Montag, 28. Oktober 2019

"Tierkopfzepter" der Indogermanen - Ursprünglich abgeleitet aus menschlichen Oberschenkelknochen?

Und was haben sie mit "Zauberstäben" gemeinsam? 

Im August schrieben wir unseren Aufsatz über die Urheimat der Indogermanen (1) und waren fasziniert von den neuen Erkenntnissen. Dabei erwähnten wir die Tierkopfzepter des Urvolkes der Indogermanen und ihre Ausbreitung als Bestätigung und Veranschaulichung der neuen Erkenntnisse, allerdings quasi nur im Vorübergehen.

Abb. 1: .... Tierkopfzepter? .....

Heute werden wir auf die Umschlaggestaltung der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift "American Journal of Physical Anthropology" aufmerksam (Abb. 1). Und dabei packt uns der Gedanke, daß in dieser Ausgabe erneut Tierkopfzepter behandelt sein könnten. 

Falsch gedacht! Hier werden vielmehr die Oberschenkelknochen (Femora) der 2015 neu entdeckten Vormenschen-Art Homo naledi (Wiki) untersucht (2). Und dabei handelt es sich um eine Menschenart, die vermutlich vor 2,5 Millionen Jahre in Afrika entstand und bis nach Asien hinein lange parallel zu weiter fortgeschrittenen Menschenarten existierte. Neueste Datierungen legen sogar nahe, daß sie noch bis in die Zeit des anatomisch modernen Menschen in Afrika gelebt haben könnte (siehe Wikipedia).

Das ist aber nun gar nicht das Thema, für das das Interesse bei uns beim Anblick dieser Umschlaggestaltung geweckt worden war! Verfolgen wir stattdessen unser Thema weiter: Sind die indogermanischen Tierkopf-Zepter etwa ursprünglich aus menschlichen Oberschenkelknochen abgeleitet worden? Damit würde man insbesondere die merkwürdige Form der "Tierköpfe" verstehen. Womöglich auch den ansonsten schwer nachvollziehbaren Winkel, in dem sie ursprünglich am (Holz-?)Stab befestigt gewesen sein könnten. Wohlgemerkt: Wir wollen hier nur eine Hypothese formulieren. Wenn sie falszifiziert wird - auch gut. Aber erst einmal gefällt uns diese Hypothese sehr gut.

Im übrigen, so fällt uns hierbei auf, muß es ja gar nicht so unwahrscheinlich sein, daß Zepter (Wiki, engl), also Herrscherstäbe einerseits und Zauberstäbe (Wiki, engl) andererseits ursprünglich ein und dasselbe gewesen sein können. Immerhin waren ja religiöse und politische Funktionen in frühen Völkern oft in ein und derselben Person vereinigt.

Vielleicht liegt darin auch die große Bedeutung, die die indogermanische Schnurkeramische Kultur (Wiki) ihren Streitäxten zugemessen hat. Deshalb ist sie ja ursprünglich auch oft Streitaxt-Kultur benannt worden. Dieses Volk hat sich knapp 2000 Jahre nach Entstehung des Urvolkes der Indogermanen an der Mittleren Wolga, also ab 2.800 v. Ztr. aus dem Weichselraum heraus in sehr kurzer Zeit über weite Teile Europas verbreitet (und es hat sich dabei auch mit einheimischen Bauertöchtern vermischt, siehe einer der letzten Beiträge hier auf dem Blog). Ihre oft gefundenen "Streitäxte" sollen ja - nach Meinung der Forschung - gar nicht für den Kampf nützlich gewesen sein. Sie hatten also ebenfalls symbolische Bedeutung. Und diese könnte natürlich ebenfalls abgeleitet sein von solchen Tierkopfzeptern. Brachten sie "Heil"? Konnte das, was durch sie berührt wurde, "verwandelt" werden? Zum Beispiel: Zum Besitz dessen werden, der die Berührung ausführte?

Selbst noch die Funktion einer bestimmten Form von bronzenen Vollgriff-Schwertern im Nordseeraum der Bronzezeit, wiederum tausend oder 1.500 Jahre später soll mehr repräsentativer Art gewesen sein. Auch diese seien nicht für den Kampf verwendet worden. Diesen Gedanken jedenfalls ventilierte der dänische Archäologe Kristian Kristiansen in seiner wegleitenden Arbeit aus dem Jahr 2015, auf die wir hier auf dem Blog jüngst hingewiesen hatten.

Und um 800 v. Ztr. hat das Szepter, der Herrscherstab immer noch seine große Bedeutung, wie aus der Ilias von Homer hervorgeht, auf die in diesem Zusammenhang auch hingewiesen wird (3). In ihrem zweiten Gesang heißt es an einer Stelle (Gutenberg):
Da erhub sich der Held Agamemnon,
Haltend den Herrscherstab, den mit Kunst Hephästos gebildet. 
Diesen gab Hephästos dem wartenden Zeus Kronion;
Hierauf gab ihn Zeus dem bestellenden Argoserwürger;
Hermes gab ihn, der Herrscher, dem Rossebändiger Pelops;
Wieder gab ihn Pelops dem völkerweidenden Atreus;
Dann ließ Atreus ihn sterbend dem lämmerreichen Thyestes;
Aber ihn ließ Thyestes dem Held Agamemnon zu tragen,
Viel' Eilande damit und Argos reich zu beherrschen.
Mit diesen Worten ist also die Bedeutung des Herrscherstabes für die Funktion eines Großkönigs im indogermanischen Bereich klar gekennzeichnet.
____________________
  1. Bading, Ingo: Es ist "amtlich" - Das Urvolk der Indogermanen war die Chwalynsk-Kultur um 4.500 v. Ztr. an der Mittleren Wolga - Der US-amerikanische Archäologe David Anthony hat am 1. August über den neuesten Forschungsstand informiert, 4. August 2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/08/es-ist-amtlich-das-urvolk-der.html 
  2. Morphology of the Homo naledi femora from Lesedi. Christopher S. Walker et. al., First published: 22 June 2019, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ajpa.23877
  3. Dergachev, V. A.: On sceptres, on horses, on war: Studies in defence of M. Gimbutas’ migration concepts, Institute of Cultural Heritage of the Moldavian Republic 2007, behandelt von Carlos Quiles, 1.7.2018, https://indo-european.eu/2018/07/about-scepters-horses-and-war-on-khvalynsk-migrants-in-the-caucasus-and-the-danube/

1 Kommentar:

archlingo hat gesagt…

Danke für den Versuch einer Deutung und das literarische Zitat. Ansonsten ist das Zitieren von wikipedia unter allem Niveau und "amtlich" ist auch eine alte Aussage von Anthony nicht. Im übrigen spricht niemand von einem "Urvolk", auch Anthony nicht.
Hans J.J.. Holm
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