Wer die "Vandalengeschichte" des oströmischen Geschichtsschreibers Prokop liest, taucht in eine ganz andere Zeit und in eine ganz andere Welt ab. Sie macht sehr nachdenklich. Zu den Wandalen gab es letztes Jahr auch eine große Ausstellung in Karlsruhe.
Die erschütternden Schicksale der Völker der Völkerwanderungszeit lebten noch lange in den Völkern Mittel- und Nordeuropas fort. Etwa im Hildebrandslied: Der eigene Sohn erkennt den Vater nicht mehr wieder und tritt im Zweikampf gegen ihn an. Hildebrand war Heermeister des gotischen Königs Theoderich (Dietrich von Bern). Oder etwa im Nibelungenlied: "diz ist der Nibelunge NOT". Es handelt vom Untergang des Volkes der Burgunder. Auch noch die deutsche Dichterin Agnes Miegel hat zu diesem Thema ein eigenes Nibelungenlied gedichtet. Als sie dieses Gedicht nach der Schlacht von Stalingrad in öffentlichen Lesungen vortragen sollte, weigerte sie sich. Zu deutlich waren die Parallelen geworden. Der Untergang von Völkern rüttelt an uns.
Das Volk der Goten lebt im Hildebrandslied und in der Sage von Dietrich von Bern weiter. Das Volk der Wandalen, das in Nordafrika unterging, erlebte seine Schicksale wohl zu weit entfernt von seiner mitteleuropäischen Heimat, als daß dieselben im mittel- und nordeuropäischen Sagengut noch größeren Widerhall hätten finden können. Aber eine Ausstellung des letzten Jahres ließ dieses Schicksal wieder in Erinnerung treten (1). In seiner ganzen Größe und Wucht.
Der Sieger "zeigte sich sehr gerührt und fühlte Mitleid"
Man denke nur an die eine Szene, in der der letzte König Wandalen, Gelimer, belagert in seinem letzten Zufluchtsort in einer schmutzigen Burg bei den Mauren in den nordafrikanischen Bergen, sich von seinem Belagerer, dem herulischen Fürsten Pharas, als Antwort auf dessen Übergabeforderung - halb verhungert und verdreckt - neben einem Stück Brot und einem Schwamm eine Zither erbittet. Wir hören weiter:
Pharas zeigte sich sehr gerührt.
Sangesfreudig waren die Wandalen, so erfahren wir hier also, auch noch in ihrem Untergang. Auch Könige sangen zur Zither. Ebenso wie Volker, der Sänger, bei den Burgundern. Und wer wäre nicht gerührt, wenn er von dem Bericht hört davon, wie der gefangene König Gelimer im Triumphzug durch Byzanz geführt wird, und wie er nur fortwährend vor sich hin murmelt:
Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist Eitelkeit!
Und wie er in Gelächter ausbricht, als er vor seinen Sieger, den römischen Feldherren Belisar geführt wird. Natürlich meinte er mit diesem Murmeln auch sich selbst und seine Vorfahren, die zuvor im Triumph die reiche Beute aus dem ganzen Mittelemeerraum nach Nordafrika zusammengetragen hatten. Jene Beute, die jetzt durch Byzanz geführt wurde.
"... Von helden lobebæren, von grôzer arebeit ..."
Alle diese germanischen Völker waren sangesfreudig und besangen ihre Schicksale, so erfahren wir, und zwar inzwischen auch durch die Archäologie:
Im Frühmittelalter war die germanische Leier im ganzen deutschsprachigen Raum verbreitet, und die frühsten archäologischen Saiteninstrumenten-Funde Europas sind Leiern des 6.-8. Jahrhunderts aus Gräbern in Deutschland und England.
"Uns ist in alten mæren wunders vil geseit ..." - Man denke insbesondere an die erst jüngst entdeckte, besonders gut erhaltene alemannische Leier von Trossingen. - "... Von helden lobebæren, von grôzer arebeit ..." - Eine Leier jener Alemannen, die so viel glücklicher bis heute gewesen sind als ihre Verwandten, die Wandalen. Und die so erschüttert die Schicksale untergegangener Völker und Königshäuser besangen: "... Von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen ..."
Völker gehen unter, Völker verteidigen Leben und Fortexistenz ...
In alter deutscher Ausgabe umfaßt die Geschichte vom "Vandalenkrieg" des oströmischen Geschichtsschreibers Prokop von Caesarea nur 78 Seiten (2). Sie ist unser Hauptzeugnis vom Leben und vom Sterben dieses Volkes der Wandalen. Aber was ist auf diesen wenigen 78 Seiten alles enthalten! Ein zweites Nibelungenlied, nur nicht in so dichterischer Form abgefaßt. Allein im Ton des sachlich berichtenden, sich unerschüttert zeigenden römischen Historikers.
Abb. 2: Die Meerenge von Gibraltar |
Und einmal aufs Neue ist man beim Lesen erstaunt oder gar erschüttert: Welches Schicksal haben die Stämme und Völker der germanischen Völkerwanderung durchlebt!
Andere Völkerwanderungsstämme hatten ein viel glücklicheres Schicksal als die Goten oder die Wandalen: Die Alemannen leben noch heute wie seit 1500 Jahren in Süddeutschland, im Elsaß, in der Schweiz fort als großer, volkreicher Volksstamm. Er hat wesentlichste Beiträge zur Kulturgeschichte der Menschheit erbracht. Ebenso die Bajuwaren in Bayern und Österreich. Ebenso die Franken in Deutschland und Frankreich. Ebenso die Sachsen in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und England und in allen angelsächsischen Ländern. Ebenso die Langobarden in der Lombardei. - Wie hätte die Weltgeschichte ausgesehen, wenn alle diese Völker ebenso untergegangen wären wie ihre Stammverwandten, die Goten und Wandalen. Und wie so viele andere, weniger bekannte germanische Volksstämme der Völkerwanderungszeit?
Aber warum hatte das Volk der Wandalen keine Zukunft? Und wo sind die Goten geblieben? Warum leben auch die Burgunder nur noch in einem Provinznamen fort? Warum gibt es sie alle nicht mehr? - Das war nicht nur "Ein Kampf um Rom", wie ein von Jugendlichen über hundert Jahre hinweg viel gelesener Roman des Historikers Felix Dahn hieß. Das waren viele - - - "Kämpfe um Rom". Und wie viele Völker sind in alle Winde zerstreut? Aufgegangen in der großen Völkermühle des untergehenden Römischen Reiches. Ist überhaupt einer von all den Ausgewanderten in die Heimat zurückgekehrt, wie schon in der Antike Zeitgenossen wie Prokop überlegten und wie es auch Felix Dahn den Resten seiner geschlagenen Goten unterstellt?
"Gebt Raum ihr Völker, unserm Schritt,wir sind die letzten Goten.Wir tragen keine Schätze mit,wir tragen einen Toten."
Oder wie dies auch Agnes Miegel in einer ihrer großen Novellen unterstellt?
Die blonde Schönheit der Wandalen
Die Wandalen! So hoffnungsfreudig und tatenfroh waren sie aufgebrochen einst (Wiki). Ursprünglich stammen sie - wie wohl fast alle Völker der Völkerwanderungszeit - aus Skandinavien und dem Ostseeraum. Lange Zeit (ab 400 v. Ztr.) haben sie im heutigen Schlesien, in der Slowakei und im polnischen Raum zwischen Oder und Weichsel nördlich der Karpaten gesiedelt. Sie müssen dort lange ein glückliches und fröhliches Leben geführt haben. Immer wieder erwähnt der byzantinische Geschichtsschreiber Prokop die Schönheit dieses Menschenschlages, besonders auch der Frauen (2, S. 1):
Alle haben eine weiße Hautfarbe, blonde Haare, sind groß von Gestalt und schön von Gesicht.
Abb. 3. Wandalische Totenfeier in der Heimat |
Und als den römischen Soldaten im Zuge des Unterganges der Wandalen diese blonden wandalischen Frauen in die Hände fallen, können sie es einfach nicht fassen. Prokop war anwesend, als das geschah. Er berichtet (2, S. 59):
Denn die römischen Soldaten, die bettelarme Leute waren und sich nun plötzlich im Besitz ungeheurer Schätze und wunderbar schöner Weiber sahen, blieben ihrer Sinne nicht mehr mächtig und schienen unersättlich im Stillen ihrer Lüste; des ungeahnten Glückes voll, taumelten sie wie trunken daher ...
Er berichtet, wie nur kurze Zeit später diese Soldaten von ihren neuen wandalischen Frauen so berauscht gewesen sein müssen, daß diese sie zu einem Soldatenaufstand aufstacheln konnten, damit man ihnen die reichen Ländereien zurückgeben würde, die sie zuvor mit ihren wandalischen Ehemännern besessen hatten (2, S. 74).
Lange Jahrhunderte schlichtes bäuerliches Leben im Oder- und Weichselraum (400 v. - 400 n. Ztr.)
Dabei hatte alles einst so schlicht und stilvoll begonnen als jenes Bauernvolk, als das die Wandalen im Oder- und Weichselraum gelebt hatten. Die Archäologie setzt in aller Regel die Siedlungen und Gräber der wissenschaftlich sogenannten "Przeworsker Kultur" mit denen der dort einstmals lebenden und später in Nordafrika untergegangenen Wandalen gleich (a, b, c, d, e, f; s.a. Wielbark-Kultur der Goten).
The Przeworsk culture people of the earlier Roman period lived in small, unprotected villages, populated each by a few dozen residents at the most, made up of several or more houses, usually set partially below the ground level, each covering an area of 8 – 22 square meters. They knew how to dig and build wells (= Quellen/Brunnen), so the settlements didn't have to be located near bodies of water. Thirteen 2nd century wells with variously constructed timber lined walls were found at a settlement in Stanisławice, Bochnia County. Fields were being used for crop cultivation for a while and then as pastures, when animal excrements helped the soil regain fertility. Afterwards, because of plows with iron shares they could be just plowed, rather than burned, and such tillage and grazing cycle was performed repeatedly, with the next field going through an alternate sequence.
Several or more settlements made up a microregion, within which the residents cooperated economically and buried their dead in a common cemetery, but which was separated from other microregions by undeveloped areas. A number of such microregions could make up a tribe, with the tribes again separated by empty space, zones "of mutual fear", as Tacitus put it. The tribes in turn, especially if they were culturally closely related, would at times form larger structures, such as temporary alliances for waging wars, or even early statehood forms. (...)
The burials were richly appointed, with men and boys provided with weapons, tools and personal toilet items (including razors and scissors), while women were receiving numerous ornaments, bronze mirrors, jewelry pieces and cases, locks and keys, and toy-like miniature objects, some of which, dating from the 1st centuries AD, were found in Siemiechów in Łask Couty. Also in Siemiechów a grave of a warrior who must have taken part in the Ariovistus expedition during the 70 – 50 BC period was found; it contains Celtic weapons and an Alpine region manufactured helmet used as an urn, together with local ceramics. The burial gifts were often, for unknown reasons, bent or broken, and then burned with the body. The burials range from "poor" to "rich", the latter ones supplied with fancy Celtic and then Roman imports, reflecting a considerably by this time developed social stratification.
Einzelne Krieger der Wandalen hatten also nach Zeugnis von Grabfunden auch schon am Zug des germanischen Feldherren Ariovist 71 v. Ztr. gegen den römischen Feldherren Caesar teilgenommen. Übrigens rührt noch heute der Provinznahme "Schlesien" von einem Teilstamm der Wandalen her, nämlich von den "Silingen". Dieser Teilstamm der Silingen wurde schon von einem römischen Heer in Spanien vernichtet, einer Vernichtung, der sich die restlichen Wandalen schon damals dann nur durch Übersetzen nach Nordafrika hatten entziehen können.
429 - Die Wandalen erobern Nordafrika
Wie die Goten - und zum Teil gemeinsam mit ihnen - waren die Wandalen aufgebrochen. Es wird immer wieder vermutet, daß viele von ihnen zurück geblieben sein könnten in Schlesien und Ostdeutschland. Aber - sozusagen - die "kulturtragende Bildungsschicht" der Wandalen scheint doch abgezogen zu sein, erfahren wir doch über die Runen-Schrift der Völkerwanderungsvölker (Wiki):
Runen waren durchaus auch entlang des Rheins, bei den Alemannen, in Bayern, Brandenburg, Thüringen sowie in Pommern, Schlesien und Böhmen begrenzt in Gebrauch, wobei sich die Funde im Norden und Osten grob vor der Völkerwanderung (200–500 n. Ztr.), die im Süden und Westen zum Ende der Völkerwanderung (500–700 n. Ztr.) einordnen lassen.Daraus wäre zumindest zu schlußfolgern: Die schriftkundigen Menschen dieser Völker wanderten mit. Die Wandalen waren zunächst von Territorien des oströmischen Reiches in Territorien des weströmischen Reiches gezogen (s. Wiki). Schließlich gelangten sie nach Spanien, wo ihr Volksname im südlichsten Teil Spaniens ebenfalls noch einen Provinznamen hinterließ: Andalusien.
Abb. 11: Verbogene Waffen als Opfer
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Abb. 10: Verbogene Waffen als Opfer
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Der junge König Geiserich, heißt es auf Wikipedia, führte die Vandalen (rund 15.000 bis 20.000 Krieger und ihre Familien - Prokopios spricht von insgesamt 80.000 Menschen) 429 nach Nordafrika.
"Später allerdings," so ergänzt Prokop schon im nächsten Satz (2, S. 13), "wurden sie bedeutend zahlreicher, sowohl durch eigene Fortpflanzung als auch durch Zuzug anderer Barbaren. Diese sowie die Alanen gingen vollständig in den Vandalen auf, nur nicht die Mauren." Innerhalb von hundert Jahren hatte sich die waffenfähige Mannschaft der Wandalen in Nordafrika dann nach Zeugnis des Prokop verdreifacht (2, S. 78). Aber diese 180.000 wandalischen Krieger wurden hundert Jahre später von Gelimer so sorglos, ungeschickt und unglücklich geführt, daß sie von einem nur 5.000 Krieger zählenden römischen Heer unter Belisar vollständig hatten besiegt werden können und ihr Volk damit hatte vollständig vernichtet werden können!
"Ein Palast, wie wir ihn schöner nie gesehen ..."
Abb. 12: Röm. Feldherr Belisar |
Wohl wahr, daß man über dieses Schicksal ausrufen kann: "Eitelkeiten über Eitelkeiten!" Prokop schreibt (2, S. 71):
Ob je Wunderbareres geschehen, als was ich eben erzählt habe, ist mir zweifelhaft: Geiserichs Reich, das der Urenkel im blühendem Zustande, beschützt von einem stattlichen Heer, empfangen hatte, wurde von 5000 Reitern - mehr hatte Belisar nicht, und sie haben eigentlich den ganzen Krieg gegen die Vandalen geführt -, die nicht einmal wußten, wo sie landen sollten, in so kurzer Zeit von Grund aus zerstört.
Oder waren es das Klima, der Wohlstand selbst, die die Wandalen zu Fall brachten? Nordafrika gehörte in jener Zeit zu den wirtschaftlich fortgeschrittensten Regionen der Erde, zu den wirtschaftlich reichsten Regionen des Römischen Reiches. Und welch eine auch heute noch landschaftlich so überaus schöne Weltgegend war den Wandalen zugefallen! Und im Mittelmeer eroberten sie sich zusätzlich noch so wunderschöne Perlen wie Sardinien, Korsika, Mallorca ... - Urlaubsinseln, auf denen noch heute sich die Mitteleuropäer sich berauschen lassen, wenn sie einmal so etwas "ganz anderes" erleben wollen als ihre eigene Heimat. Aber zusätzlich noch: in welchem wirtschaftlichen Reichtum und Wohlstand lebten die Wandalen!
Prokop, der selbst aus dem reichen, blühenden Byzanz und seinen Landschaften am Schwarzen Meer stammte, hat die Paläste, in denen die Wandalen lebten, Augenzeuge, als Teilnehmer des Feldzuges gegen die Wandalen selbst erlebt. Über einen Ort östlich von Karthago schreibt er etwa (2, S. 37):
Dort befand sich ein königlicher Palast der Vandalen mit einem Garten, wie wir ihn schöner nie gesehen. Viele Quellen sprudelten darin, und Bäume aller Art, mit Früchten bedeckt, spendeten Schatten. Jeder Soldat machte sich eine Hütte unter ihrem Laubdach und aß Obst, so viel er mochte; daß Früchte abgenommen waren, merkte man kaum - so voll hingen die Zweige.
Wenn selbst ein Wohlstand-verwöhnter römischer Aristokrat wie Prokop in einer solchen Weise dieser Pracht erliegen konnte - wie dann erst ein Wandale aus dem kargen Norden der Karpaten und von den Ufern von Oder und Weichsel!? Und als Prokop von dem Hunger und der Not des schon erwähnten belagerten, sangesfreudigen Gelimer berichtet (533/534), der mit seinem nun schon seit hundert Jahren vom im Wohlleben der Paläste und Gärten verwöhnten Sippenverband in die Berge zu den Mauren geflohen war, stellt er den Gegensatz ihrer Not im Untergang zu dem Leben, das die Wandalen zuvor 95 Jahre lang in Nordafrika genossen hatten, deutlich genug, ja, erschüttert heraus (2, S. 66):
Gelimer mit seinen Verwandten und Edlen geriet in eine Not, die jeder Beschreibung spottet. Von allen Volksstämmen, die wir kennen, ist nämlich der vandalische am meisten verweichlicht, der maurische aber der abgehärteste. Seit jene im Besitz von Afrika waren, nahmen sie täglich warme Bäder und ließen ihre Tafel mit dem Schönsten und Besten besetzen, was nur Erde und Meer hervorbringen. Sie trugen viel Goldschmuck und kleideten sich in seidene Gewänder. Mit Theater, Wettrennen und ähnlichem Zeitvertreib, vor allem aber mit der Jagd brachten sie ihre Tage hin. Tänzer und Mimen, Musik und Schauspiel, kurz, was nur Auge und Ohr erfreuen mag, war bei ihnen zu Hause. Sie wohnten in prachtvollen, wasserreichen Gärten, in denen die schönsten Bäume standen. Den Freuden der Trinkgelagen waren sie nicht minder ergeben, als denen des Liebesgenusses.
Abb. 13: Münze des Wandalenkönigs Gelimer |
455 plünderten die Vandalen und Alanen unter ihrem König Geiserich Rom. Der im 18. Jahrhundert aus dieser Begebenheit hergeleitete Begriff Vandalismus als Bezeichnung für „fanatisches Zerstören um seiner selbst willen“ ist dabei historisch sowie sachlich unkorrekt. Die Vandalen plünderten die Stadt Rom zwar gründlich und nicht ohne Brutalität (wobei die Bewohner aber auf Bitten des Papstes weitgehend geschont wurden), doch ohne blinde Zerstörungswut; vielmehr wurden systematisch Wertgegenstände geraubt. Das war auch kein reiner Beutezug, sondern auch ein Eingreifen in die höchste Ebene der Reichspolitik: Kaiser Valentinian III. hatte seine Tochter Eudocia als Braut für den vandalisch-alanischen Thronfolger Hunerich versprochen, und auch um diese vorteilhafte dynastische Verbindung nach der Ermordung Valentinians zu sichern, wurde die Hauptstadt angegriffen. Die Vandalen brachten wertvolle Beute nach Hause, ebenso wurden zahlreiche Menschen entführt, darunter die Witwe Valentinians, aber vor allem Handwerker, die im vandalischen Königreich benötigt wurden. Gleichzeitig wurden Sardinien, Korsika, die Balearen und schließlich auch Sizilien (wenn auch nur kurzfristig) in den vandalischen Herrschaftsraum einbezogen. Zudem kontrollierten die Vandalen nun endgültig die Getreideversorgung des Westreiches.
Im Deutschlandfunk erfahren wir von Helmut Castritius noch ein interessantes Detail zur Plünderung Roms und zu jenem untergegangenen wandaleischen Schiff, beladen mit reichen Kunstschätzen, von dem auch Prokop (2, S. 11) berichtet (3):
Aber sie haben ja nicht die Stadt in Brand gesteckt. Sie haben ja nur gründlich aufgeräumt. Und das Interessante ist, dass sie wahrscheinlich auch eine fantastische Skulptur, eine Bronzestatur des sogenannten Tanzenden Satyr, damals aus Rom mitgenommen haben. Das Schiff, das diese Statuen transportierte, ist damals nachweislich untergegangen, und jetzt hat man eine Spur gefunden, indem man diesen tanzenden Satyr aus dem Canale di Sicilia hervorgeholt hat.
Dieser Hinweis veranlaßte uns zum Verfassen eines eigenen Beitrages (4). 468 scheitert eine groß angelegte Militäroperation des west- und des oströmischen Reiches gegen die Wandalen "grandios", wie es auf Wikipedia heißt:
Geiserich gelang es, die gewaltige römische Flotte in Brand zu setzen und zu vernichten.
Über den Untergang der Wandalen haben wir schon genügend angedeutet, so daß wir auf eine Darstellung militärischer Einzelheiten, der wohlüberlegten Vorgehensweise des römischen Feldherren Belisar und der zahlreich auftretenden Kopflosigkeiten der wandalischen Heerführer und Krieger nicht mehr eingehen wollen. Überaus rührend noch die Zusammenkunft des gerade erst geschlagenen wandalischen Hauptheeres unter Gelimer mit dem so unglücklicherweise erst kurz zuvor nach Sardinien entsandten wandalischen Heeresteil unter Tzazo, das nun zurückbeordert worden war (2, S. 53):
So traurig war das Wiedersehen, daß ich kaum Worte finden kann, es zu schildern. Wirklich, selbst ein Feind hätte beim Anblick dieses Auftritts durch den jähen Wechsel im Geschick der Vandalen erschüttert werden und Mitleid mit ihnen fühlen müssen! Gelimer und Tzazo hielten sich lange Zeit fest umschlungen, schweigend weinte einer an der Brust des anderen. Ihrem Beispiel folgten die anderen. (...) Keiner wagte zu reden. (...) Niemand fragte nach Weib und Kind; wußte doch jeder, daß wer nicht hier war, gefallen oder sich in den Händen der Feinde befand.
"Die Begegnung des antiken Menschen mit dem Tod"
Abb. 14: Grabmosaik, wandalisch |
Über einen Nachklag aus der Erschütterung jener Tage, bezeugt durch wandalische Grabmosaike, wurde auch in der jüngsten Wandalenausstellung in Karlsruhe berichtet (3):
Die Kuratorin Astrid Wenzel: "Hier an der Wand sehen wir jetzt Grabmosaike, vor allem ganz typische auch dabei, das heißt, es wird ein Mensch, ein Mann in einem langen Gewand dargestellt. Die Hände hat er erhoben zum Gebet, und auf einer Schulter sitzen zwei Vögel. Er wird flankiert noch von anderen Motiven, florale Motive oder geometrische Motive, und dann gibt es meist im oberen Bereich des Mosaiks eine Inschrift. Im rechten Beispiel haben wir: 'Die allersüßeste Tochter Anavalika, die mit acht Jahren verstarb.'"
Die Kuratorin Susanne Erbelding zeigt auf ein weiteres Mosaik: "Ich finde es auch immer so rührend. Viele Grabinschriften, die nennen den Namen des Toten und nennen das Sterbealter und geben auch eindrücklich Hinweise auf die Trauer und Hilflosigkeit der Hinterbliebenen. Und wir haben auch ein Gedicht, ein Zitat aus eben jener Gedichtesammlung, die im Vandalenreich aufgezeichnet worden ist, der sogenannten Anthologia Latina an der Wand, die das beschreibt, was man auf dem Grabmosaik auch sieht. Sie bezieht sich wahrscheinlich auf den Tod einer kleinen, vierjährigen Prinzessin. Ihr Vater ist Oageist, ein königlicher Prinz, der auf den Schlachtfeldern des untergehenden Vandalenreiches gegen die einfallenden Byzantiner kämpft. Und in der letzten Zeile liest man, dass er im Laufe dieser Kämpfe die Nachricht vom Tod seines kleinen Mädchens erfahren hat, und das setzt ihm mehr zu, diese Botschaft ist für ihn schrecklicher als alle Feinde. Und das zeigen uns diese Grabmosaiken sehr eindrücklich: die Begegnung der antiken Menschen mit dem Tod."
Abb. 15: Die Ruinen von Karthago |
"Die Spuren, die die Vandalen in Nordafrika hinterließen, waren gering, sowohl genetisch als auch religiös wie kulturell", heißt es im Katalog (1) der jüngsten Wandalenausstellung (zit. n. 5). Und weiter erfahren wir (5):
Laut Museumschef Harald Siebenmorgen versammelt sie das meiste, was sich an mobilen Funden in Nordafrika in die Zeit der Vandalenherrschaft datieren lässt. Vom Stil her sind das spätrömische Zeugnisse, angefangen von der Töpferware bis hin zu den Mosaiken, die auf der künstlerischen Höhe der Zeit stehen. Deshalb breitet sich hier einmal mehr der Reichtum der römischen Endzeit aus, nun anhand reicher Leihgaben aus Tunesien und sogar aus Algerien, aber auch aus Spanien, Paris oder London. Vieles hat man noch kaum gesehen, etwa die zauberhaften Mosaiken aus dem Bardo-Museum in Tunis, mit der Kopie des Taufbads von Demna als Höhepunkt.
Die Reste der Wandalen selbst wurden in alle Winde zerstreut. Nach der Niederschlagung des erwähnten Soldatenaufstandes, dem sich auch aus Byzanz geflohene wandalische Kriegsgefangene angeschlossen hatten, wurden auch die letzten Wandalen aus Nordafrika ausgesiedelt (2, S. 77). Und von den schon zuvor in Kriegsgefangenschaft verbliebenen Wandalen heißt es (2, S. 75):
Aus den Vandalen, welche Belisar nach Byzanz gebracht hatte, waren vom Kaiser fünf Reiterregimenter errichtet worden, die in den Städten des Ostens ihre Standquartiere haben sollten. Die meisten von diesen Vandalenkriegern kamen im Orient an und wurden in die Regimenter, wie bestimmt war, eingestellt und kämpfen bis auf den heutigen Tag gegen die Perser.
Also fast in ähnlichen Regionen, in denen heute deutsche Bundeswehrsoldaten im Dienste einer neuen Weltrepublik oder Weltmonarchie "kämpfen". Es ist schon auffallend, wie sich das Schicksal untergehender Völker gleicht ...
Anhang: Ist der Kampf um Rom ein Kampf um den jüdischen Tempelschatz?
Erwähnt werden soll noch eine jüdische Deutung des Schicksals des Wandalenvolkes. Prokop berichtet von dem schon genannten Triumphzug in Byzanz (2, S. 72):
Zu der Beute (...), die von der Plünderung des Kaiserpalastes zu Rom durch Geiserich herrührten, gehörte auch das jüdische Tempelgerät, das einst Titus aus Jerusalem nach Rom gebracht hatte. Als dies einer von den jüdischen Leuten sah, trat er an einen von Justinians Edlen heran und sprach: "Meiner Meinung nach ist es nicht gut, wenn diese Schätze in den Kaiserpalast von Byzanz gebracht werden. Sie dürfen nämlich nirgend anders sein, als wo sie dereinst Salomo, der Judenkönig, aufgestellt hat. ..."
Und nun höre man genau zu, was hier in jüdisch-christlich-okkult-magischem Denken behauptet wird:
"... Denn ihretwegen ..."
(!!!)
"... nahm Geiserich den Kaiserpalast von Rom und jetzt das Römerheer den des Vandalenkönigs". Als diese Äußerung dem Kaiser gemeldet ward, fürchtete er sich und ließ schleunigst alles in das Heiligtum der Christen zu Jerusalem schaffen.
Das jüdische Volk, obwohl zu jenem Zeitpunkt ebenso zerstreut wie die Wandalen, überlebte dieselben dennoch um 1500 Jahre und begründete nach diesen 1500 Jahren sogar wieder einen eigenen Staat. Und in einem religiös-okkulten Auserwähltheitsdünkel, mit Hilfe dessen auch christlliche Kaiser überzeugt werden konnten, konnte schon damals behauptet werden, daß das Römische Weltreich nur "ihrer Tempelschätze wegen" (!!!) gestürzt worden wäre.
Und diese okkult-magische Geschichtsdeutung wird noch heute mancherorts sehr lebhaft vertreten. Scheinbar werden die Wandalen noch heute - wie möglicherweise schon damals und wie auch andere germanische Stämme - in magisch-okkult-jüdischem Denken einfach als ein "verlorener Stamm Israels" angesehen, wie das ja vielerorts in der Freimaurerei auch bezüglich Englands oder Frankreichs geschah. Erst im Juni dieses Jahres erschien ein zweiteiliger Aufsatz auf der Internetseite "Biblesearchers.com" mit den Titeln "The Lost Tribes of Israel as God’s Emissary of Divine Judgment upon Rome". Ein völlig verrückter Titel. Nämlich: "Die verlorenen Stämme Israels als Gottes Erfüller des Heiligen Gerichtes über Rom". Gott hat also - nach dieser okkulten Deutung - im Interessse seines eigenen Volkes - die germanischen Stämme als Fluch über Rom gesandt.
Und der zweite Teil dieses Aufsatzes lautet: "The Legacy of the Visigoths and the Vandals upon Protestant Christianity". Ein noch verrückterer Titel. Also: "Das (verpflichtende?) Erbe der Westgoten und der Wandalen innerhalb der protestantischen Christenheit". Also noch heute sieht man die protestantische Christenheit in der Tradition der Goten und Wandalen in den Dienst des Sturzes "Roms" gestellt, also des römisch-katholischen Christentums. "Gotteskrieger", diesmal einmal wieder nicht im Dienste der katholischen Kirche, sondern der jüdischen Religion.
Ein religiös und weltanschaulich wacher Germane damaliger Zeit hätte dazu wohl auch in der Sprache der "Edda" sagen können: Das sind Ratschläge von Loki, "der Laufey Sohn", "der das meiste Üble rät".
- Hattler, Claus: Das Königreich der Vandalen. Erben des Imperiums in Nordafrika. Hrsg. von Badisches Landesmuseum Karlsruhe. Verlag Philipp von Zabern, Mainz, 2009
- Prokop von Caesarea: Der Vandalenkrieg. (Kriegsgeschichten Buch 3 und 4.) Übersetzt von Prof. Dr. D. Coste. 3. neu bearbeitete Auflage, Verlag der Dykschen Buchhandlung, Leipzig o.J. [1912] [Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Band 6]
- Weber, Barbara: Vandalismus, aber mit Stil Wie die Vandalen wirklich lebten. Deutschlandfunk, 22.10.2009
- Bading, Ingo: Die Wandalen, Praxiteles, die Aphrodite von Knidos und ein tanzender Satyr. Studium generale, 21.8.2011
- Rüskamp, Wolf: Die Vandalen: Hüter römischer Kultur. Badische Zeitung, 30.10.2009
- Müller, Felix: Die Vandalen waren gar keine Vandalen. Die Welt, 07.06.2011.
- Wie unsere Urväter lebten, Curt Kabitsch Verlag Leipzig, 1928, von rado jadu 2001
- Weitere benutzte Internetseiten, insbesondere für Abbildungen: a, b, c, d, e, f, g, h.
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