Welche Faktoren bestimmen die heutige Verbreitung von kulturell und genetisch bestimmten Merkmalen des Menschen?
Es kann sich dabei im wesentlichen um Zufallsfaktoren handeln. Also es kann sich etwa um das eher zufällige "Herumdriften" von genetisch und kulturell bestimmten Eigenschaften handeln. Diese Eigenschaften "driften" dann - etwa so wie ein Korken, der im Meer schwimmt - auf eher zufällige Weise über die Erdoberfläche, von Kontinent zu Kontinent. Menschen haben, bevor sie sterben, Kinder oder nicht auf eher zufällige Weise und geben an sie auf eher zufällige Weise bestimmte kulturelle Eigenschaften weiter, andere nicht.
Menschen - oder nur die von ihnen weitergegebenen kulturellen Merkmale - wandern über die Erdoberfläche oder bleiben an einem Ort, wo sie geboren wurden und wo die Merkmale entstanden sind - auch eher zufällig. Und dort werden sie von Generation zu Generation weitergegeben oder sie sterben dort wieder aus - auch eher zufällig.
Es kommt an dem einen Ort zur explosiven, zahlenmäßigen Zunahme von Trägern genetisch oder kulturell bestimmter Eigenschaften (durch Bevölkerungswachstum oder durch kulturelle "Moden", Meinungsumschwünge, Anpassungen an eine neue Lebensart, etwa an den "american", "hellenistic", "roman" oder "agrarian" "way of life"). Und an einem anderen Ort vielleicht kommt es zum implosiven Aussterben von Trägern bestimmter genetischer oder kultureller Merkmale.
All das könnte mehr oder weniger regellos, gesetzlos geschehen. Es könnte kaum vorhersehbar, kaum berechenbar sein. Wenn irgendwo vor Ort sich Träger genetischer oder kultureller Merkmale sehr plötzlich vermehren sollten, könnte das bloß ein eher zufälliges "Aufbauschen" von ebenso eher zufällig dort vorhandenen Merkmalen sein.
In all diesen Fällen würde man aus Sicht eines evolutionären Denkens sagen, daß hier überall keine oder kaum "Selektion" stattfindet, sondern bloßes "Driften" von Eigenschaften und Merkmalen. Und wenn behauptet wird, die letzten 200.000 Jahre Humanevolution wären insgesamt von "wenig Selektion" bestimmt gewesen (siehe Stud. gen., Alles was lebt), dann wird eben genau das behauptet, was eben ausgeführt worden ist. Zumindest der Tendenz nach.
Nun ist es aber so, daß sich das menschliche Denken - und im Anschluß daran erst recht die Wissenschaft - selten und höchst ungern damit zufrieden geben, wenn von bestimmten Phänomenen bloß gesagt wird, es handele sich halt um - wenig nachvollziehbare - Zufallsereignisse. Dazu ist menschliches Denken und Wissenschaft ja vor allem da, in das Chaos der dem Menschen begegnenden Erscheinungen Ordnung hineinzubringen, in ihnen Muster zu erkennen, wiederkehrende und damit irgendwie regelhafte Abläufe, Gesetzmäßigkeiten zu finden. Vielleicht sogar schließlich Kausalitäten zu entdecken, das heißt Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Und aus der Kenntnis derselben können dann wieder neue Schlußfolgerungen abgeleitet werden, "Nutzanwendungen".
Wir geben uns also selten einfach damit zufrieden, von einem Phänomen zu sagen, es handele sich um ein bloßes Zufalls-Ereignis. - In der Quantenphysik hat man den Charakter der Zufälligkeit und Unbestimmtheit des Umlaufbahnenwechsels eines Elektrons auch erst nach außerordentlich heftigen Debatten anerkannt. Wobei Albert Einstein wohl bis zum Ende seines Lebens daran festhielt, daß Gott "nicht würfele", daß hier also doch noch Kausalzusammenhänge vorliegen müßten.
Um so verwunderlicher, daß manche Wissenschaftler und Wissenschaftsberichterstatter dazu neigen, derzeit vor allem Zufallsfaktoren, statt konkrete selektive Faktoren zu betonen zur Erklärung der heutigen Verbreitung kulturell und genetisch bestimmter Merkmale des Menschen und in der Humanevolution überhaupt. Und zwar das sogar auffällig schnell, noch bevor es überhaupt zu hartnäckigen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen gekommen ist, wie sie - etwa - zwischen Heisenberg, Bohr und Einstein geführt worden sind. (siehe Stud. gen., Alles was lebt)
Ein Nebengedanke drängt sich hier auf: Überall, wo bloßer Zufall im Spiel ist im menschlichen Handeln, hat das menschliche Verantwortungsbewußtsein weniger Anlaß, sich angesprochen zu fühlen, denn dann handelt es sich ja bloß um eine weitgehend unbeeinflußbare "Glückssache" oder um "Pech". (siehe Stud. gen.). (Ebenso wenig übrigens dann, wenn ein Vorgang stur und unbeeinflußbar, "starr" gesetzmäßig abläuft.)
Wenn also irgendwo von einem Phänomen gesagt wird, es sei weitgehend ein Zufallsereignis (etwa von der Entstehung des Weltalls überhaupt, von der Entstehung des Lebens auf der Erde oder eben von der derzeitigen Verbreitung kulturell und genetisch bestimmter Merkmale des Menschen), dann könnte das auch auf der psychologischen Tendenz und Neigung von Menschen beruhen, sich von eigener Verantwortung bezüglich irgendwelcher Dinge - etwa gar der Natur insgesamt gegenüber oder der eigenen Natur gegenüber - freisprechen zu wollen. Auf diese Möglichkeit soll ja hier nur einmal hingewiesen werden. Sie soll sonst nicht Thema dieses Beitrages sein.
(Es könnten sich hier jedenfalls immer wieder un-, halbbewußt oder bewußt naturalistische Schlüsse und Fehlschlüsse mit hineinmogeln bei der Beurteilung wissenschaftlich zu erforschender Phänomene. Das würde also dazu führen, daß man jene Aspekte hervorhebt, die einem besonders angenehm erscheinen - für das eigene Selbst- und Weltbild - und man würde versuchen zu vermeiden, solche Aspekte in ihrem Wahrheitsgehalt als richtig anzuerkennen oder zumindest ihren Wahrheitsanspruch ernsthaft zu überprüfen, die einem aufgrund naturalistischer Schlüsse und Fehlschlüsse sowieso schon irgendwie "unangenehm" oder "suspekt" erscheinen.)
Bezüglich solcher Fragen liest sich die im vorletzten Beitrag (Stud. gen.) behandelte Studie "The Role of Geography in Human Adaption" - recht "kryptisch". Sehen wir uns deshalb doch einmal nach Studien um, die sich bezüglich solcher Fragen weniger "kryptisch" lesen und darum eine erste und zugleich auch günstigere Annäherung an die eingangs gewählte Fragestellung ermöglichen.
Dazu soll hier auf den eingängigen Aufsatz "Semes and Genes in Africa" von Barry S. Hewlett (siehe Bild rechts) und Koautoren hingewiesen werden. (1, pdf., siehe auch: 2) In ihren einleitenden Überlegungen im theoretischen Teil nennen Hewlett und Mitarbeiter drei verschiedene Möglichkeiten, wie sich kulturelle Merkmale des Menschen ausbreiten können: 1. zusammen mit der Ausbreitung eines Volkes oder Stammes ("Demic diffusion"), 2. durch Übernahme ursprünglich "ausländischer", fremder Kultur aus einer anderen geographischen Region ("Cultural diffusion"), 3. dadurch, daß lokale Stämme durch Versuch und Irrtum jeweils selbständig bestimmte kulturelle Merkmale entdecken und annehmen ("Local adaption"). Im empirischen Teil untersuchen sie dann, wie es sich bezüglich dieser drei Modelle in der Empirie von 36 ethnischen Gruppen im afrikanischen Raum verhält. Für diese untersuchen sie jeweils 109 scharf umrissene kulturelle Merkmalen, wie sie im viel benutzten "Ethnographischen Atlas" (erstmals von Murdock 1967) weltweit für alle Ethnien zusammengestellt worden sind. (Z. B. Hausbauform, Eheformen, Siedlungsweise, Wirtschaftsweise und vieles andere mehr.)
Es kann sich dabei im wesentlichen um Zufallsfaktoren handeln. Also es kann sich etwa um das eher zufällige "Herumdriften" von genetisch und kulturell bestimmten Eigenschaften handeln. Diese Eigenschaften "driften" dann - etwa so wie ein Korken, der im Meer schwimmt - auf eher zufällige Weise über die Erdoberfläche, von Kontinent zu Kontinent. Menschen haben, bevor sie sterben, Kinder oder nicht auf eher zufällige Weise und geben an sie auf eher zufällige Weise bestimmte kulturelle Eigenschaften weiter, andere nicht.
Menschen - oder nur die von ihnen weitergegebenen kulturellen Merkmale - wandern über die Erdoberfläche oder bleiben an einem Ort, wo sie geboren wurden und wo die Merkmale entstanden sind - auch eher zufällig. Und dort werden sie von Generation zu Generation weitergegeben oder sie sterben dort wieder aus - auch eher zufällig.
Es kommt an dem einen Ort zur explosiven, zahlenmäßigen Zunahme von Trägern genetisch oder kulturell bestimmter Eigenschaften (durch Bevölkerungswachstum oder durch kulturelle "Moden", Meinungsumschwünge, Anpassungen an eine neue Lebensart, etwa an den "american", "hellenistic", "roman" oder "agrarian" "way of life"). Und an einem anderen Ort vielleicht kommt es zum implosiven Aussterben von Trägern bestimmter genetischer oder kultureller Merkmale.
All das könnte mehr oder weniger regellos, gesetzlos geschehen. Es könnte kaum vorhersehbar, kaum berechenbar sein. Wenn irgendwo vor Ort sich Träger genetischer oder kultureller Merkmale sehr plötzlich vermehren sollten, könnte das bloß ein eher zufälliges "Aufbauschen" von ebenso eher zufällig dort vorhandenen Merkmalen sein.
"Selektion" oder "Drift" - Zufall oder Regelhaftigkeit?
In all diesen Fällen würde man aus Sicht eines evolutionären Denkens sagen, daß hier überall keine oder kaum "Selektion" stattfindet, sondern bloßes "Driften" von Eigenschaften und Merkmalen. Und wenn behauptet wird, die letzten 200.000 Jahre Humanevolution wären insgesamt von "wenig Selektion" bestimmt gewesen (siehe Stud. gen., Alles was lebt), dann wird eben genau das behauptet, was eben ausgeführt worden ist. Zumindest der Tendenz nach.
Nun ist es aber so, daß sich das menschliche Denken - und im Anschluß daran erst recht die Wissenschaft - selten und höchst ungern damit zufrieden geben, wenn von bestimmten Phänomenen bloß gesagt wird, es handele sich halt um - wenig nachvollziehbare - Zufallsereignisse. Dazu ist menschliches Denken und Wissenschaft ja vor allem da, in das Chaos der dem Menschen begegnenden Erscheinungen Ordnung hineinzubringen, in ihnen Muster zu erkennen, wiederkehrende und damit irgendwie regelhafte Abläufe, Gesetzmäßigkeiten zu finden. Vielleicht sogar schließlich Kausalitäten zu entdecken, das heißt Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Und aus der Kenntnis derselben können dann wieder neue Schlußfolgerungen abgeleitet werden, "Nutzanwendungen".
Wir geben uns also selten einfach damit zufrieden, von einem Phänomen zu sagen, es handele sich um ein bloßes Zufalls-Ereignis. - In der Quantenphysik hat man den Charakter der Zufälligkeit und Unbestimmtheit des Umlaufbahnenwechsels eines Elektrons auch erst nach außerordentlich heftigen Debatten anerkannt. Wobei Albert Einstein wohl bis zum Ende seines Lebens daran festhielt, daß Gott "nicht würfele", daß hier also doch noch Kausalzusammenhänge vorliegen müßten.
Würfelt Gott in der Humanevolution?
Um so verwunderlicher, daß manche Wissenschaftler und Wissenschaftsberichterstatter dazu neigen, derzeit vor allem Zufallsfaktoren, statt konkrete selektive Faktoren zu betonen zur Erklärung der heutigen Verbreitung kulturell und genetisch bestimmter Merkmale des Menschen und in der Humanevolution überhaupt. Und zwar das sogar auffällig schnell, noch bevor es überhaupt zu hartnäckigen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen gekommen ist, wie sie - etwa - zwischen Heisenberg, Bohr und Einstein geführt worden sind. (siehe Stud. gen., Alles was lebt)
Ein Nebengedanke drängt sich hier auf: Überall, wo bloßer Zufall im Spiel ist im menschlichen Handeln, hat das menschliche Verantwortungsbewußtsein weniger Anlaß, sich angesprochen zu fühlen, denn dann handelt es sich ja bloß um eine weitgehend unbeeinflußbare "Glückssache" oder um "Pech". (siehe Stud. gen.). (Ebenso wenig übrigens dann, wenn ein Vorgang stur und unbeeinflußbar, "starr" gesetzmäßig abläuft.)
Wenn also irgendwo von einem Phänomen gesagt wird, es sei weitgehend ein Zufallsereignis (etwa von der Entstehung des Weltalls überhaupt, von der Entstehung des Lebens auf der Erde oder eben von der derzeitigen Verbreitung kulturell und genetisch bestimmter Merkmale des Menschen), dann könnte das auch auf der psychologischen Tendenz und Neigung von Menschen beruhen, sich von eigener Verantwortung bezüglich irgendwelcher Dinge - etwa gar der Natur insgesamt gegenüber oder der eigenen Natur gegenüber - freisprechen zu wollen. Auf diese Möglichkeit soll ja hier nur einmal hingewiesen werden. Sie soll sonst nicht Thema dieses Beitrages sein.
Wünschen wir es uns heute, daß gewürfelt worden sein soll in der Humanevolution?
(Es könnten sich hier jedenfalls immer wieder un-, halbbewußt oder bewußt naturalistische Schlüsse und Fehlschlüsse mit hineinmogeln bei der Beurteilung wissenschaftlich zu erforschender Phänomene. Das würde also dazu führen, daß man jene Aspekte hervorhebt, die einem besonders angenehm erscheinen - für das eigene Selbst- und Weltbild - und man würde versuchen zu vermeiden, solche Aspekte in ihrem Wahrheitsgehalt als richtig anzuerkennen oder zumindest ihren Wahrheitsanspruch ernsthaft zu überprüfen, die einem aufgrund naturalistischer Schlüsse und Fehlschlüsse sowieso schon irgendwie "unangenehm" oder "suspekt" erscheinen.)
Bezüglich solcher Fragen liest sich die im vorletzten Beitrag (Stud. gen.) behandelte Studie "The Role of Geography in Human Adaption" - recht "kryptisch". Sehen wir uns deshalb doch einmal nach Studien um, die sich bezüglich solcher Fragen weniger "kryptisch" lesen und darum eine erste und zugleich auch günstigere Annäherung an die eingangs gewählte Fragestellung ermöglichen.
Dazu soll hier auf den eingängigen Aufsatz "Semes and Genes in Africa" von Barry S. Hewlett (siehe Bild rechts) und Koautoren hingewiesen werden. (1, pdf., siehe auch: 2) In ihren einleitenden Überlegungen im theoretischen Teil nennen Hewlett und Mitarbeiter drei verschiedene Möglichkeiten, wie sich kulturelle Merkmale des Menschen ausbreiten können: 1. zusammen mit der Ausbreitung eines Volkes oder Stammes ("Demic diffusion"), 2. durch Übernahme ursprünglich "ausländischer", fremder Kultur aus einer anderen geographischen Region ("Cultural diffusion"), 3. dadurch, daß lokale Stämme durch Versuch und Irrtum jeweils selbständig bestimmte kulturelle Merkmale entdecken und annehmen ("Local adaption"). Im empirischen Teil untersuchen sie dann, wie es sich bezüglich dieser drei Modelle in der Empirie von 36 ethnischen Gruppen im afrikanischen Raum verhält. Für diese untersuchen sie jeweils 109 scharf umrissene kulturelle Merkmalen, wie sie im viel benutzten "Ethnographischen Atlas" (erstmals von Murdock 1967) weltweit für alle Ethnien zusammengestellt worden sind. (Z. B. Hausbauform, Eheformen, Siedlungsweise, Wirtschaftsweise und vieles andere mehr.)
Drei Möglichkeiten der Ausbreitung kultureller Merkmale
Auf die statistischen Detailerläuterungen und viele andere Detailfragen soll hier nicht weiter eingegangen werden. Ihr erstes, recht auffälliges Ergebnis ist, daß die natürliche Umwelt wenig Einfluß auf die Verbreitung der untersuchten kulturellen Merkmale hatte. Das würde also zunächst einmal schon sehr gut zu einigen Erkenntnissen der im vorletzten Beitrag behandelten Studie "The Role of Geography in Human Adaption" passen, wo ebenfalls keine sehr engen Zusammenhänge zwischen Klimazonen und genetisch bestimmten Eigenschaften des Menschen festgestellt worden sind (obwohl es sich unter anderem um Hautfarben-Gene handelte), wo aber solche engen Zusammenhänge zwischen genetisch bestimmten Eigenschaften und dem genetischen Verwandtschaftsgrad überhaupt zwischen Bevölkerungen sehr wohl festgestellt worden sind.
Dieses Ergebnis von Hewlett und Mitarbeitern würde - sollte es sich verifizieren und auch die Genetik deutet in diese Richtung - schon so an dem einen oder anderen Lehrsatz der modernen Völkerkunde (Ethnologie, Kulturanthropologie) rütteln, die eben zunächst einmal besonders eine recht paßgenaue genetische und kulturelle Anpassung an die natürlichen Klimaverhältnisse vor Ort unterstellen. Das wäre ja zunächst auch eine der simpelsten und sparsamsten Hypothesen.
Hewlett und Mitarbeiten führen weiter aus, daß sie - entsprechend ihrer Detailstatistik - für 45 der untersuchten 109 kulturellen Merkmale (also für 41 % von ihnen) Erklärungsmodelle der im theoretischen Teil erörterten Art zuordnen können. Für die restlichen kulturellen Merkmale bieten sich noch mehrere unterschiedliche Erklärungsmodelle gleichzeitig an, von denen die Forscher noch keine Gründe wissen, warum sie für sie ein Erklärungsmodell für die Ausbreitung eines kulturellen Merkmals dem anderen gegenüber bevorzugen sollten. Und nun das Hauptergebnis weiter in wörtlicher Wiedergabe (in Eigenübersetzung):
Dieses Ergebnis von Hewlett und Mitarbeitern würde - sollte es sich verifizieren und auch die Genetik deutet in diese Richtung - schon so an dem einen oder anderen Lehrsatz der modernen Völkerkunde (Ethnologie, Kulturanthropologie) rütteln, die eben zunächst einmal besonders eine recht paßgenaue genetische und kulturelle Anpassung an die natürlichen Klimaverhältnisse vor Ort unterstellen. Das wäre ja zunächst auch eine der simpelsten und sparsamsten Hypothesen.
Hewlett und Mitarbeiten führen weiter aus, daß sie - entsprechend ihrer Detailstatistik - für 45 der untersuchten 109 kulturellen Merkmale (also für 41 % von ihnen) Erklärungsmodelle der im theoretischen Teil erörterten Art zuordnen können. Für die restlichen kulturellen Merkmale bieten sich noch mehrere unterschiedliche Erklärungsmodelle gleichzeitig an, von denen die Forscher noch keine Gründe wissen, warum sie für sie ein Erklärungsmodell für die Ausbreitung eines kulturellen Merkmals dem anderen gegenüber bevorzugen sollten. Und nun das Hauptergebnis weiter in wörtlicher Wiedergabe (in Eigenübersetzung):
Das demische Diffusionsmodell erklärt die größte Zahl der kulturellen Merkmale (20) und war besonders wichtig, um Verwandtschaft, Familie und (dörfliches, staatliches) Gemeinschaftsleben zu erklären. Die Daten stimmen überein mit den Ergebnissen jüngster Studien (...), die nahelegen, daß Verwandtschaft und Sozialorganisation in Afrika und anderen kulturellen Regionen die Ausbreitung von Gruppen mit bestimmten Arten von Verwandtschaft und Sozialorganisation wiederspiegelt. (...) Es sind dies die klassischen Merkmale südsaharischer, afrikanischer, sozialer Strukturen: unabhängige polygyne Familien mit Frauen in seperaten Behausungen, keine Heirat mit Cousins/Cousinen ersten oder zweiten Grades, clan-basierte Nachbarschaften und shifting cultivation (z.B. Gartenbau). Das demische Diffusionsmodell war ebenfalls besonders wichtig zur Erklärung politischer Stratifikation (Schichtung) oberhalb der Dorfebene. Die Daten legen nahe, daß die politische Komplexität in Afrika vornehmlich auf die Ausbreitung bestimmter Völker zurückzuführen ist und nicht auf kulturelle Diffusion oder lokale Anpassung.
(...) Kulturelle Diffusion erklärte 12 kulturelle Merkmale und war besonders nützlich, um die Verteilung von Hausbauformen und des nachgeburtlichen Verbotes der geschlechtlichen Gemeinschaft zu erklären.
Dieses Forschungsergebnis kann man zunächst einmal auf sich wirken lassen. Der häufigste Fall von Ausbreitung kultureller Merkmale würde also dadurch geschehen, daß ein Stamm einen größeren Bevölkerungszuwachs hat als andere Stämme und dadurch zusammen mit seinem Bevölkerungszuwachs zugleich auch die damit zusammenhängenden kulturellen Merkmale ausbreitet.
Sicherlich nicht gerade einer der ungewöhnlichsten Fälle, was die Humanevolution und Weltgeschichte überhaupt betrifft. In Nordamerika vermehrt sich etwa das kulturelle Merkmalsmuster "Lebensweise als Amischer" oder "Lebensweise als Hutterer" ebenfalls so gut wie ausschließlich aufgrund des demischen Modells, nämlich aufgrund der Tatsache, daß sich die Populationen der Amischen und Hutterer fast alle 25 Jahre schlichtweg verdoppeln. (Aufgrund ihres Kinderreichtums.)
Wenn man nun noch die oben genannte Erkenntnis dazu nimmt, daß sich möglicherweise auch genetisch bestimmte Merkmale des Menschen vor allem durch ethnisch bestimmte Gemeinschaften ausbreiten (wie man auch an den indischen Stämmen des vorigen Beitrages erkennen konnte und wie man sicherlich auch am Bevölkerungszuwachs staatstragender Mehrheitsbevölkerungen wie der Han-Chinesen erkennen kann), dann schält sich doch mehr oder weniger einfach eine Gesetzmäßigkeit der Humanevolution heraus:
Es mag - weltgeschichtlich gesehen - "flüchtige" kulturelle Diffussion von Lebensweisen geben, nennen wir sie Christentum, nennen wir sie Hellenismus, nennen wir sie globalisierenden "american way of life". Solange sich Ethnien durch diese weltgeschichtlichen "Moden" nicht gar zu sehr beirren lassen und etwa - wie in Indien - trotz Missionierung sich ihren endogamen und sonstigen kulturellen Zusammenhalt bewahren, bewahren sie damit zugleich auch ihr jeweils einzigartiges Muster von kulturell und genetisch bestimmten Merkmalen. Geben sie diesen Zusammenhalt auf, gehen sie einfach - wie etwa in China - in größeren kulturellen und genetischen "Kommunen" auf. Aber auch diese größeren genetischen und kulturellen "Kommunen" gingen hervor aus Ursprungsbevölkerungen, die ursprünglich mit jenen vergleichbar waren, die nun in sie aufgehen.
Die Quintessenz dieser Ausführungen wäre also schlicht: Humanevolution und menschliche Kulturgeschichte vollziehen sich im wesentlichen in Ethnien und Völkern und haben sich auch im Wesentlichen nie anders vollzogen. Und es scheint auch kein einziges weltgeschichtliches oder völkerkundliches oder humangenetisches Beispiel zu geben, wo sich all das nun alles ganz anders verhalten hätte oder verhalten würde.
Denn selbst wenn sich bei der Ethnogenese, bei der Entstehung von Völkern vormals ganz unterschiedliche Ausgangspopulationen miteinander verschmelzen sollten (in einem "melting pot of races"), so wäre das Ergebnis ja dennoch wieder eine Ethnie (siehe etwa die von Derek Bickerton erforschten, neu entstandenen Kreolen-Sprachen und die sich mit ihnen potentiell neu formierenden "Ethnien"). (Möglicherweise sind nach diesem Modell viele Sprachen, etwa auch das Deutsche, das Englische, das Französische zunächst einmal ihrer Natur nach - also während der Ethnogenese dieser Völker selbst - "Kreolen-Sprachen" gewesen.) Die menschliche Psyche selbst scheint - schon über die tiefgreifenden, frühen Prägungsmechnismen was Mutterspachen-Erwerb und kindlichen Sprachgebrauch betrifft - in sehr tiefgehender Weise ethnischer Natur zu sein. Und dementsprechend auch viele wesentliche Elemente der Kultur und der Häufigkeitsverteilung von Verhaltens- und Wahrnehmungsgenen.
Völker breiten sich aus und mit ihnen kulturelle Merkmale
Sicherlich nicht gerade einer der ungewöhnlichsten Fälle, was die Humanevolution und Weltgeschichte überhaupt betrifft. In Nordamerika vermehrt sich etwa das kulturelle Merkmalsmuster "Lebensweise als Amischer" oder "Lebensweise als Hutterer" ebenfalls so gut wie ausschließlich aufgrund des demischen Modells, nämlich aufgrund der Tatsache, daß sich die Populationen der Amischen und Hutterer fast alle 25 Jahre schlichtweg verdoppeln. (Aufgrund ihres Kinderreichtums.)
Wenn man nun noch die oben genannte Erkenntnis dazu nimmt, daß sich möglicherweise auch genetisch bestimmte Merkmale des Menschen vor allem durch ethnisch bestimmte Gemeinschaften ausbreiten (wie man auch an den indischen Stämmen des vorigen Beitrages erkennen konnte und wie man sicherlich auch am Bevölkerungszuwachs staatstragender Mehrheitsbevölkerungen wie der Han-Chinesen erkennen kann), dann schält sich doch mehr oder weniger einfach eine Gesetzmäßigkeit der Humanevolution heraus:
Es mag - weltgeschichtlich gesehen - "flüchtige" kulturelle Diffussion von Lebensweisen geben, nennen wir sie Christentum, nennen wir sie Hellenismus, nennen wir sie globalisierenden "american way of life". Solange sich Ethnien durch diese weltgeschichtlichen "Moden" nicht gar zu sehr beirren lassen und etwa - wie in Indien - trotz Missionierung sich ihren endogamen und sonstigen kulturellen Zusammenhalt bewahren, bewahren sie damit zugleich auch ihr jeweils einzigartiges Muster von kulturell und genetisch bestimmten Merkmalen. Geben sie diesen Zusammenhalt auf, gehen sie einfach - wie etwa in China - in größeren kulturellen und genetischen "Kommunen" auf. Aber auch diese größeren genetischen und kulturellen "Kommunen" gingen hervor aus Ursprungsbevölkerungen, die ursprünglich mit jenen vergleichbar waren, die nun in sie aufgehen.
Humanevolution und Kulturgeschichte vollziehen sich im Wesentlichen in Ethnien
Die Quintessenz dieser Ausführungen wäre also schlicht: Humanevolution und menschliche Kulturgeschichte vollziehen sich im wesentlichen in Ethnien und Völkern und haben sich auch im Wesentlichen nie anders vollzogen. Und es scheint auch kein einziges weltgeschichtliches oder völkerkundliches oder humangenetisches Beispiel zu geben, wo sich all das nun alles ganz anders verhalten hätte oder verhalten würde.
Denn selbst wenn sich bei der Ethnogenese, bei der Entstehung von Völkern vormals ganz unterschiedliche Ausgangspopulationen miteinander verschmelzen sollten (in einem "melting pot of races"), so wäre das Ergebnis ja dennoch wieder eine Ethnie (siehe etwa die von Derek Bickerton erforschten, neu entstandenen Kreolen-Sprachen und die sich mit ihnen potentiell neu formierenden "Ethnien"). (Möglicherweise sind nach diesem Modell viele Sprachen, etwa auch das Deutsche, das Englische, das Französische zunächst einmal ihrer Natur nach - also während der Ethnogenese dieser Völker selbst - "Kreolen-Sprachen" gewesen.) Die menschliche Psyche selbst scheint - schon über die tiefgreifenden, frühen Prägungsmechnismen was Mutterspachen-Erwerb und kindlichen Sprachgebrauch betrifft - in sehr tiefgehender Weise ethnischer Natur zu sein. Und dementsprechend auch viele wesentliche Elemente der Kultur und der Häufigkeitsverteilung von Verhaltens- und Wahrnehmungsgenen.
Menschliche Gene und kulturelle Merkmale breiten sich parallel aus
Natürlich wollen auch Wissenschaftler Normen verändern. Und natürlich ist auch Wissenschaft dazu angetan, implizit Normen zu verändern. Damit stellen sich Wissenschaftler zunehmend stärker an jene Stelle, die vormals Priester und andere "Geschichtenerzähler" innegehabt hatten.
Die Frage zu klären, wie an einen solchen Sachverhalt dann Konzepte von kultureller und genetischer Gruppenselektion und Gruppenkonkurrenz heranzutragen sind, ist wohl einer der nächsten, bedeutsamen Schritte, den die Forschung in schlüssiger und allgemeingültig nachvollziehbarer Weise aufzuzeigen haben wird.
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- Barry S. Hewlett, Annalisa De Silvestri, and C. Rosalba Guglielmino: Semes and Genes in Africa. In: Current Anthropology 43, no. 2 (April 2002): 313-321. https://doi.org/10.1086/339379
- Ehrlich, P., & Levin, S. (2005). The Evolution of Norms PLoS Biology, 3 (6) DOI: 10.1371/journal.pbio.0030194
- Wilson, Edward O.; Lumsden, Charles: Das Feuer des Prometheus. Piper-Verlag 1987
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