno (Lindental) ist erhalten und restauriert worden. (Literatur: Fritz Brosowski: Festschrift zum 700 jährigen Bestehen der Stadt Exin, Kreis Altburgund-Schubin, Provinz Posen, und ihrer Umgebung, 1262-1962. Der Heimatkreis, 1962 [GB] )