Dienstag, 25. Mai 2010

Stimmt das etwa: "Ein Volk zu sein, ist die Religion unserer Zeit"?

Zur "Dialektik der Aufklärung" betreffs moderner Humangenetik

a) Grundsätzliches als Einleitung

"Ein Volk zu sein, ist die Religion unserer Zeit," rief der deutsche "National-" und Freiheitsdichter Ernst Moritz Arndt zur Zeit der deutschen Freiheitskriege gegen Napoleon aus. In dem gleichen Jahrzehnt dichtete der deutsche Dichter Friedrich Hölderlin: "Oh du der Geisterkräfte gewaltigste, du löwenstolze Liebe des Vaterlands!" Und Friedrich Schiller dichtete sein berühmtes: "Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not und trennen noch Gefahr ..." Und wiederum Friedrich Hölderlin dichtete: "Oh heilig Herz der Völker, oh Vaterland ...".

Abb. 1: Schach - Ein Jude spielt gegen einen Moslem Schach, Darstellung aus dem 13. Jahrhundert aus  Andalusien (im "El Libro de los Juegos, commissioned by Alphonse X of Castile, 13th century, Madrid) (Wiki)

Johann Gottfried Herder prägte in ähnlichen Zeiten das Wort: "Völker sind Gedanken Gottes". Jacob Grimm (Stgen2008) begründete nicht nur viele moderne, geisteswissenschaftliche Disziplinen, in denen insbesondere die Eigenart der Völker über ihre jeweilig einzigartigen kulturellen Hervorbringungen erforscht wurde (Germanistik ..., Slawistik ...., Volkskunde ...), sondern gewann aus diesen Forschungen als politisch frei und niemals "korrekt" denkender Mensch auch den Impetus, um an der Entwicklung Deutschlands hin zu einem demokratischen und sozial gerechten Rechts- und Verfassungsstaat mitzuwirken (... "Göttinger Sieben", ... Abgeordneter der deutschen Nationalversammlung von 1848 ...).

Niedergang des Christentums - Aufgang einer neuen "Religion"?

Es waren die Jahre nach der Französischen Revolution und vor den europäischen Freiheits- und Nationalkriegen gegen Kaiser Napoleon. ("... Mit Mann und Roß und Wagen, so hat sie Gott geschlagen ...") Es waren die Jahre, als den europäischen Eliten ihr vormals unerschütterlicher Glaube an die unumschränkte Wahrheit der christlichen Religion abhanden gekommen war, so wie als einem der ersten: Giordano Bruno. Es war jene Zeit, als einer der ersten und zugleich letzten großen, freigeistigen Theologen der Geschichte des Abendlandes, als Friedrich Schleiermacher in Berlin seine bedeutendste Schrift herausgab: "Über Religion - an die Gebildeten unter ihren Verächtern".

Und als Ersatz wählten diese "Verächter" (aber auch andere) sehr oft jene "Religion", die ein Ernst Moritz Arndt und so viele andere Dichter des 19. Jahrhunderts in Worte faßten. Wobei zugleich die Zweischneidigkeit dieser "Religion" deutlich wurde. Dichtete doch ein solcher Dichter wie Ernst Moritz Arndt gerne auch blutrünstigste Kampfgedichte voller Franzosenhaß.

Eine "kopernikanische Wende" durch die Humangenetik

Aber was haben all diese Geschichten des 19. Jahrhunderts mit der Humangenetik des 21. Jahrhunderts zu tun? 

  • Mit der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms, die im Jahr 2000 verkündet wurde, 
  • mit der Erforschung "gruppenevolutionärer Strategien" durch die Soziobiologie, die besonders seit den 1990er Jahren an Fahrt aufgenommen hat, 
  • mit der neuen Disziplin der Religionsdemographie und -biologie und
  • mit der Erkenntnis von der hohen Erblichkeit der menschlichen Intelligenz und ihrer sehr deutlich unterschiedlichen Häufigkeitsverteilung über die Völker und Rassen weltweit und über die Epochen der Humanevolution hinweg 

hat sich ein kopernikanischer Umschwung in der Wissenschaft und damit früher oder später auch im Weltbild angebahnt (siehe auch Einleitung von: 2).

Möglicherweise hatte nämlich Ernst Moritz Arndt viel stärker recht, als wir ihm das bis heute gerne hätten zugestehen wollen, ja, als das vielleicht sogar die politisch extremsten Nachfolger auf dem Gebiet nationaler und nationalistischer Politikgestaltung gewagt hätten vorauszusagen als Ergebnis künftiger anthropologischer und evolutionärer Forschung.

"Ein Volk zu sein war und ist die Religion aller Zeiten!"

Vielleicht ist die Lehre aus dieser kopernikanischen Wende in der derzeitigen Anthropologie nämlich tatsächlich vor allem die Erkenntnis: "Ein Volk zu sein war und ist die Religion aller Zeiten!" Denn wenn das aschkenasische Judentum tatsächlich die "Speerspitze der Evolution" bilden sollte, da es den höchsten, durchschnittlichen, angeborenen Intelligenzquotienten weltweit aufweist - und das, obwohl es erst etwa 1.000 bis 1.500 Jahre alt ist -, wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte, dann wäre zu fragen, ob der Fall der "Evolution der aschkenasischen Intelligenz" (Wiki) (1) verallgemeinert werden kann, ja, muß auf die Humanevolution, auf die Evolution von Völkern überhaupt.

Vom Volk der Bibel jedenfalls kann sicherlich schon seit mindestens zweitausend Jahren gesagt werden, daß "ein Volk zu sein" für dieses "Religion" immer schon gewesen ist. Und darin wird möglicherweise auch die Ursache für den evolutionären Erfolg dieser letzten "Speerspitze der Evolution" zu suchen sein, was Intelligenz-Evolution betrifft. Und war nicht diese "Religion" letztlich die Religion aller Völker, bevor sie zu globalistischen sogenannten "Weltreligionen" bekehrt wurden - nämlich: "ein Volk zu sein"?

Hat nicht auch der Freiheitskämpfer Arminius seinem auf Römerseite stehenden Bruder gegenüber die eigenen Götter beschworen und die eigenen kulturellen Überlieferungen, als er ihn auf seine Seite herüberziehen wollte - nach dem Bericht der römischen Historiker?  Also der Sieger des Jahres 9 n. Ztr. in der Schlacht vom Teutoburger Wald, der heute Wiehengebirge genannt wird. 

Waren nicht früher alle Völker und Stämme stolz auf sich selbst? Und ist dieser Stolz auf die individuelle, kulturelle und gerne auch biologische Eigenart der eigenen Gruppe, der eigenen Kultur nicht immer schon - ausgesprochen oder unausgesprochen - "Religion" des Menschen in der gesamten Zeit der Weltgeschichte und der Humanevolution gewesen?

Wäre dies etwa bei den Jäger- und Sammler-Völkern anders gewesen? Bei den zahllosen, aufeinander folgenden schriftlosen oder Schrift besitzenden Völkern und Kulturen des Neolithikums, der Bronzezeit und der Eisenzeit? Sind nicht sogar viele Völker und Stämme auf sich selbst so selbstverständlich stolz, daß sie nur sich selbst "Mensch" nennen, die Menschen aller anderen Völker aber mit abwertenden Bezeichnungen, mit Bezeichnungen, die eher an Tiere denn an Menschen erinnern? Die Piraha, ein Indianerstamm im südamerikanischen Urwald, die keine Zahlworte haben, sind so stolz, daß sie sich selbst "gerader Kopf" = Piraha und alle anderen Menschen "krummer Kopf" nennen. Und wie recht haben sie. Schließlich verkörpern sie eine Art von Menschsein, die kein anderer Stamm weltweit verkörpert.

Alle Völker finden sich selbst besser als andere

Und wäre gerade der geistesgeschichtlich sicherlich "notwendige" Untergang der supernaturalistischen "Weltreligionen" Christentum und Islam eine Entwicklung, die auf mehr oder weniger "natürlichem" Wege Platz schaffen würde für eine Rückkehr zu den ursprünglichen Gesetzmäßigkeiten von Humanevolution überhaupt, die jetzt durch die Humangenetik und Soziobiologie allmählich - wieder - aufgedeckt werden?

b) Neue historische Studie

Aber nach solch grundsätzlichen Bemerkungen, die man doch einmal hatte loswerden müssen, da über diese Thematik seit mehreren Jahren mehr geschwiegen als geredet wird, soll noch mit einigen Anmerkungen auf eine neue historische Studie (3) aufmerksam gemacht werden, die letztlich darauf zielt, die Forschung des letzten Jahrhunderts zur Geschichte des Judentums mit den humangenetischen und soziobiologischen Forschungen zur Evolution der aschkenasischen Intelligenz der beiden letzten Jahrzehnte (2) in Einklang zu bringen.

Auf dieser Linie wird wohl in nächster Zeit noch so manche weitere Studie erscheinen. Natürlich auch zu anderen Völkern.

Gen-Kultur-Koevolution schafft Völkervielfalt

Auf dem Blog von Lars Fischer hat es ja kürzlich schon eine schöne Diskussion über das Thema "Gen-Kultur-Koevolution" gegeben. In dieser haben unter anderem Edgar Dahl und Michael Blume manches Wichtige zur Thematik festgestellt (Fischblog, 12.4.10). In ihr wurde allerdings noch kaum thematisiert, daß die Vielfalt der menschlichen Kulturen und Lebensweisen weltweit schon seit tausenden und zehntausenden von Jahren unterschiedliche Selektionsbedingungen für die Völker weltweit geschaffen hat, an die sich die Genome der Völker dann auch angepaßt haben. Das können wir heute in diesen Genomen immer besser erkennen (s.a. 4) - und zwar sowohl was die Genetik physiologischer Körpermerkmale betrifft, als auch was die Genetik von psychischen Merkmalen betrifft.

Dabei wies Leser "itz" freundlicherweise auf einen neuen Artikel des NYT-Wissenschaftsjournalisten Nicholas Wade hin, der die eingangs genannte kopernikanische Wende schon in seinem Buch "Before the Dawn" im Jahr 2006 umrissen hatte, und der sie jüngst wieder einmal neu erläuterte in seinem Aufsatz: "Human Culture, an Evolutionary Force". Wade machte unter anderem auf folgenden Meinungsumschwung innerhalb der Wissenschaft aufmerksam (NYT, 1.3.10):

Der Gedanke, daß Gene und Kultur koevolvieren wabert schon seit mehreren Jahrzehnten (innerhalb der Wissenschaft). Aber er hat erst jüngst begonnen, Anhänger zu gewinnen. Zwei führende Befürworter, Robert Boyd von der Universität von Kalifornien in Los Angeles und Peter J. Richerson von der Universität von Kalifornien in Davis argumentieren schon seit Jahren, daß Gene und Kultur in Abhängigkeit voneinander stehen bei der Formung der menschlichen Evolution. "Es ist nicht so gewesen, daß wir verachtet wurden, nur irgendwie ignoriert," sagt Dr. Boyd. Aber in den wenigen letzten Jahren hat das Zitieren ihrer Veröffentlichungen durch andere Wissenschaftler "umfangreich zugenommen", sagt er. 
The idea that genes and culture co-evolve has been around for several decades but has started to win converts only recently. Two leading proponents, Robert Boyd of the University of California, Los Angeles, and Peter J. Richerson of the University of California, Davis, have argued for years that genes and culture were intertwined in shaping human evolution. “It wasn’t like we were despised, just kind of ignored,” Dr. Boyd said. But in the last few years, references by other scientists to their writings have “gone up hugely,” he said.

Unter diesen Umständen macht es sicher Sinn, wenn man sich eine der jüngsten Arbeiten von Boyd und Richerson einmal wieder genauer anschaut, z.B. jene, die im Rahmen eines  auch sonst hochkarätig besetzten Kolloquiums im letzten Dezember veröffentlicht worden ist (2) (PNAS). Denn durch diese Arbeit wird man - unter anderem - auch auf die im folgenden kurz zu behandelnde neue Studie (3) aufmerksam gemacht.

Die historischen Umstände zur Zeit der Ethnogenese des aschkenasischen Judentums

Diese letztere Studie erläutert und präzisiert noch einmal unser historisches Wissen um die Umstände der Entstehung des aschkenasischen Judentums - zunächst als früh-, bzw. hochmittelalterliche Rand- und Splittergruppe des bis dahin demographisch und auch sonstig dominierenden sephardischen Judentums. Und was diese Arbeit besonders deutlich hervorhebt, das ist der Umstand, daß zur Zeit der Entstehung des aschkenasischen Judentums das politische, wirtschaftliche und religiöse Zentrum des damaligen "weltweiten" Judentums sehr selbstverständlich im islamischen Machtbereich lag (3, S. 915):

Während des achten und neunten Jahrhunderts bildete das Abbasiden-Reich im Nahen Osten das demographische, wirtschaftliche und religiöse Zentrum der jüdischen Gemeinschaften.
During the eighth-ninth centuries the demographic, economic, and religious center of Jewish communities was the Abbasid Empire in the Near East.

Und man bekommt von diesem Blickwinkel her noch ein besseres Verständnis für die historische Situation, innerhalb welcher die Gründerpopulation des aschkenasischen Judentums sich etabliert haben muß. Die aschkenasischen Juden waren am Anfang - nach allen präsentierten demographischen und sonstigen historischen Daten - sicherlich bloß eine marginale untergeordnete Randgruppe des Judentums der damals bekannten Welt, eine Randgruppe, die sich eben in die Dienste der "barbarischen", germanischen, bzw. nordeuropäischen Fürsten stellte (3, S. 916).

Sicherlich blickte man um 800 von Bagdad aus auf die an der Seine, an der Themse und am Rhein operierenden Juden, mit denen man in Briefkontakt stand, mit mancherlei Mitleid oder gar Herablassung. Denn damals erachtete man sich selbst in Bagdad sicherlich als kulturell höherwertig, bzw. seine ganze dortige kulturelle und ökonomische Umgebung. (Man lese dazu etwa wikipedia-Artikel wie "Golden age of Jewish culture in Spain" [Wiki] oder "Sephardic Jews" [Wiki], bzw. ihre deutschsprachigen Pendants.)

Aschkenasische Juden um 800: Zunächst eine kleine, abseitige "Splittergruppe" im andersartigen Norden

Aber wenn man die möglicherweise mental als besonders "harsch" und "barbarisch" empfundenen Lebensbedingungen, unter denen die ursprünglich aus einem Mittelmeervolk stammenden deutschsprachigen (jiddisch-sprachigen = aschkenasischen) Juden leben mußten, wenn man diese Bedingungen mit jenen von Bagdad oder Cordoba in Spanien verglich, dann konnte sich bei der damaligen Splittergruppe der deutschsprachigen Juden durchaus auch eine Art Sonderbewußtsein herausbilden. Man konnte einen gewissen Stolz der Tatsache gegenüber entwickeln, daß man es auch unter so andersartigen Bedingungen "aushielt".

Und diese Bedingungen könnten diese ethnische Splittergruppe auch unter besondere genetische Selektionsbedingungen gestellt haben, die dann eben zu den besonderen genetischen und kulturellen Eigenarten der aschkenasischen Juden führten, die sie von ihren sephardischen (also traditionell romanisch- oder arabischsprachigen) Brüdern und Schwestern bis heute so deutlich absetzen.

Auf weitere Einzelheiten soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, zumal das Thema schon oft hier auf dem Blog in der einen oder anderen Weise behandelt worden ist und zumal mindestens zwei der zitierten Artikel (1, 3) auch frei im Netz zugänglich sind.

Aber da sich das Thema auf der Schnittstelle von Genetik und klassischer Geschichtswissenschaft bewegt, sind eben auch ganz traditionell arbeitende Historiker aufgerufen, sich mit der Thematik überhaupt zu beschäftigen.

Straßburger Eide von 842 ein wichtiges Datum

Jedenfalls ein klassischer Fall von Ethnogenese ("Volkwerdung") etwa zu gleicher Zeit und parallel zu den Ethnogenesen (= "Volkwerdungen") der heute noch bestehenden anderen europäischen Völker, wie sie sich nach dem Abschwellen der Unruhezeit der Völkerwanderung vollzogen - aufgrund sprachlicher, politischer und sonstiger kultureller Entwicklungen. Als ein wichtiges Datum bei der kulturellen - und damit zugleich auch biologischen - Herausbildung des aschkenasischen Judentums werden auch die Straßburger  Eide 842 (Wikizu nennen sein, durch die die sprachliche Trennung des französischen vom deutschen Volk erstmals in Schriftdokumenten manifest wurde.

Ob übrigens die Hauptthese der hier angesprochenen Arbeit (3) durch diese Arbeit selbst als erhärtet angesehen werden kann, nämlich daß die religiöse Forderung nach Schulbildung die Juden schon früher als andere Völker auf IQ-Selektion hin ausrichtete, muß schon deshalb infrage gestellt werden, weil in dieser Arbeit größtenteils von den sephardischen Juden die Rede ist, deren durchschnittlicher angeborener Intelligenzquotient heute gerade nicht über dem der übrigen europäischen Völker liegt, wie das eben so auffälligerweise allein für das aschkenasische Judentum gilt. So viel wie hinsichtlich des aschkenasischen Judentums gibt es hinsichtlich des sephardischen Judentums gar nicht zu erklären, was IQ-Evolution betrifft.

Aber das entwertet bestimmt nicht die vielen und oft detailreichen historischen Angaben, die auch sonst der Studie entnommen werden können. - "Ein Volk zu sein", ist die Religion des Judentums, auch oftmals des heute nicht mehr bibelgläubigen (5). Und dieser Umstand könnte in vielerlei Hinsicht ein exemplarischer Fall für die Evolutionsforschung überhaupt darstellen.

___________

  1. COCHRAN, G., HARDY, J., & HARPENDING, H. (2005). NATURAL HISTORY OF ASHKENAZI INTELLIGENCE Journal of Biosocial Science, 38 (05) DOI: 10.1017/S0021932005027069
  2. Richerson, P., Boyd, R., & Henrich, J. (2010). Colloquium Paper: Gene-culture coevolution in the age of genomics Proceedings of the National Academy of Sciences, 107 (Supplement_2), 8985-8992 DOI: 10.1073/pnas.0914631107
  3. Botticini, M., & Eckstein, Z. (2007). From Farmers to Merchants, Conversions and Diaspora: Human Capital and Jewish History Journal of the European Economic Association, 5 (5), 885-926 DOI: 10.1162/JEEA.2007.5.5.885
  4. Hancock, A., Witonsky, D., Ehler, E., Alkorta-Aranburu, G., Beall, C., Gebremedhin, A., Sukernik, R., Utermann, G., Pritchard, J., Coop, G., & Di Rienzo, A. (2010). Colloquium Paper: Human adaptations to diet, subsistence, and ecoregion are due to subtle shifts in allele frequency Proceedings of the National Academy of Sciences, 107 (Supplement_2), 8924-8930 DOI: 10.1073/pnas.0914625107
  5. MacDonald, Kevin: A Culture of Critique. An Evolutionary Analysis of Jewish Involvement in Twentieth-Century Intellectual and Political Movements, 1998.
  6. Hancock, A., Witonsky, D., Ehler, E., Alkorta-Aranburu, G., Beall, C., Gebremedhin, A., Sukernik, R., Utermann, G., Pritchard, J., Coop, G., & Di Rienzo, A. (2010). Colloquium Paper: Human adaptations to diet, subsistence, and ecoregion are due to subtle shifts in allele frequency Proceedings of the National Academy of Sciences, 107 (Supplement_2), 8924-8930 DOI: 10.1073/pnas.0914625107
  7. MacDonald, Kevin: A Culture of Critique. An Evolutionary Analysis of Jewish Involvement in Twentieth-Century Intellectual and Political Movements, 1998.
  8. MacDonald, Kevin: A Culture of Critique. An Evolutionary Analysis of Jewish Involvement in Twentieth-Century Intellectual and Political Movements, 1998.

2.200 v. Ztr. - Erste Städte zwischen Slowakei und Bayern

Beispiele frühbronzezeitlicher, stadtähnlicher Gesellschaften im Donauraum

Hier auf dem Blog ist schon hingewiesen worden auf Bernstorf an der Amper, Stonehenge und Monkodonja auf der Halbinsel Istrien als Beispiele für bronzezeitliche Stadtgeschichte nördlich des Mittelmeerraumes.

Abb.1 : Am Südrand der slowakischen Ortschaft Vráble (zu deutsch: Verebel), genauer seinem Ortsteil Fidvár, 20 Kilometer östlich der slowakischen Stadt Nitra

Im vorliegenden Beitrag soll nun einige aktueller erforschte Beispiele bronzezeitlicher Stadtgeschichte ganz grob aus dem Donauraum zwischen Bayern und der Slowakei behandelt werden.

Am Nordrand der ungarischen Donauebene: Fidvár bei Vráble (2.200 - 1.500 v. Ztr.) 

An dem in Abbildung 1 abgebildeten, heute unauffälligen Ort in der Landschaft hat sich in der Frühbronzezeit ein lebendiges Handelszentrum, eine Stadt befunden. Von den vorgeschichtlichen Völkern, die im Karpatenbogen lebten, gingen bis zum Ende der Bronzezeit starke weltgeschichtliche Impulse aus. Insbesondere von den Schnurkeramikern, die hier mit den nördlichen Trichterbecherleuten zusammentrafen und von den auf beide Kulturen folgenden Kulturen. Ein Teil der Karpaten mit der Hohen Tatra und dem "slowakischen Erzgebirge" liegt heute im Staatsgebiet der Slowakei. Dieses umfaßt im Südwesten die nördliche Donauebene, einen Teil der ungarischen Tiefebene und geht dann nach Norden zu ins Gebirge der Nordwestkarpaten über (s. Abb. 2). 

Abb. 2: Landschaftliche Gliederung der heutigen Slowakei 
Abb. 3: Siedlungsplan der frühbronzezeitlichen Stadt bei Fidvár bei Vráble nach derzeitigem Forschungsstand

Am Nordrand der Donauebene, heute etwa 180 Kilometer östlich von Wien, 150 Kilometer nördlich von Budapest und 20 Kilometer östlich der slowakischen Stadt Nitra wurde um 2.200 v. Ztr. bei dem heutigen Dorf Fidvár in der Nähe des Marktortes Vráble (das frühere deutsche Verebel) eine bronzezeitliche Höhensiedlung errichtet, die seit dem Jahr 2007 sehr gründlich erforscht wird. (Batora) (a, b, c) Nicht zuletzt die reichen Kupfer-, Zinn- und Goldvorkommen im slowakischen Erzgebirge werden in der Frühbronzezeit zu einer "systematischen Aufsiedlung des Gebirgsrandes mit befestigten Siedlungen" beigetragen haben. (Batora) Die Bäche und Flüsse der Umgegend des slowakischen Erzgebirges bargen reiche Flußgoldvorkommen. Und 20 Kilometer südlich derselben entstand nun also eine frühbronzezeitliche Zentralsiedlung.  

Der Siedlungsplan, der aufgrund der geomagnetischen Prospektion erstellt werden konnte, konnte eine dichte Bebauung dieser Großsiedlung mit Häuserzeilen aufzeigen. Die geoelektrische Prospektion machte sogar die unter der beackerten Erdschicht noch heute vorhandenen Steinhausgrundrisse, sowie die dazwischen liegenden Laufhorizonte (Gassen) sichtbar. 

 
Abb. 4: Der Weg von Wien nach Fidvár bei Vráble 

Auch außerhalb der Befestigungsmauern konnten die Archäologen intensiv genutzte Siedlungsbereiche aufgrund von Keramikdichte ausmachen:

Erkennbar ist eine ganze Reihe von Siedlungsstellen, die sich im Vorfeld des eigentlichen Siedlungshügels kranzförmig um den äußeren Graben gruppieren. Die gesamte Siedlungsfläche nahm dabei ein etwa 15 ha großes Areal ein. Wie die Verbreitung datierbarer Keramikfunde belegt, erreichte die Ansiedlung Fidvár ihre weiteste Ausdehnung in der mittleren, durch die Aunjetitzer Kultur geprägten Siedlungsphase. Im Siedlungsareal wurden typische Relikte der Metallverarbeitung gefunden, wie Ambosse, Gusslöffel, Tondüsen, das Fragment einer Gussform und ein kleines Bronzeschmuckdepot. Die Häufigkeit derartiger Produktionsreste und ihre weit Verbreitung im Siedlungsareal lassen darauf schließen, dass die Bewohner der Ansiedlung Fidvár intensiv mit der Verarbeitung und Bearbeitung von Metallen befasst waren. (...) Von außen zugänglich war die Siedlung wahrscheinlich durch ein radiales Netz breiter Wegtrassen, das mehr oder weniger rechtwinklig durch konzentrische Wege und Gassen verdichtet wurde.

Die Forscher fassen zusammen:

Mit Vráble-Fidvár steht eine Siedlungsagglomeration von bisher nicht geahnten Dimensionen vor Augen. Zwar bestand die Subsistenzgrundlage in der Fruchtbarkeit der umgebenden Lößflächen, die eigentliche Ursache für die Gründung und wirtschaftliche Prosperität der Großsiedlung dürfte aber die Ausbeutung der nahen Gold- und Zinnlagerstätten gewesen sein. Das weit gestreute Vorkommen von Produktionsresten spricht für intensive und dezentrale metallurgische Tätigkeiten in einem ausgedehnten Siedlungsareal. Bemerkenswert ist zudem die aufwändige Steinbauphase, die für die jüngste Siedlungsschicht durch die Geoelektrik wahrscheinlich gemacht werden kann und in dieser Region singulär ist. Die keramischen Funde bezeugen, dass die Bevölkerung der Ansiedlung von unterschiedlicher kultureller Herkunft war. So dürften die Vertreter der zentraleuropäischen Aunjetitzer Kultur von Westen her an den Rand des Erzgebirges gekommen sein, wohingegen die Träger der Hatvan-Kultur ursprünglich aus dem Flussgebiet der Theiß zugezogen sind. Durch die Verschmelzung von fremden und einheimischen Bevölkerungsgruppen entstand die Mad’arovce-Kultur, deren Vertreter schließlich die Burgsiedlung bewohnten. Aus noch unbekannten Gründen wurde die Niederlassung Fidvár, wie die meisten zeitgleichen Siedlungen im Karpatenbecken, um die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. aufgelassen, und der Platz wurde in späterer Zeit nicht wieder besiedelt.

Auch für diese 15 Hektar große, mitteleuropäische Stadt ist also eher von Gemeinsamkeiten als von Unterschieden zu zeitgleichen mediterranen Städten auszugehen. 

Abb. 5: Ein noch genauerer Plan von Fidvár bei Vráble

An anderer Stelle schreibt der Forscher:

Zur Zeit ihrer größten Ausdehnung betrug die Größe etwa 12 ha und übertraf damit die meisten frühbronzezeitlichen Siedlung im Pannonischen Becken. So sind die Siedlungen der Nagyrév-Kultur maximal 5-6 ha groß. Ein Highlight der geomagnetischen Prospektionen ist die Entdeckung von Gräberfeldern im Randbereich der Siedlung.

Es wird erkennbar, daß hier die Forschungen noch in den Anfängen stecken und auf diesem Gebiet noch viele weitere Forschungsergebnisse zu erwarten sind.

Ergänzung 18.10.22: In diesem Jahr haben Archäologen in der Nähe eines Tores dieser Stadt eine Art Massengrab von 35 zum Teil geköpften, vornehmlich jungen Menschen gefunden, deren Leichen wild durcheinander in eine Grube geworfen worden waren (Spektator2022).

Nördlich von Wien: der Oberleiserberg (2.300 - 1.600 v. Ztr.) (Lochner) 

50 Kilometer nördlich von Wien, zwischen verschiedenen anderen frühbronzezeitlichen Siedlungskammern im Osten und im Westen lag die inzwischen ebenfalls gut erforschte zeitgleiche Höhensiedlung vom Oberleiserberg. Er liegt grob 200 Kilometer westlich der so eben behandelten bronzezeitlichen zentralen Siedlung Fidvár im heutigen Slowenien:

Die Auswertung der Fundstücke belegt deutlich, dass die erste großflächige Besiedelung der Region Oberleiserberg bereits in der Frühen Bronzezeit (2300 bis 1600 v. Chr.) erfolgte. (...) So wurde insbesondere auch Feuerstein aus Mähren in der Frühen Bronzezeit von den Siedlern am Oberleiserberg zur Herstellung verschiedenster Geräte, beispielsweise Klingen und Pfeilspitzen, genutzt. "Bei der mineralogischen Analyse des Feuersteines und seiner Typenzugehörigkeit kamen wir zu dem überraschenden Ergebnis, dass die am Oberleiserberg vorhandenen Steintypen durchwegs in der Frühen Bronzezeit hergestellt und verwendet wurden. Bisher hatte man diese Geräte generell der Steinzeit zugeordnet. Zusätzlich stammt der Feuerstein großteils aus dem weit entfernten mährischen Raum. (...) Diese Phase des intensiven Warenaustausches fand am Oberleiserberg ein abruptes Ende, als die Siedlung nach einer Brandkatastrophe aufgegeben wurde.

Im Donautal in Niederösterreich 

Die umfangreichsten frühbronzezeitlichen Gräberfelder Mitteleuropas hat man bislang im Donautal in Niederösterreich gefunden: etwa 90 Kilometer westlich von Wien. Bis 1987 wurden dort insgesamt 1.300 frühbronzezeitliche Gräber archäologisch erfaßt. Im dortigen Urzeitmuseum Nußdorf ob der Traisen, fünf Kilometer südlich der Donau (15 Kilometer östlich von Krems an der Donau, 20 Kilometer nördlich von St. Pölten), werden die dort gewonnenen reichhaltigen Forschungsergebnisse zur mitteleuropäischen Frühbronzezeit der Öffentlichkeit präsentiert. Einen Kilometer östlich vom Museum entfernt befand sich das archäologisch erforschte Gräberfeld Franzhausen, 9 Kilometer östlich dasjenige von Gemeinlebarn:

Das Untere Traisental (an der Mündung zur Donau) war in der Frühbronzezeit dicht besiedelt. Die Lebensgrundlage der Bevölkerung bildete die Landwirtschaft; Handwerk und Handel sicherten einen beachtlichen Wohlstand. Höhensiedlungen, manchmal auch befestigt, waren Zentren des Handels und der Metallverarbeitung. In unmittelbarer Nähe des Frühbronzezeitgräberfeldes Franzhausen I befanden sich an der Terrassenkante zur Traisen mehrere bäuerliche Freilandsiedlungen in Form von kleinen Weilern. Ein nahezu vollständig ausgegrabener Siedlungsplatz ergab zwei etwa 20 m lange Wohn- und mehrere kleinere Wirtschaftsbauten. Dazwischen fanden sich noch Speicher- und Abfallgruben. Die Häuser wurden zumeist in Pfostenbauweise errichtet. Die Wände bestanden aus lehmverschmiertem Flechtwerk. In den für Mitteleuropa (bislang) größten frühbronzezeitlichen Friedhöfen, aber auch an anderen Bestattungsplätzen, wie in Gemeinlebarn, Oberndorf/E. und Pottenbrunn konnten durch hellen, grauvioletten Moder, durch spezifische Skelettlagen und durch die sekundäre Humusfüllung des Innenraumes ehemalige Holzsärge nachgewiesen werden. Die Gräber können an der Oberfläche verschieden große, manchmal mit Steinen eingefasste Erdhügel, wie auch durch Holzpfosten gekennzeichnet gewesen sein.

Graböffnungen in der Bronzezeit 

Die Gräberfelder waren zwischen 2.200 und 1.500 v. Ztr. etwa 600 Jahre lang belegt. Nach den detaillierten Forschungen der Archäologen wurden diese reich ausgestatteten Gräber über die ganze Belegungsdauer hinweg immer wieder aufgegraben und es wurden die Gold- und Bronzebeigaben wieder herausgeholt. Ob hier eine ärmere Bevölkerungsschicht die Gräber der Reichen heimlich aufgrub und bestahl, ob es sich um einen von den Reichen geduldeten, da recht umfangreichen und systematischen Grabraub handelte oder ob es noch andere Gründe gegeben hat für das Wiederausgraben der goldenen und bronzenen Grabbeigaben, konnte von der Forschung bislang noch nicht abschließend geklärt werden.

In der Münchner Schotterebene  

Für die Münchner Schotterebene liegt zur Siedlungsentwicklung eine Forschungsstudie vor. (Schefzik) Laut dieser Studie ist während der Frühbronzezeit in der Münchner Ebene - mit ihrem groben Durchmesser von 80 Kilometer - ebenfalls ein Siedlungsdichte-Maximum erreicht worden. Obwohl ein Vergleich über Zeitepochen hinweg methodisch sehr viele Probleme mit sich bringt, die von der Forschung noch nicht abschließend gelöst worden sind, wird man diese Angabe doch als einen Näherungswert betrachten können. Unter Außerachtlassung der fundleereren Zwischenphasen (... Abwanderungen?) ergeben sich laut dieser Studie für die Münchner Ebene folgende Siedlungsdichte-Maxima: für das Neolithikum (ohne Schnurkeramik und Glockenbecher) 53 Fundstellen, für die Frühbronzezeit 65 Fundstellen, für die Mittelbronzezeit (ohne die Zwischenphase) 39 Fundstellen, für die Urnenfelderzeit 44 Fundstellen, für die Hallstattzeit 79 Fundstellen und für die Spätlatenezeit 73 Fundstellen. (Schefzik, S. 55)

Allerdings sind da alle Fundstellen gleichgewertet: Siedlungsfunde, Grabfunde und Funde von Weihgaben/Deponierungen an geweihten Orten (Moore, Viereckschanzen). Ebenso ist die unterschiedliche Dauer der jeweiligen Epoche aus diesen Zahlen noch nicht herausgerechnet. So hat man beispielsweise für die spätjungsteinzeitlichen Schnurkeramik- und Glockenbecherkulturen bislang in der Müncher Ebene noch keine Siedlungsfunde, sondern nur Grabfunde machen können. Aber selbst wenn sich das Verhältnis zwischen der Zahl der Siedlungs- und der Zahl der Grabfunde, bzw. der Weihgaben-Funde von Epoche zu Epoche verschieben sollte, kann aus diesen Zahlen abgelesen werden, daß die Frühbronzezeit einen Vergleich ihrer gesellschaftlichen Komplexität und Siedlungsdichte mit den anderen Epochen nicht zu scheuen braucht. Für praktisch jede Periode von der Frühbronze- bis zur Spätlatenezeit ließen sich hier sowohl Einzelhöfe als auch weiler- bzw. dorfartige Ansieldungen beobachten. (Schefzik, S. 155) 

 
 / Zusammengestellt bis zum 22.1.10,  
überarbeitet und veröffentlicht: 25.5.10 /
 
Literatur:
  • Bátora, J., B. Eitel, F. Falkenstein, K. Rassmann: Fidvár bei Vráble - Archäologische Prospektionen auf einer frühbronzezeitlichen Zentralsiedlung am Rande des Slowakischen Erzgebirges. Universität Würzburg, 9.9.2009 [22.1.10]
  • Bátora, Jozef.: Vergleichende Untersuchungen zum frühbronzezeitlichen Siedlungswesen am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges. Deutsches Archäologisches Institut, 25.9.09 [22.1.10] 
  • Spatzier, André: Untersuchungen zu Chronologie, Grabstörung und Struktur des frühbronzezeitlichen Gräberfelds Franzhausen I, Niederösterreich. Praehistorische Zeitschrift, Bd. 82, Heft 2, November 2007, S. 215 – 247, DOI: 10.1515/PZ.2007.011  
  • Sprenger, Silvia: Zur Bedeutung des Grabraubs für sozioarchäologische Grabfeldanalysen am Beispiel des frühbronzezeitlichen Gräberfeldes Franzhausen I, Niederösterreich. Vortrag gehalten an der Universität Frankfurt (Mitschrift), 7.7.1998 (s.a. --> Diss.)
  • Teschler-Nicola, Maria: Soziale und biologische Differenzierung in der frühen Bronzezeit am Beispiel des Gräberfeldes F von Gemeinlebarn, Niederösterreich. In: Ann. Naturhist. Mus. Wien, Januar 1989, S. 135 - 145 (freies pdf.
  • Schefzik, Michael: Die bronze- und eisenzeitliche Besiedlungsgeschichte der Münchner Ebene. Eine Untersuchung zu Gebäude- und Siedlungsformen im süddeutschen Raum. Rahden/Westf. 2001

Donnerstag, 20. Mai 2010

1.800 - 1.200 v. Ztr. - Monkodonja auf der Halbinsel Istrien

Gut erhaltenes Beispiel einer frühbronzezeitlichen Stadt

Höchstwahrscheinlich hat sich die frühbronzezeitliche Stadtkultur um 2.200 v. Ztr. vom Balkanraum, von dem Adria- und Donauraum heraus nach Norden bis Sachsen und Südengland in einer ersten Phase ausgebreitet. In einer zweiten Phase wurde diese Ausbreitung um 1.800 v. Ztr. noch einmal intensiviert. Auf der Halbinsel Istrien gibt davon die Stadt Monkodonja ein lebhaftes Zeugnis. Dieses soll im folgenden als eines von mehreren gut erforschten Beispielen zu jener Stadtkultur der Frühbronzezeit vorgestellt werden, die sich damals nach Mitteleuropa hin ausbreitete.

Abb. 1: Die Hügelfestung und -stadt Monkodonja, ein Fernhandels-Zentrum auf der Halbinsel Istrien (Kroatien) an der Adria - 1.800 v. Ztr..

Eine Bemerkung zuvor: Die Halbinsel Istrien liegt im Norden von Dalmatien. Und Dalmatien gilt im allgemeinen als das Heimatland der griechischen Dorer, die um 1100 v. Ztr. den griechisch-dorischen Dialekt auf die Halbinsel Pelepones gebracht haben (Wikp. 1, 2), zu der von der Adriaküste schon zuvor über viele Jahrhunderte hin Handelskontakte aufrecht erhalten worden waren. Mit dieser Bemerkung soll nur angedeutet werden, welche Art von Völkerschaften auch die Halbinsel Istrien in der Frühbronzezeit besiedelt haben könnten.

Abb. 1 zeigt den Blick, den der frühbronzezeitliche Fürst von Monkodonja von seiner mykeneartigen Akropolis aus auf das Meer der Adria hinunter genoß, nachdem er die Stadt Monkodonja auf dem Berg oberhalb des schiffereichen Hafens um 1.800 v. Ztr. nach einheitlichem Plan (s.u.) angelegt hatte.

Unschwer vorzustellen: Stolz trugen er und die Angehörigen seiner Familie beim Blick über das Meer und die Schiffe ihre Prunkdolche an der Hüfte, jene kompliziert verfertigten ersten bronzenen Waffen, Vollgriffdolche. Stolz trugen sie ihre Ösenhalsringe um den Hals. Beides waren so weit verbreitete Güter, daß die späteren Archäologen zu der Vermutung kommen sollten, es handele sich bei ihnen um eine Art erste Geldwährung zum Handel zwischen den frühbronzezeitlichen Städten Mitteleuropas (siehe voriger Beitrag).

Dieser Fürst war es vielleicht, der die Halbinsel Istrien überhaupt erobert hatte, und der sie gegen andere Eroberer verteidigte. Denn sein Volk war möglicherweise in langen, von Rindern gezogenen Wagenkolonnen - oder mit zahlreichen Schiffen über das Meer - in diese Halbinsel geströmt. Und aufgrund seines starken Bevölkerungswachstums erbaute es auf den Hügeln der Halbinsel an der Küste und im Landesinneren überall in einem dichten Netz weitere Städte (siehe letzter Beitrag).

Es war in jenen Jahrhunderten, als Städte von der Größe Trojas nicht nur im hethitischen Reich und in Griechenland entstanden, sondern auch über den ganzen Balkanraum hinweg bis in den Donau- und in den Elbesaaleraum hinein. Ja, sogar bis nach Südengland, wo Stonehenge eines der religiösen, wirtschaftlichen und politischen Zentren bildete (siehe früherer Beitrag). Es war die Zeit, in der die Stadtkultur in Europa begann. Jene Epoche, von der man noch vor wenigen Jahren geglaubt hatte, sie hätte erst mit den Kelten um 600 v. Ztr in Mitteleuropa begonnen.

Die Alltagsbekleidung der normalen Menschen jener Zeit in den oft eindrucksvollen bronzezeitlichen Langhäusern wird man sich so vorstellen können, wie sie die Wüstenmumien in der Taklamakan aufzeigen, mit viel Leder und wertvollen handgewebten Stoffen (s. E. Barber, bzw. früherer Beitrag). Und mit diesen wertvollen, handgewebten Stoffen ist sicher auch viel Handel getrieben worden, ebenso wie mit Salz, Fleisch und mit Metall.

Abb. 2: Erforschte Großsiedlungen der frühen bis mittleren Bronzezeit. Der Archäologe Hänsel betont, daß bei weitem nicht alle bekannten Siedlungen kartiert sind, sondern nur beispielhaft bislang wenige, gut erforschte. (S. 122)

Schon im ersten Beitrag dieser Themenreihe wurde auf die Tatsache hingewiesen, daß während der Frühbronzezeit um 2.000 v. Ztr. über weite Teile Europas hinweg mauerbewehrte Großsiedlungen gegründet wurden, zumeist auf Bergeshöhen im Abstand zwischen 25 und 35 Kilometer voneinander, also oft auf Sichtweite. So im Elbsaale-Gebiet, in Bayern, im heutigen Böhmen, in Ungarn und so auch über weite andere Regionen hinweg.

Abb. 3: Das Haupt-, bzw. Westtor der Großsiedlung Monkodonja auf Istrien, Kroatien (1.800 - 1.200 v. Ztr.), das hinunter zum Hafen führt. Es erinnert an die mykenischen Burgen Griechenlands und gibt eine Vorstellung von dem Aussehen auch der weniger gut erhaltenen Höhenburgen gleicher Zeitstellung im sonstigen Mitteleuropa

Über diese europäischen Großsiedlungen der Frühbronzezeit, von denen unter anderem auch verschiedene im südosteuropäischen Raum und in Spanien recht gut untersucht sind, berichtet der Archäologe Bernhard Hänsel in seiner jüngsten Veröffentlichung (Hänsel, S. 120 - 122). Er macht dabei keine Unterschiede mehr zwischen Großsiedlungen im mediterranen und südeuropäischen Raum im Vergleich zu Großsiedlungen im mitteleuropäischen Raum. Es deutet sich hier auf vielen Ebenen ein recht einheitlicher Kultur- und Wirtschafts-Raum an. Diese Großsiedlungen waren also auch im gesamten Bereich der "Aunjetitzer Kultur" im Elbsaale-Gebiet verbreitet, aus der schließlich um 1.600 v. Ztr. die schon lange zuvor benutzte Himmelsscheibe von Nebra hervorging. Hänsel schreibt über diese großartige europäische Kultur der Frühbronzezeit:

Wie bisherige Grabungen ergaben, sind diese Großsiedlungen in der Regel nach demselben Muster aufgebaut: Befestigungen umschließen eine große Fläche mit einer Längsausdehnung von mehreren hundert Metern.

Diese sind aus großen Gesteinsbrocken in Trockenbautechnik errichtet worden, das heißt, ohne Mörtel zusammengefügt. (...) In gesteinsarmen Landschaften finden sich aufwendige Holzkonstruktionen.
Siehe die Abb. 1, 3 - 7.
Mit ihrem zyklopischen Mauerwerk erinnern sie an die mykenischen Burgen Griechenlands,

heißt es in ähnlicher Weise 2005 in einer Ausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte Berlin.

Abb. 4: Auf der Luftaufnahme von Monkodonja erkennt man unter anderem gut die komplizierten Toranlagen in der Mauer, das Westtor hinunter zum Hafen (hier unten) und das Nortor (hier links)

Bernhard Hänsel weiter:

Gewaltige, zum Teil recht komplizierte Toranlagen sichern den Zu- und Austritt. (...) Oft sind die Anlagen innerhalb ihrer Fläche durch Mauerzüge in zentrale und periphere Zonen gegliedert. (...) Soweit es die meist nur in Ausschnitten angelegten Grabungen beurteilen lassen, sind die Plätze stets dicht besiedelt und man kann mit 1000 und mehr Einwohnern rechnen. Diese Zahl ist bei älteren Siedlungen niemals erreicht worden und muß als neu und ausgesprochen hoch angesehen werden. Die recht großen Häuser sind eng beeinander regelhaft angeordnet, was die Siedlungen als plamäßig errichtete Neugründungen erscheinen läßt.
Abb. 5: Die Großsiedlung Monkodonja war vielfältig gegliedert. A = Akropolis, B = Oberstadt, C und G = Bebaute Terrassen, D = Westtor, das zum Hafen führt, E = Nordtor, F = Kulthöhle, H = Außensiedlung.

Hänsel wählt als ein anschauliches Beispiel die Bergfestung Monkodonja auf der Halbinsel Istrien im heutigen Kroatien (1800 bis 1200 v. Ztr.), die er selbst mit erforscht hat (FU Berlin). Von dieser Bergfestung und ihrer Akropolis hat man einen herrlichen Blick auf die Adria und auf den am Stand gelegenen Hafen dieser Stadt (siehe Abbildungen). Sie ist im Grundriß oval und in der Längsaudehnung etwa 250 Meter lang (a, b, c, d, e, f, g, h, i). Auf Istrien lebten in der Antike die Histrier:

Die Handel treibenden Seefahrer standen im ständigen Austausch mit der mediterranen Welt, dem Donauraum und den bronzezeitlichen Kulturen des Alpenraums.

Sicherlich stellte die Halbinsel Istrien ein wichtiges Handelszentrum im Fernhandel von Mittel- und Nordeuropa nach der Mittelmeerwelt hin dar.

Abb. 6: Luftaufnahme des Westtores, das zum Hafen hinunter führt.

Weiter schreibt der Archäologe Hänsel aber auch von eher geringerer Siedlungskontinuität was diese ersten bronzezeitlichen Städte betrifft:

Mit Ausnahme der Plätze ganz im Süden und an der Küste existierten die stadtartig anmutenden Orte allerding nur wenige Jahrhunderte. Seit dem Beginn oder während der Mittelbronzezeit wurden sie fast alle aufgegeben und es enstanden wieder Streusiedlungen anstelle der Zentralorte. (S. 122)
Abb. 7: Eine Toranlage von Monkodonja im heutigen Zustand (Original waren die Mauern natürlich viel höher)

In der neuesten Studie (1) schreibt Hänsel:

Auf der höchsten Stelle des (...) Berges befindet sich eine besonders kräftige, ähnlich wie für die Außenbefestigung beobachtet, durch mehrere Umbauten verstärkte Mauer, die fast quadratisch mit einer Seitenlänge von ungefähr 90 m im Inneren der größeren Siedlung einen Kernbereich separiert. Die Ausgräber haben diese herausgehobene Zone Akropolis genannt. Hier dürften die oberen Bevölkerungsschichten gewohnt haben, wie das der Baubefund und auch der geborgene reichere Fundstoff andeuten. Ihr westlich vorgelagert erstreckt sich etwas tiefer gelegen eine ebene Fläche, die so genannte „Oberstadt“, deren steinerne Bauten durch eine ältere landwirtschaftliche Nutzung des Geländes jedoch völlig vernichtet und zu Lesesteinhaufen zusammengetragen worden sind. Um die beiden genannten Flächen verlaufen bis zur äußeren Verteidigungsmauer als drittes gesondertes Siedlungsareal mehrere tiefer und getreppt gelegene Terrassen mit reihenhausartig angelegter dichter Bebauung. Weiter haben sich außerhalb der Befestigung an mehreren Stellen Reste einer Außensiedlung im Macchiagestrüpp zu erkennen gegeben. Es gibt also topographisch und typologisch
gesehen eine Vierteilung der gesamten Siedlungsfläche.

Dass sich hinter dieser Gliederung der Siedlungsanlage sozial gesehen eine Schichtenbildung verbirgt, wird durch die unterschiedliche Bebauung der Teilbereiche wahrscheinlich gemacht: In der Akropolis fanden sich Reste einer flächenfüllenden Bebauung mit großen, mehrräumigen Häusern mit unterschiedlich großen Zimmern, hallenartigen Teilen sowie Korridoren in einer nicht besonders regelhaft symmetrischen Anordnung, wie das am besten aus mittelhelladischer bis hin zur beginnenden mykenischen Zeit Griechenlands bekannt geworden ist. (...)

Die reihenhausartige Bebauung der peripheren Terrassen, des dritten Siedlungsareals, zeugt im Gegensatz zur Akropolis von beengten Wohnverhältnissen in kleineren ein- bis zweiräumigen Häusern.

"Marktgerechter" Fleisch- und Fischverkauf in Mokodonja

Es wurden mehr Knochen von Schafen, die im ersten und zweiten Lebensjahr geschlachtet wurden, gefunden, als normalerweise bei der Nutzung von Schaffleisch üblich ist. Ebenso wurden mehr Knochen von Rindern im Schlachtalter von 5 und 6 Jahren gefunden, als es normalerweise üblich ist. Daraus schließen die Forscher, daß in Mokodonja im Wesentlichen luxuriöser lebende Endverbraucher wohnten, nicht Primärproduzenten:

Es scheint folglich, als sei das Fleisch schwerpunktmäßig von außen, den Wünschen der Monkodonjer folgend, angeliefert worden; die zu anderen Lebzeiten geschlachteten Tiere wurden wahrscheinlich an den Orten ihrer Aufzucht verzehrt. Ähnlich verhält es sich mit den Fischen, deren Größe und Menge nicht der normalen Füllung eines Fangnetzes mit großen und kleinen Fischen entsprachen. Nach Größen selektiert, wurden sie nach Monkodonja, gleichsam in marktgerechten, dort beliebten Formaten geliefert.
Abb. 8: Halbinsel Istrien in der Bronzezeit: Vier Stadtzentren von der Größe Monkodonja's, umgeben von zugeordneten Dörfern, Weilern und Siedlungsgrenzen

Hier deuten sich also arbeitsteilige Handelsbeziehungen zwischen Stadt und Land an. Die bronzezeitliche Stadt Rovinj liegt von Monkodonja nur sechs Kilometer Luftlinie entfernt, auf dem Landweg ist sie aber aufgrund des hügeligen Geländes wesentlich weiter entfernt gewesen. Jedenfalls zeigt auch dieser Umstand eine relativ hohe Siedlungsdichte in jener Zeit auf. Eine ähnliche Siedlungsdichte findet sich auch in den mittelbronzezeitlichen Salzfürstentümern Siebenbürgens (vgl. L. Dietrich 2010).

Damit gibt es also neuerdings viele Gründe dafür zu fragen, ob die Dorer, als sie am Ende der mykenischen Kultur im Zuge der dorischen Wanderung in die Pelepones strömten, dort unbedingt eine vorherige "Palast-Kultur" hätten vorfinden müssen, die jener Kultur besonders unähnlich gewesen wäre, aus der sie selbst stammten. Man wird eher sagen können: Sie brachten keine neue Kultur mit, sondern während ihrer Wanderungen und bei der neuen Seßhaftwerdung bildeten sich allgemein - sowohl in Dalmatien wie auf der Pelopones - neue kulturelle Formen und gesellschaftliche Lebensweisen heraus.

Im nächsten Beitrag wird eine frühbronzezeitliche Stadt am Nordrand der ungarischen Donauebene hingewiesen, südlich der Karpaten, auf Fidvár bei Vráble.



/ Zusammengestellt bis zum 22.1.10,
überarbeitet und veröffentlicht: 20.5.10 /


  1. ResearchBlogging.orgHänsel, B., Matošević, D., Mihovilić, K., & Teržan, B. (2009). Zur Sozialarchäologie der befestigten Siedlung von Monkodonja (Istrien) und ihrer Gräber am Tor Praehistorische Zeitschrift, 84 (2), 151-180 DOI: 10.1515/PZ.2009.008 
  2. Hänsel, Bernhard: Die Bronzezeit (2.200 - 800 v. Chr.). In: S. von Schnurbein (Hg.): Atlas der Vorgeschichte. Europa von den ersten Menschen bis Christi Geburt. Theiss-Verlag, Stuttgart 2009, S. 108 - 149
  3. Mühldorfer, Bernd; Zeitler, John P.: Mykene, Nürnberg, Stonehenge. Handel und Austausch in der Bronzezeit. Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V.. VKA-Verlag, Fürth 2000
  4. Lochner, Michaela: Bronzezeit - österreichische Siedlungen als Handelszentren. FWF, 26. April 2004
  5. Bátora, J., B. Eitel, F. Falkenstein, K. Rassmann: Fidvár bei Vráble - Archäologische Prospektionen auf einer frühbronzezeitlichen Zentralsiedlung am Rande des Slowakischen Erzgebirges. Universität Würzburg, 9.9.2009 [22.1.10]
  6. Bátora, Jozef.: Vergleichende Untersuchungen zum frühbronzezeitlichen Siedlungswesen am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges. Deutsches Archäologisches Institut, 25.9.09 [22.1.10]
  7. Czebreszuk, Janusz; Müller, Johannes: Vermittler am Nordrand der Aunjetitzer Kultur. In: AiD 2/2000, S. 58f (Bruszczewo, 60 km südlich von Posen)
  8. Dietrich, Laura (2010). Eliten der frühen und mittleren Bronzezeit im südöstlichen Karpatenbecken Praehistorische Zeitschrift, 85 (2), 191-206 DOI: 10.1515/PZ.2010.011 

2.200 - 1.600 v. Ztr. - Zu einigen Charakteristika der mitteleuropäischen, frühbronzezeitlichen Stadtkultur

Salzhandel und Geldwährung - Ösenhalsringe und Vollgriffdolche in der Bronzezeit

Ein großer Teil der bekannten vorderasiatischen und antiken Städte ist im Kernbereich auf Bergen und Siedlungshügeln (den sogenannten Tells) und um diese herum entstanden und gewachsen.

Abb. 1: "Depotfund" von Vollgriffdolchen (Stabdolchen) und Ösenhalsringen aus Oberbayern

Im Levanteraum nicht erst seit der Bronzezeit, sondern schon lange zuvor. Aber dies gilt nicht nur für die ersten Städte Vorderasiens, sondern auch für die Griechenlands und Roms. Denken wir an den berühmten Siedlungshügel von Troja, denken wir an die Akropolis von Athen und die um sie herum gruppierte Stadt, denken wir an die "Siebenhügel-Stadt" Rom. Auch eine große Anzahl von heute bekannten keltischen Städten lag über lange Bergkuppen hinweg ausgebreitet, in denen eine volkreiche Bevölkerung gelebt hat. Die Regelhaftigkeit dieser keltischen Siedlungsweise auch schon in der Zeit davor ist der Forschung erst in den letzten Jahrzehnten voll bewußt geworden (siehe die letzten Beiträge).

Oft hatten die bis hier genannten Stadtanlagen Anschluß an Häfen oder profitierten auf sonstige Weise von den Handelswegen und schützten diese zugleich.

Immer wieder stellt man fest, daß man die gesellschaftlich-wirtschaftliche Komplexität von archäologischen, schriftlosen Kulturen unterschätzt hat, also an sie über lange Zeiten hinweg ganz falsche Vor-Urteile und aus diesen abgeleitete wissenschaftliche Hypothesen herangetragen hat. Hinweise darauf gibt es letztlich schon seit Jahrzehnten. Doch ist die Regelhaftigkeit und die Häufigkeit dieser Stadtanlagen über weite europäische Regionen hinweg ist erst in jüngster Zeit von der Forschung in vollem Umfang erkannt und anerkannt worden.

Der Grund dafür, daß die Ähnlichkeit der stadtähnlichen, bronzezeitlichen, mitteleuropäischen Siedlungsstruktur mit der zeitgleichen mediterranen erst so spät erkannt wurde, liegt offenbar vor allem an der Vergänglichkeit des Materials, mit dem in Mitteleuropa fast ausschließlich gebaut wurde: Holz. Einen anderen wesentlichen Grund, weshalb man die offenbar sonst nur geringen Unterschiede zu Siedlungsstruktur und -dichte des bronzezeitlichen mitteleuropäischen Raumes zu dem des bronzezeitlichen, mediterranen Raumes nicht schon früher erkannt hat, gibt es, soweit derzeit übersehbar nicht. Also Unterschiede zwischen der hier vorliegenden wirtschaftlich-arbeitsteilig-gesellschaftlichen Komplexität und damit des bestehenden wirtschaftlichen und bevölkerungsmäßigen Wohlstandes, Reichtums.

Abb. 2: Die "klassische" Tasse der Aunjetitzer Kultur im Elbsaale-Gebiet

Für viele sonstige wesentliche Fundgruppen aus anderem Material, das die Jahrtausende weit besser überdauert hat als Holz, finden sich zwischen dem mediterranen Raum und dem mitteleuropäischen Raum für die Bronzezeit inzwischen - soweit übersehbar - keine ausgeprägten Unterschiede mehr. Selbst das Tafelgeschirr der Aunjetitzer Kultur wird inzwischen als "modern", also als mit dem zeitgleichen mediterranen Raum vergleichbar, beschrieben (Willroth, S. 21):

Von den Vorratsgefäßen abgesehen entspricht der Aunjetitzer Gefäßsatz nahezu dem heute gebräuchlichen, und es wäre ohne weiteres möglich, daraus etwa ein Service zusammenzustellen. Da gibt es Tassen, Töpfe, Schüsseln, Krüge, Becher und Näpfe, sowie viele Spezialformen, (...) Amphoren, Vasen und Dosen, um nur die markantesten zu nennen.

Ist es für den Erkenntnisfortschritt also ab diesem Punkt in der Forschung nicht sinnvoller, statt von deutlichen Unterschieden zwischen beiden Kulturräumen auszugehen und nach "dennoch" bestehenden Gemeinsamkeiten zu suchen, stattdessen grundsätzlich von weitgehenden Gemeinsamkeiten auszugehen und "dennoch" bestehende Unterschiede herauszuarbeiten?

Inzwischen ist auch bekannt, daß die Bauweise der mitteleuropäischen, bronzezeitlichen Langhäuser einen Wärmedämmwert der Wände erreichte, der durch moderne Forschung erst im letzten Jahrzehnt wieder erreicht worden ist. Es ist inzwischen bekannt, daß diese Wände - wie im Mittelmeerraum - mit farbenfrohen Mustern bemalt waren.

Abb. 3: Handels- und Kulturkontakte in der Bronzezeit

Man wird sich deshalb die bronzezeitliche Gesellschaft nur wesentlich unterschieden vorstellen können von der der eisenzeitlichen Kultur der Kelten und ihrer "Salzherren", ihrer Fürsten. Für die Frühbronzezeit gilt deshalb (Zich, S. 19f):

Ein kleiner Personenkreis setzt sich deutlich ab, der viel aufwendiger gestaltete und ausgestattete Grabmonumente erhielt. Die sogenannten Fürstengräber sind eine Besonderheit der nördlichen Aunjetitzer Kultur. (...) Die bedeutendsten dieser Fürstengräber sind die von Leubingen, Helmsdorf und Dieskau. (...) Sie schöpften ihren Reichtum aus der Kontrolle der Salzgewinnung. Dieser Wirtschaftszweig ist gerade für den Ostharzer Bereich, vornehmlich die Umgebung von Halle, bereits für die Frühe Bronzezeit gut belegt. (...)
Der erwirtschaftete Reichtum (...) dokumentiert sich vorwiegend in den Hortfunden. (...) Die größte Funddichte besteht in der Umgebung des Hallenser Saaletales, wo allein im heutigen Ortsteil Kanena drei Deponierungen zutage kamen. Richtet man den Blick nur wenige Kilometer darüber hinaus, so kommen fünf weitere hinzu, darunter so bedeutende wie die Ensembles von Dieskau. (...) Zu den imponierendsten Deponierungen zählt (...) Dieskau mit 293 Beilen vom sogenannten sächsischen Typ.

Ebenso wie solche "Depotfunde" im Vorderen Orient vornehmlich unter Tempeln oder in der Nähe von Tempeln als Opfer- und Weihgaben niedergelegt wurden, wird man dies auch für diese mitteleuropäischen "Depotfunde" annehmen müssen. Damit würde das Hallenser Saaletal in der Frühbronzezeit nicht nur ein wirtschaftliches Zentrum gebildet haben, sondern zusätzlich auch ein religiöses. An vielen Orten könnten Tempel und heilige, geweihte Stätten vorhanden gewesen sein.

Weihgaben für die Götter, niedergelegt an heiligen Orten (= "Depotfunde")

Die Frauen der reichen Oberschicht verrichteten weniger körperlich mühsame Handarbeiten als die Durchschnittsbevölkerung, wie Untersuchungen der Muskalansatzstellen an den Oberarmen der Skelette eines 300 Gräber umfassenden frühbronzezeitlichen Bestattungsplatzes der Maros-Kultur im nördlichen Banat im heutigen Serbien ergaben (2.100 - 1.800 v. Ztr.). (Porcic) Jedoch wiesen die Oberarme der Männer der reichen Oberschicht sogar noch stärkere Muskelansatzstellen auf als die der Durchschnittsbevölkerung:

High status men use their schoulder and arm muscles more then low status men.

Dies könnte man darauf zurückführen, daß sie "waffengeübt" waren und sich erhielten, oder daß sie als Schmiede oder Handwerker tätig waren wie der süddeutsche Bogenschützen-Fürst von Stonehenge oder wie "Wieland der Schmied" in der germanischen Sage. Auch an intensiv betriebene Jagd mit Bogenschießen und anderem ist zu denken.

Ösenhalsringe - das erste Geld Mitteleuropas (um 2.000 v. Ztr.)

Wenn man einem solchen "protourbanen" Wirtschaftssystem wie dem im letzten Beitrag umrissenen hinterherdenkt, taucht irgendwann die Frage auf: Eigentlich fehlten da nur noch das Geld, die Münzen. Da man derartiges für die keltische Zeit schon kennt, ist es nicht so fernliegend, ähnliches auch für das bronzezeitliche Mitteleuropa anzunehmen.

Die auf Abb. 1 gezeigten Ösenhalsringe auf der rechten Bildseite stellten nach derzeitigem Forschungsstand um 2.000 v. Ztr. eine Art Tauschwährung dar.

Abb. 4: Verbreitung der Ösenhalsringe in Mitteleuropa - um 2.000 v. Ztr.

Wir erfahren für Mitteleuropa (Hänsel, S. 117):

Während der Frühbronzezeit (ca. 2.200 - 1.600/1.550 v. Chr.) etablierte sich in vielen Regionen Europas ein weit gespanntes Austausch- und Vertriebssystem für Metalle und andere Waren, wie es in dieser Intensität bislang noch nicht da gewesen war.
Diese Ösenhalsringe scheinen eine erste Form des "Geldes" im mitteleuropäischen Waren-und Dienstleistungs-Verkehr dargestellt zu haben. Und zwar ohne dabei ganz ihre Funktion als Schmuckstücke verloren zu haben. Diese Geldfunktion haben sie nach derzeitigem Forschungsstand insbesondere innerhalb des "Wirtschaftsraumes" des rot markierten Bereiches von Abb. 4, eingegrenzt vom Elbsaale-Gebiet, Schlesien, Bayern und dem Burgenland innegehabt. Dies scheint ein vergleichsweise einheitlicher Wirtschaftsraum gewesen zu sein, dominiert von der bedeutenden Aunjetitzer Kultur, aus der auch die berühmte Himmelsscheibe von Nebra hervorgegangen ist:
Wir sprechen daher von einem prämonetären Wirtschaftsverkehr. (...) Ähnliche Erscheinungen sind z.B. bei verschiedenen neuzeitlichen Völkern Afrikas und Südasiens bekannt. (Hänsel S. 117)

Der Zeitraum zwischen - etwa - 2.300 v. Ztr. und 1.800 v. Ztr. ist ein für Europa und den Vorderen Orient sehr "lebhafter" Zeitraum gewesen. Um 2.300 bringt ein süddeutscher Bogenschützen-Fürst und Bronzeschmied die Glockenbecherkultur und damit die Bronzezeit nach Stonehenge in Südengland, wo die klassische, steinerne Anlage von Stonehenge nur eine Generation später entsteht (aus einer hölzernen Vorgängerversion).

Um 2.000 v. Ztr. breitet sich die Kultur der Großsiedlungen auf Bergen, der befestigten protourbanen Handelssiedlungen, Fürstensitze und Bergfestungen, also geradezu von Städten - offenbar vom Schwarzen Meer und von Griechenland über Karpaten, Balkan und Adria kommend, aber auch unter Kultureinflüssen von Italien her (Vollgriffdolche / Stabdolche), sehr schnell bis in das Elbesaalegebiet, bis nach Bayern und bis in das Elsaß hinein aus. Mit Ausstrahlungen bis weit in die norddeutsche Tiefebene hinein.

In diesem genannten Bereich bildet sich ein einheitlicher Wirtschaftsraum heraus, in dem Ösenhalsringe und Prunk-Vollgriffdolche nicht nur beliebteste Schmuck- und Prestigeobjekte darstellen, sondern in nicht fertig verarbeiteter Rohform offenbar auch als eine Art frühe Geldwährung im Handel der Menschen untereinander und als Weihgaben an die Götter in Tempeln ("Depotfunde") benutzt werden.

In dieser Zeit wandern kentumsprachige, also westindogermanische Mitteleuropäer in die Taklamakan an der Westgrenze Chinas ein (die Tocharer). In dieser Zeit werden die ersten Fürstentümer des westindogermanischen Volkes der Hethiter in Anatolien gegründet (Wikip.).

Ösenhalsringträger im Umfeld der Handelsstädte Ugarit und Byblos - 1.900 v. Ztr.

Und in dieser Zeit scheinen mitteleuropäische Ösenhalsringträger und -nutzer auch die levantischen Handelsstädte Ugarit und Byblos, sowie ihr Hinterland militärisch erobert und besetzt zu haben. Das scheinen Brand- und Ascheschichten in diesen Städten, sowie darauffolgende Gräber mit Trägern von Ösenhalsringen auszuweisen, also solchen Ösenhalsringen, wie sie vorher in diesem Raum nicht üblich gewesen waren.

Die naheliegendste Vermutung ist, daß es sich um eine Zuwanderung aus Mitteleuropa handelte in einem Zeitraum, nachdem sich in Mitteleuropa der einheitliche Kulturraum der Ösenhalsring-Träger ausgebildet hatte. In einer diesbezüglichen Studie aus dem Jahr 1994 heißt es dazu zusammenfassend (Schlor, S. 66):

In der europäischen Frühbronzezeit wird ein Teil der Bevölkerung durch reichen Bronzeschmuck als reiche und sozial hochgeachtete Gruppe charakterisiert. Das Prestigeobjekt schlechthin ist der Ösenhalsring. In den gleichen Zeitraum fällt das plötzliche Auftreten von Ösenhalsringen in der Levante. Die absoluten Daten dieser Kulturstufen sind zwischen 2100 und 1850 v. Chr. anzusetzen. Die Genese der Ösenhalsringe muß in Mitteleuropa angenommen werden, zumal hier neuere C-14 Daten die älteren Exemplare nachweisen. Folglich wurden sie vom "Okzident" in den "Orient" gebracht. Weitere mit dem Ösenhalsring verbundene Trachtenelemente, vor allem Ruderkopfnadeln und geschwollene Lochhalsnadeln, bestätigen mögliche Kulturbeziehungen.

Weiter heißt es von den Hortfunden im levantinischen Raum, die Ösenhalsringe enthalten (Schlor, S. 14), sie

sind eindeutig in kultisch-religiöses Ambiente zu weisen, was jeweils durch ihr Auffinden (wie in Mitteleuropa) in einem Behälter nahe oder unterhalb eines Tempels oder kultisch zu interpretierendem Gebäude bestätigt wird.

Diese Entdeckungen wurden schon bei Ausgrabungen in Byblos und Ugarit in den 1920er und 1930er Jahren gemacht. Über den Siedlungshügel (= "Tell") Ras Schamra von Ugarit, der 1931 ausgegraben wurde, erfahren wir etwa (von Reden, S. 166 - 170):

Die Gräberfelder im Stratum II des Ras Schamra signalisieren zweifellos die Ankunft eines neuen Volkes auf dem Tell, der nach der Zerstörung der frühbronzezeitlichen Stadt gegen 2200 v. u. Z. lange Zeit verlassen blieb. (...)
Ösenhalsringe, Schmuckspiralen und "toggle pins" sowie dreieckige Dolche mit Mittelrippe waren (dem Ausgräber) Claude Schaeffer seit den Ausgrabungen prähistorischer Grabhügel im Elsaß und von vielen anderen mitteleuropäischen Fundstätten aus der Frühbronzezeit bekannt. Kamen die Hersteller dieser Objekte aus Europa nach der Levante? (...)
Schädeluntersuchungen bewiesen auch, daß sich die Torques-Träger von Byblos rassich wesentlich von den Einheimischen unterschieden. (...) In Byblos wie auf dem Ras Schamra wirkten die Torques-Träger wie Zugewanderte, wie eine verhältnismäßig kleine Gruppe. Die Nekropole auf der Akropolis bewies, daß sich die Bestattungssitten grundlegend von jenen der Einheimischen unterschieden. Die Erdgruben, in denen die Verstorbenen meist in Hockstellung ruhten, entsprachen hingegen frühen Totenbräuchen in Mittel- und Osteuropa. (...)
Die Zahl der europäischen Ösenhalsringe aus Gräbern, Horten und Depots beträgt mehrere Tausend. Im Nahen Osten kamen nur ungefähr 200 zutage, die meisten in Ugarit und Byblos. Einzelfunde, die vielleicht den Weg der Torques-Träger nach dem Orient markieren, wurden von Nordanatolien, Syrien, Palästina bis Ägypten entdeckt.

Woher stammen die europäischen Vollgriffdolche (um 2.000 v. Ztr.)?

Die ältesten bekannten Vollgriffdolche finden sich um 2.500 v. Ztr. als Beigaben in Königsgräbern in Vorderasien.

Abb. 5: Verbreitung der Vollgriffdolche in Mitteleuropa - um 2.000 v. Ztr.

Nach einer sehr detaillierten Forschungsstudie aus dem Jahr 2002 (Röntgenuntersuchungen, Metallanalysen, Stilvergleich, Datierungen) sind die ältesten mitteleuropäischen Vollgriffdolche in Italien hergestellt worden und haben sich über die Westschweiz nach Mitteleuropa ausgebreitet (Schwenzer):

... Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten, die zum Teil in Zusammenarbeit mit dem Römisch Germanischen Zentralmuseum in Mainz entstanden, konnte Schwenzer zeigen, dass bisher weder in Italien noch im Raum der Westschweiz Dolche gefunden wurden, deren Herkunft aus dem Heimatgebiet der Aunjetitzer Kultur zweifelsfrei nachzuweisen ist. Dagegen konnte er mehrfach den Einfluss südlicher Dolche auf die Produktion der Vollgriffdolche in den Werkstätten der Aunjetitzer Kultur belegen.

Es werden also bei der Entstehung und Ausformung der Aunjetitzer Kultur nicht nur Kultureinflüsse aus Südosteuropa unterstellt werden müssen, sondern auch aus Südwest-Europa. Immer deutlicher wird, daß die Frühbronzezeit ein allgemein-europäisches Phänomen gewesen ist, in das auch die iberische Halbinsel bei den Erörterungen mit einbezogen werden muß, weil auch auf ihr gerade um diese Zeit Städte auf Bergen entstehen.

Abb. 6: Frühbronzezeitliche Städte auf der Halbinsel Istrien

Der Berliner Archäololge Bernhard Hänsel schreibt:

Istrien war bis in den frühen Abschnitt der Frühbronzezeit, also bis etwa 2.000 v. Ztr., dünn besiedelt. Bewohnt wurden Höhlen sowie kleinere Weiler an der Küste und im Inland an Stellen mit günstigem Zugang zum Wasser. Selten wurden die für die Landschaft Istriens so typischen Hügel genutzt. (...) Nach 2.000 v. Ztr. ändern sich die Verhältnisse grundlegend. Die gesamte Halbinsel wurde nun von einem Netz von Wohnplätzen durchzogen, die häufig nur in Sichtweite voneinander entfernt lagen (siehe Abb. ..). Zug um Zug erschloß eine zuvor in dieser großen Zahl nicht vorhandene Bevölkerung das gesamte Territorium Istriens. Gradinen oder Castellieri nennt man die eindrucksvollen, durch gewaltige Steinmauern gesicherten frühstädtischen Plätze, die in der Regel auf Bergkuppen liegen, zum teil aber auch in den Niederungen angelegt worden sind. Es gibt größere zentrale Orte, die von kleineren umgeben sind.

Diese Kolonisation und dieser Landesausbau vollzog sich, wie Hänsel schreibt,

in einem weiträumigen Geflecht von Wirtschaftsbeziehungen (...) zwischen Oberitalien, dem deutschen Mittelgebirgsraum, Polen und dem Donauraum bis zum Eisernen Tor,

belegt durch die geographische Verteilung der archäologischen Fundgruppe der sogenannten tönernen "Brotlaibidole". Sie werden als ein erstes Zeichen von Schriftlichkeit im Warenverkehr gedeutet. In einer anderen Deutung handelt es sich um Stempel (Wikipedia).

Kupferbergbau in den Alpen nördlich des Alpenhauptkammes seit 1700 v. Ztr.

Auch die Archäologie des Bergbaus auf Kupfer und Salz dringt in Mitteleuropa in immer frühere Zeiten zurück. Kupferbergbau in den Alpen nördlich des Alpenhauptkammes ist bislang nachgewiesen am Hochkönig bei Bischofshofen zwischen 1700 und 1000 v. Ztr., am Jochberg zwischen 1600 und 1200 v. Ztr., auf der nahegelegenen Kelchalm zwischen 1256 und 1237 v. Ztr., in Schwaz/Brixlegg/Radfeld zwischen 1400 und 500 v. Ztr. und in Leogang/Viehofen um 1250 v. Ztr. herum. (Pichler, S. 71) Welche Rolle der Bergbau in den Südkarpaten gespielt haben muß für die dortigen Städtegründungen wird noch in einem der nächsten Beiträge deutlich werden. Um 1.000 v. Ztr. wurden kupferhaltige Erze in Schwarzenberg in Tirol abgebaut (Pfisterer).

Salzbergbau in Hallstatt seit 1460 v. Ztr.

Und der Pionier der modernen Archäologie im Salzbergbau, F.E. Barth, schreibt 1998:

(...) Ich hoffe gezeigt zu haben, daß Hallstatt zwar für seine Funde aus der älteren Eisenzeit Weltberühmtheit erlangte, daß die Wurzeln dafür aber wesentlich älter und tief in der Bronzezeit verankert sind. Obwohl sich diese Tatsache schon durch die ersten Radiokohlenstoffdatierungen Mitte der siebziger Jahre klar abgezeichnet hat, blieb sie bis heute weitestgehend unbeachtet.

In archäologischen Fundstätten im Salzbergewerk von Hallstatt hat man inzwischen die acht Meter lange "älteste Stiege der Welt" entdeckt. Ihr Holz wurde nach den dendrochronologischen Untersuchungen 1344 v. Ztr. geschlagen. (Kern) Sonstige Funde konnte auf den Zeitraum zwischen 1458 bis 1245 v. Ztr. datiert werden. (Kern)

Nachbemerkung, 11.4.19: Dieser Beitrag und Folgebeiträge verdanken Bernhard Hänsel  sehr viel. Deshalb liest man einen Nachruf auf ihn mit besonderem Interesse (Metzner-Nebelsick 2019). Hänsel stammte aus der DDR und hat gemeinsam mit Jens Lüning und Harald Hauptmann in Heidelberg studiert. Beide namhafte Archäologen haben ebenfalls Beiträge zur Erinnerung an ihren ehemaligen Kommilitonen und Kollegen verfaßt. Metzner-Nebelsick schreibt über ihre Zeit als Studentin an der FU Berlin (wo auch der Verfasser dieser Zeilen kurzzeitig Vorlesungen von Professor Ament besuchte):

Für   seine   Studenten   war   Bernhard   Hänsel   stets   präsent. Oft sah man in spät am Abend oder an den Wochenenden  durch  die  Bibliothek  gehen,  um  Literaturrecherchen zu betreiben. Bei solchen Gelegenheiten suchte er  dann  stets  das  Gespräch.

Solche Abende und Wochenenden in der Bibliothek - wer der Wissenschaft aufgeschlossene Mensch kennt sie nicht? Es sind oft die fruchtbarsten.


Zusammengestellt bis zum 22.1.10,
überarbeitet und veröffentlicht: 20.5.10
ergänzt: 11.4.2019
_______________

Literatur:

  • Bading, Ingo: Zur Religions- und Stadtgeschichte des bronzezeitlichen Mitteleuropa. Personale Gottheiten und Himmelskunde in ersten Städten. Studium generale, 5.1.2010 
  • Zich, Bernd: Von Aunjetitz zu Lausitz - Beginn des ehernen Zeitalters. In: AiD, 1/1997, S. 18-22
  • Porčić, Marko; Stefanović, Sofia: Physical activity and social status in Early Bronze Age society: The Mokrin necropolis. In: Journal of Anthropological Archaeology, Vol. 28, Issue 3, September 2009, Pages 259-273 
  • Schwenzer, Stefan: Vollgriffdolche als Statussymbole frühbronzezeitlicher Eliten. Archäologie Online 1, 2 [21.1.10]
  • Schwenzer, Stefan: Vom Kampfobjekt zum Schmuckstück. Zur Herkunftsgeschichte prähistorischer Prunkwaffen. Innovations-report.de, 3.9.2002, bzw. Uni-Protokolle [21.1.10]
  • Hänsel, Bernhard: Die Bronzezeit (2.200 - 800 v. Chr.). In: S. von Schnurbein (Hg.): Atlas der Vorgeschichte. Europa von den ersten Menschen bis Christi Geburt. Theiss-Verlag, Stuttgart 2009, S. 108-149
  • Zeitler, John P.: Handel und Austausch in der Bronzezeit. In: Mühldorfer, B.; Zeitler, J. P.: Mykene, Nürnberg, Stonehenge. Handel und Austausch in der Bronzezeit. Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V.. VKA-Verlag, Fürth 2000, S. 75-94
  • Schneider, Eugen: Fertigprodukthandel in der süddeutschen Bronzezeit. In: Mühldorfer, B.; Zeitler, J. P.: Mykene, Nürnberg, Stonehenge. Handel und Austausch in der Bronzezeit. Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg e.V.. VKA-Verlag, Fürth 2000, S. 109-118
  • Schlor, Ingrid: Kulturbeziehungen während der Frühbronzezeit zwischen Mitteleuropa und Syrien. Ein Kulturvergleich anhand von Ösenhalsringen. In: Klio, 76/1994, S. 7-66
  • von Reden, Sybille: Ugarit und seine Welt. Die Entdeckung einer der ältesten Handelsmetropolen am Mittelmeer. Gustav Lübbe-Verlag, Bergisch-Gladbach 1992
  • Kern, Anton: Hallstatt: Salzbergbau seit 3000 Jahren. In: AiD 4/2008, S. 34f
  • Barth, Fritz Eckart: Bronzezeitliche Salzgewinnung in Hallstatt. In: Hänsel, B. (Hg.): Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas. Oetker-Voges Verlag, Kiel 1998, S. 123-128
  • Pichler, Thomas; Nicolussi, Kurt; Goldenberg, Gert; Klaunzer, Michael: Die Hölzer des bronzezeitlichen Bergbaus auf der Kelchalm bei Kitzbühel – Dokumentation und erste Ergebnisse dendrochronologischer Analysen. In: Archäolog. Korr.bl. 39, 2009 (Heft 1), S. 59-75
  • Pfisterer, Josch H. (mit Gert Goldenberg): Ur- und frühgeschichtliche Grabung am Schwarzenberg bei Brixlegg. Video auf: Youtube, 1.8.08 
  • Lißner, Birgit: Zu den frühbronzezeitlichen Gruppen in Süddeutschland. In: Leipziger online-Beiträge zur Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie. Leipzig 2004 (pdf.)
  • Bading, Ingo: Populationsstrukturen und Transitions-Vorgänge im Levanteraum vom Epi-Paläolithikum bis zum PPNB. Unveröffentlichte Seminararbeit. Anthropologischer Kurs II: Populationsstrukturen. Leitung PD Dr. W. Henke, Universtität Mainz, SS 1995 (unveröffentlicht)
  • Salimbeti, Andrea: The Greek Age of Bronze. Weapons and Warfare in the late Helladic time 1600 - 1100 BC. (20.1.10)
  • Prof. Dr. Carola Metzner-Nebelsick: Dem Andenken an Bernhard Hänsel (24. Mai 1937-1. April 2017). Prähistorische Zeitschrift, online erschienen: 09.04.2019 | DOI: https://doi.org/10.1515/pz-2018-0016, https://www.degruyter.com/view/j/prhz.2018.93.issue-2/pz-2018-0016/pz-2018-0016.xml
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