In einem neuen Video des Bloginhabers wurden Inhalte der Artikel hier auf dem Blog seit Anfang Mai über die Indogermanen des 5. Jahrtausends v. Ztr. zusammenfassend referiert (1). Allerdings wurden auch unveröffentlichte Inhalte referiert. Und diese Inhalte sollen im vorliegenden Blogartikel zusätzlich noch zugänglich gemacht werden.
Denn - wie schon im Video erwähnt - die Frage stellt sich: Cucuteni-Tripolje-Kultur - woher kommen die Namen für diese Kultur? Indem man dieser Frage nachgeht, bekommt man noch einige neue Eindrücke von dieser Kultur und der sonstigen Geschichte ihres - wenig bekannten - geographischen Verbreitungsraumes.
Abb. 1: Blick von der "Deutschen Burg" bei "Târgu Neamț" ("Deutscher Markt") am Neamț (Deutscher Fluß) "im "Deutschen Kreis" in den Ostkarpaten (Wiki) - Es war dies ein Kernraum des Siedlungsgebietes der Cucuteni-Kultur. Dieser Ort liegt 40 Kilometer nördlich der Kreisstadt des "Deutschen Kreises", nämlich von Kreuzburg an der Bistritz |
"Cucuteni"
Zunächst also der erste Teil des Doppelnamens. Die Ortschaft Cucuteni (Wiki) (2):
Sie liegt im Kreis Iași in Rumänien. Dort wurden die ersten Objekte entdeckt, die mit dieser Kultur in Verbindung gebracht worden sind. Cucuteni liegt in der Nähe der Stadt Iași, einem der ältesten Zentren der Kultur und der höheren Bildung in Rumänien (sie besitzt die älteste Universität des Landes). Dort gibt es eine große akademische Gemeinschaft. 1884 besuchte einer dieser akademisch Gebildeten von Iași, der Volkskundler und Lehrer Teodor T. Burada, den Siedlungshügel nahe des Dorfes Cucuteni. Während seines Besuches grub er wundervolle Keramik und Terracotta-Figurinen aus den Ruinen.The culture was initially named after the village of Cucuteni, located in Iași County, Romania, where the first objects associated with it were discovered. Cucuteni is close to the city of Iași, which is one of the centres of culture and higher education in Romania (having the oldest university in the country), including a large academic community. In 1884, one of these Iaşi scholars, the folklorist and teacher Teodor T. Burada, visited the tell (hill-shaped ruins) located next to the village of Cucuteni. During his visit he unearthed some beautiful pottery and terracotta figurines from the ruins.
Es handelt sich hier um die historische Landschaft des westlichen Moldawien. Cucuteni liegt zwischen Sereth und Pruth, 27 Kilometer östlich des Sereth und 65 Kilometer westlich des Pruth. Sie liegt also im Kernraum der einstigen Cucuteni-Tripolje-Kultur. Sie liegt 180 Kilometer westlich von Chisinau, der Hauptstadt Moldawien, der lebenslangen Wirkungsstätte der moldavischen Archäologen Vladimir Dergachev.
Wie man auf Google Maps entdecken kann, liegt 80 Kilometer westlich von Cucuteni auch die Stadt Kreuzburg an der Bistritz (Wiki) (Abb. 2). Die Bistritz ist ein rechter Nebenfluß des Sereth. Dieser deutsche Name einer rumänischen Stadt läßt aufhorchen und genauer hinschauen. Rumänisch wird Kreuzburg interessanterweise "Piatra Neamț" genannt. Und das wiederum ist zu übersetzen mit "Deutschstein", und zwar benannt nach dem hohen bewaldeten Berg, der die Stadt dominiert (Abb. 2). Kreuzburg, bzw. Deutschstein ist nun - interessanterweise - auch die Kreisstadt eines rumänischen Landkreises, der Kreis Neamț (Wiki) benannt ist, also "Deutscher Kreis". Über diesen Kreis am östlichen Rande der Ostkarpaten lesen wir (Wiki):
Die über tausend Jahre hinweg existierende Cucuteni-Kultur ist im "Deutschen Kreis" mit einer bemerkenswerten Zahl von Siedlungen vertreten - ungefähr 150. In archäologischen Grabungen sind wichtige Museums-Sammlungen spätneolithischer Lebenszeugnisse ergraben worden.The Cucuteni culture, whose development lasted approximately one thousand years (...) was attested in the territory of Neamţ county by a remarkable number of settlements (approx. 150), archaeological diggings unearthing important museum collections of Aeneolithic artifacts.
40
Kilometer weiter nördlich - 60 Kilometer westlich von Cucuteni - liegt
im Schutze einer Burg, die vom Deutschen Ritterorden begründet worden
ist, die Stadt "Târgu Neamț" (Wiki, engl)
- was mit "Deutscher Markt" zu übersetzen ist - am Fluß "Neamț", was
mit "Deutscher Fluß" zu übersetzen ist (Abb. 1). Er mündet 13 Kilometer weiter im
Osten in den Sereth, in den auch - weiter südlich - die Bistritz
mündet.
Abb. 2: Kreuzburg an der Bistritz, Rumänisch "Piatra Neamt" ("Deutschstein") (Wiki) - Die Kreisstadt des Deutschen Kreises |
Diese Ortsbezeichnungen machen einem bewußt, daß im Mittelalter nicht nur in Siebenbürgen Deutsche siedelten (Wiki):
Es wurde an diesem Ort auch ein eindrucksvolles mittelalterliches Kloster errichtet (Wiki):Entsprechend der päpstlichen Bulle von 1232 - errichtete der Deutsche Orden aus dem Burzenland zwischen 1211 und 1225 auf der Ostseite der Karpaten ein castrum muntissimum, das später als diese Burg identifiziert wurde.
Sächsische Siedler überquerten die Karpaten von Bistritz aus und errichteten eine Marksiedlung. (...) Niamtz war eine deutsche Siedlung des 13. Jahrhunderts, als der Deutsche Ritterorden Einfälle von Siebenbürgen aus gegen die Cumanen in Moldawien unternahm.Saxon colonists crossed the Carpathians from the Bistrița area and built a commercial township. Some Romanian historians (...) consider that Târgu Neamț was probably a German settlement from the 13th century, when the Teutonic Order made incursions from Transylvania against the Cumanic peoples that were living in Moldavia.
In diesem Zusammenhang kann man sich auch daran erinnern, daß Deutsche in der Bukowina angesiedelt worden sind im 18. und 19. Jahrhundert, also rund zum Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina. Diese liegt 140 Kilometer nördlich von "Târgu Neamț"/"Deutscher Markt". Es sind das alles Gebiete, die im Mittelalter zum Fürstentum Moldau gehörten (Wiki):
Bereits seit dem 14. Jahrhundert lebte eine kleine Gruppe deutscher Handwerker und Kaufleute im Fürstentum Moldau. Sie verschwand aufgrund der Assimilation durch die Csango im Verlauf des 17. Jahrhunderts vollständig.
Csango
sind eine ungarische Volksgruppe, die ebenfalls in die Bukowina
ausgewandert waren. Auch die Bukowina war Jahrtausende zuvor von der
Cucuteni-Tripolje-Kultur besiedelt worden (Wiki). Der langjährige Leiter des bedeutenden Herder-Instituts in Marburg war Bukowina-Deutscher und hat 1955 in Hamburg über Geschichte des Deutschtums im Fürstentum Moldau promoviert (3). Er heißt Hugo Weczerka (1930-2. April 2021) (Wiki) und ist am 2. April dieses Jahres mit 91 Jahren in Marburg gestorben. Das 1950 begründete Herder-Institut in Marburg hat sich die Erforschung der Geschichte der deutschen Ostgebiete östlich des Bayerischen Waldes und der Oder, sowie der deutschen Volksgruppen in Ostmittel- und Osteuropa zur Aufgabe gemacht. Seine Bedeutung kann gar nicht überschätzt werden. Denn welch ein riesiges, 1941 bis 1945 untergegangenes kulturelles Erbe bewahrt es.
Tripolje
Tripolje ist heute ein Dorf 40 Kilometer südlich von Kiew am rechten (westlichen) Ufer des Dnjepr (Wiki):
Am Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte in seiner Umgebung der Archäologe Wikentij Chwoika die Reste einer großen Siedlung der Cucuteni-Tripolje-Kultur und grub sie aus. Die Siedlung existierte um 4800-4500 v. Chr. und zählte etwa 10.000 bis 20.000 Einwohner. Sie war damit für damalige Verhältnisse eine Großstadt.
Aber mehr noch (Wiki):
Auf dem Territorium der Ortschaft liegen die Überreste der erstmals 1032 in den Annalen Jaroslaws des Weisen erwähnten, befestigten Siedlung der Kiewer Rus Trepoli. In Trypillja befindet sich ein Museum mit zahlreichen Funden der Cucuteni-Tripolje-Kultur und späterer Epochen.
Von dem kulturellen Habitus her, der sich in der Keramik, in den Figurinen, in den Göttinnen-Figuren wiederspiegelt (4), kann die Cucuteni-Tripolje-Kultur wohl als eine der unverfälschtesten Forsetzungen der Kultur der Bandkeramik angesehen werden. Während die kulturelle Tradition der Bandkeramik in Europa sonst schon um 4.900 v. Ztr. abbricht, bzw. sich stärker wandelt, scheint sie sich am Ostrand der Karpaten zwar einesteils ebenfalls gewandelt zu haben. Dort scheint aber der kultureller Habitus der Bandkeramik, der "Geist" der Bandkeramik, insbesondere auch der Fleiß der Bandkeramiker bei der Bodenbearbeitung noch am ehesten weiter geführt worden zu sein.
Insbesondere auch scheint die Cucuteni-Tripolje-Kultur ebenso von jenem "zivilisatorischen" Siedlergeist beseelt gewesen zu sein, der die Bandkeramik so einzigartig gemacht hatte, der ihr die höchste Siedlungsdichte vor dem Frühmittelalter in Mitteleuropa ermöglicht hat. Ebenso fortschritttlich wie die Bandkeramik innerhalb der europäischen Geschichte im Frühneolithikum war dementsprechend die Cucutein-Tripolje-Kultur im Mittel- und Spätneolithikum.
Und sie wies ein deutlich zäheres Leben auf als die Bandkeramik, ein deutlich zäheren Überlebenswillen und eine deutlich zähere Überlebenfähigkeit, indem sie bei aller "Konservativität" doch auch viel Anpassungsfähigkeit und Umformungsfähigkeit aufgewiesen hat.
Das Video, auf das wir uns hier beziehen (4), ist gut geeignet, um den kulturellen Habitus, den Gesamteindruck, "Geist" dieser Kultur auf sich wirken zu lassen. Das Thema "Symbole" wird in diesem Video - das aus dem Umfeld der Anastasia-Bewegung zu stammen scheint - deutlich überstrapaziert. Und das erinnert immer wieder einmal sehr deutlich an okkultes, verdummendes Denken. Aber man darf das Video gerne an bestimmten Stellen anhalten - oder sich wiederholt ansehen -, um diese herrliche, natürlich auch fremde Bilderwelt, die der wissenschaftlichen Literatur und Museen entnommen ist, auf sich wirken lassen.
Mit diesem Video wird für eine Sache Werbung gemacht mit Hilfe von Inhalten, die nicht Inhalte der Sache sind, für die mit ihnen Werbung gemacht wird.
Aber welche reiche kulturelle und geschichtliche Vergangenheit die für einen durchschnittlichen Mitteleuropäer völlig unbekannten, riesigen Gebiete östlich der Karpaten aufweisen. Hier darf der Blick des Historikers, des Kunsthistorikers, des Kulturhistorikers, des Archäologen und des Geographen wirklich noch lange und mit Andacht verweilen.
_________
- Bading, Ingo: Die Indogermanen des 5. Jahrtausends, 13.6.2021, https://youtu.be/F27yn4zLVsw?t=110
- Ancient Cucuteni civilization on Romania current territory, Blurallis 15.02.2010, https://youtu.be/onY1QIv1Fro.
- Hugo Weczerka: Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Deutschtum im Fürstentum Moldau von seinen Anfängen bis zu seinem Untergang (13.-17. Jahrhundert). Hamburg 1955, (Hamburg, Universität, Dissertation, 1955, maschinenschriftlich; Druck: (=Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission. Band 4, Oldenbourg, München 1960).
- Zeichen der Cucuteni-Tripolje Kultur, ALLATRA, 25.05.2020, https://youtu.be/vt1fQumZs_8
- ceramica cucuteni (Offenbar nachgebildete Keramik - keine Museumsstücke!), 25.05.2013, https://youtu.be/cADbkg0V5Rw.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen