Von über 1.000 Menschen, deren vier Großeltern aus derselben geographischen Region (innerhalb Europas) stammen, kann aufgrund der Zusammenschau von etwa 500.000 ihrer genetischen Marker in ihrem Genom ihr geographischer Herkunftsort auf 300 bis 700 Kilometer im Umkreis eingegrenzt werden. (1) (Die Ergebnisse dieser jüngst veröffentlichten "Nature"-Studie von John Novembre und Mitarbeitern gingen auch breit durch die Wissenschafts-Berichterstattung der Tageszeitungen.) (Siehe auch Abbildung aus der Studie - durch Draufklicken vergrößern!)
Damit hat die Genom-Forschung eine "Auflösung" und "Tiefenschärfe" erreicht, die diejenige der traditionellen (vor allem Physischen) Anthropologie anfängt zu übertreffen. Vom bloßen physischen Erscheinungsbild her kann selbst bei wissenschaftlicher Beurteilung eines Gerichtsgutachters ein solcher Genauigkeitsgrad nicht erreicht werden. In der Schweiz können mit dieser Zusammenschau von 500.000 genetischen Markern - laut Studie - sogar die Gruppe der deutschsprachigen von der der franzöisch- und italienisch-sprachigen Schweizer unterschieden werden. Ebenso in Italien - offenbar - jene Italiener, die aus Sardinien und Korsika stammen. Ebenso andere regionale, kulturelle und geographische Unterschiede in Europa.
Es ist ja klar, daß mit dieser Zusammenschau von 500.000 genetischen Markern (durchschnittliche) größere oder geringere genetische Verwandtschaft festgestellt werden kann. Und genetische Verwandtschaft stabilisiert bekanntlich altruistisches Verhalten in der Evolution und Humanevolution. Diese neue Studie nähert sich also aus anderer Richtung an etwa dasselbe Phänomen an, an das sich die isländischen Humangenetiker (um Agnar Helgason und Kari Stefansson) Anfang des Jahres aus der Richtung der Verwandten-Heiraten und ihres unterschiedlichen Reproduktionserfolges annäherten (s. Stud. gen.): Nämlich an das Phänomen genetischer Verwandtschaft zwischen Menschen, die in derselben geographischen Region leben und deshalb auch (mehr oder weniger "zwangsläufig") häufiger untereinander heiraten.
Die Wissenschaftswelt ist überrascht, daß die Bevölkerung Europas offenbar trotz der vielen Wanderungsbewegungen in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden aufgrund der doch recht stabilen, längerfristigen Seßhaftigkeit bäuerlicher Gesellschaften sich derart präzise genetisch - noch heute - strukturiert.
Eine weitere Fragestellung wäre jetzt, wie diese Verwandtschafts-Feststellung aufgrund der Genom-Analyse zusammen paßt mit - eher unbewußterer - Verwandtschafts-Feststellung durch Geruchswahrnehmung, die ja bei der Heiratspartner-Wahl eine nicht geringe Rolle spielt. Kann die Geruchswahrnehmung des Menschen Menschen unterscheiden (oder auch nur deren verschwitzte T-Shirts), deren vier Großeltern aus Wohnregionen stammen, die 300, 500, 1.000 Kilometer von der Wohnregion der eigenen vier Großeltern entfernt leben? Man könnte die Fähigkeit zu einer solchen (zumeist eher nur halbbewußten) Wahrnehmung, Unterscheidung irgendwo auf dieser Skala beginnend durchaus für wahrscheinlich halten. Ob darüber schon Erkenntnisse vorliegen, entzieht sich gegenwärtig der Kenntnis des Autors dieser Zeilen.
Man merkt also, wie sich die Wissenschaft aus mehreren unterschiedlichen Richtungen annähert an die Frage, welche tatsächlichen durchschnittlichen genetischen Verwandtschafts-Verhältnisse auch noch in vorindustriellen Gesellschaften bei Menschen vorliegen und wie sich das auf ihr altruistisches, bzw. egoistisches Verhalten und auf ihre Fortpflanzung auswirkt. Hochgradig spannende Fragen. Es wird immer unplausibler zu vermuten, daß der Verwandten-Altruismus in vorindustriellen Gesellschaften marginal oder bedeutungslos geworden wäre. Zumal wenn man es zusammen mit der Tatsache sieht, daß die arbeitsteilige Strukturierung der Gesellschaft - aufgrund der Möglichkeit effizienterer Hilfeleistung - ihn seine Bedeutung beibehalten läßt, auch wenn der durchschnittliche Verwandtschaftsgrad zwischen Altruist und Nutznießer sinkt.
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Damit hat die Genom-Forschung eine "Auflösung" und "Tiefenschärfe" erreicht, die diejenige der traditionellen (vor allem Physischen) Anthropologie anfängt zu übertreffen. Vom bloßen physischen Erscheinungsbild her kann selbst bei wissenschaftlicher Beurteilung eines Gerichtsgutachters ein solcher Genauigkeitsgrad nicht erreicht werden. In der Schweiz können mit dieser Zusammenschau von 500.000 genetischen Markern - laut Studie - sogar die Gruppe der deutschsprachigen von der der franzöisch- und italienisch-sprachigen Schweizer unterschieden werden. Ebenso in Italien - offenbar - jene Italiener, die aus Sardinien und Korsika stammen. Ebenso andere regionale, kulturelle und geographische Unterschiede in Europa.
Es ist ja klar, daß mit dieser Zusammenschau von 500.000 genetischen Markern (durchschnittliche) größere oder geringere genetische Verwandtschaft festgestellt werden kann. Und genetische Verwandtschaft stabilisiert bekanntlich altruistisches Verhalten in der Evolution und Humanevolution. Diese neue Studie nähert sich also aus anderer Richtung an etwa dasselbe Phänomen an, an das sich die isländischen Humangenetiker (um Agnar Helgason und Kari Stefansson) Anfang des Jahres aus der Richtung der Verwandten-Heiraten und ihres unterschiedlichen Reproduktionserfolges annäherten (s. Stud. gen.): Nämlich an das Phänomen genetischer Verwandtschaft zwischen Menschen, die in derselben geographischen Region leben und deshalb auch (mehr oder weniger "zwangsläufig") häufiger untereinander heiraten.
Genetische Verwandtschaft nimmt Einfluß auf altruistisches oder egoistisches Verhalten
Die Wissenschaftswelt ist überrascht, daß die Bevölkerung Europas offenbar trotz der vielen Wanderungsbewegungen in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden aufgrund der doch recht stabilen, längerfristigen Seßhaftigkeit bäuerlicher Gesellschaften sich derart präzise genetisch - noch heute - strukturiert.
Eine weitere Fragestellung wäre jetzt, wie diese Verwandtschafts-Feststellung aufgrund der Genom-Analyse zusammen paßt mit - eher unbewußterer - Verwandtschafts-Feststellung durch Geruchswahrnehmung, die ja bei der Heiratspartner-Wahl eine nicht geringe Rolle spielt. Kann die Geruchswahrnehmung des Menschen Menschen unterscheiden (oder auch nur deren verschwitzte T-Shirts), deren vier Großeltern aus Wohnregionen stammen, die 300, 500, 1.000 Kilometer von der Wohnregion der eigenen vier Großeltern entfernt leben? Man könnte die Fähigkeit zu einer solchen (zumeist eher nur halbbewußten) Wahrnehmung, Unterscheidung irgendwo auf dieser Skala beginnend durchaus für wahrscheinlich halten. Ob darüber schon Erkenntnisse vorliegen, entzieht sich gegenwärtig der Kenntnis des Autors dieser Zeilen.
Using a multiple-regression-based assignment approach, one can place 50% of individuals within 310 km of their reported origin and 90% within 700 km of their origin. Across all populations, 50% of individuals are placed within 540 km of their reported origin, and 90% of individuals within 840 km. These numbers exclude individuals who reported mixed grandparental ancestry, who are typically assigned to locations between those expected from their grandparental origins.Man beachte, daß hier also im wesentlichen "autochthone" Bevölkerungen untersucht wurden. Das Genom des Autors dieser Zeilen hätte dazu nicht benutzt werden können, zwei Großeltern stammen zwar aus zwei Dörfern, die nur zehn Kilometer voneinander entfernt sind, der dritte Großelternteil stammt jedoch aus einer Region über 1.000 Kilometer entfernt von diesen und der vierte Großelternteil davon noch einmal um (mindestens) 500 Kilometer entfernt. (Vielleicht sollte man mal innerfamiliäre Geruchs-Forschung betreiben! ;-) ) Die in dieser Studie festgestellte genetische Strukturierung spiegelt also so ungefähr die vorindustrielle genetische Struktur Europas wieder, in der über 90 % der Bevölkerung auf dem Land lebten und bei Heiraten nicht weit herumkamen. Schon bei der bürgerlichen Bevölkerung der vorindustriellen Städte wird es anders sein.
Man merkt also, wie sich die Wissenschaft aus mehreren unterschiedlichen Richtungen annähert an die Frage, welche tatsächlichen durchschnittlichen genetischen Verwandtschafts-Verhältnisse auch noch in vorindustriellen Gesellschaften bei Menschen vorliegen und wie sich das auf ihr altruistisches, bzw. egoistisches Verhalten und auf ihre Fortpflanzung auswirkt. Hochgradig spannende Fragen. Es wird immer unplausibler zu vermuten, daß der Verwandten-Altruismus in vorindustriellen Gesellschaften marginal oder bedeutungslos geworden wäre. Zumal wenn man es zusammen mit der Tatsache sieht, daß die arbeitsteilige Strukturierung der Gesellschaft - aufgrund der Möglichkeit effizienterer Hilfeleistung - ihn seine Bedeutung beibehalten läßt, auch wenn der durchschnittliche Verwandtschaftsgrad zwischen Altruist und Nutznießer sinkt.
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1. John Novembre, Toby Johnson, Katarzyna Bryc, Zoltán Kutalik, Adam R. Boyko, Adam Auton, Amit Indap, Karen S. King, Sven Bergmann, Matthew R. Nelson, Matthew Stephens, Carlos D. Bustamante (2008). Genes mirror geography within Europe Nature DOI: 10.1038/nature07331
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