Montag, 28. Januar 2008

Intelligent Design: Werden amerikanische Christen schrittweise zu Pantheisten?

Der sich selbst als Christ ansehende amerikanische Paläontologe James Kidder weist auf seinem Blog auf einen Artikel in der "Chicago Tribune" über das neue Buch "The Fourth Day" des sich selbst als Christ ansehenden amerikanischen Physikers Howard Van Till hin. (Chicago Tribune, James Kidder) (auch hier)

Ich sage "sich selbst als Christ ansehend" statt "christlich", weil ich immer mehr zweifle, ob es in unserer westlichen Welt noch wirklich echte Christen gibt. Abgesehen von den Amish People, den Hutterern und einigen vergleichbaren Sekten (z.B. auch in Israel), die die Bibel noch irgendwie sehr ernst und wörtlich als "Gotteswort" auffassen. Stattdessen nehmen doch die meisten modernen Christen heute in vielen Teilen die Bibel bloß noch metaphorisch, "sinnbildhaft" und verwässern dadurch das historisch gewachsene Christentum meistens bis zur Unerkenntlichkeit.

Ein einheitliches, widerspruchsloses Bild in der Zusammenschau von Bibelglaube und Evolution läßt sich nun einmal nicht gewinnen und die haltlosen Versuche amerikanischer Intelligent-Design-Wissenschaftler machen diesen Versuch immer unglaubwürdiger - auch, was nun besonders interessant ist, in den Augen vieler Wissenschaftler, die der Intelligent Design-Bewegung sicherlich aufgrund ihres christlich geprägten Herkommens grundsätzlich positiv gegenüber stehen.

Aber welche Alternativen haben sie denn? Was bleibt als einzig möglicher, intellektuell redlicher, naheliegender Ausweg?

Howard Van Till versucht etwas Derartiges offenbar in seiner kleinen Schrift zu formulieren. - Stellt sich nur die Frage, was an dieser Formulierung dann noch christlich ist (;-) ). Die diesbezüglichen Ausführungen in der "Chicago Tribune" machen mir jedenfalls einmal auf's Neue die ganze intellektuelle Unhaltbarkeit, ja Unredlichkeit eines christlichen Glaubens in moderner Zeit deutlich. Und sie machen deutlich, daß der einzige Weg, sich Religiosität im Angesicht der modernen Wissenschaft zu bewahren, eben eine Hinwendung zu pantheistischen Deutungen und Anschauungen sein wird. Vom Autor heißt es:
He rejected the idea of God as a supernatural being who took care to design every galaxy and blade of grass. The God he sought couldn't have designed everything at the outset (...). He began to think of God as a silent presence within nature, the source of the nameless awe he felt when studying the genesis of solar systems and the life of our endlessly fertile planet.
Das ist wunderschön formuliert:
"Gott als die stille Anwesenheit in der Natur, die Quelle der namenlosen Ehrfurcht, die er (Van Till) empfand, als er die Entstehung des Sonnensystems und des Lebens auf unserem endlos fruchtbaren Planetenerforschte".
Hat denn das noch großartig irgend etwas expliziter mit - - - "Christentum" zu tun? Weiter heißt es (Hervorhebung durch mich, I.B.):
"If your faith requires supernaturalism, or a God who wields overpowering control over nature, then yes, evolution will challenge that," says Van Till. (...) "The key is to correct your portrait of God," he says. It's an audacious suggestion, but transforming the way people think about God has become a vital mission for a wave of scientists and theologians who want to place the natural world at the forefront of religion. They see themselves as spokespersons for an emerging religious majority that has been obscured by the excesses of stubborn creationists and the iconoclastic broadsides of scientific atheists.

Evolution, they contend, is more than a soulless explanation for the development of life. (...) The new theology of evolution can lead to a vision of a more humble God, scarcely recognizable as the almighty of Judaism, Islam and Christianity.
Große Worte. Eindrucksvolle Worte. Entwicklungen mit weitreichenden Aussichten, wenn sie wirklich dominant werden sollten in der nordamerikanischen Christenheit. Es ist ja schließlich von der "religiösen Majorität" die Rede.

S. Conway Morris
Und dann wird - natürlich und sehr schön - Bezug genommen auf das Buch von Simon Conway Morris "Life's Solution", das in Kürze endlich auch in deutscher Sprache erscheinen soll:
The subtle divine signature may even be visible within Darwinian evolution, according to Cambridge's Simon Conway Morris, who made his name studying the evolution of species preserved in the 500 million-year-old Burgess Shale.

In "Life's Solution: Inevitable Humans in a Lonely Universe," Conway Morris catalogs piles of instances of "evolutionary convergence," in which different species have hit upon similar designs, sometimes separated by many millions of years. For example, sharks and dolphins evolved nearly identical body plans, and mammals separated by vast oceans developed similar saber-toothed weaponry. All along, Conway Morris sees an evolutionary trend toward greater complexity and the emergence of consciousness in humans and other species such as dolphins and whales.

Convergence doesn't prove the existence of a divine plan or contradict Darwinian evolution, he notes. Many biologists say that convergence is exactly what evolution would predict, with or without God. But it suggests a "deeper fabric to biology," in which not all outcomes are equally likely. God did not create individual species, but might have constrained from the outset the kinds of paths that life could take. "One enters a world which is far more extraordinary," he says.
Das habe ich immer schon gesagt: Das Buch von Simon Conway Morris ist ein philosophisches Buch fast ausschließlich mit naturwissenschaftlichen Tatsachen geschrieben. Die entscheidende philosophische Aussage kann es nicht in naturwissenschaftlich exakter Art "beweisen". Das kann Naturwissenschaft gar nicht. Aber die naturwissenschaftlichen Tatsachen selbst legen halt sehr viele Dinge "nahe".

Und wenn man diesen Implikationen folgt, wird man - höchstwahrscheinlich - auch allein auf naturwissenschaftlich nachweisbarem Gebiet noch sehr, sehr viel Neues entdecken, da in dem Sinne der Forschungen von Simon Conway Morris die "Hypothese Gott" für naturwissenschaftliche Forschung sich nicht als erkenntnishemmend, sondern sehr deutlich als erkenntnisfördernd erweisen könnte. (Übrigens gilt das ähnlich auch für die Forschungen des Astrophysikers Guillermo Gonzales, siehe sein Buch "The privileged planet".)

Spannenderweise hat sich laut Artikel in die öffentliche Debatte auch ein Amish-Schreiner eingemischt, indem er einen siebenseitigen, handgeschriebenen Brief an Kenneth Miller, den Autor des - auch von Richard Dawkins - gelobten Buches "Finding Darwin's God" geschrieben hat. Er heißt Lamar Schlabach und schrieb unter anderem:
"I've always felt the account of our origins in the book of Genesis [was] intended for an audience much less sophisticated than the generations alive today."

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