Donnerstag, 20. Mai 2010

1.800 - 1.200 v. Ztr. - Monkodonja auf der Halbinsel Istrien

Gut erhaltenes Beispiel einer frühbronzezeitlichen Stadt

Höchstwahrscheinlich hat sich die frühbronzezeitliche Stadtkultur um 2.200 v. Ztr. vom Balkanraum, von dem Adria- und Donauraum heraus nach Norden bis Sachsen und Südengland in einer ersten Phase ausgebreitet. In einer zweiten Phase wurde diese Ausbreitung um 1.800 v. Ztr. noch einmal intensiviert. Auf der Halbinsel Istrien gibt davon die Stadt Monkodonja ein lebhaftes Zeugnis. Dieses soll im folgenden als eines von mehreren gut erforschten Beispielen zu jener Stadtkultur der Frühbronzezeit vorgestellt werden, die sich damals nach Mitteleuropa hin ausbreitete.

Abb. 1: Die Hügelfestung und -stadt Monkodonja, ein Fernhandels-Zentrum auf der Halbinsel Istrien (Kroatien) an der Adria - 1.800 v. Ztr..

Eine Bemerkung zuvor: Die Halbinsel Istrien liegt im Norden von Dalmatien. Und Dalmatien gilt im allgemeinen als das Heimatland der griechischen Dorer, die um 1100 v. Ztr. den griechisch-dorischen Dialekt auf die Halbinsel Pelepones gebracht haben (Wikp. 1, 2), zu der von der Adriaküste schon zuvor über viele Jahrhunderte hin Handelskontakte aufrecht erhalten worden waren. Mit dieser Bemerkung soll nur angedeutet werden, welche Art von Völkerschaften auch die Halbinsel Istrien in der Frühbronzezeit besiedelt haben könnten.

Abb. 1 zeigt den Blick, den der frühbronzezeitliche Fürst von Monkodonja von seiner mykeneartigen Akropolis aus auf das Meer der Adria hinunter genoß, nachdem er die Stadt Monkodonja auf dem Berg oberhalb des schiffereichen Hafens um 1.800 v. Ztr. nach einheitlichem Plan (s.u.) angelegt hatte.

Unschwer vorzustellen: Stolz trugen er und die Angehörigen seiner Familie beim Blick über das Meer und die Schiffe ihre Prunkdolche an der Hüfte, jene kompliziert verfertigten ersten bronzenen Waffen, Vollgriffdolche. Stolz trugen sie ihre Ösenhalsringe um den Hals. Beides waren so weit verbreitete Güter, daß die späteren Archäologen zu der Vermutung kommen sollten, es handele sich bei ihnen um eine Art erste Geldwährung zum Handel zwischen den frühbronzezeitlichen Städten Mitteleuropas (siehe voriger Beitrag).

Dieser Fürst war es vielleicht, der die Halbinsel Istrien überhaupt erobert hatte, und der sie gegen andere Eroberer verteidigte. Denn sein Volk war möglicherweise in langen, von Rindern gezogenen Wagenkolonnen - oder mit zahlreichen Schiffen über das Meer - in diese Halbinsel geströmt. Und aufgrund seines starken Bevölkerungswachstums erbaute es auf den Hügeln der Halbinsel an der Küste und im Landesinneren überall in einem dichten Netz weitere Städte (siehe letzter Beitrag).

Es war in jenen Jahrhunderten, als Städte von der Größe Trojas nicht nur im hethitischen Reich und in Griechenland entstanden, sondern auch über den ganzen Balkanraum hinweg bis in den Donau- und in den Elbesaaleraum hinein. Ja, sogar bis nach Südengland, wo Stonehenge eines der religiösen, wirtschaftlichen und politischen Zentren bildete (siehe früherer Beitrag). Es war die Zeit, in der die Stadtkultur in Europa begann. Jene Epoche, von der man noch vor wenigen Jahren geglaubt hatte, sie hätte erst mit den Kelten um 600 v. Ztr in Mitteleuropa begonnen.

Die Alltagsbekleidung der normalen Menschen jener Zeit in den oft eindrucksvollen bronzezeitlichen Langhäusern wird man sich so vorstellen können, wie sie die Wüstenmumien in der Taklamakan aufzeigen, mit viel Leder und wertvollen handgewebten Stoffen (s. E. Barber, bzw. früherer Beitrag). Und mit diesen wertvollen, handgewebten Stoffen ist sicher auch viel Handel getrieben worden, ebenso wie mit Salz, Fleisch und mit Metall.

Abb. 2: Erforschte Großsiedlungen der frühen bis mittleren Bronzezeit. Der Archäologe Hänsel betont, daß bei weitem nicht alle bekannten Siedlungen kartiert sind, sondern nur beispielhaft bislang wenige, gut erforschte. (S. 122)

Schon im ersten Beitrag dieser Themenreihe wurde auf die Tatsache hingewiesen, daß während der Frühbronzezeit um 2.000 v. Ztr. über weite Teile Europas hinweg mauerbewehrte Großsiedlungen gegründet wurden, zumeist auf Bergeshöhen im Abstand zwischen 25 und 35 Kilometer voneinander, also oft auf Sichtweite. So im Elbsaale-Gebiet, in Bayern, im heutigen Böhmen, in Ungarn und so auch über weite andere Regionen hinweg.

Abb. 3: Das Haupt-, bzw. Westtor der Großsiedlung Monkodonja auf Istrien, Kroatien (1.800 - 1.200 v. Ztr.), das hinunter zum Hafen führt. Es erinnert an die mykenischen Burgen Griechenlands und gibt eine Vorstellung von dem Aussehen auch der weniger gut erhaltenen Höhenburgen gleicher Zeitstellung im sonstigen Mitteleuropa

Über diese europäischen Großsiedlungen der Frühbronzezeit, von denen unter anderem auch verschiedene im südosteuropäischen Raum und in Spanien recht gut untersucht sind, berichtet der Archäologe Bernhard Hänsel in seiner jüngsten Veröffentlichung (Hänsel, S. 120 - 122). Er macht dabei keine Unterschiede mehr zwischen Großsiedlungen im mediterranen und südeuropäischen Raum im Vergleich zu Großsiedlungen im mitteleuropäischen Raum. Es deutet sich hier auf vielen Ebenen ein recht einheitlicher Kultur- und Wirtschafts-Raum an. Diese Großsiedlungen waren also auch im gesamten Bereich der "Aunjetitzer Kultur" im Elbsaale-Gebiet verbreitet, aus der schließlich um 1.600 v. Ztr. die schon lange zuvor benutzte Himmelsscheibe von Nebra hervorging. Hänsel schreibt über diese großartige europäische Kultur der Frühbronzezeit:

Wie bisherige Grabungen ergaben, sind diese Großsiedlungen in der Regel nach demselben Muster aufgebaut: Befestigungen umschließen eine große Fläche mit einer Längsausdehnung von mehreren hundert Metern.

Diese sind aus großen Gesteinsbrocken in Trockenbautechnik errichtet worden, das heißt, ohne Mörtel zusammengefügt. (...) In gesteinsarmen Landschaften finden sich aufwendige Holzkonstruktionen.
Siehe die Abb. 1, 3 - 7.
Mit ihrem zyklopischen Mauerwerk erinnern sie an die mykenischen Burgen Griechenlands,

heißt es in ähnlicher Weise 2005 in einer Ausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte Berlin.

Abb. 4: Auf der Luftaufnahme von Monkodonja erkennt man unter anderem gut die komplizierten Toranlagen in der Mauer, das Westtor hinunter zum Hafen (hier unten) und das Nortor (hier links)

Bernhard Hänsel weiter:

Gewaltige, zum Teil recht komplizierte Toranlagen sichern den Zu- und Austritt. (...) Oft sind die Anlagen innerhalb ihrer Fläche durch Mauerzüge in zentrale und periphere Zonen gegliedert. (...) Soweit es die meist nur in Ausschnitten angelegten Grabungen beurteilen lassen, sind die Plätze stets dicht besiedelt und man kann mit 1000 und mehr Einwohnern rechnen. Diese Zahl ist bei älteren Siedlungen niemals erreicht worden und muß als neu und ausgesprochen hoch angesehen werden. Die recht großen Häuser sind eng beeinander regelhaft angeordnet, was die Siedlungen als plamäßig errichtete Neugründungen erscheinen läßt.
Abb. 5: Die Großsiedlung Monkodonja war vielfältig gegliedert. A = Akropolis, B = Oberstadt, C und G = Bebaute Terrassen, D = Westtor, das zum Hafen führt, E = Nordtor, F = Kulthöhle, H = Außensiedlung.

Hänsel wählt als ein anschauliches Beispiel die Bergfestung Monkodonja auf der Halbinsel Istrien im heutigen Kroatien (1800 bis 1200 v. Ztr.), die er selbst mit erforscht hat (FU Berlin). Von dieser Bergfestung und ihrer Akropolis hat man einen herrlichen Blick auf die Adria und auf den am Stand gelegenen Hafen dieser Stadt (siehe Abbildungen). Sie ist im Grundriß oval und in der Längsaudehnung etwa 250 Meter lang (a, b, c, d, e, f, g, h, i). Auf Istrien lebten in der Antike die Histrier:

Die Handel treibenden Seefahrer standen im ständigen Austausch mit der mediterranen Welt, dem Donauraum und den bronzezeitlichen Kulturen des Alpenraums.

Sicherlich stellte die Halbinsel Istrien ein wichtiges Handelszentrum im Fernhandel von Mittel- und Nordeuropa nach der Mittelmeerwelt hin dar.

Abb. 6: Luftaufnahme des Westtores, das zum Hafen hinunter führt.

Weiter schreibt der Archäologe Hänsel aber auch von eher geringerer Siedlungskontinuität was diese ersten bronzezeitlichen Städte betrifft:

Mit Ausnahme der Plätze ganz im Süden und an der Küste existierten die stadtartig anmutenden Orte allerding nur wenige Jahrhunderte. Seit dem Beginn oder während der Mittelbronzezeit wurden sie fast alle aufgegeben und es enstanden wieder Streusiedlungen anstelle der Zentralorte. (S. 122)
Abb. 7: Eine Toranlage von Monkodonja im heutigen Zustand (Original waren die Mauern natürlich viel höher)

In der neuesten Studie (1) schreibt Hänsel:

Auf der höchsten Stelle des (...) Berges befindet sich eine besonders kräftige, ähnlich wie für die Außenbefestigung beobachtet, durch mehrere Umbauten verstärkte Mauer, die fast quadratisch mit einer Seitenlänge von ungefähr 90 m im Inneren der größeren Siedlung einen Kernbereich separiert. Die Ausgräber haben diese herausgehobene Zone Akropolis genannt. Hier dürften die oberen Bevölkerungsschichten gewohnt haben, wie das der Baubefund und auch der geborgene reichere Fundstoff andeuten. Ihr westlich vorgelagert erstreckt sich etwas tiefer gelegen eine ebene Fläche, die so genannte „Oberstadt“, deren steinerne Bauten durch eine ältere landwirtschaftliche Nutzung des Geländes jedoch völlig vernichtet und zu Lesesteinhaufen zusammengetragen worden sind. Um die beiden genannten Flächen verlaufen bis zur äußeren Verteidigungsmauer als drittes gesondertes Siedlungsareal mehrere tiefer und getreppt gelegene Terrassen mit reihenhausartig angelegter dichter Bebauung. Weiter haben sich außerhalb der Befestigung an mehreren Stellen Reste einer Außensiedlung im Macchiagestrüpp zu erkennen gegeben. Es gibt also topographisch und typologisch
gesehen eine Vierteilung der gesamten Siedlungsfläche.

Dass sich hinter dieser Gliederung der Siedlungsanlage sozial gesehen eine Schichtenbildung verbirgt, wird durch die unterschiedliche Bebauung der Teilbereiche wahrscheinlich gemacht: In der Akropolis fanden sich Reste einer flächenfüllenden Bebauung mit großen, mehrräumigen Häusern mit unterschiedlich großen Zimmern, hallenartigen Teilen sowie Korridoren in einer nicht besonders regelhaft symmetrischen Anordnung, wie das am besten aus mittelhelladischer bis hin zur beginnenden mykenischen Zeit Griechenlands bekannt geworden ist. (...)

Die reihenhausartige Bebauung der peripheren Terrassen, des dritten Siedlungsareals, zeugt im Gegensatz zur Akropolis von beengten Wohnverhältnissen in kleineren ein- bis zweiräumigen Häusern.

"Marktgerechter" Fleisch- und Fischverkauf in Mokodonja

Es wurden mehr Knochen von Schafen, die im ersten und zweiten Lebensjahr geschlachtet wurden, gefunden, als normalerweise bei der Nutzung von Schaffleisch üblich ist. Ebenso wurden mehr Knochen von Rindern im Schlachtalter von 5 und 6 Jahren gefunden, als es normalerweise üblich ist. Daraus schließen die Forscher, daß in Mokodonja im Wesentlichen luxuriöser lebende Endverbraucher wohnten, nicht Primärproduzenten:

Es scheint folglich, als sei das Fleisch schwerpunktmäßig von außen, den Wünschen der Monkodonjer folgend, angeliefert worden; die zu anderen Lebzeiten geschlachteten Tiere wurden wahrscheinlich an den Orten ihrer Aufzucht verzehrt. Ähnlich verhält es sich mit den Fischen, deren Größe und Menge nicht der normalen Füllung eines Fangnetzes mit großen und kleinen Fischen entsprachen. Nach Größen selektiert, wurden sie nach Monkodonja, gleichsam in marktgerechten, dort beliebten Formaten geliefert.
Abb. 8: Halbinsel Istrien in der Bronzezeit: Vier Stadtzentren von der Größe Monkodonja's, umgeben von zugeordneten Dörfern, Weilern und Siedlungsgrenzen

Hier deuten sich also arbeitsteilige Handelsbeziehungen zwischen Stadt und Land an. Die bronzezeitliche Stadt Rovinj liegt von Monkodonja nur sechs Kilometer Luftlinie entfernt, auf dem Landweg ist sie aber aufgrund des hügeligen Geländes wesentlich weiter entfernt gewesen. Jedenfalls zeigt auch dieser Umstand eine relativ hohe Siedlungsdichte in jener Zeit auf. Eine ähnliche Siedlungsdichte findet sich auch in den mittelbronzezeitlichen Salzfürstentümern Siebenbürgens (vgl. L. Dietrich 2010).

Damit gibt es also neuerdings viele Gründe dafür zu fragen, ob die Dorer, als sie am Ende der mykenischen Kultur im Zuge der dorischen Wanderung in die Pelepones strömten, dort unbedingt eine vorherige "Palast-Kultur" hätten vorfinden müssen, die jener Kultur besonders unähnlich gewesen wäre, aus der sie selbst stammten. Man wird eher sagen können: Sie brachten keine neue Kultur mit, sondern während ihrer Wanderungen und bei der neuen Seßhaftwerdung bildeten sich allgemein - sowohl in Dalmatien wie auf der Pelopones - neue kulturelle Formen und gesellschaftliche Lebensweisen heraus.

Im nächsten Beitrag wird eine frühbronzezeitliche Stadt am Nordrand der ungarischen Donauebene hingewiesen, südlich der Karpaten, auf Fidvár bei Vráble.



/ Zusammengestellt bis zum 22.1.10,
überarbeitet und veröffentlicht: 20.5.10 /


  1. ResearchBlogging.orgHänsel, B., Matošević, D., Mihovilić, K., & Teržan, B. (2009). Zur Sozialarchäologie der befestigten Siedlung von Monkodonja (Istrien) und ihrer Gräber am Tor Praehistorische Zeitschrift, 84 (2), 151-180 DOI: 10.1515/PZ.2009.008 
  2. Hänsel, Bernhard: Die Bronzezeit (2.200 - 800 v. Chr.). In: S. von Schnurbein (Hg.): Atlas der Vorgeschichte. Europa von den ersten Menschen bis Christi Geburt. Theiss-Verlag, Stuttgart 2009, S. 108 - 149
  3. Mühldorfer, Bernd; Zeitler, John P.: Mykene, Nürnberg, Stonehenge. Handel und Austausch in der Bronzezeit. Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V.. VKA-Verlag, Fürth 2000
  4. Lochner, Michaela: Bronzezeit - österreichische Siedlungen als Handelszentren. FWF, 26. April 2004
  5. Bátora, J., B. Eitel, F. Falkenstein, K. Rassmann: Fidvár bei Vráble - Archäologische Prospektionen auf einer frühbronzezeitlichen Zentralsiedlung am Rande des Slowakischen Erzgebirges. Universität Würzburg, 9.9.2009 [22.1.10]
  6. Bátora, Jozef.: Vergleichende Untersuchungen zum frühbronzezeitlichen Siedlungswesen am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges. Deutsches Archäologisches Institut, 25.9.09 [22.1.10]
  7. Czebreszuk, Janusz; Müller, Johannes: Vermittler am Nordrand der Aunjetitzer Kultur. In: AiD 2/2000, S. 58f (Bruszczewo, 60 km südlich von Posen)
  8. Dietrich, Laura (2010). Eliten der frühen und mittleren Bronzezeit im südöstlichen Karpatenbecken Praehistorische Zeitschrift, 85 (2), 191-206 DOI: 10.1515/PZ.2010.011 

1 Kommentar:

historicus hat gesagt…

Monkodonja ist eine trojanische Stadt.Troja liegt in Motovun,zentral Istrien.

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