Der Trailer einer neuen Filmdokumentation über die Tuareg (1) gibt Anlaß, mal einiges Wissen über die Tuareg hier zu referieren.
Die Tuareg sind ein stolzes, sehr freiheitsliebendes Nomandenvolk, das in der härtesten Umwelt lebt, die es auf unserer Erde gibt. Nämlich in der Zentralsahara. Diese ist auf mehrere Staaten aufgeteilt, viele leben im Niger, wo auch die genannte Filmdokumentation entstanden ist. Sie sind zwar oberflächlich islamisiert. Aber es leben noch viele vorislamische Traditionen fort. Die Frau hat eine ganz unabhängige Stellung. In diesem Volk gehen die Männer verschleiert (um ihre Würde, ihr Gesicht zu wahren) und die Frauen sind unverschleiert. Jederzeit kann eine Frau die Ehe aufkündigen genauso wie der Mann.
Schon die jungen Ziegenhirtinnen und die jungen Kamelhirten müssen früh lernen, mit der Einsamkeit fertig zu werden, da sie bei großer Trockenheit den ganzen Tag weit vom Lager und den anderen wegwandern müssen, um für ihre Tiere Weideland zu finden.
Der Film zeigt zwei junge Ziegenhirtinnen in der fruchtbaren Regenzeit. Ihnen geht es gut. Sie müssen nicht weit laufen, kennen die Gegend, wo sie ihre Tiere zu Weide bringen können, können sich also wenig verlaufen. Und sie können lange zusammen bleiben. Auch die Männer können in der Gegend bleiben.
Das Verhältnis zwischen Mann und Frau ist ein ganz wichtiges bei den Tuareg. Wahrscheinlich um der seelischen Balance willen gegenüber den tagelangen Einsamkeiten der Wüste.
Eine von den beiden Ziegenhirtinnen wird in den nächsten Tagen heiraten. Und die Filmemacherin Bettina Hansen nimmt die Gespräche auf, die sie darüber untereinander führen. Das sind zum Teil sehr schöne Szenen. Auch sehr authentisch. (Wir haben allerdings nur den Anfang gesehen.)
Die junge Braut kennt ihren künftigen Ehemann noch gar nicht. Ihre Freundin sagt: Mir wäre lieber, du hättest dir deinen Ehemann selbst ausgesucht, statt daß das deine Eltern für dich getan haben. Aber alle hoffen, daß es ist ein guter sein wird ...
Die Herkunft der Adelsstämme der Tuareg
Die Tuareg, die eine nordafrikanische Berbersprache sprechen, sind traditionell eine Drei-Klassen-Gesellschaft. Diese drei Klassen spiegeln auch verschiedene geschichtliche und genetische Herkunft wieder. Die Adelsstämme der Tuareg sind hellhäutig, fühlen sich den weißen Europäern verwandt, auch seelisch. Und sie haben mündliche Überlieferungen, nach denen sie ursprünglich nicht aus Afrika stammen. Vielleicht sind sie am Ende der Bronzezeit mit den damaligen Völkerwanderungen nach Nordafrika gekommen. Dann würden sie tatsächlich entfernte Verwandte von uns Mitteleuropäern sein. Möglicherweise haben sie daher auch ihre "europäische" angeborene Fähigkeit zur Erwachsenen-Milchverdauung, die auch noch manche, weiter südlich lebende dunkelhäutigere, afrikanische Rinderzüchter-Stämme besitzen (z.B. die im Kongo so gräßlich ermordeten, hoch gewachsenen Watussi, bzw. Tutsi).
Sprachlich, volkskundlich und geschichtlich weisen die Tuareg auf jeden Fall viel Verwandtschaft auf mit dem antiken, damals auch in größeren Städten im heutigen Lybien lebenden, nur noch archäologisch erforschbaren Volk der Garamanten. Sie könnten ein Restvolk von ihnen sein oder eine Abspaltung derselben. Die Garamanten sind auch mit Hannibal und den Karthagern gegen die Römer gezogen. Die Tuareg tragen heute noch geflochtene Schläfenzöpfe, die man auch unter den geschlagenen Feinden der Ägypter in Medinet Habu abgebildet findet, einem großen Relief, das von einer berühmten Schlacht des Pharao's um 1200 v. Ztr. berichtet. (Deuten womöglich die Schläfenzöpfe bei den Juden auf ähnliche Kulturkontakte um 1200 v. Ztr. hin?) Auch sprachliche und völkerkundliche Verwandtschaft der Tuareg und Garamanten zu den Karthagern besteht. Die Karthager stammen ja von den Phöniziern ab, mit denen man dann in jene Gegenden gelangt, in denen sich die von den Ägypten geschlagenen "Seevölker" höchstwahrscheinlich unter anderem angesiedelt haben (nämlich unter anderem Palästina).
Frühere Vasallenstämme und Sklaven der Tuareg
Dann gab es früher die Vasallenstämme der Tuareg, die vielleicht von jener Bevölkerungsgruppe abstammen, die schon am längsten in der Sahara lebte, und als erste die Lebensweise entwickelte, die zum Überleben in der Sahara notwendig ist. Zu ihnen zählen auch die bei den Tuareg in vielen Lebensbereichen so wichtigen Schmiede.
Die Tuareg waren früher die "Herren" der Sahara, sehr kriegerisch und haben Sklavenhandel getrieben. Deshalb sind heute so viele Tuareg dunkelhäutig. Diese dunkelhäutigen stammen nämlich von den früheren Sklaven der Tuareg ab, die sie von den schwarzafrikanischen Völkern südlich der Sahara kauften oder erbeuteten. Bei manchen Tuaregstämmen gilt Dunkelhäutigkeit als ein Zeichen von wohlhabender Abkunft, weil sie aufzeigt, daß die Vorfahren viele Sklaven besaßen und mit diesen Kinder zeugten.
Alle drei Herkunftsgruppen sind schon seit vielen Jahrhunderten unterschiedlich stark miteinander vermischt und sprechen die gleiche Berbersprache, das Tamaschek. Das bewirkt ja auch eine seelische Vereinheitlichung und ruft ähnliche Wertvorstellungen bei allen Muttersprachlern hervor. In der Musik wird aber noch deutlich die unterschiedliche Herkunft empfunden: Die rhythmischen Trommeln (der Schwarzen) werden als "erdverhafteter" Gegensatz empfunden zur "Himmels"-Musik der einseitigen Tuareg-Geige, der Imzad, die früher als würdig empfunden wurde, von adligen Tuareg (meistens Frauen) gespielt zu werden. Zur Imzad wurden auch die Heldenlieder gesungen.
Die Adligen haben früher die harten Handarbeiten den Sklaven überlassen. Heute müssen sie diese auch selbst tun. Hirtenarbeit in der Sahara ist sehr schwere Arbeit wie ja überhaupt das durchschnittliche Lebensalter noch heute sehr gering ist, da Krankenhäuser und Ärzte meist viele Tagereisen weit entfernt sind und bei Krankheit oft nicht mehr rechtzeitig aufgesucht werden können.
Wertvorstellungen der Tuareg
Singen tun die beiden Mädchen in dem Film unglaublich laut. Und gellende Schreie können sie ausstoßen, um die Ziegen zusammenzuhalten oder entfernte Kamelreiter auf sich aufmerksam zu machen ... Das zwei mal im Film erwähnte "Asheq" ist das System von Tugenden und Werten, das typisch ist für die Tuareg (Würde bewahren, vornehm, ritterlich sein und anderes mehr). Diese Werte sind an denen der früheren Adelsstämme orientiert.
Die Tuareg heiraten bald nach der Pubertät. Es gibt bei den Tuareg junge Frauen, 20 Jahre alt mit mehreren Kindern, und sie haben oft schon mehrere Ehescheidungen hinter sich. Das hat aber keine schlechte Auswirkung auf die Kinder, da der Familien- und Verwandtenzusammenhalt sehr eng ist. Es gibt bei ihnen aber auch Ehen, die ein Leben lang halten. Die Tuareg kann man als Lebens- und Überlebenskünstler empfinden. Sie, die wissen, wie gefährlich Wüsten sind - physische und seelische - haben schon vor vielen hunderten von Jahren auf das reagiert, womit sich Europäer erst seit einhundert Jahren beginnen auseinander zu setzen:
"Die Wüste wächst. Weh dem, der Wüsten birgt." (Friedrich Nietzsche)__________________
- Hansen, Bettina: A Love Apart. Journeyman.tv (52mins) Location: Niger. Gebrueder Beetz Filmproduktion Published: 15 Jun, 2007 (Trailer)
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