Auf jeden Fall sind die Zusammenhänge noch nicht gut verstanden
Die Rolle des Hormons Oxytocin für die Mutter-Kind-Bindung während der Schwangerschaft, während der Geburt und für die Zeit danach ist für körperliche und seelische Vorgänge eine sehr große. Aber sie ist letztlich noch gar nicht so gut verstanden. So hat sich zu meinem letzten Video (1) eine kleine Erörerung über die Frage ergeben, ob künstliche Oxytocin-Zuführung nach Kaiserschnitt auch für die Mutter-Kind-Bindung hilfreich ist. Zunächst als Bildschirmfoto der erste Teil der Erörterung:
Die letzte Antwort meinerseits dazu lautet heute:
Hier einmal der Ausschnitt aus der Einleitung einer aktuelleren
Forschungsstudie (von 2016) (2), in der der bisherige Forschungsstand
zusammen gefaßt wird (OT = Oxytocin; Literaturangaben gehören original zum Text):
"Results showed that rather than specific levels of OT being a significant indicator of bonding, a lack of overall increase in OT levels from early to late pregnancy correlated with lower quality maternal-fetal bonding and consequently lower quality maternal-infant bonding [9]. A recent review of the literature demonstrated that decreased OT levels were also associated with increased depressive symptoms [11]. One study examining the association between plasma OT levels and postpartum depression among 100 women in Switzerland found that lowered OT was a significant predictor for postpartum depressive symptoms [10]. Furthermore, another study revealed that lower OT was significantly associated with depressive symptoms in a sample of primarily Caucasian (83%) and African American (15%) women at 8 weeks postpartum [12]."
Wenn also während der Schwangerschaft die Oxytocin-Menge im Blut nicht
ansteigt, kann das zu einer schlechteren Mutter-Kind-Bindung führen
und auch leichter zu postnataler Depression führen. Solche Dinge führen - glaube ich -
beim Menschen in der Regel nicht zum "Auffressen" des Kindes (wie vom Kommentator unterstellt). Aber es
gibt inzwischen viele soziobiologische Studien darüber, daß es
unterschiedliche Häufigkeit von Kindersterblichkeit je nach
spezifischer sozialer Einbettung gibt. Eckart Voland fand zu einer Bevölkerung in Ostfriesland im 17. und 18. Jahrhundert, in der Jüngsten-Erbrecht auf den Bauernhöfen herrschte, daß es dort bei den Bauern eine höhere Kindersterblichkeit für
erstgeborene Söhne gab als für letzgeborene Söhne, offensichtlich weil dort
die Letztgeborenen den Hof geerbt haben. Derselbe Zusammenhang fand sich für Kleinbauern in der Gegend, deren Heirats- und Fortpflanzungsaussichten nicht durch das Jüngsten-Erbrecht beeinflußt war, nicht.
Vielleicht ist dieser Zusammenhang auch
schon durch die Oxytocin-Menge im Blut WÄHREND der Schwangerschaft auf der
proximaten Ebene irgendwie
mitgesteuert worden. (Unterbewußt dürften sich die Eltern dort erst Mädchen
gewünscht haben und vielleicht hat der Körper der Mutter mit weniger Oxytocin geantwortet, wenn er ein männliches Baby "spürte".)
Nun aber findet sich auch die Antwort auf die hier behandelte
Eingangsfrage (2013) (3): Wenn man postnatal-depressiven Müttern künstlich
Oxytocin gibt, werden sie sogar noch trauriger !!!!! und erachten ihre
Neugeborenen als schwieriger (3)! Jedenfalls hat die künstliche Oxytocin-Gabe keine klar
positive Wirkung (2015) (4).
Wenn man es also recht versteht: Weniger natürlich produzietes Oxytocin führt zwar zu postnataler
Depression, künstlich zugeführtes Oxytocin verschlimmert aber schlimmstenfalls die
Situation, verbessert sie jedenfalls nicht zwangsläufig.
Hier wird wieder deutlich: Bei Hormonen muß man immer vorsichtig sein mit Kurzschlüssen.
Die Suchworte, mit denen wir auf letztere Studie auf Google Scholar stießen, waren "oxytocin
postnatal depression". Und zu dem Thema finden sich noch allerhand
andere Studien.
Hier wird einmal erneut deutlich, daß der "Tanz der Hormone" kein so
besonders leicht zu durchschauender sein muß. Auch auf diesem Gebiet
scheint es noch viele spannende Forschungsfragen zu geben.
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