"Signor Abate! io sono, io sono, io sono ammalato!
Santo Padre! vieni e datemi la benedizione!
- Hol' Sie der Teufel, wenn Sie nicht kommen!,
hol' Sie der Teufel, wenn Sie nicht kommen,
hol' Sie der Teufel!!!"
Diesen deftigen, von manchen Menschen gern gesungenen Kanon, komponierte Ludwig van Beethoven (1770-1827), als er einmal wieder krank und einsam zu Hause darnieder lag. Das Lebensschicksal Beethovens war ein schweres.
Die Ursachen seiner Taubheit und seines frühen Todes mit 57 Jahren konnten bis heute nicht schlüssig aufgeklärt werden.
Abb. 1: Die Totenmaske Beethovens |
Dieser Kanon war - nach dem Musikhistoriker Nottebohm - an den Abt Maximilian Stadtler (1748-1833) gerichtet. Zu Deutsch lauten die italienischen Phrasen in ihm (Klassika.Info):
"Herr Abate! Ich bin erkrankt! Heiliger Vater! Kommt und gebt mir den Segen! Hol' Sie der Teufel, wenn Sie nicht kommen ..."
Deftige Worte gegenüber einem Abt! Hier eine passable Aufnahme desselben (Yt):
"Heavy Metal" hat sich an diesem Kanon auch schon ausprobiert (Yt). Und auch das hält der Kanon aus. Genug Aggressivität ist schließlich in ihm drin dafür.
Anmerkung 27.3.23: Die folgenden Ausführungen haben ihre Gültigkeit verloren, seit mit einer neuen genetischen Studie über Beethovens Haar-Reste (1) bekannt geworden ist, daß ausgerechnet jene Haarreste, von deren Untersuchung in den weiteren Ausführungen die Rede ist, nämlich die sogenannte "Hiller"-Locke, gar nicht von Beethoven stammt, sondern von einer Frau, die wie Ferdinand von Hiller und dessen Sohn Paul Hiller aschkenasisch-jüdischer Abstammung war. Entweder hat es in der Familie von Hiller also eine Verwechslung von Haarlocken gegeben. Oder jemand in der Familie von Hiller brauchte Geld und gab deshalb Haare als Beethoven-Locke aus. Zum Beispiel im Zusammenhang mit der Emigration nach Dänemark und in die USA während des Dritten Reiches.
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Beethoven hatte bei seinem Tod 1827 80 mal mehr Blei im Körper als gesunde Menschen
Wie betroffen wird man aber künftig diesen Kanon singen, wenn man sich klar macht, daß Beethoven mit 57 Jahren an wiederholten schweren Überdosierungen von Blei während seines letzten Lebensjahres gestorben ist. Die zeitliche Abfolge dieser Überdosierungen hat man neuerdings anhand von drei ganz unterschiedlich auf die Jetztzeit überkommenen Beethoven-Locken genau bestimmen können. Zugleich wird dieses Muster von Blei-Überdosierungen, wie es sich in den Locken Beethovens findet, künftig zur Identifizierung weiterer Beethoven-Locken dienen können (Spiegel):
... Nun hat der Gerichtsmediziner Christian Reiter von der Universität Wien die Blei-Theorie um eine neue Wendung ergänzt. Der Musiker sei vor seinem Tod wiederholt extremen Bleibelastungen ausgesetzt gewesen, schreibt der Forscher im Mitteilungsblatt der Wiener Beethoven-Gesellschaft. Schuld daran war wohl sein Arzt Andreas Wawruch: Er behandelte den schwer erkrankten Komponisten in den letzten Monaten vor seinem Tod mit einer Art bleihaltiger Seife. Anstatt Beethoven zu helfen, beschleunigte er auf diese Weise dessen Tod.
Allerdings bleibt die Frage zurück, ob nicht die Behandlung mit bleihaltiger Seife auch bei anderen Patienten in der damaligen Zeit zu ähnlichen Folgen hätte führen müssen, und ob das dann die behandelnden Ärzte nicht irgendwann hätten merken müssen. Auch sollte eine Hypothese, die der "Zusatzhypothesen" bedarf, eher als unplausibel eingeschätzt werden. So werden die festgestellten hohen Bleikonzentrationen kurz vor dem Tod Beethovens mit der angeblichen Behandlung mit bleihaltigen Seifen erklärt, die Bleikonzentrationen, die aber schon in den Haarabschnitten festgestellt werden können, die ein Jahr vor seinem Tod wuchsen, werden mit dem angeblichen Trinken von bleihaltigem Wein erklärt. Da drängt sich der Eindruck auf, daß man hier noch nicht die endgültige Erklärung gefunden hat.
Der Forscher verdampfte Beethovens Haare mit einem Laserstrahl scheibchenweise und maß mit einem Massenspektrografen die Bleikonzentration in dem dabei entstehenden Rauch. Dabei fand er keine gleichmäßige Verteilung von Blei im gesamten Haar, sondern phasenweise extreme Anstiege der Bleikonzentration. Reiter standen für seine Untersuchungen zwei Haare zur Verfügung: eines war 4,0 und das andere 9,3 Zentimeter lang. Die Haare dokumentierten etwa die letzten 120 beziehungsweise 267 Tage im Leben Beethovens, so der Forscher. (...)
Um die These Reiters zu untermauern, müsse man noch mehr Haare Beethovens zum Vergleich heranziehen, auch aus jüngeren Jahren.
Zumindest mit einem Haar hat dies Reiter bereits getan. Die Beethoven-Gedenkstätte in Wien-Jedlesee bewahrt eine Locke auf, die angeblich ebenfalls von dem Komponisten stammen soll. Davon untersuchte der Gerichtsmediziner ein 15 Zentimeter langes Haar, was die Möglichkeit bot, sogar die letzten vierzehn Monate im Leben Beethovens zu analysieren.
Die Ergebnisse stimmten mit den Daten der beiden zuerst untersuchten Haare überein, schreibt Reiter. In den letzten 111 Tagen vor dem Tod stellte er auch hier exzessive Bleibelastungen fest, in den rund 90 Tagen davor gab es hingegen keine Kontamination. Die Echtheit dieser Beethoven-Locke sei damit bestätigt worden.
Durch die "außergewöhnliche Länge" dieses Haares konnte Reiter auch den Zeitraum zwischen dem 200. und dem 360. Tag vor Beethovens Tod untersuchen. "In diesem Abschnitt gab es immer wieder einzelne bemerkenswerte Blei-Peaks", schreibt Reiter. Für die Zeit davor bis 425 Tagen vor seinem Tod war dagegen keinerlei Bleibelastung festzustellen.
Und diese ältere Kontaminierung erklärt er dann eben mit dem Weintrinken, da er damals noch nicht mit (angeblich!, vermutlich!) bleihaltigen Seifen behandelt worden ist. Im Original-Artikel (Mitteilungsblatt der Wiener Beethoven-Gesellschaft) heißt es:
Im Jahr 1802, also fünfundzwanzig Jahre vor seinem Tod, äußerte der wegen seiner sich ankündigenden völligen Ertaubung verzweifelte Beethoven im sogenannten "Heiligensätdter Testament" den Wunsch, dass die Nachwelt die Ursache seiner Taubheit erforschen möge. (...)
In Beethovens Haar konnte zwar keine auffällige Quecksilberkonzentration festgestellt werden, aber im Mittel etwa achtzig Mal mehr Blei, als bei rezenten Menschen. (...)
Durch die aussergewöhnliche Länge dieses Haares (- aus einer dritten Locke, I.B.) konnte auch der Zeitraum zwischen dem 200. und dem 360. Tag vor Beethovens Tod untersucht werden. In diesem Abschnitt gab es immer wieder einzelne bemerkenswerte Blei-Peaks. Für die Zeit davor (bis 425 Tagen vor seinem Tod) war dagegen keinerlei Bleibelastung festzustellen.
Ob also die durch Professor Reiter angebotene Erklärung durch die Behandlung mit bleihaltiger Seife und das Trinken bleihaltigen Weines schon die letzte Erklärung bleiben wird? Sollte bei einer 80-fach erhöhte Dosis nicht auch anderen Hypothesen nachgegangen werden? Ist es wirklich plausibel, dieselbe durch solche eher "zufälligen" Ereignisse schlüssig erklären zu können? Ist es nicht viel nahe liegender, zunächst auch der Hypothese nachzugehen, Beethoven wären diese Blei-Dosen bewusst zugefügt worden? Wo es doch auch so viele ungeklärte Fragen rund um den Tod von Wolfgang Amadeus Mozart gibt, der kurz vor seinem frühen Tod gesagt hat:
"Gewiß, man hat mir Gift gegeben." - ?
Ergänzung 27.3.23: Vielmehr stellt sich jetzt die Frage, wie so viel Blei in die Haarlocke jener Frau gekommen ist, die sich - offenbar - im Umfeld der aschkenasisch-jüdischen Familie von Hiller bewegt hat während des 19. oder womöglich auch erst während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
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- TJA Begg et al, ‘Genomic analyses of hair from Ludwig van Beethoven’, 22 March 2023, DOI: 10.1016/j.cub.2023.02.041 (pdf)
2 Kommentare:
Zur damaligen Zeit wurde gelegentlich saurer Wein mit Bleizucker gesüßt. Das ist giftiges, aber eben süß schmeckendes Bleiazetat.
Zu Lebzeiten Beethovens bestand in der Napoleonzeit die engl. Kontinentalsperre der Häfen. Es dürfte sehr wenig Zucker aus den Kolonien nach Europa gekommen sein.
Das dürfte also obiges begünstigt haben und Beethovens Vergiftung erklären helfen...
naja, aber Beethoven wird ja wohl nicht der einzige damals gewesen sein, der gesüßten Wein getrunken hat. Dann müßten ja allerhand mehr an Bleivergiftung gestorben sein.
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