Voller Ehrgeiz steht er bis heute im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit, die Svaante Pääbo, David Reich und Johannes Krause zugekommen ist
Der dänische Archäogenetiker Eske Willerslev (geb. 1971) (Wiki, engl, dän) ist ein außerordentlich unruhiger Geist. Er wirkt einerseits "nervös" in seiner Vortragsweise. Andererseits weiß er seine Zuhöhrerschaft dennoch unglaublich zu packen und für innovative Wissenschaft und Forschung zu begeistern. So etwa zu beobachten in einem Vortrag im Jahr 2020 vor der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften (1). Man glaubt bei ihm eine Mischung aus Kindlichkeit, kindlicher Neugier und unglaublichem Ehrgeiz beobachten zu können.
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| Abb. 1: Der dänische Archäogenetiker Eske Willerslev 2020 in einem Vortrag in Stockholm (aus 1) |
Als Deutscher, der der englischen Sprache nicht gleich so flüssig folgen kann, erhält man vielleicht einen leichteren Zugang zu ihm durch eine neue ZDF-Dokumentation aus dem Jahr 2025 (2). Durch diese Dokumentation wird auch dieser Blog erstmals aufmerksam auf die umfangreichen Arbeiten von Eske Willerslev zum Thema "Umwelt-DNA" und zur darauf folgenden Rekonstruktion von Biotopen im warmen Pliozän vor drei Millionen Jahren auf Grönland (2).
In einer weiteren, neuen dänischen Dokumentation, betitelt "Human Race" aus dem Jahr 2025 ist schon im Klappentext die Rede von dem "Erzrivalen Svante Pääbo, der 2022 den Nobelpreis erhielt" (Wiki). Inwiefern konnte Svaante Pääbo, so fragt man sich im ersten Augenblick, ein "Erzrivale" sein, wo Pääbo doch 17 Jahre älter ist als Willerslev? Wie auch immer.
Willerslev schafft es immerhin in seinem Vortrag aus dem Jahr 2020, über die Geschichte der Archäogenetik zu sprechen, ohne ein einziges mal die Namen Svaante Pääbo, David Reich oder Johannes Krause zu nennen. Das muß man ja erst einmal hinkriegen. Schließlich bearbeiten hier drei international angesehene Forschungsgruppen parallel fast dieselben Forschungsthemen auf dem Gebiet der Archäogenetik. Willerslev stellt die Geschichte der Archäogenetik allein anhand eigener Publikationen dar. Diese sind freilich überraschend dicht und decken fast alle Epochen der Menschheitsgeschichte ähnlich ab wie die Arbeiten von David Reich. Außerdem ist das auch ein übliches Vorgehen in der Wissenschaft. Aber so gar nicht von den Mitkonkurrenten zu sprechen?
War Alan C. Wilson 1984 der Begründer der Archäogenetik?
Zu unserer Überraschung erklärt er dabei übrigens den genialen Genetiker Alan C. Wilson zum Begründer der Archäogenetik, da dieser 1984 genetisches Material des vor hundert Jahren ausgestorbenen Quagga sequenziert habe (1).
Tatsächlich hatte 1984 auch Svaante Pääbo vorgebliches Genmaterial einer ägyptischen Mumie sequenziert. Allerdings stellte sich später heraus, daß seine Proben mit menschlicher DNA von heute kontaminiert waren. Svaante Pääbo hat dann aber selbst bei Alan C. Wilson gearbeitet (Wiki):
Nach Beendigung seiner Dissertation bewarb sich Svante Pääbo bei Allan Wilson in Berkeley auf eine Postdoc-Stelle und wurde 1987 angenommen. Die Arbeitsgruppe von Wilson war die einzige, die sich zu jener Zeit ebenfalls mit der Isolierung von Erbmaterial aus fossilem Gewebe beschäftigte. (...) Die Zeit von 1987 bis 1990 verbrachte er als Postdoc an der University of California in Berkeley in der Arbeitsgruppe von Allan Wilson.
Tatsächlich bewegte sich Willerslev zumindest aus deutscher Sicht die meiste Zeit seines bisherigen wissenschaftlichen Lebens im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit, die Svaante Pääbo, David Reich und Johannes Krause als Vertreter des neuen Faches Archäogenetik genießen, obwohl er den beiden anderen Forschungsgruppen wissenschaftlich immer dicht "auf den Fersen" war. Während die beiden anderen sich auf bestimmte wissenschaftliche Gebiete spezialisiert haben, deckte Willerslev die ganze Breite ab und hat außerdem auch noch das Thema "Umwelt-DNA" bearbeitet und entscheidend voran gebracht.
Wenn es also einen Nobelpreis für Archäogenetik geben sollte (und das sollte es gewiß!), dann müßte er klar an alle drei vergeben werden, an David Reich, Johannes Krause und Eske Willerslev.
Vielleicht war für Eske Willerslev anfangs die dänische Sprache ein Hindernis (?). Wir erinnern uns, daß wir vor 2025 nie filmische Beiträge von oder über Eske Willerslev im Internet finden konnten, obwohl wir bis dahin schon manche archäogenetische Studie aus seinem Labor hier auf dem Blog behandelt hatten. Jetzt, im Jahr 2025 werden wir auch fündig bezüglich älterer filmischer Beiträge von Eske Willerslev auf Englisch (also Vorträge). Aber wir können uns nicht erinnern, daß uns diese in früheren Jahren angezeigt worden wären. Denn wir können uns gut daran erinnern, daß wir schon früher danach gesucht hatten. Hat der Youtube-Algorithmus gegen Willerslev gearbeitet - bewußt oder unbewußt?
Eske Willerslev hat 2007 Ulrikke Ji Mee Willerslev (LinkedIn, Fb) geheiratet. Diese ist seit 2007 als Projektmanagerin im Bereich Forensische Genetik tätig. Es scheint, als ob sie südkoreanische Wurzeln hat. Das Ehepaar hat zwei Söhne. Seine Familie ist auch im Trailer zu dem neuen Film zu sehen (3).
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- Willerslev, Eske: What we can learn from ancient genomics. The Royal Swedish Academy of Sciences, 16.4.2020 (Yt2020)
- Thompson, Niobe: Vor der Eiszeit - Jagd nach dem ältesten Erbgut der Welt. Dokumentarfilm, 43 Minuten, Handful of Films Inc. 2025; bearbeitet für das ZDF, 29.10.2025 (ZDF)
- Simon David de Tusch-Lec: Human Race. 100 Minuten, 4.3.2025 (Wiki) (HumanRace) (Yt2025)
