Montag, 3. März 2025

"Ein Boomer packt aus" - Der Umgang der heute älteren Generation mit der Geschlechtlichkeit

Dargestellt anhand eines Falles, nämlich meines

Vor einigen Monaten habe ich hier auf dem Blog schon den Artikel veröffentlicht "Der prägende Charakter des Ersterlebnisses der Geschlechtlichkeit als Paar" (Stg2024). Zu diesem Artikel könnte ergänzend noch viel gesagt werden und es könnten viele weitergehende Schlußfolgerungen abgeleitet werden als das in diesem geschehen ist.

Abb. 1: "Junge Liebe"
Von mir aufgehobene Postkarte, wohl frühe 1990er Jahre*)

Aber inzwischen bin ich auf Youtube auf manche 20- bis 30-jährige Youtuber gestoßen, insbesondere auf jenen, der mich auf meinem Nachbarblog zu einem neuen Artikel veranlaßt hat (GAj2025). Diese Youtuber machen sich über Pornographie Gedanken. Und sie machen sich ebenso Gedanken über die sogenannten Boomer (also meine Generation). Von Seiten dieser Youtuber steht unter anderem der Vorwurf im Raum, die "Boomer" würden über Pornographie nicht reden.

Das habe ich mir angehört. Diese Frage hat eine Weile in mir rumort. Und dann habe ich mir schließlich gesagt: Das läßt sich ändern. Und ich habe vor drei Tagen auf meinem Youtube-Kanal den Livestream veröffentlicht "Pornographie - Ein Boomer packt aus" (1).

Es geht in ihm grob um die Entwicklung und um den Umgang mit der Geschlechtlichkeit zwischen dem 12. und 30. Lebensjahr - und gegebenenfalls auch noch weit darüber hinaus. Es wird dieses Thema - natürlich - vor allem aus männlicher Sicht behandelt. Und eben zugleich auch aus meiner ganz persönlichen Sicht.

Im Erläuterungstext unter dem Video, in dem die Inhalte des Videos verschriftlicht worden sind, ist der zugelassene Textraum nun schon voll ausgeschöpft worden. Es konnten dabei aber nicht alle Teile verschriftlich werden. Um die Inhaltsangabe zu vervollständigen und um sie auch mit einigen mir wichtigen Bildern und auch mit der einen oder anderen Verlinkung zu ergänzen, ist der vorliegende Blogartikel entstanden.

Vielleicht kann insbesondere die Bebilderung künftig noch ergänzt werden. Denn ich bin ein sehr visueller Mensch. Und es gibt Bilder, die ich mir schon in meiner Jugend als bemerkenswert und inhaltsreich aufgehoben habe. Und wenn ich sie sehe, fühle ich mich voll und ganz in meine Jugend zurück versetzt. Solche sind hier - zumindest vereinzelt - im Blogartikel mit eingestellt.

Einleitende Bemerkungen

00:07:30 - Das Schweigen der Boomer

00:07:50 - Der Begriff der Sublimierung 

00:08:53 - Die unterschiedliche Entwicklung der Geschlechtlichkeit bei Jungs und Mädchen

(00:10:07 - Bezug auf das Lied "Männer sind Schweine" [1998] [Wiki], [Genius])

1. Teil 

Schwerpunktmäßig Autobiographisches zum Thema

00:10:30 - Mit 15 oder 16 Jahren war ich für Mädchen oder Frauen nicht zu gebrauchen; Jungs allgemein mit 15 oder 16

00:12:50 - Lernen in der Schule, Konzentration auf Berufsausbildung trägt schon zur Vergeistigung bei; es verschiebt reale Erfahrungen - sinnvollerweise - auch auf spätere, reifere Jahre

00:15:03 - Und es ist natürlich gut, wenn der kulturelle Rahmen stimmt - Volkstanz ist ideal geeignet, um etwaigen Versteifungen oder Verkrampfungen im Verhältnis zwischen Jungs und Mädchen entgegen zu wirken.

00:16:10 - Der Geschlechtstrieb selbst ist ein Sucht-Geschehen, es ist die natürlichste Sucht des Menschen (s. einflußreicher Wissenschaftsartikel von 2010: "Is love passion an addictive disorder?" [1]).

00:17:09 - Besuch meiner hübschen Cousine aus Amerika, als ich 16 war

Abb. 2: "La Baigneuse á l`éponge" nach Étienne-Maurice Falconet (1716-1791), um 1764 (ArsMundi), mitunter auch Simon Louis Boizot (1743-1809) zugeschrieben (D'art), geschaffen womöglich im Umfeld der Königlichen Porzellanmanufaktur von Sèvres (Wiki) (Mein erstes Pin-up-Girl, gefunden ganzseitig in der FAZ)**)

Alles, was in diesem Lebensalter bremsend statt anfeuernd wirkt, ist gut. Auch geistige Interessen sind sinnvoll.

00:19:04 - Meine wenig erhebenden Erfahrungen bei der Bundeswehr in Bezug auf dieses Thema (Ergänzung hier: diese vor allem haben mir die Bundeswehr völlig verleidet, so daß ich irgendwann nur noch weg wollte von dort)

00:23:08 - Die eigentlichen, guten Dinge in meinem Leben sind dann passiert, als ich ein wirklich gutes Mädchen kennengelernt habe.

00:24:08 - In meiner Jugend gab es keine Pornos, aber "Bravo" und Sexhefte aller Orten

00:25:03 - Boomer sind auch nur Menschen - so einen Scheiß haben SIE in ihrer Jugend erlebt. Es gab auch damals schon nur wenig gute Einflüsse. (Ergänzung hier: Lächerlich darum, wenn bspw. in der AfD die 1980er Jahre glorifiziert werden, völlig lächerlich, völlig absurd.)

00:25:41 - Mit 24 kam die erste große Liebe in mein Leben. Es ist gut, wenn deine Freundin "Power" hat. Wenn deine Freundin gegenüber allem Schlechten in dir in die 150%ige Ablehnung gehen kann. Wenn sie da gnadenlos ist. Und wenn es dir DENNOCH wichtig ist, sie als den wichtigsten Menschen deines Lebens zu behalten. Das ist GUT.

00:28:09 - Ich war sehr einsam in meinen ersten Semestern an der Universität Mainz (Fortsetzung ab 00:34:11)

/ Einschub: 00:28:31 - "Was sind Boomer?" wird im Livechat gefragt. Antwort (s. Wiki). /  

00:30:37 - Die heutige junge Generation könnte sich zahlenmäßig von der älteren "erdrückt" fühlen.

00:30:54 - Mein Verhältnis zur älteren Generation als ich jung war. Mich hat eine Person aus der älteren Generation so beeindruckt, daß ich die gesamte ältere Generation als ihm irgendwie ähnlich wahrgenommen habe und ich mich deshalb von ihr bis zum 30. Lebensjahr auch nie enttäuscht, verraten oder desillusioniert gefühlt habe, sondern völlig das Gegenteil. (Einiges zu dieser Person findet man hier: BzW2019.) Desillusionierung kam bei mir dann bezüglich der älteren Generation erst, als ich 30 Jahre alt war und diese Person gestorben ist. Da war es dann aber schon zu spät dafür, daß ich in dieses Leben als gar zu verbitterter, desillusionierter Mensch hätte hinein gehen können. Dazu waren bis dahin viel zu viele gute, aufbauende Dinge passiert. 

00:32:34 - Ziel dieses Videos: Tipps, die heute von jungen Menschen gegeben werden, um von Pornographie weg zu kommen, sollen ergänzt und erweitert werden, in einen größeren, auch kulturgeschichtlichen Rahmen gestellt werden.

00:33:16 - Der Geschlechtstrieb, der einen zu Pornographie hinzieht, ist eine so starke Kraft, daß man in Bezug auf diese Kraft nichts gar zu leicht sozusagen "erzwingen" kann. Wenig Sozialkontakte sind dafür auch nicht hilfreich.

Abb. 3: Im Wald allein, nachts - Zurückgewiesen, entmutigt, voller Trauer und Enttäuschung (eigene Zeichnung "Im Schönbuch", angefertigt in Tübingen im Winter 1990/91)

00:34:48 - Während des zweiten Semesters: Ein Sonntag-Morgen-Gang zum Zeitungs-Kiosk.

00:35:49 - Mein erstes Pin-up-Girl fand ich ganzseitig in der FAZ (s. Abb. 2).

Das ist Vergeistigung, daß man die körperlichen Reize nicht nur ganz primitiv wahrnimmt, sondern daß das dahinterliegende, wirklich schöne, blühende Leben, daß das mit in die Wahrnehmung kommt. Das ist ein längerer Weg. Das ist ein ganz langer Weg. Das ist ein Weg, der vielleicht nie aufhört.

00:37:39 - All diese Fragen haben auch sehr viel mit Philosophie zu tun.

Ein Hauptkritikpunkt an der heutigen Gesellschaft: Sie hat keine Fragen mehr.

Ist die Sorge über die weitere Kulturentwicklung in Pornographie ersoffen?

2. Teil

Schwerpunktmäßig Kulturgeschichtliches zum Thema

00:45:10 - Wenn wir die Kultur des Abendlandes weiter führen wollen, müssen wir auf Augenhöhe mit dieser Kultur stehen.

00:45:30 - Die ganze Geschichte des Abendlandes ist eine Geschichte der Vergeistigung des Geschlechtstriebes

00:46:20 - Was war das Revolutionäre an Martin Luther? Er steht an der Scheide zwischen Mittelalter und Neuzeit, in seiner Person gab es einen Wechsel von der vorherigen außerweltlichen zu der protestantischen innerweltliche Askese und der davon abgeleiteten protestantischen Arbeitsethik nach der Deutung von Max Weber, dem Begründer der Soziologie

00:48:00 - Wenn wir uns sündig fühlen, weil wir Pornographie gucken, dann sind wir mitten im Abendland, dieses Sündenbewußtsein IST schon das Abendland.

00:50:50 - Das Mittelalter begann mit Augustinus. Seine "Bekenntnisse". Ora et labora. Außerweltliche Askese.

00:54:25 - Die Funktion der Chorschranke in mittelalterlichen Kirchen.

00:59:20 - Innerweltliche Askese trägt unsere Kultur des Abendlandes

01:01:00 - Wie wertvoll es ist, ein naturwissenschaftliches Fach zu studieren, auch aus philosophischer Sicht

Der Tanz der Galaxien führt zur Geburt von Sternenkindern

01:07:20 - Evolution ist die Evolution von Nachkommen-Fürsorge, sie ist zielgerichtet, erst größere Nachkommen-Fürsorge ermöglicht Intelligenz-Evolution

01:12:55 - Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus, ein Philosophieentwurf, der von einer "künftigen Physik" sehr viel erwartete: Eine Synthese zwischen Naturwissenschaft und Philosophie wird ein neues Zeitalter begründen

01:13:50 - Zusammen gefaßt: Aus der Abwendung von Pornographie kann man eine Lebensphilosophie machen. Das Grundprinzip alles seelischen Erlebens auf diesem Planeten und in diesem Universum ist Freiheit. Genetischer oder kultureller Determinismus stehen im Widerstreit zur Möglichkeit menschlicher Freiheit. Der Mensch ist ein frei geschaffenes, frei geborenes Wesen.

Es muß viel Spielraum übrig bleiben für mich, für mein eigenes Handeln. Und dieser Spielraum wird aufgespannt durch das Spannungsverhältnis zwischen dem Geschlechtstrieb einerseits und den seelischen Ansprüchen, die ich an mein Leben habe.

01:16:30 - Wenn man eine höhere seelische Ebene erreicht, kommt der Geschlechtstrieb mit.

__________

*) Vielleicht überflüssig zu erwähnen: Da ich selbst weder Bier trinke noch rauche, habe ich mir diese Postkarte nicht aufgehoben, weil diese Dinge auf ihr für mich irgendeine Bedeutung hätten.
**) Die Skulptur "Die Badende" von 1764, sie wird auch "Die Badende mit dem Schwamm" genannt. Sie wird seit Jahrzehnten als Gartenskulptur angeboten. Zu der Frage, wer sie ursprünglich einmal geschaffen hat, finden sich widersprüchliche Angaben. Es wird Étienne-Maurice Falconet (1716-1791) genannt, allerdings ist sie nicht ganz in seinem Stil, insbesondere ihr Kopf und Gesicht wirken nicht so als wären sie sein Stil. Gelegentlich wird auch Simon Louis Boizot (1743-1809) genannt. Aktuell ist es nicht möglich, alles rund um die Herkunft dieser Skulptur zu klären (s. a. Veryimportant).
Die Skulptur wird dadurch interessant gemacht, daß das Gerücht verbreitet wird, sie zeige eine Mätresse des französischen Königs Ludwigs XV.. 
Außerdem findet sich die Angabe, das Original sei in Marmor 1764 in Paris geschaffen worden und würde sich heute im Besitz der "Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz" befinden. Dann wäre die Annahme naheliegend, daß diese Skulptur - wie viele andere - von Friedrich dem Großen aufgekauft worden ist. Wenn dies aber der Fall wäre, würde diese Kulturstiftung diese Skulptur ziemlich gut verstecken - denn sie scheint nirgendwo öffentlich aufgestellt zu sein, weder in Berlin noch in Potsdam.
Quasi "offizielle" Angaben über diese Skulptur - jenseits von Internetseiten, die sie als Gartenskulptur verkaufen - findet sich aktuell eine (3). Die dort abgebildete Skulptur könnte einen anderen Kopf besitzen als die Gartenskulptur, womöglich einen, der mehr zum Stil von Falconet paßt.

___________________

  1. Bading, Ingo: Pornographie - Ein Boomer packt aus. Live übertragen am 01.03.2025 (Yt)
  2. Reynaud, Michel, et al.: Is love passion an addictive disorder? In: The American journal of drug and alcohol abuse 36.5 (2010): 261-267
  3. Die Badende mit dem Schwamm von Maurice Etienne Falconet. Marmor-Skulptur, Berlin um 1762. In: Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Sitzung am 10. Mai 1960. In: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts. Band 76, S. 218 (GB)

Donnerstag, 27. Februar 2025

Ich habe 43,6 % Steppengenetik - Und bin ein Mitteleuropäer wie es sie seit der Bronzezeit gibt

Meine Herkunftsgruppen-Analyse von MyHeritage 

Von anderen Consumer-Genetics-Anbietern gibt es das schon lange - nun wird ein solches genetisches Analyse-Werkzeug auch von MyHeritage zur Verfügung gestellt für alle, die bei dieser Firma ihre Gen-Daten haben sequenzieren lassen oder die sie dort hoch geladen haben. Nämlich ein Analyse-Werkzeug, das hier "Ancient Origins" (MyHer, Yt) heißt, und mit dem man sich seine genetischen Herkunftsanteile von geschichtlich, bzw. archäologisch bekannten Herkunftsvölkern und -gruppen angeben lassen kann. 

Abb. 1: Germanen - In dem Gemälde "Willibrord predigt den Friesen das Christentum" von 1885 - Ausschnitt aus einem Wandgemälde von Georg Sturm (1855-1923) im Rijksmuseum in Amsterdam (Wiki

Also ein Werkzeug, das über die früheren nur sehr groben Herkunftsangaben sehr deutlich hinaus geht und die sequenzierten Gendaten mit den Ergebnissen der archäogenetischen Forschung der letzten zehn Jahre zu den vielen archäogenetisch umschriebenen Völkern auswertet. Nach dieser Analyse habe ich:

  • 43,6 % Steppengenetik (Jamnaja-Genetik) und
  • 56,4 % Genetik mittelneolithischer Bauern

Das dürfte das aussagekräftigste Ergebnis dieser Analyse sein. Und das Ergebnis dürfte typisch sein für einen Mitteleuropäer wie mich (s. Abb. 1-3). In Nordeuropa ist der Steppengenetik-Anteil noch etwas höher, in Südeuropa ist er niedriger. 

Es wird mit diesen beiden Herkunftsangaben eine Aufteilung nach Herkunftsgruppen für die Bronzezeit zur Verfügung gestellt.

Ebenso wird aber auch eine Aufteilung nach Herkunftsgruppen für die Eisenzeit, die Römerzeit und das Mittelalter zur Verfügung gestellt. Soweit ich sehe, bedürfen die jeweiligen Angaben um so mehr der Kommentierung und Deutung, um so näher sie der Gegenwart kommen. Außerdem werden Widersprüche zwischen den Angaben zu den einzelnen Epochen deutlich. Diese kann ich vorderhand hier noch nicht alle klären. 

Nach dieser Analyse habe ich - gemessen an den eisenzeitlichen Herkunftsgruppen:

  • 22 % Herkunft von Germanen
  • 55,6 % Herkunft von Kelten (Festland) und
  • 22,4 % Herkunft von Slawen und Balten

Alle drei genannten Herkunftsgruppen haben unterschiedliche Anteile von Steppengenetik (Kelten weniger als Germanen) und mittelneolithischer Bauengenetik (Kelten mehr als Germanen) (s. Abb. 3), so daß diese Angaben mit der Angabe für die Bronzezeit grundsätzlich in Einklang gebracht werden kann.

Abb. 2: Der sterbende Gallier - Aufgestellt in Pergamon um 230 v. Ztr. (Fotograf: Jean-Christophe Benoist [Wiki])

Außerdem wird deutlich - worauf ich erst jüngst hier auf dem Blog aufmerksam gemacht habe (Stg2024) - daß der Herkunftsanteil der Kelten bei vielen Deutschen vergleichsweise hoch ist, ein Umstand, der im kulturellen Gedächtnis der Deutschen noch nie im Vordergrund stand, da sie eine germanische Sprache sprechen. Das Erbe der "Keltoromanen" ist auch in deutschen Museen reichhaltig, aber vergleichsweise stiefmütterlich aufbereitet von Seiten der deutschen Archäologen. In Frankreich ist man da viel weiter.

55 % Kelten-Herkunft würde bedeuten, daß ich vorwiegend süddeutscher Herkunft wäre. Allerdings beträgt mein österreichischer Herkunftsanteil, wenn ich mir meinen persönlichen - durch Kirchenbücher und Familienüberlieferung erstellten - Stammbaum anschaue, nur 12,5 %, wozu noch 3,125 % norditalienische Abstammung und 3,125 % ungarische Abstammung kommen. Somit käme ich auf Herkunft aus der Region südlich des Mains und der Donau von ungefähr 19 %. Und somit sollte der Herkunftsanteil der Kelten bei mir wohl etwas niedriger ausfallen als für einen typischen Süddeutschen.

Der hier angegebene slawische Anteil, der durch die Archäogenetik inzwischen auch immer genauer charakterisiert wird (s. Stg2024) erscheint mir vergleichsweise hoch. Väterlicherseits stamme ich seit Jahrhunderten aus einer kleinen Region im Westhavelland (dem "Elb-Havel-Winkel"). Dort haben sich im Hochmittelalter flämische Zuwanderer mit slawischen Havel-Fischern und -Bauern vermischt, die in den sogenannten "Kiezen" lebten, den Siedlungsstellen, denen sich die deutschen Siedler oft anschlossen in den Städten und auf den Dörfern. Mütterlicherseits stamme ich, wie gesagt, zu 12,5 % von oberösterreichischen und vielleicht zu 3,125 % von ungarischen Bauern ab. Vermutlich wird auch dort eine Vermischung mit vor Ort siedelnden Slawen angenommen werden können. 

Als römerzeitliche Herkunftsgruppen werden mir dann genannt:

  • 51,8 % Germanen
  • 24,6 % römisches Pannonien (also Kelten) und
  • 20,2 % Slawen

Warum hier die Herkunftsanteile zwischen Germanen und Kelten plötzlich gegenüber der Eisenzeit vertauscht sind, weiß ich nicht. Da ich mütterlicherseits zu 6,25 % zusätzlich von einer Familie aus Aachen abstamme, eine Region, in der sich Kelten und Germanen vermischt haben, könnte ich - rein vom Stammbaum her - schon gut und gerne zu 25 % von Kelten abstammen.

Von den mittelalterlichen Herkunftsgruppen her gesehen, wird mir gesagt, ich würde abstammen zu:

  • 36,4 % von den mittelalterlichen Germanen
  • 31,4 % von den mittelalterlichen Slawen
  • 16,6 % aus dem mittelalterlichen Frankreich
  • 15,6 % aus dem mittelalterlichen Italien

Tatsächlich weise ich laut Stammbaum aber nur 3,125 % italienische Herkunft auf, nämlich Abstammung von der venezianischen Adelsfamilie Nobile Cigogna über die mütterliche Linie. 

Abb. 3: Die genetischen Herkunftsanteile der europäischen Völker aus der "Formierungsphase" Europas (6000 bis 2000 v. Ztr.)

Vorfahren aus dem mittelalterlichen Frankreich sind vordergründig in meinem Familienstammbaum nicht zu erkennen. Vielleicht überschneidet sich diese Angabe mit jenen flämischen und holländischen Siedlern, die im Hochmittelalter in das Havelland gekommen sind. Und in diesem Sinne könnte ich dann doch aus dem mittelalterlichen Frankreich abstammen (obwohl jene genannten Gegenden im Mittelalter gar nicht zu Frankreich gehörten). Vor drei Jahren habe ich immerhin noch die französische Adelsfamilie de la Barre im 17. Jahrhundert im Stammbaum meiner (mütterlichen) baltischen Vorfahren entdeckt (Prl2022). Vielleicht gibt es ja Vorfahren solcher Art noch mehr.

Dann gibt es noch die Angabe, ich könnte abstammen zu

  • 81 % von der Aunjetitzer Kultur und zu
  • 19 % von der Glockenbecher-Kultur

Letzteres sind die Kelten wie wir wissen. Das könnte mit meiner persönlichen Stammbaum-Analyse (siehe oben) gut zusammen passen.

Die Aunjetitzer Kultur hatte schon ein genetisches Profil, das dem der heutigen Deutschen offenbar sehr nahe kommt, auch wenn größere Teile dieses Volkes scheinbar - zumindest aus dem Weichselland - abgewandert sind und dort danach dann genetisch nicht mehr feststellbar waren (s. Stg2025).

Abb. 4: Die Hauptkomponentenanalyse bei MyHeritage zeigt: Der Autor ist genetisch ein Deutscher - Genetisch verortet zwischen Skandinavien, Österreich, Böhmen und den Niederlanden

Was die Urvölker Europas betrifft, habe ich nach dieser "Ancient Origins"-Analyse:

  • 38,2 % anatolisch-neolithische Herkunft
  • 18,2 % Herkunft von kaukasischen Jägern und Sammlern (über die Steppengenetik)
  • 43,6 % Herkunft von ost- und westeuropäischen Jägern und Sammlern

Warum letztere in einen Topf geworfen werden, weiß ich nicht. Zu "Steppengenetik", bzw. hier genannt "Westliche Steppengenetik" wird noch ausgeführt, wobei neueste archäogenetische Forschungsergebnisse des letzten Jahres mit einfließen, die hier auf dem Blog breit referiert worden sind:

Die Jamnaya-Kultur, die zwischen 3300 und 2600 v. Ztr. an der pontisch-kaspischen Steppe blühte, war durch einen pastoralistischen Lebensstil geprägt, der sich auf die Tierhaltung und die Nutzung von Fahrzeugen mit Rädern konzentrierte, die weite Migrationen ermöglichten. Genetische Studien zeigen, daß die Jamnaya von einer Mischung aus verschiedenen eneolithischen Populationen abstammte, wobei etwa 80 % ihrer Abstammung auf eine Bevölkerung aus der Unteren Wolga-Region zurückgeht, anstatt von einer einfachen Mischung aus östlichen Jäger und Sammler- und kaukasischen Jäger und Sammler-bezogenen Quellen.

Das bedürfte noch etwas genauerer Erläuterung: Da die Vorgänger der Srednij-Stog-Kultur am Mittleren Dnjepr Menschen waren, die westeuropäische und osteuropäische Jäger-Sammler-Genetik in sich getragen haben und da das urindogermanische Mittel-Wolga-Volk sich mit kaukasus-anatolischen Hirten nördlich des Kaukasus zur Maikop-Kultur vermischt hat, und sich dann als solche in das Gebiet am Mittleren Dnjepr ausgebreitet hat und sich dort wieder zu 20 % mit den Einheimischen vermischt hat, hat sich der bei den Maikop-Leuten gesunkene Herkunftsanteil osteuropäischer Jäger und Sammler bei der Ethnogenese der Jamnaja wieder erhöht. So entstand am Mittleren Dnjepr das "Späte Urvolk der Indogermanen", die Jamnaja.

Vergleich mit anderen Familienangehörigen

/ Ergänzung 6.3.25 / Ich habe jetzt auch die Auswertung zu den Genen von anderen Menschen in meinem Umfeld erhalten, unter anderem meiner Mutter, eines meiner Kinder und deren Mutter:

  • Meine Mutter hat 60,4 % mittelneolithische Bauerngenetik (39,6 % Steppengenetik), 
  • die Mutter meines Kindes hat 63,2 % mittelneolithische Bauerngenetik (36,8 % Steppengenetik) und
  • unser Kind hat 60,6 % mittelneolithische Bauerngenetik (39,4 % Steppengenetik).

Diese Daten bringen mich auf den Gedanken, daß mein Vater mehr Steppengenetik in sich getragen gehabt haben könnte als ich. Denn bei meiner Tochter sehe ich, daß sie in ihrem Steppengenetik-Anteil ziemlich genau auf der Mitte zwischen ihren Eltern liegt. Insofern könnte ich selbst ja ebenfalls auf der Mitte zwischen meinen Eltern liegen (?).

Ein Pommern- und Friesenkind

Außerdem gibt es noch eine Nachfahrin von Pommern, Friesen und Schlesiern in meinem Umfeld. Diese hat zwei Prozent mehr Steppengenetik als ich (vielleicht vergleichbar zum hypothetischen Steppengenetik-Anteil meines Vaters): 

  • 45,4 % Steppengenetik (Jamnaja-Genetik) und
  • 54,4 % Genetik mittelneolithischer Bauern

Sie ist blond und hager, ihr Vater stammt aus Stolp in Pommern, ihre Mutter hat Herkunft sowohl aus Friesland, außerdem aus Sachsen-Anhalt und Schlesien. Unter anderem wohl aufgrund des höheren Steppengenetik-Anteils trägt sie auch drei Prozent mehr kaukasische Jäger-Sammler-Genetik in sich als ich, nämlich 21,2 %. Für die Eisenzeit werden ihr als Herkunftsgruppen genannt:

  • 72,2 % Herkunft von Germanen
  • 22,2 % Herkunft von Kelten (Festland) und
  • 5,6 % Herkunft von Slawen und Balten

Das ist viel mehr eisenzeitlich Herkunft von Germanen und viel weniger Herkunft von Kelten als bei mir. Und das ist auffallender Weise viel weniger eisenzeitliche Herkunft von Slawen und Balten als bei mir, der ich väterlicherseits aus dem Havelland stamme. Ich selbst habe 22,4 % eisenzeitliche Herkunft von Slawen und Balten (!). Und das, obwohl die Stolper Großmutter dieses Pommern- und Friesenkindes auch noch einen eindeutig slawischen Familiennamen trug, nämlich Nemitz (Prbl2022). Soll man daraus die Schlußfolgerung ziehen, daß die Pommern ("Pomeranen") auch schon vor der deutschen Ostsiedlung und während sie eine slawische Sprache gesprochen haben, genetisch gar nicht vorwiegend Slawen waren, sondern Germanen? Die Frage wird man mal im Hinterkopf behalten dürfen.

Auch für die Römerzeit bleibt es bei ihr bei 

  • 71,6 % Germanen
  • 16,2 % römisches Pannonien (also Kelten) und
  • 12,2 % Slawen

Das ist also viel weniger im Widerspruch zur der Angabe zur Eisenzeit als bei mir. Für das Mittelalter ist dann jedoch der Herkunftsanteil der Slawen

  • 54,8 % von den mittelalterlichen Germanen
  • 22,2 % von den mittelalterlichen Slawen
  • 21,6 % aus dem mittelalterlichen Frankreich
  • 1,4 % aus dem mittelalterlichen Italien

Daraus soll schlau werden, wer will - ich werde es nicht. Eine so widersprüchliche Angabe zum slawischen Herkunftsanteil zeigt schon, daß hier noch nicht alles richtig zugeordnet sein kann was die Herkunftsanteile betrifft.

Aber naheliegender Weise genug steht sie nach anderer Analyse den nordischen Wikingern genetisch am nächsten, insbesondere denen auf der Insel Funen. Und ebenso der Aunjetitzer Kultur. 

Freitag, 14. Februar 2025

Völker und Feste

Natürlich - Selbst bestimmt - Lokal

Wer sich mit der Rigveda, dem ältesten indoeuropäischen Schriftzeugnis beschäftigt, wird aufmerksam auf die uralte Bedeutung des Agnihotra (Wiki). Es spielt noch heute im religiösen Alltag Indiens eine große Rolle. Es handelt sich um ein Ritualfeuer, angezündet mit trockenem Kuhdung bei Sonnenauf-, bzw. -untergang. Schon der trockene Kuhdung zeigt, in welche uralten Zeiten  dieser Brauch zurück reicht.

Abb. 1: "Die weißrussische, heidnische Tradition der Kupala-Nacht im Dorf Rakov in der Region Minsk in  Weißrußland", 2015 -Vor dem Hintergrund der örtlichen Hügelgräber der indogermanischen Vorfahren (Fotograf: Aliaksei Staliarou) (Wiki)

Dadurch wird man darauf gestoßen, wie weit verbreitete "Feuerbrauchtum" (Wiki) insgesamt, Englisch "Bonfire" (Wiki) (WikiCom) unter den Völkern ist. Da ist zunächst das Feuerbrauchtum im Iran aber schließlich auch das vielfältige Geschehen rund um Feuerbräuche in europäischen Völkern: Osterfeuer, Sonnenwend-Feuer und vieles ähnliches mehr.

Wie schön ist es überhaupt, Völker feiern zu sehen. Und wie sehr fühlt man sich mit Völkern verwandt, wenn man darauf aufmerksam wird, daß sie ähnliche jahreszeitliche Feste feiern wie das im eigenen Kulturraum üblich ist. 

So kennt man in Mitteleuropa die Sommersonnenwende. In Schweden handelt es sich um das Mitsommerfest. Und dasselbe gibt es auch in in Rußland, in Weißrußland und in der Ukraine. Man muß nur den Namen wissen. Hier heißt das Mittsommerfest "Iwan-Kupala-Tag" (Wikiengl) und hat ähnlich gemeinschaftsstiftende, naturverbundene Funktionen wie das Mittsommerfest in Schweden. 

Abb. 2: Mittsommerfest am Unteren Dnjepr auf der Insel Chortitza bei Saporischja ("Ivan-Kupala-Tag") (Fotografin Valeria Matveeva [Валерія Матвєєва]) (Wiki)

Am Ivan-Kupala-Tag werden der Frühsommer und die voll entfaltete Lebensfülle gefeiert, es werden Feuer, Sonne, Wasser, Schönheit, Fruchtbarkeit, Freude und die Schönheit der Frauen gefeiert. Als Deutscher und Mitteleuropäer bekommt man ein größeres Gefühl der Verbundenheit mit den genannten slawischen Völkern, wenn man sich mit ihrer Form des Mittsommerfestes als Ivan-Kupala-Tag beschäftigt. 

Der Iwan-Kupala-Tag - In Rußland, in Weißrußland und in der Ukraine

Es wird einem dann klar, daß all die schönen, "romantischen" Bilder aus dem russischen Raum zu diesem Fest einem natürlichen Volksbrauch seit Jahrhunderten entspringen. Schönheitssinn und Naturverbundenheit werden noch heute von den Russen, von den Weißrussen, von den Ukrainern und anderen Völkern in dieses Fest gelegt.

Abb. 3: Vaxholm in Schweden, Mittsommerfest (Fotograf Bengt Nyman) (Wiki)

Eigentlich alles sehr ähnlich zu dem Mittsommerfest in Schweden (Abb. 2). Und eigentlich sehr ähnlich zu mancherlei Bräuchen, die es früher auch in Mitteleuropa gegeben hat. Mädchen winden sich Blumenkränze in die Haare, es werden Feuer angezündet, es wird ein heimlicher, stiller Weg gegangen morgens vor Sonnenaufgang zu stillen Gewässern, begleitet von geheimnisvollen, freundlichen Wünschen. 

Man findet etwa auch schöne Fotografien aus Saporischja am Unteren Dnjepr, also aus der Urheimat der Späten Urindogermanen (Abb. 1 und 3) (von Seiten der dortigen Biologielehrerin Valeria Matveeva/Валерія Матвєєва) (WikiCom).

Von dem gibt es noch weitere schöne Fotografien zur Kupala-Nacht 

Auch aus Weißrußland gibt es schöne Fotografien (von dem Fotografen Aliaksei Staliarou) (WikiCom(s. Abb. 1), außerdem etwaLiebespaar am Feuer (Wiki) und dann aus der Erntezeit: Der Kuß im Roggenfeld (Wiki), Roggenernte mit der Sichel und ähnliches.

Abb. 4: Mittsommerfest am Unteren Dnjepr auf der Insel Chortitza bei Saporischja( "Ivan-Kupala-Tag") (Fotografin Valeria Matveeva [Валерія Матвєєва]) (Wiki)

Es werden schöne Kleider angezogen, ja, mitunter sogar erst ganz neue für das Fest genäht.

Abb. 5: Wola Sekowa in Südostpolen, Mittsommer-Fest ("Wickerman Fest") am Kiczera-Hügel, 2014 - "Slow Fashion"-Vorstellung (Fotograf: Silar) (Wiki)

So gab es schon 2014 eine "Slow-Fashion"-Vorstellung anläßlich des Mittsommerfestes in einer Ortschaft im Südosten Polens (Abb. 5-7).

Abb. 6: Wola Sekowa in Südostpolen, Mittsommer-Fest ("Wickerman Fest") am Kiczera-Hügel 2014 - "Slow Fashion"-Vorstellung (Fotograf: Silar) (Wiki)

Alles natürlich, selbst bestimmt, "lokal". So wie Völker Jahrtausende lang gefeiert haben. 

Abb. 7: Wola Sekowa in Südostpolen, Mittsommer-Fest ("Wickerman Fest") am Kiczera-Hügel, 2014 - "Slow Fashion"-Vorstellung (Fotograf: Silar) (Wiki)

Es werden Tänze getanzt (Abb. 8, 9). 

Abb. 8: Ivan Kupala-Tag in Serebryany bor, 2015

Auch ukrainische Frauen schmücken sich am Mittsommerfest (am Ivan Kupala Tag) mit Blumenkränzen (s. WikiCom) (abc).

Abb. 9: Ivan Kupala-Tag in Serebryany bor, 2015

Keine "Massenveranstaltungen", keine "Events", keine brummenden Bässe, keine flackernde Discobeleuchtung, keine Bierfässer und Bierkrüge sind notwendig - wenn Völker vor Ort, lokal und selbst bestimmt, selbst bewußt feiern.

Sie müssen nur wieder zu sich selber finden. Indem sie an uralte lokale Traditionen anknüpfen. Ohne Priester und Weihrauch, ohne Moralpredigten und Kater. 

Die Hochzeit von Feuer und Wasser

Es gibt da etwa eine uralte Beziehung zwischen den Frauen und dem heiligen Wasser. Daß unverheirateten Frauen (mitunter auch Männer) zu Ostern vor Sonnenaufgang das Osterwasser holen, ist aus Deutschland (Wiki), Polen (Wiki), Ungarn, der Slowakei, Tschechien und der Ukraine als Brauch überliefert

Abb. 10: Wahrsagen mit Kränzen - Gemälde von Simon Kozhin (geb. 1979) (Wiki)

Und man erinnert sich in diesem Zusammenhang daran, daß die Menschen etwa in Brandenburg während der Bronzezeit sehr stark ausgeprägt an Flußläufen und Seen siedelten und an Gewässern oder im Bezug zu Gewässern auch Weihgaben für die Götter niederlegten (sogenannte "Depotfunde"). 

Der russische Maler Simon Kozhin (geb. 1979) schreibt über den Brauch des Wahrsagens mit Kränzen in Rußland (Wiki):

Seine Bedeutung stammt aus dem Denken rund um die Bräuche des Heidentums und des frühen Christentums. Schon in alten Zeiten fragten junge Menschen bei Wahrsagern nach ihrem Schicksal. Manchmal wurden diese abergläubischen Vorstellungen als eine Art Unterhaltung und Spiel angesehen. Normalerweise fand die Wahrsagezeremonie im Einklang mit den örtlichen Bräuchen statt und variierte von Bezirk zu Bezirk. Der Tauftag des Johannes wurde am 24. Juni gefeiert. Bis heute stellt er eine der wichtigsten und lebendigsten Feierlichkeiten in der russischen Orthodoxie dar. Dieser Tag gilt auch als der Tag von Johann Kupala. (...) Es war allgemein üblich, an diesen Tagen zu baden, da diese Feierlichkeiten mit Gebeten an Flüssen und heiligen Quellen verbunden waren. Im südlichen Teil Russlands und der Ukraine versammelten sich die Mädchen am Johann-Kupala-Tag nach Sonnenuntergang mit Weidenzweigen (Verba), die mit Blumen und Bändern geschmückt waren - sie faßten sich zum Kreis. Wahrsagen mit Rosenkränzen war eine der Arten dieser Zeremonie. Die Mädchen mußten Kränze winden, sie dekorieren und sie flußabwärts ins Wasser legen. Oft wurden diese Kränze mit Kerzen versehen, damit sie besser sichtbar waren. Wenn die Kerze nicht erlosch, sollte der Wunsch in Erfüllung gehen: Derjenige Mann, der diesen Kranz aus dem Wasser holte, sollte das Mädchen heiraten, das ihn hergestellt hatte.*)

Das rituelle Baden in Flüssen findet sich hinwiederum auch in Indien. Und es wird in der Bronzezeit in allen indogermanischen Völkern eine Rolle spielen. Es hat ja noch im antiken Athen eine Rolle gespielt. 

Abb. 11: Mittsommerfest (Ivan Kupala) in der Mykolaiv Region, 2021 (Fotograf: Ilfen Igor) (Wiki)

Wir lesen (Wiki):

An diesem Feiertag kann sich Wasser - einem verbreiteten Glauben zufolge - mit Feuer „anfreunden“. Das Symbol dieser Verbindung war ein Freudenfeuer, das an den Ufern der Flüsse entzündet wurde. Kränze wurden in der Kupala-Nacht oft zur Wahrsagerei verwendet: Wenn sie auf dem Wasser schwammen, bedeutete dies Glück und ein langes Leben oder eine lange Ehe.
On this holiday, according to a common sign, water can "make friends" with fire. The symbol of this union was a bonfire lit along the banks of rivers. Wreaths were often used for divination on Kupala Night: if they floated on the water, it meant good luck and long life or marriage.

Aus der reichen Auswahl von Fotografien zum Ivan-Kupala-Tag folgen nun als vorläufiger Abschluß noch einige weitere Beispiele (Abb. 11-16). 

Abb. 12: Mittsommerfest ("Ivan Kupala holiday") in der Familien-Siedlung "Serebryany Bor" in der Belgorod region, Rußland 2017 (Fotograf: Лобачев Владимир = Vladimir Lobachev) (Wiki)

In aller Stille vor Sonnenaufgang. Oder nach Sonnenuntergang ....

Abb. 13: "Marichka am Kupala-Feiertag", 2019 (Fotografen: Олександр Майоров, Майкл Ендрюс, Світлана Буланова) (Wiki)

Das strahlende, lachende Leben.

Abb. 14: "Die Feier der Hochzeit von Wasser und Feuer", Sommersonnenwende, Ivan Kupala, Ukraine 2020 (Fotograf: Наталія Рута) (Wiki

äölkäökä

Abb. 15: Ivan Kupala-Tag in Khmelnytskyi, Ukraine, 2015 (Fotografin: Alina Vozna) (Wiki)

äölkäölkäölk

Abb. 16: Die Iwan Kupala-Nacht (1856) (Wiki) - Gemälde von Iwan Sokolow (1823-1910) (Wiki

#äöl#äö#äöl

_____________

*) Original: "The meaning of it comes from the concept of the heathendoms and early Christians ceremonies. From of old the youth were looking for the fortune from the fortune tellers. Sometimes these superstitious beliefs were regarded as a kind of amusement and game. Usually the ceremony of fortunetelling took place in line with the local customs and varies from district to district. Christmas Day of Johan Ancestor was celebrated on June 24. Up-to-date it is still one of the most important and vivid celebrations in Russian Orthodoxy. This day is also regarded as a day of Johan Kupala. In heathendom Kupala is respected as Fertility Idol. It was generally accepted to bath in these days as this celebration were combined with pray to rivers and saint springs. In southern part of Russia and Ukraine on Johan Kupala’s day the girls gathered together after sunset with the branch lines of willows (verba) decorated with flowers and bands - they reels in rounds. Fortunetelling with Chaplets was one of the kinds of this ceremony. Girls were to make chaplets, decorate it and put it into the water downstream. It was often that this chaplets were accompanies with the candles to be more visible. If the candle were not quenched so the wish should come true: who would be the one man to take this chaplet out of water is to marry this girl who made it."

Donnerstag, 23. Januar 2025

„Spießerseelen und ihre kleinen Seelenwehwehs“

Das Leben Agnes Miegels (1879-1964) - Neue Zeugnisse und Sichtweisen

Teil 2

(zu Teil 1 --> hier)

Inzwischen fegte das große geschichtliche Schicksal über Deutschland und Ostpreußen. Nämlich während des Ersten Weltkrieges. Dieses schlägt sich nun vor allem in den Gedichten von Agnes Miegel nieder. 

Abb. 1: Agnes Miegel - Lithographie aus dem Jahr 1930 (Bildarchiv Ostpreußen)

Für diese bekommt sie im Juli 1918 den Preis der Schiller-Stiftung. 

„Lauter Schlampen und Schweinchen zu Töchtern und Frauen“ (1918)

Hierüber schreibt sie an Hans Georg von Münchhausen, den jüngeren Bruder von Börries (zit. n. Poschmann, S. 33): „Ja, ich war auch sehr erbaut darüber, bins noch. Übrigens ist diese Stiftung so reich, daß sie mir getrost das Dreifache hätte geben können, aber so viel Erfahrung habe ich nun schon mit all so was - als Frau kriegt man immer höchstens die Hälfte. Das geht nicht nach der Leistung, sondern wie beim Jahresgehalt nach der mir nie begreiflichen Idee, daß eine Frau nicht annähernd so viel braucht wie ein Mann ... Sie muß ebenso Steuern zahlen, genau dieselben Preise in Bahn, Elektrische, Droschke, Theater, Konzert - woher also dieser Wahn??? All diese Beamten und Komiteeleute, die so was verteilen, haben entweder lauter Schlampen und Schweinchen zu Töchtern und Frauen oder die berühmte, an allen Stammtischen gepriesene Gattin, die mit 20 Mark Wirtschaftsgeld sich bei der 1. Schneiderin anzieht und Diners wie Uhl gibt - alles kraft ihres hervorragenden Wirtschaftstalents. So - ich unterbreite Ihnen diese wahrhaftigen Ansichten, da Sie gewiß später auch mal Komitee bei so was sein werden.“ 

Auf dem Memeldeich (September 1919)

Für ein tieferes, verbessertes Verständnis von Dichtungen ist es oft wertvoll zu erfahren, welche Anlässe das Schaffen derselben hervorgerufen haben. Das berühmte Gedicht „Die Fähre“ von Agnes Miegel etwa entstand im September 1919 auf einem Memeldeich. Ohne das Wissen um diesen Tatbestand nimmt man eher an, das Gedicht wäre auf die Weichsel oder auf einen anderen Fluß bezogen (Margarete Haslinger in: Wagner, S. 31):

„Fünfundzwanzig Jahre vor der Vertreibung, im September 1919, trafen wir Agnes und zwei ihrer Freundinnen in Schwarzort auf der Kurischen Nehrung. Mein Mann lud die drei Damen ein, mit uns auf einem unserer Tourenschiffe über das Kurische Haff nach Königsberg zurückzufahren. Wir übernachteten in dem Fährkrug in Tawellningken an der Memel und wollten uns am nächsten Sonntagmorgen in Lappienen die schöne sechseckige Kirche ansehen. Agnes kam nicht mit. Sie blieb oben auf dem Memeldeich sitzen. Sie sah die Fuhrwerke, die mit der Fähre auf das südliche Ufer übersetzten, um zur Kirche zu fahren. Drüben lag das Gebiet, das wenig später an Litauen abgetreten werden mußte. An jenem stillen Sonntag an der Memel entstand ihre Dichtung Die Fähre mit den Versen, die das Schicksal der Vertreibung vorwegnahmen.“

Dieses Gedicht ist zu lang, um hier vollständig wiedergegeben zu werden. Es handelt davon, wie zu nächtlicher Stunde die Ordensritter und in ihrem Gefolge Siedler, Männer, Frauen und Kinder, wieder die ostpreußische Heimat in Richtung Westen verlassen: „Die Krügersfrau fuhr auf im Bett, / die Uhr schlug Mitternacht ...“, so beginnt das Gedicht. Und den Höhepunkt erreicht es, als die auf der Fähre überfahrenden Menschen in die helle, warme, sommerliche Mondnacht hinaus die Worte miteinander wechseln:

„Was ist so weich wie Mutterschoß,
     so mild wie Mutterhand?“
Und Antwort kam: „Das Wiesenheu
     und der Wind im flachen Land!“

„Was ist so süß wie der Kuß der Braut?
     was ist blonder als sie?“
„Die Linde über dem Strohdachfirst -
     viel süßer und blonder ist die!“

„Was ist blanker als ihr weißer Leib?
     was ist so fruchtbar jung?
Was trägt mich so geduldig?“
     „Der Strom der Niederung!“

„Was ist für Götter und Menschen Glück
     Das Glück, dem keines gleicht?“
„O das ist: den eignen Boden sehn
     soweit das Auge reicht!

Und Gruß und Rede hören
     wie altvertrautes Wiegenlied,
Und Wege gehn, wo jeder uns
     wie Kind und Bruder ähnlich sieht!“

„Und was ist allerschwerste Last?
     was ist ewige Pein?
Was ist den Kindern der Ebne verhaßt
     und wird es immer sein?“

„Von der Heimat gehn ist die schwerste Last,
     die Götter und Menschen beugt,
Und unstät zu schweifen ist allen verhaßt,
     die die grüne Ebene gezeugt!“

Agnes Miegel hatte immer viele „Vorausahnungen“. 

Abb. 2: Agnes Miegel in Tollmingkehmen in der Rominter Heide nahe der Grenze zu Litauen, etwa 1907/09 (Bildarchiv Ostpreußen)

Im Jahr 1921 - es sind die Jahre der Russischen Revolution, des polnisch-sowjetischen Krieges und der kommunistischen Putsche in Deutschland - hatte sie in einem Gasthaus in Cadinen (am Frischen Haff) einen Traum, über den sie viel später einmal in einem Brief berichtete  (Wagner, S. 32): „Er kam dreimal, ganz deutlich, wie eine Vision, in keiner Einzelheit je vergessen. Ich sehe den Moskowitersaal im Königsberger Schloß in tiefer Winterabenddämmerung, er wächst ins Ungeheure, in seiner Mitte steht ein Richtblock. Hand in Hand, im Reigen, umschreiten ihn feierlich riesige Frauen, gekleidet wie slawische Bäuerinnen, in weiten bunten Röcken, losen Jacken, Kopftüchern. Sie singen dazu nach einer alten, eintönigen, schwermütigen Melodie auf russisch (ich verstehe es aber Wort für Wort):

Wenn der hölzerne Mund rot schäumen wird,
O zarte Jungfrau,
Zerfleischen werden wir Dein Herz,
Aus der Brust Dir gerissen,
Es verschlingen wie Wölfe,
O zarte Jungfrau! (...)

Ich wußte, daß diese Jungfrau Ostpreußen meinte. Nie vergaß ich das Grauen, nie die fürchterliche, abgründige Trauer dieses Traums, nie die Worte des Liedes ...“

In den 1920er Jahren verfaßte sich viele Zeitungsartikel unter ihrer Rubrik „Spaziergänge einer Ostpreußin“. Mit diesen schrieb sie sich weiterhin in die Herzen ihrer Landsleute ein (s. Wagner, S. 44f).

Abb. 3: Agnes Miegel in den 1920er Jahren (Bildarchiv Ostpreußen)

Über die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg schrieb die Schriftstellerin Helene Voigt-Diederichs (1875-1961), die erste Frau des Verlegers Eugen Diederichs, wohl Ende 1939 - Westpreußen und der sogenannte „polnische Korridor“, der zuvor Ostpreußen vom übrigen Reich getrennt hatte, waren gerade wieder in das Deutsche Reich eingegliedert worden (zit. n. Ulf Diederichs, S. 25): „Die persönliche Begegnung mit Dir, liebe Agnes, kam spät. Der große Krieg lag hinter uns, unbewältigt. Dein Blick war feucht von Schmerz und Liebe um Dein von der großen Mutter abgesondertes Ostland. Es hat manches Jahr gedauert, bis ihre Kraft sich sammelte und erstarkte, so daß sie wie in alten Tagen hinüberreicht zur meeresnahen Pregelstadt. Wessen Glück sang lauter als das Deine?

Nicht nur Dichterin, ein naher warmer Mensch bist Du seither (...) mir und den Meinen. Du warst unter uns zu den Festen des Lebens und zu des Todes unerbittlichem Spruch. Du ließest es Dir nicht nehmen, bei Hausweihe da zu sein, Du mit dem schwingenden Freimut Deiner Stimme, Deinem Lachen, warm wie Drosselschlag im Vorfrühling. (...)

Vor Jahresfrist geschah es, daß Dein Arm den Sohn meines Sohnes, des Knäbleins, das mit frohlockendem Brauseschritt heut an Deinem hohen Tage auch dabei sein will, über der Taufe dem heiligen Wasser hinbot. Fromm dem alten Brauch zugetan lächelte Dein Atem über das junge Kind zugleich den allereigensten Segen: aus urtümlichem Hellsinn, der da war vor Wissen und Wort, namenlos, und von dem Dein Werk unverlierbare Weisung trägt.“

Im März 1922 schreibt sie an Lulu (zit. n. Ulf Diederichs, S. 25): „Für mich ist fern von Ostpreußen alles Verbannung, ob Bamberg oder Sewastopol.“

Die Märchentante war viel besser“ (um 1926)

1926 wechselt Agnes Miegel zur „Königsberger Allgemeinen Zeitung“  (Neumann, S. 10f): „Ihre Beiträge sind Begebenheiten aus dem Alltag, einfühlsame Natur- und Landschaftsbeschreibungen, interessante Reiseberichte und sachkundige Stadtführungen in ganz Deutschland - Beiträge, die nahezu ausnahmslos in der anspruchsvollen Unterhaltungs-Beilage der ‚Königsberger Allgemeinen Zeitung‘ zusammen mit Essays, Kurzgeschichten und Gedichten von Thomas, Heinrich und Claus Mann, Hermann Hesse, Franz Werfel, Max Brod, Lion Feuchtwanger, Julius Bab, Kurt Tucholsky, Ina Seidel, Georg Britting und Joachim Ringelnatz in illustrer Gesellschaft erscheinen.“

Abb. 4: Börries und Agnes auf der Herbsttagung der Dichterakademie in der Akademie der Künste am Pariser Platz 4 in Berlin im Jahr 1933 - stehend v.l.n.r. Will Wesper, Börries v. Münchhausen, Hans Grimm, Kolbenheyer, Wilhelm Schäfer, sitzend vlnr: Werner Beumelburg, Hans-Friedrich Blunck, Agnes Miegel, Hanns Johst, Emil Strauss, Rudolf Binding (Bundesarchiv)

Aus dieser Zeit gibt es einen Bericht, der aufzeigt, welch schnelles, selbstverständliches und warmherziges Verhältnis die kinderlose Agnes Miegel zu ihr fremden Kindern fand. Eine Königsbergerin erinnert sich an die folgende schöne Anekdote (Ena Benze: Die verzauberten Kinder. In: Wagner, S. 99f): „Wir haben immer gern Besuch gehabt und die Kinder waren daran gewöhnt, guten Morgen oder guten Tag zu sagen und dann mit Rosi, dem Liebling aller in der Familie, wieder ins Spielzimmer zu gehen. Nur in seltenen Fällen wurde ihnen gesagt, wer kam, damit sie sich besonders frisch gewaschen vorstellen möchten. So geschah es an einem herrlich sonnigen Wintertag, daß der Vater morgens beim Fortgehen sagte: ‚Heute kommt eine große Frau zu uns; eine Dichterin. Macht der Mutter kein Schande und seid unsere besten Kinder.‘

Nach Tisch gingen sie, wie meistens, mit ihren kleinen Körben hinaus und sammelten Holz, das der Sturmwind abgezaust, oder das noch friedlich im trockenen Winkel lag. Es brachte nicht viel; aber sie hatten das frohe Gefühl dabei, daß sie zum Kaminfeuer beitrugen, das alle in der Familie so liebten, auch, wenn es manchmal nur selbstgesuchten Pfefferminzteee gab. Dafür gab es aber immer etwas Vorgelesenes oder Erzähltes.

An diesem Nachmittag kamen die Kinder herrlich durchgefroren gleichzeitig mit dem Besuch die Treppe herauf. Sie waren schon mitten im Gespräch miteinander. Ausziehen und an den hellflackernden Kamin setzen war eins, und der Besuch gehörte mitten hinein in den kleinen, glücklichen Kreis. Die trockenen Zweige aus den Kinderkörbchen wurden von ihnen ins Feuer geworfen; es flammte auf und sie freuten sich sehr. Es war auch ein grünes Tannenreislein darunter; der Gast nahm es in die Hand und zündete es an, so daß es wunderbar duftete im Raum, so als ob einer am Tannenbaum ein Zweiglein in die Kerzen hält. Die Kinder saßen unversehens auf dem Schoß des Gastes und der begann, ohne jede Vorrede, mit warmer Stimme zu erzählen: Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt.

Die Scheite knisterten; die Kinder saßen mucksmäuschenstill und das Rückert’sche Märchen ließ alle Bäume reden, von denen die Kinder tote Ästchen gesammelt hatten. Nun lebten sie alle wieder auf; durch den Mund der Erzählerin sprachen sie und man sah, wie alle gefesselt wurden von der wunderbaren Geschichte, der Art, zu erzählen und der Wärme, die vom Kamin und dem Gast ausging.

Abends in ihren Bettchen, erzählten die Kinder mir das Märchen noch einmal. Sie waren noch wie verzaubert.

‚Mutter, wie gut, daß heute die große Frau nicht gekommen ist. Die Märchentante war viel besser. Wir haben ihr gesagt: es soll heute eine Dichterin kommen. Hoffentlich kommt sie nicht. Die stört uns doch.‘

Jetzt wußte ich, was sie da miteinander getuschelt hatten - die mütterliche Frau, die einmalige Erzählerin, der warme, gütige Mensch Agnes Miegel und die verzauberten Kinder.“ 

Die gleiche Königsbergerin berichtet über ein anderes Erlebnis (Ena Benze, in: Wagner, S. 103): „Ein anderes Mal hatte Elly Ney vor Jugend gespielt und gesprochen im Marmorpalais am See. Agnes Miegel war unter den Zuhörern und sichtlich ergriffen; so sehr, daß sich ihr ein Gedicht an Elly Ney formte, dessen Stimmung und Inhalt ich ganz mitfühlen durfte. Es begann mit den Worten:

Immer denke ich nun, wenn deinen Namen ich höre,
An den Abend zurück, da in dem marmornen Saal
In dem schweigenden Schloß - es lag in herbstlicher Mondnacht
Wie verwunschen in einem silbernen See -
Du vor der Jugend standest ...“

„O Du schönes Tal, göttergeliebter, grüner, heiliger Streifen Land zwischen Weimar und Jena“

Zu Eugen Diederichs 60. Geburtstag, zur Sommersonnenwende und zu einem Sommerfest war Agnes Miegel 1927 nach Jena eingeladen. Für ihre Zeitung „Königsberger Allgemeine“ schrieb sie darüber einen Aufsatz, in dem sie sich auch noch einmal an ihre Pensionatszeit in Weimar als junges Mädchen erinnerte. Diesen Aufsatz schickte sie 1953 an den Enkelsohn Eugen Diederichs, der ihn im Jahr 2004, zum 125. Geburtstag Agnes Miegels, erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich machte (Ulf Diederichs, S. 44f).

„Sommerfest

Linden, Jasmin und Rosen duften durch die gewitterschwüle Luft. Im Garten flammen erste Feuerlilien, mannshoher Rittersporn schlägt dunkelblaue und lichte Augen auf, überschwenglich ist die Blüte, die Üppigkeit des Lebens auf den Kalkfelsen des Saaletales nach diesem feuchten Frühling. Deutlicher noch als sonst zeigen es die grünen Waldhänge mit den weißen Landhäusern, die bunten Terrassengärten. Die Wiesen breiten um den sanftgeschwungnen glänzenden Fluß die fast süddeutsche Lieblichkeit dieses gesegneten Tals, dem kein Industrieschlot, kein Kalkofen ganz seine holde Schönheit nehmen kann.

O Du schönes Tal, göttergeliebter, grüner, heiliger Streifen Land zwischen Weimar und Jena, über den wie heute die lichten Wolkenschatten, Schatten der Genien gehen ‚wandelnd im Licht,’ segnend und immer noch formend auch ein entgöttertes Geschlecht. Spürbar in einer Form, die eben nicht Form war, sondern gelebtes und ehrfürchtig-begriffenes, eigentlichstes Wesen bei den Staub-Gewordenen, bei denen ich hier lebte, als ich Kind war. Spürbar heute noch in dem jungen Geschlecht, dessen kühles Denken ihr Leuchten erwärmt, ihm die Sehnsucht gibt nach all dem, was der große Zaubermeister ‚edel’ nannte.“ 

Und an anderer Stelle spricht sie das Geburtstagskind und seine Frau selbst an (Ulf Diederichs, S. 30): „… Und Du, Antlitz, das väterlich-gütig ein Menschenalter über meinem Geschick stand, und Du, geliebtes helläugiges Gesicht neben ihm, so verschlungen in mein Leben durch tausend Fäden von Jugendtagen an - ja, nun sind wir die Alten … .“

„Davon erfährt man nie ein Wort“ (1929)

Aus der gleichen Zeit sind Briefe zwischen Börries von Münchhausen und seinem Freund Levin Schücking, bzw. zwischen den Ehefrauen der beiden erhalten. In ihnen kommt auch immer wieder einmal die Sprache auf Agnes Miegel. Dadurch wird das Verhältnis, in dem sie weiterhin zu Börries von Münchhausen stand, deutlich.

Abb. 5: Agnes und Börries auf der Herbsttagung der Dichterakademie in der Akademie der Künste am Pariser Platz 4 in Berlin im Jahr 1933 - v.l.n.r. Rud. Binding, Werner Beumelburg, Hanns Johst, Hans Friedrich Blunck, Agnes Miegel, Boerries von Münchhausen, Erwin Guido Kolbenheyer, Will Vesper (Bildarchiv)

Am 18. Oktober 1926 schrieb Börries (von seiner Wohn-Burg Windischleuba in Thüringen aus) an seinen Freund Levin, der ihm zuvor zu dessen Zweifeln und Skeptizismus hinsichtlich seiner künstlerischen Arbeiten geschrieben hatte  (Schücking, S. 267) : „Liebster Levin, unsere Freundschaft bedarf keines Beweises, wenn Du ihr aber einen geben wolltest, so konnte wohl nichts zarter und stärker sein als dieser liebe Brief. (...) Ja, Du hast gewiß recht mit allem, was Du sagst.“ Und dann schreibt er etwas später unvermittelt weiter: „Agnes Miegel hat mir in meinem ganzen Leben gepredigt: ‚Du zerstörst mit Selbstvorwürfen Dein Leben und Deine Kunst, sei doch, was Du bist, sei doch böse, laß Dich doch gehen, wirf doch die Zügel hin, und Du wirst merken, daß Du nicht fährst, sondern fliegst.‘ “

Münchhausen setzt fort: „Aber man merkt, wenn es im Leben einmal ganz hart auf hart geht (...) erst, wie einsam der Einzelne ist.“

Am 1. März 1929 schreibt Anna von Münchhausen (die Frau von Börries) mit einem Anhauch von Traurigkeit aus Windischleuba an Liese Schücking, die Frau von Levin, über Sorgen bezüglich ihres nun etwa 22-jährigen Sohnes. Er ist ihr ein Trost bei all den Frauen, mit denen sie ihren Ehemann Börries immer wieder teilen muß, und worüber sie sich oft bei ihrer Freundin Liese ausspricht. Und so schreibt sie diesmal dann weiter über ihren Ehemann (Schücking, S. 280):

„Mein Papa schreibt fortgesetzt Aufsätze über Agnes Miegel. Seit er sie nun besucht hat, geht ihm das glatt von der Seele. Weißt Du, sie wird fünfzig - aber der Seelenkontakt ist immer geblieben. Die bin ich nie ganz losgeworden, trotz aller Neuen die da kamen. Und nun ist’s ihm beinahe Ehrensache, daß das auch immer sous entendu so bleibt, wie er zu ihr stand. Und was die so geredet haben, wenn er einen Nachmittag bei ihr sitzt - davon erfährt man nie ein Wort, jedenfalls nie das Richtige, und da er allen Leuten nur zu Liebe und Gefallen redet, wird er ihr nur sagen, was sie hören mag, sonst würde er nicht hingehen. - So ist langsam das Kind, mehr wie sich’s gebührt, meine große Liebe und Hoffnung geworden.“ 

Die allgemeine Enttäuschung der Ehefrau von Börries scheint sich bei ihr fast auch auf Agnes Miegel zu übertragen. Doch eine Woche später schreibt sie (Schücking, S. 283): „Ja, Du hast ja recht, wenn Du mich mahnst, nicht zu viel vom Leben zu verlangen, und den anderen die Brosamlein zu gönnen. (...) Na - Schwamm drüber! (...) Nun ist man begierig, wie Obst und Beeren und Schlingpflanzen diesen Abstecher nach Sibirien überstanden haben.“ Und diese Worte beziehen sich wohl auf eine Geschenk-Sendung an Agnes Miegel in Königsberg zu ihrem 50. Geburtstag: „- Wir feiern, egal, Agnes Miegel. Bössi hat sozusagen silberne Hochzeit mit ihr. Einen ganzen Abend haben wir uns ihre Gedichte vorgelesen. Es sind doch sehr schöne darunter! Nur Bössies Stimme erschallt in allen Zeitungen über sie.“

Kurz hinter Hindenburg (1929/30)

Am 23. Juni 1929 druckt die „Königsberger Allgemeine Zeitung“ das bedeutende Gedicht von Agnes Miegel „Letzte Stunde“ ab. Es handelt von dem Tod eines Soldaten ostpreußischer Herkunft an der Tiroler Front während des Ersten Weltkrieges. Die Zeitung schreibt dazu (Neumann, S. 233): „Die ostpreußische Dichterin weilt augenblicklich in Tirol. Unter dem Eindruck einer Erzählung in Bozen entstand das hier abgedruckte Gedicht. Die Redaktion.“ 

Und wir erfahren (Neumann, S. 11-13): „Ende 1929 veranstaltete die ‚Königsberger Allgemeine Zeitung‘ ein Preisausschreiben mit der Frage nach den sechs bekanntesten lebenden Ostpreußen, Männern oder Frauen. Ausgelobt wurden 3000 RM in bar sowie 200 Trostpreise. Das Ergebnis der Preisfrage gab die Sonntagsausgabe der ‚Königsberger Allgemeinen Zeitung‘ vom 26. Januar 1930 bekannt. Bei insgesamt 10.433 Einsendungen mit je sechs Stimmen erhielten Stimmen:

  • Reichspräsident von Hindenburg   9.742
  • Agnes Miegel                                  9.088

Auf den weiteren Rängen folgen so bekannte Persönlichkeiten wie Emil Hirschfeld aus Allenstein, der Weltrekordmann im Kugelstoßen (7.734), Filmstar Harry Liedtke (5.871), Oberpräsident Siehr (4.219) und der Schauspieler Paul Wegener (4.215). (...) Ab dem Jahre 1930 läßt Agnes Miegel ihre journalistische Mitarbeit bei dieser Zeitung auslaufen.“

1932 oder 1933 schreibt Agnes Miegel in einem Brief an die Schriftstellerin Ruth Schaumann anläßlich von deren Veröffentlichung ihrer Kindheitserinnerungen unter dem Titel „Amei“ (Wagner, S. 79): „Als junges Mädchen bin ich zu einer Hochzeit, es war im Juni 1899, in der kleinen Dir gewiß unbekannten Garnisonsstadt Hagenau (sie liegt nicht weit von Straßburg mit dem herrlichen Münster) im Elsaß gewesen. Unter den Hochzeitsteilnehmern war nun ein junges Paar, ein riesenhaft großer Kavallerieoffizier, dunkel wie ein Araberscheik, seine junge Frau aschblond, reizend, sie stammt aus der Lüneburger Heide, und war in der Hoffnung mit dem zweiten Kind. Beide haben es mir damals so sehr, sehr angetan, daß ich glückselig war, von ihnen zum Tee eingeladen zu sein.“ Agnes Miegel bat um Aufklärung, ob es sich bei diesem Paar um Verwandte der Schriftstellerin handelte. In der Antwort stellte sich dann für Agnes Miegel, die sich nur undeutlich an den Namen Schaumann des Ehepaares hatte erinnern können, heraus, daß die Schriftstellerin selbst die zweite Tochter dieses Ehepaares gewesen ist, über das nun auch in ihren Kindheitserinnerungen berichtet wurde.

Abendlicher Spaziergang in Jena 1932

Immer wieder verbringt Agnes Miegel frohe, unbeschwerte Stunden in Jena bei den Diederichs. Im Advent 1929 schreibt sie ins Gästebuch  (Ulf Diederichs, S. 30f): „Reiner Seelenjungbrunnen. Aber dieses Mal bin ich so gerne bei Euch als käme nie mehr solch gute Zeit.“ Und tatsächlich stirbt gut ein halbes Jahr später ganz überraschend Eugen Diederichs. Der „dem Andenken Eugen Diederichs“ gewidmete Gedichtband Agnes Miegels „Herbstgesang“ erschien dann Ende 1932. Er war benannt nach dem ersten darin enthaltenen Gedicht. Dieses hatte sie am Tag der Beerdigung Eugen Diederichs verfaßt („… Wandernde Jugend, so rank und schlank, / wie rot ist dein Mund! …“).

In das Exemplar für Lulu setzte Agnes Miegel noch handschriftlich ein Gedicht hinein, das bis heute unveröffentlicht geblieben war (Ulf Diederichs, S. 32f). Es beschreibt einen abendlichen Spaziergang in Jena, vorbei am Grab Eugen Diederichs zur Familienvilla der Diederichs: 

Am Abend

Durch die ladenhellen, lärmenden Gassen
Dringt der lachenden Kinder Mummerei.
In der Dämmerung
Schwingen am Stadtturm die Glocken aus.
Langsam wandern wir Zwei
Durchs Johannistor nach Haus. -
Einmal waren wir jung, -
Nun gehen wir gelassen
Heim. Immer leerer werden die Straßen.
Die mit uns gingen
Trinkt Epheuwand und dunkelnder Waldhang auf.
Über den Bergen, die sich verdämmernd schwingen
Steigen die Wintergestirne herauf.
Weiße Pforte schimmert im letzten Licht.
Und wir stehn
Eh sie sich auftut, Hand in Hand.
Wissen einer der andern Gesicht
Wie das eigne gewandt
Auf zu den klaren
Unwandelbaren
Die dort oben die ewigen Bahnen gehen!

Agnes Miegel und der Nationalsozialismus

Agnes Miegel begrüßte den Nationalsozialismus. Während der Zeit des Dritten Reiches war sie eine gefeierte Dichterin. Oft nahm sie mit großer Freude vor allem von der Hitler-Jugend - aber auch von manchen anderen NS-Verbänden - Einladungen zu Dichterlesungen, Gedenkfeiern und Ehrungen an. So schrieb sie auch ein ergreifendes Gedicht auf sozusagen die damalige „Frauenbeauftragte“ der nationalsozialistischen Partei, auf Gertrud Scholtz-Klink, in der sie vor allem deren mütterlichen Sinn betonte, und zwar deren mütterlichen Sinn auch und vor allem gegenüber den Kulturschaffenden.

Aber es gibt nur wenige und erst in den späten 1930er Jahren entstandene Dichtungen, die zeigen, daß die freundliche Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus auch sehr konkret in Dichtung umgesetzt werden konnte. Ein Gesamtbild der Persönlichkeit von Agnes Miegel kann diese Dichtungen natürlich nicht ausklammern. Die Biographie von Anni Piorreck etwa versucht, diesen Werken den künstlerischen Wert abzusprechen. Aber damit liegt sie doch ganz falsch. Der künstlerische Wert bleibt voll erhalten, auch wenn man den Inhalt heute nicht mehr anerkennen kann.

Diese Dichtungen finden sich vor allem in dem im Jahr 1940 erschienen Bändchen „Ostland“. Aber selbst das dieses Bändchen einleitende Gedicht „An den Führer“, das wohl heute sicherlich als das Kompromittierendste empfunden wird, bezeugt noch die ganz eigenwilligen Gedanken von Agnes Miegel, ja auch ihre zweiseitigen Gefühle: erinnert sie doch vor allem an Deutschlands (und Westpreußens) schwere Vergangenheit  vor 1933 und vor 1939.

1940, nach den überraschend schnellen militärischen Siegen über Polen und Frankreich, sahen viele Menschen in Europa, die den langwierigen, opfervollen Ersten Weltkrieg miterlebt hatten, voller Zuversicht auf eine lange, frohe, friedensvolle Periode des Aufbaus und der gedeihlichen Weiterentwicklung in Europa. Gerade wegen dieser schnellen militärischen Entscheidungen, die so viele Menschenleben schonte, war man weithin von tiefer Dankbarkeit gegenüber „dem Führer“ erfüllt  - nicht aus imperialistischen Gelüsten, sondern aus Friedenssehnsucht heraus.

Den eigentlichen Grundgedanken des Gedichtes „An den Führer“, der mit Politik gar nichts zu tun hat, hat Agnes Miegel auch in Gesprächen nach dem Zweiten Weltkrieg noch oft wiederholt. Eine Freundin berichtet (Wagner, S. 125): „Aber nicht nur der eigne Familienkreis, auch die weithin reichende Kette der Vorfahren spielte in ihrer Gedankenwelt eine wichtige Rolle. Wir sprachen davon, daß sie und ich die Letzten von aussterbenden Familien wären. Agnes meinte, unter bestimmten Voraussetzungen könnten in diesen Letzten die Geisteskräfte einer langen Ahnenreihe, aus Urgründen in ihrer Vielfalt aufsteigend, noch einmal aufleben und sie zu besonderen Leistungen aufrufen. Aus diesen Kraftströmen gewirkt zu haben, empfand und erkannte sie als sichtbar gewordene Erfüllung ihres Lebens.“ 

Überhebe sich also nur ja keiner in eilfertigem Übermut, wenn er im folgenden das Gedicht von Agnes Miegel „An den Führer“ liest. Es kann gerade an ihm erkennbar werden, wieviel Idealismus im Jahr 1945 in Deutschland verloren gegangen sein muß, nachdem erkennbar geworden war, auf welche Art von verwerflicher Person dieser Idealismus in den Jahren zuvor fokussiert gewesen war. Das Gedicht behält ganz unabhängig von seinem - nur zum Teil - zeitgebundenen Inhalt einen tiefen künstlerischen Wert. Und die heutige Generation hat genug Abstand zu der damaligen Zeit, daß man diesen Wert auch unbefangen anerkennen kann:

An den Führer

Nicht mit der Jugend
Überschäumendem Jubel erlebt ich das Wunder
Deines Nahns.
Mit dem schweigend ehrfürchtigen Staunen
Leidgeprüften Herzens, geläutert im Opfer,
Das seiner Kindheit Welt in Krieg und Stürmen vergehn sah, -
Und das anders, groß und glühend ergriffen,
Stumm Dich grüßte!

So mit jedem Morgen fühl ich’s aufs neue -
- Wenn in der Tiefe der Nacht, aus der Tiefe des Herzens
Schweres Erinnern stieg, wie Schatten mich ängstend:
Krieg und Aufruhr und grauer Tage Verzweiflung,
Untergangsnot und Schreckbild verkommener Jugend, --
O Befreiung, zu spüren im Lichte der Frühe,
Alles dies ist fern und für immer vergangen!
Fortgewischt wie Tränen vom Antlitz der Witwe
Von Deinen Händen!
Übermächtig
Füllt mich demütiger Dank, daß ich dieses erlebe,
Dir noch dienen kann, dienend den Deutschen
Mit der Gabe, die Gott mir verlieh!
Daß die Meinen
Die gefallnen, geliebten Gefährten der Kindheit,
Daß die Toten, die Dein Kommen ersehnten,
Daß die Ahnen, deren verlassene Heimat
Wiedergekehrt durch Dich,-
  Daß sie alle
Mir in der Seele, mir im Blute noch lebend,
Mit mir Dich segnen!

Nicht der Jugend brausendes Überschäumen
Kann ich Dir geben.
Doch ich liebe das Leben,
Wie nur der es liebt, mit dem alle der Seinen
Fortgehn von Heimat und Volk. Heimkehrend zur Erde,
Draus sie stiegen.
                             Doch dies wäre
Höchste Erfüllung mir und Ehre den Ahnen:
Heilige Fackel, nie mehr weitergereichte,
Dir zu opfern!

Ulf Diederichs, der Agnes Miegel immer verbunden gebliebene Enkelsohn Eugen Diederichs, schreibt im Jahr 2004 (Ulf Diederichs, S. 36): „In den Gratulations-Prachtband zu Hitlers 50. Geburtstag trugen sich Agnes Miegel und auch die Freundinnen Lulu von Strauß und Torney und Ina Seidel mit Gedichten ein. (…) Auch Börries Freiherr von Münchhausen war dabei, auch Helene Voigt-Diederichs und noch so mancher (…), Hans Carossa, Wilhelm von Scholz. Kaum einem anderen hat man das später so verübelt wie Agnes Miegel. Freilich stand sie, nächst Carossa und Weinheber, an sehr exponierter Stelle.“ Im März 1940 wurde um Goebbels erwogen, entweder Agnes Miegel oder Josef Weinheber den Nationalen Buchpreis zu verleihen, Agnes Miegel deshalb, weil - wie es in einem Gutachten hieß - sie „mit Leib und Seele“ hinter den „Entscheidungen der letzten Zeit“ stehen würde (also der Rückkehr Westpreußens an das Deutsche Reich). Dieses Vorhaben wurde aber wieder fallengelassen (Ulf Diederichs, S. 36).

- - - Der Rundfunkautor Martin A. Borrmann (1895-1974), der 1933 auch Dramaturg am Königsberger Schauspielhaus war, berichtet aus der Zeit der beiden ersten Jahre des Dritten Reiches (Wagner, S. 82): „Im April des für uns alle so einprägsamen Jahres 1933 wurde mir neben mancherlei Bedrohung auch ein  Lebensgeschenk zuteil: das uneingeschränkte Vertrauen der Dichterin“ (Agnes Miegel). „Ich war zu ihr, die ich persönlich kaum kannte, in die Luisenallee gegangen, um ihre Unterschrift zu erbitten unter eine Eingabe für den künstlerischen Leiter unseres Ostmarkenrundfunks; dieser war ohne Entschädigung, dazu in besonders tückischer Art und Weise, von Goebbels auf die Straße gesetzt worden. Agnes Miegel, es ist wichtig, das heute zu betonen, unterschrieb sofort. Darüber war ich froh - und wurde es noch mehr, als ich spürte, daß diese Begegnung, bei allem sogleich offen dargelegten Gegensatz unserer Ansichten, der Beginn einer Freundschaft zu werden versprach.

In den folgenden zwei Jahren lud mich die Dichterin fast jede Woche zu sich. Wir sprachen kaum über Literatur, stritten aber stundenlang freundschaftlich über Zeit und Umwelt, die beide trotz äußerem Freudentaumel in unserem Lande immer gefährlicher wurden. So weiß ich wie wohl nur wenige – und vielleicht gerade, weil ich auf der anderen Seite stand - von den Kämpfen, die Agnes Miegel damals in ihrem Innern durchzufechten hatte. Sie erhoffte sich von dem Neuen eine Verjüngung und Erneuerung unseres Volkes, ahnte aber zugleich mit balladenhafter Kraft, was schon damals in den Konzentrationslagern geschah.

Ich erlebte ihre Verzweiflung, als man in der Provinz eine Schule, die bisher den Namen von Käthe Kollwitz trug, nunmehr Agnes-Miegel-Schule nennen wollte. Sie war glücklich über die Begeisterung der Jugend und teilte sie, wußte aber als Dichterin vom schlimmen Ende jeder Nibelungenfahrt. Sie hatte Visionen, oftmals solche schrecklicher Art. (...)

Wer in Agnes Miegel nur heitere Mütterlichkeit und warmherzigen Humor sieht, verkleinert ihr Bild. Gewiß, dies waren ihre Eigenschaften, aber darunter  lagen, gut verborgen, die Wesenszüge einer Seherin. ‚Es ist kein Glück‘, sagte sie einmal bitter, ‚als Kassandra geboren zu sein. In Troja nicht.‘ Und dann las sie mir, nun wieder lachend, den Satz, den ich sprechen wollte, selber vom Mund ab: ‚Und im Dritten Reich schon gar nicht!‘ “ - - - 

Hierzu ist noch folgendes zu bemerken. Der Vortrag ihrer berühmten Ballade „Die Nibelungen“ ist bei fast jeder ihrer öffentlichen Lesungen vom Publikum gewünscht worden. Zu Anfang einer öffentlichen Lesung, die nach der Schlacht von Stalingrad stattfand, bat sie um Verständnis dafür, daß sie diese Ballade nicht mehr öffentlich vortragen könne. Sie hätte sie zum letzten male vor Soldaten gelesen, die in Stalingrad zum Einsatz gekommen waren. -

Zur Entstehung des Reclambüchleins „Das Bernsteinherz“ (im März 1937) (Wagner, S. 60f)

Mit dem letzten Friedens-Flugzeug über den Korridor (1938/39)

Wie hatte Agnes Miegel die Kriegsgefahren im Jahr 1938 und dann den Kriegsausbruch 1939 erlebt? Eine Freundin berichtet (Gertrud Zippel-Fuchs in Wagner, S. 42): „Ich denke an jenen Septembertag des Jahres 1938, als Krieg und Friede auf des Messers Schneide standen. Agnes war den ganzen Nachmittag bei mir, unvergeßliche Stunden der Angst und der Hoffnung, ach, mehr noch der Angst: ‚Wir wollen ja den Korridor in Kauf nehmen, auch weiterhin, wenn nur Friede bleibt, wenn nur das Land gerettet ist.‘ “ An der Frage des Korridors, der Ostpreußen vom übrigen Reich trennte, brach der Zweite Weltkrieg aus. An diesen Worten wird klar deutlich, aus welcher Haltung allein Agnes Miegel auch solche Gedichte wie jenes „An den Führer“ geschrieben haben kann.

Am 9. März 1939 feierte Agnes Miegel ihren 60. Geburtstag. In den „Stimmen der Freunde“, die der Eugen Diederichs Verlag zu diesem Tag herausgab, schrieb Börries von Münchhausen (s. Stimmen d. Freunde): „Und ihr herrlicher Humor - Agnes, so herzlich wie vor wenigen Wochen bei Deinem letzten Besuch in Windischleuba haben wir alle doch seit langem nicht gelacht! Ich kenne wenig Menschen, die so gern lachen, keinen, den ich lieber lachen sehe als Dich! -“

Die letzten Tage und Abende vor Beginn des Zweiten Weltkrieges erlebte Agnes Miegel zusammen mit dem niederdeutschen Schriftsteller Moritz Jahn. Besonders an einen jener Abende erinnerte sie später noch oft. Im Frühjahr 1946, nach der Flucht, schrieb sie aus Dänemark an Moritz Jahn, der ihr aus Göttingen seine tatkräftige Hilfe angeboten hatte (Wagner, S. 93): „Was hab‘ ich Ihnen sonst zu erzählen? Ach, so vieles - aber vielleicht sehen wir uns einmal, sitzen zusammen wie damals auf dem Seesteg in Heiligendamm, ach wäre das schön!“ Moritz Jahn war auch ein verständnisvoller Freund des Wiener Dichters Josef Weinheber gewesen. Er erläutert diesen Satz Agnes Miegels mit dem folgenden Bericht (Wagner, S. 92f):

„Auf eine unserer Begegnungen kam unsere liebe Agnes Miegel in ihren Briefen an mich immer wieder zurück, auf unsere Begegnung in Doberan (Doberaner Dichtertag) im Spätsommer 1939. Ich hatte dort am 19. August den Festvortrag über ‚Niederdeutsche Sprache als Ausdruck niederdeutschen Wesens‘ gehalten. (...) Erst während der Rede war mir der Gedanke gekommen, daß ich so sehr schön den Bogen spannen könnte von meiner eigenen nordwestdeutschen Heimat über die Mitte des norddeutschen Raumes hin bis zu seinem östlichen Grenzland: ‚Ich begann meine Darlegungen mit Glückwünschen (...). Ich möchte sie schließen mit einer Huldigung an die Dichterin, die, nicht minder im plattdeutschen Grunde ihrer preußischen Heimat verwurzelt, die niederdeutsch-nordische Kunstform der Ballade um eine lange Reihe von Kostbarkeiten bereichern durfte, und die uns in ‚Henning Schindekopf‘ das herrliche Bild und Vorbild plattdeutschen Bauernkriegertums schuf, vor dessen Tatkraft und Opfermut die Waffen des feindlichen Ostvolkes klirrend zersplitterten. Sein Wahlspruch gibt, im markigen, volkhaften Laut der Heimat, die schönste Kennzeichnung niederdeutschen Wesens; so soll er auch hier den Schluß bilden. Möchte der niederdeutsche Mensch, möchte auch der niederdeutsche Künstler nach Leistung und Forderung an sich selbst immer ein Recht haben zu dem stolzen Wort: ‚Ök sülvst!‘ ‘

Der vorletzte Satz wollte nichts, als bei den Hörern die Erinnerung an jenes schöne Gedicht wachrufen; erst im Laufe des Nachmittags machten mich Freunde darauf aufmerksam, daß gerade diese Worte in diesem Augenblick eine besondere politische Aktualität gehabt hätten: Das Verhältnis des Reiches zum polnischen Nachbarn wäre sehr kritisch geworden; man erwöge deshalb schon den Plan, Agnes Miegel am Schluß der Tagung mit einem Flugzeug in ihre Heimat zurückzubringen. (...)

Am Abend des letzten Doberaner Tages saß ich noch lange mit Agnes Miegel auf dem Seesteg in Heiligendamm; ein klarer, zu dieser Tageszeit schon herbstlich kühler Mondglanz lag auf der sich nur leise regenden Flut; wir sprachen nur dann und wann ein Wort - es war soviel geredet worden in all den Tagen, und ein Abend am Meer war uns beiden ein seltenes Geschenk, das nicht zerredet werden durfte. Zudem: was würde nun morgen sein, morgen ... ‚Ich war sicher, daß ich die Freunde nie wiedersehen würde‘, schrieb mir die Freundin nach langen Jahren; sie hatte die geliebte Heimat noch erreichen können, mit dem letzten Flugzeug, das den Korridor überqueren konnte, ohne beschossen zu werden.“

„Das kann doch nicht sein!“ (1940-1944)

Moritz Jahn berichtet weiter (Wagner, S. 42): „Immer wieder war die Angst um Volk und Land in unseren Gesprächen, blieb es auch nach den ersten trügerischen Siegesnachrichten, nachdem 1939 wirklich der Krieg ausgebrochen, und sie wurde im Lauf der nächsten Jahre immer stärker. Agnes kannte doch sonst keine Angst. (...) Es lag etwas Lähmendes in dieser Angst, etwas nicht Greifbares, zum Teil schon Geahntes, was immer drohender sich breit machte. Miteinander wenigstens konnten wir davon sprechen. Ich sehe noch die Bestürzung, ja das Entsetzen in ihren Augen, als sie mir kurz eine Äußerung wiedergab, die so ganz nebenbei, aber selbstverständlich jemand über die erhoffte Ausdehnung Deutschlands nach Osten gemacht hatte. ‚Was für eine Hybris!‘ sagte sie, ‚wohin soll das noch führen!‘ “ 

Abb. 6: Agnes Miegel im Jahr 1944 (Bildarchiv Ostpreußen)

Und (Wagner, S. 42): „Es war im September 1944, nach der nahezu vollständigen Zerstörung Königsbergs“ (durch Luftangriffe). „Wir hatten uns in Neukuhren verabredet. (...) Wir gingen hoch oben die Steilküste entlang, in Richtung Rauschen. Es war ein unirdisch klarer Septembertag. All die Schönheit ringsum legte sich uns aufs Herz.

‚Es kann doch nicht sein‘ - das klang wie ein leiser Aufschrei, ich wußte gleich, was sie meinte. ‚Nein, es kann nicht sein‘, aber wir wußten beide, daß es nur verzweifelter Schmerz um unser Land war, der uns so sprechen ließ, ahnten beide, daß wir zum letzten Mal unsere See zusammen sahen.“ 

Andere Königsberger berichten (Wagner, S. 59): „Natürlich waren wir auch immer unter den Hörern, wenn sie“ (Agnes Miegel) „öffentlich sprach, zuletzt im Dezember 1944 im Neuen Schauspielhaus, da die anderen großen Säle schon alle durch Bomben zerstört waren.

‚... es forderte zum Fackeltanze dich,
Gekrönte Vaterstadt, der grimme Tod ...‘

Wie eine Seherin, wie eine der großen Sibyllen mit dem Blick, der über die Gegenwart hinausgreift, so sprach Agnes Miegel diese Verse aus dem Erleben jener furchtbaren Bombenangriffe - abgeklärt, ruhig, scheinbar über allen Schmerz erhaben, während uns die Tränen über die Wangen liefen.“

Agnes Miegel floh mit zehntausend anderen Königsbergern 1945 über die Ostsee nach Dänemark.

„Heute kommt kein Hall mehr über die Grenze“

Sie weilte nach der Flucht lange Zeit unter ärmlichen Verhältnissen in einem Flüchtlingslager in Dänemark.

Abb. 7: Agnes Miegel in Oxböl, Dänemark, 1945/46 (Bildarchiv Ostpreußen)

Börries von Münchhausen, mit dem sie lebenslang über so zwiespältige Gefühle hinweg verbunden blieb, und der selbst äußert vielschichtig und emotional schwankend war, nahm sich am 16. März 1945 in Windischleuba in Thüringen das Leben. Es war das noch einen Monat, bevor am 15. April 1945 die westlichen Alliierten in Altenburg einrückten. Seine Frau war kurz zuvor an einem Schlaganfall gestorben, sein einziger Sohn schon Jahre zuvor bei einem Autounfall. Noch kurz vor seinem Lebensende hatte er große Zweifel an dem eigentlichen Wert seines dichterischen Schaffens geäußert. Kurz zuvor schrieb er noch das folgende Gedicht über seine Mutter, mit der ja auch Agnes Miegel so gut bekannt gewesen war:

Meiner toten Mutter

Gott hat es gnädig mit dir gemeint,
als er dich zu sich genommen,
die Sonne, die heute auf Deutschland scheint,
ist aus der Hölle gekommen!
Du konntest noch Märchen sammeln im Land,
von Lippen, welk und befangen,
du hast noch Lieder des Volkes gekannt,
die sie abends am Thingplatz sangen.
Du konntest als gütige Herrin noch
In die Hütten der Armen gehen.
Du wußtest beim Gruß im Dorf doch:
Sie freuten sich, dich zu sehen.
Hast Uhland und Grimm noch die Hand gereicht
für das Deutschtum, das sie uns erworben
und als der Tod dir die Wange erbleicht, -
du bist noch in Deutschland gestorben!

Wir aber leben - was leben so heißt! -
in den Trümmern, die Reich einst geheißen,
und wer die Zähne zusammenbeißt,
der hat auch noch was zu beißen!
Und wer auf dem Friedhof die Namen liest,
der kann auch noch Deutsche erspähen,
und wer recht fest die Augen schließt,
der kann auch noch Deutschland sehen!
Ja, Gott hat es gnädig mit dir gemeint,
als er deine Seele umfangen,
die Tränen um dich waren leichter geweint,
als die, denen du entgangen.

Agnes Miegel zog nach Nenndorf in Niedersachsen, nahe dem Münchhausen-Gut Apelern. Die Heimat Ostpreußen blieb das unentwegte Thema ihrer Dichtungen und vieler, vieler Gespräche mit Landsleuten (Ilse Reicke-von Hülsen, in: Wagner, S. 63f): „So sprach sie einmal von den alten Ordensburgen in Ostpreußen: ‚Die Steine wurden zweimal gebrannt, das Ziegenmehl zweimal mit Ochsenblut gemischt, das gab den Purpurton und große Härte. Der Mörtel wurde mit Buttermilch angerührt ... Heut kommt kein Hall mehr herüber über die Grenze‘, fügte sie hinzu. ‚Hinübergehen ist der Tod. Dagegen ist Ninive gar nichts ...‘ “ Ihre damalige Gesprächspartnerin sagt über solche Äußerungen (Ilse Reicke-von Hülsen, in: Wagner, S. 64): „Der große Odem der Geschichte, der aus ihren Balladen weht, packt auch im Gespräch den Besucher wie eine plötzliche Bö.“ 

Am 12. Februar 1949 konnte sie ihren Freunden ihre „Entbräunung“, wie sie das nannte, also ihre „Entnazifizierung“ mitteilen. Ina Seidel hatte in der Eingabe an die Spruchkammer zu Gunsten ihrer Freundin die richtigen Worte gefunden  (Ulf Diederichs, S. 40): „Nie hat sie daran gedacht, Propaganda für die Partei zu machen, wenn ihre Liebe zu Deutschland und der engeren Heimat sie zu einer phantastisch idealisierenden Anschauung der Persönlichkeit Hitlers hinriß.“ Im Urteil hieß es (Ulf Diederichs, S. 40): „Sowohl Motive wie Handlungen haben niemals NS-Geist verraten.“ 

Wir erfahren (Wagner, S. 100): „Im Dezember 1955 brachte die Monatsschrift Merian ein Sonderheft über Königsberg, und darin ein Erinnerungsblatt von Agnes Miegel, überschrieben Mein Dom. In einem Begleitbrief an die Schriftleitung sagte sie dazu, es sei ihr nicht gelungen, etwas nur objektiv Historisches zu schreiben. ‚Zu stark‘, schrieb sie, ‚ist meine persönliche Bindung. Und ich habe in meinem langen Leben gefunden, daß eine der dümmsten Lügen die vom Vergessen ist. ‚Zeit bringt Rosen‘ konnte bloß eine Spießerseele sagen über ihre kleinen Seelenwehwehs. Die Heimat zu verlieren, sie vernichtet zu sehen, geschändet, verwandelt, ferne alt zu werden, das eigene Volk zerstreut - was das bedeutet, wußten die alten Propheten, wußten Homer und Vergil.‘ “

1956 starb Lulu in Jena, wo sie verblieben war, während ihre Stiefkinder den Verlag in Westdeutschland weiterführten und auch das Werk Agnes Miegels betreuten, ihre Gesammelten Werke herausgaben.

Die künstlerische Deutung der Stadt Frankfurt am Main

Agnes Miegel beschäftigte sich - noch ganz aufgeschlossen für alles Neue - mit vielen Zeitfragen und künstlerischen Fragen. So schreibt sie 1959 in einem Brief  (Wagner, S. 68): „Ich war in einem Neubau bei einem jungen Ehepaar: sehr schlicht, sehr leer, aber doch wohl das Gegebene, wenn diese Schlichtheit von einem tiefen Allgefühl beseelt wird - alles Symbol des Höheren wird - sonst bleibt es Nüchternheit, die ins Triviale, ins Ärmliche absinkt.“ Wie greift die - noch in biedermeierlicher Bürgerlichkeit Aufgewachsene so vorurteilslos-aufgeschlossen, schnell und kühn aus einer einfachen Alltagsbeobachtung heraus in den großen Zeitenverlauf, wie gibt sie in wenigen Worten eine tief betroffen machende Deutung, ja: letztlich des seelischen Verfalls der Kulturvölker des Abendlandes (und der Wege des - möglicherweise - in ihm beschlossenen Wiederaufstiegs derselben).

Und (Wagner, S. 84): „Sie hatte viel gelesen und war viel gereist, und es war herrlich, sie davon erzählen zu hören. Ich erinnere mich noch deutlich daran, wie sie bei Professor Ziesemer von ihrem geliebten Frankfurt sprach, von Hölderlin und Diotima, und wenn ich später durch Frankfurt kam und am Mainufer stand, fiel mir ihre künstlerische Deutung dieser Stadt ein.“ Wie also dem „göttergeliebten, grünen, heiligen Streifen Land zwischen Weimar und Jena“ stand sie auch der Stadt Frankfurt mit großer Ehrfurcht gegenüber. Auch heute noch kann man in Frankfurt Stätten des Lebens und Dichtens von Friedrich Hölderlin aufsuchen. Heute aber braucht man schon viel Phantasie, um sich das alte Frankfurt und die früheren örtlichen Gegebenheiten zu rekonstruieren. - Und kein Museum, kein Gedenkstein, keine Erinnerungstafel hilft einem dabei, soweit es dabei um die Persönlichkeiten von Friedrich Hölderlin und „Diotima“ geht. (Diese Zeilen wurden 2002 geschrieben.)

Wie ist es da um so bemerkenswerter, daß Agnes Miegel in ihrer eigenen künstlerischen Deutung der  Stadt Frankfurt nicht an erster Stelle der (zit. n. Wagner, S. 115) „Sehnsucht nach all dem, was der große Zaubermeister ‚edel’ nannte,“ gedenkt, sondern der Liebe zwischen Diotima und Hölderlin. Das Werk und Leben Hölderlins scheint ihr, was Frankfurt am Main betrifft, im Vordergrund zu stehen. Dies ist auch heute noch, im Jahr 2002, eine sehr fortschrittliche Auffassung, zu der sich Frankfurt selbst - zumindest seit 1945 - nie bekannt hat.

- Und wie behielt sie immer sich ihr Herz für die Jugend! So wird ganz unmittelbar frisch berichtet (Wagner, S. 141): „Ich fahre“ (in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg) „mit ihr in Hannover in der Straßenbahn. Als wir zum Ausgang gehen, sehe ich, wie sie sich zu einem jungen Paar hinunterbeugt und etwas sagt. Vielleicht Ostpreußen, die sie am Dialekt erkannt hat? An der Tür wendet sie sich noch einmal um und nickt den beiden zu. Draußen berichtet sie: ‚Ich habe den beiden gesagt, sie sollen sich ein Los nehmen!‘ – ‚Ein Lotterielos?‘, frage ich erstaunt. – ‚Nun ja‘, meint sie, ‚ich hatte doch vorher gehört, wie sie zu ihm gesagt hat: Du, ich hab‘ heute nacht von sehr viel Geld geträumt ...‘ “  

Über den Ausklang der Feier ihres 80. Geburtstages spät am Abend nach dem Ende aller offiziellen Feierlichkeiten - und schon während des Aufbruchs - wird berichtet (Wagner, S. 141): „Aber in der großen Veranda standen im Halbkreis vor Agnes Miegel wohl noch etwa fünfzig Menschen, viel jugendliche, und sangen von Muskaten und braun‘ Nägelein. Und immer, wenn bei einer neuen Strophe die Jugend den Anfang nicht wußte, fiel Agnes als erste ein. Als das Lied schließlich zu Ende war, drehte Agnes sich zur Tür: ‚Jetzt muß ich aber gehen, auf Wiedersehen!‘ “ 

Am Sterbebett (1964)

Eugen Diederichs, den schon 1930 gestorbenen bedeutenden deutschen Verleger,  hatte Agnes Miegel sehr geschätzt, um so mehr, nachdem er seit 1916 mit ihrer engen Freundin Lulu von Strauß und Torney verheiratet war. Sein Sohn Niels Diederichs schreibt, wie er im Jahr 1964 am Sterbebett von Agnes Miegel weilte (Wagner, S. 105):

„Dann sprach sie davon, daß sie sich nun bald ‚zu den Vätern versammeln‘ werde. Es schien mir, daß sie bei diesen Worten an Gott-Vater wie auch an ihren eigenen Vater dachte - und schon brachte sie das Gespräch auf meinen Vater Eugen, dem sie so manches verdanke und den sie in seiner groß angelegten Natur immer bewundert habe. Als er im September 1930 in Jena starb, da war ganz unmittelbar das ihm gewidmete Gedicht Herbstgesang entstanden. Mit den Worten vom ‚Vater Diederichs‘ war auch ein Gedenken an ihre alte Lebensfreundin Lulu von Strauß und Torney verbunden, ohne daß ihr Name besonders erwähnt wurde. Es gibt Dinge, die lassen sich auch ohne Worte sagen. ... Ein stiller Kuß zum Abschied und ein langer Blick aus den tiefen, traumhaften Augen. Zu einem Winken mit der Hand, wie sie es so oft beim Fortgang an ihrer eigenen Haustür getan hatte, langte die Kraft nicht mehr.“ - - -

Der Diederichs-Verlag, vor allem auch Angehörige der Familie Diederichs selbst, betreuen noch heute - und stellen neu zusammen - wertvolle Ausgaben der Werke von Agnes Miegel. (.., ..) Ulf Diederichs, der „erstgeborene Enkel von Eugen Diederichs“, wie ihn Agnes Miegel nannte (Ulf, S. 46), schreibt 2004 (Ulf, S. 43): „daß  mir seit Jenaer Kindertagen Agnes Miegel wie selbstverständlich lieb und vertraut war“. Er schreibt über seinen Vater Niels (Ulf, S. 42): „In der Tat hat es für meinen Vater ein hohes Glück bedeutet, ihr Werk zu betreuen und zu dokumentieren, ‚in sozusagen vererbter Freundschaft’. Er hat sie intensiv teilnehmend erlebt, vornehm und großzügig, ‚frei von allen kleinlichen Erwägungen’; in all den Jahren habe es nie Differenzen gegeben.“ Und weiter schreibt Ulf Diederichs wie er (Ulf, S. 46) „für sie posthum zu ihrem Verleger in der dritten Familiengeneration wurde. Dank Anni Piorreck, meiner Mutter Inge Diederichs und dank der Mitstreiterin Christa Hinze gelang es unserem Trupp, immer neue kleine Miegeleien herauszubringen.“ Die Durchsicht des Familien- und Verlagsarchives, das inzwischen größtenteils an das Literaturarchiv in Marbach abgegeben wurde, brachte Ulf Diederichs die Erkenntnis (Ulf, S. 6): „Manche Sachverhalte, so wurde mir klar, sind noch unerforscht, manches Sprachgebilde noch kaum erschlossen, und auch das Leben Agnes Miegels hält immer noch Überraschendes und Unbekanntes bereit.“

Die intuitive Begabung von Agnes Miegel

Die Schriftstellerin Ina Seidel (1885-1974) ist wohl unter den langjährigen Freundinnen Agnes Miegels diejenige, die den künstlerischen Kern ihrer Persönlichkeit in der Deutung am anschaulichsten formuliert hat. Eine weitere Freundin Agnes Miegels berichtet hierüber  (Wagner, S. 124): „In diesen stillen Stunden vertraute sie“ (Agnes Miegel) „mir manches an, was sie im Bereiche des Zweiten Gesichtes erlebte. Es steht mir nicht zu, Offenbarungen so besonderer Art preiszugeben. (...) Einmal fragte ich sie, ob all dieses seltsame Erleben ganz der Verborgenheit und damit der Verlorenheit anheimfallen solle, worauf sie antwortete: ‚Ich habe alles in die Hände von Ina Seidel niedergelegt.‘

Sie schwieg versonnen, und ihr Blick war in weite Fernen entrückt. Ich fühlte es: das war ein großes Vermächtnis an eine sehr geliebte Freundin, und ganz nach den Bestimmungen, die sie getroffen, würde es von dorther einmal in Erscheinung treten oder verborgen bleiben.“

Ina Seidel hatte Agnes Miegel mit 27 Jahren im Jahr 1912 kennengelernt. Sie hatte schon kurz nach diesem Kennenlernen in einem Gedicht über ihre „Erste Begegnung“ geschrieben (Stimmen 1939):

(...)
Ihre Augen sahn hinter Tod und Grab
Und kannten nicht Raum und Zeit.
Ich fuhr an ihren Worten hinab
In den Brunnen der Ewigkeit.
(...)

Am 3. Januar 1914 schrieb Agnes Miegel an ihre Freundin Lulu (zit. n. Inge Diederichs, S. 266): „Da will ich dir noch sagen, daß ich Ina Seidel sehr mag, trotzdem mir diese Art übersensitiv-gute Naturen sonst gar nicht liegt, ich bin zu derb und heftig dafür, aber sie hat so was unendlich Rührendes, ich suche immer in ihrer Gegenwart ‚gut‘ zu sein, wie bei einem kranken Kind, sie hat so wunderbar klare Augen, wie ein guter Geist, ich muß mich immer wundern, daß sie einen wirklichen Mann und ein wirkliches Kind hat, ich komme mir daneben so erdenklebend vor.“

Wohl entsprechend dem obengenannten Vermächtnis verglich Ina Seidel nach dem Tod von Agnes Miegel dieselbe mit der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. - Im Jahr 1959 hatte Agnes Miegel sogar noch einen langen, leuchtenden Herbsttag lang Gelegenheit gehabt, den schriftlichen Nachlaß von Annette von Droste-Hülshoff einzusehen  (Wagner, S. 119): „Wie sie versunken am Fenster saß, Blatt um Blatt umwendete, und dann wieder den Blick in die stille, von Abendsonne durchleuchtete Landschaft versenkte.“ Beim Abschied sagte sie: „Ich habe mich heute vollgesogen wie eine Biene ...“ - Und Ina Seidel berichtet nun: „Beide sind als Dichterinnen im weitesten und höchsten Sinn zu betrachten, nicht allein, was die schöpferische Imagination und die gestaltende Sprachgewalt betrifft, sondern auch im Hinblick auf eine seherische Gabe, die in der ihnen eigenen Form häufiger Frauen als Männern verliehen zu sein scheint, aber nur selten in Verbindung mit hochgradig dichterischer Veranlagung auftritt. Es ist die geheimnisvolle Gabe, die als ‚zweites Gesicht‘ bezeichnet wird, und die im Bereich der Literaturgeschichte kaum nachweisbar ist. (...)

Was in dieses Gebiet hineingehört: Vorahnungen, Wahrträume, Empfänglichkeit für Gedankenübertragung und Fernwirkungen, auch für Stimmen und Geräusche, denen mit physikalischen Erklärungen nicht beizukommen ist; ebenso die Fähigkeit, Erscheinungen, die den meisten Menschen verborgen bleiben, optisch wahrzunehmen - kurz, alles, was über die fünf Sinne und den ‚Verstand der Verständigen‘ hinausgeht, wirkt sich dort, wo es bei durchschnittlicher oder mangelnder geistiger Begabung auftritt, meist als zwiespältig oder als Belastung schlechthin aus, da es das innere Gleichgewicht der damit Stigmatisierten stört.“ 

Mit diesen Worten ist auf eine große Zahl von Erscheinungen in der Kultur- und Religionsgeschichte der Völker angespielt, aufgrund derer sich etwa religiöse Menschen Selbsttäuschungen hingaben und -geben, und aufgrund derer „Priester“ und sonstige Personen aller Facetten danach strebten, unter Vorspiegelung angeblicher Kontakte zum „Übersinnlichen“ Macht zu gewinnen über andere, in ihrer Denk- und Urteilskraft geschwächte Menschen.

Die „Geradheit und Klarheit“ ihres „nüchternen Denkens“

Ina Seidel schreibt dann aber weiter und versucht dabei sicherlich, die eigenen Gedanken von Agnes Miegel zusammenzufassen (zit. n. Wagner, S. 13): „Wenn aber solche Fähigkeiten in Verbindung mit hohem geistigen Niveau auftreten und von ihrem Träger ständig kontrolliert werden - wenn dann noch überdurchschnittliche künstlerische Gestaltungskraft hinzukommt, die ausgleichend und positiv den Gefahren einer einseitigen und passiven medialen oder somnambulen Veranlagung entgegenwirkt, da ist die Voraussetzung gegeben, daß der Kreis der inneren Schau sich über das sinnenhaft Faßbare erweitert, daß die Imagination - das bildhafte Sehen - aufs höchste gesteigert wird. (...)

Schon seit unserer ersten“ (brieflichen) „Begegnung, 1911, hatten Gegenstände dieser Art im Mittelpunkt unserer Gespräche und unseres Briefwechsels gestanden. (...) Wie Agnes selbst darüber dachte, geht aus einem ihrer Briefe aus dem Jahr 1915 hervor, in dem sie sich zunächst für unfähig erklärt, einen Roman zu schreiben, und dann fortfährt:

‚Manche Leute würden lachen, wenn ich sage, ich habe keine Phantasie – aber es ist so. Meine Träume und Gedichte sind durchaus nicht Phantasie, sind das Gegenteil, eine Art medialer Kraft, die mich erfüllt wie ein Gefäß und gerade durch die Geradheit und Klarheit meines nüchternen und in diesen Dingen geschulten Denkens besonders gut ausgedrückt wird.‘

Daß sie selbst hier, in diesem Zusammenhang mit ihrer Gabe, von der ‚Geradheit und Klarheit meines nüchternen Denkens‘ spricht, offenbart, wie ihre Beziehung zum Übersinnlichen nicht allein durch ihre dichterische Gestaltungskraft im Gleichgewicht gehalten wurde, sondern wie darüber hinaus dieses Zusammenspiel geistiger Kräfte durch einen unbeirrbaren Blick für die Realität des sie umgebenden Lebens mit Einschluß der eigenen Person kontrolliert wurde. Dieser Wirklichkeitssinn ging, was ihre Menschenkenntnis und ihre Beurteilung menschlicher Zustände betrifft, so weit, daß er sich gelegentlich in unbarmherziger Schärfe auswirkte und jedenfalls damals Illusionen nicht zuließ, die sich zuweilen mit aggressiver Bitterkeit gegen sie selbst wandte oder sich in Resignation äußerte. Gerade dieser unerbittliche Realismus aber schien mir zu beweisen, daß auch hinsichtlich ihrer Erlebnisse der ‚anderen Seite‘ - ihrer Visionen, Gesichte und Träume - Selbsttäuschung ausgeschlossen war.“ Auch dem Autor dieser Zeilen scheint gerade diese „aggressive Bitterkeit gegen sich selbst“ ein deutlicher Prüfstein für den nüchternen Realitätssinn von Agnes Miegel zu sein. Für diese „aggressiven Bitterkeit gegen sich selbst“ sollten deshalb Beispiele gebracht werden. Und: Nicht zuletzt ihre falsche Einschätzung des Nationalsozialismus macht deutlich, daß intuitive Begabung keineswegs - sozusagen ganz selbstverständlich - vor weitreichenden Irrtümern behütet.

Ina Seidel weiter (zit. n. Wagner, S. 15f): „Wenn sie von ihrer ‚Gabe‘ sprach, meinte sie nie ihre Kunst, immer ausschließlich ihre Gabe der Träume und Gesichte, die sie als eine Begnadung, ein Charisma, eine ihr zuteil gewordene Einweihung in Randgebiete der großen Geheimnisse betrachtete. (...) Ebensowenig läßt sich bezweifeln, daß eine Genialität dieser Art die damit Begnadeten nicht zu Glückskindern im landläufigen Sinne macht. Sie sind leidensfähiger als der Durchschnitt ihrer Zeitgenossen, sie sind im rein Menschlichen immer wieder Prüfungen unterworfen, die zu bestehen Opfer und Entsagung erfordert, sie sind wie alle Menschen, und vielleicht in noch stärkerem Ausmaß, Versuchungen und Irrtümern ausgesetzt, und dem allen standzuhalten und es zu überwinden, erfordert einen Charakter, der die Vielfalt der sie auszeichnenden Gaben zugleich kontrapunktlich in Einklang bringt. Wo es, wie bei Agnes Miegel, zu diesem Einklang der künstlerischen und menschlichen Persönlichkeit gekommen ist, zu jener von ihr ausstrahlenden Harmonie der Versöhnung mit dem Geschick, die nur in aller Stille von ‚einer Seele, die gearbeitet hat‘, errungen werden kann, da stehen wir in Ehrfurcht vor dem Wunder einer wahrhaft erfüllten Berufung.“

Die „Aggressive Bitterkeit gegen sich selbst“

Die hier genannte „aggressive Bitterkeit gegen sich selbst“ ist an mancherlei Stellen in Berichten über ihr Leben und aus manchen ihrer Briefe ablesbar. Und gerade sie ist wohl eines der besten Zeugnisse dafür, daß hier tatsächlich ein Mensch immer wieder bei der Rückkehr von einem Flug seiner Seele ins „Jenseits“ (von Raum und Zeit - wie das von der Philosophie benannt wird) in den vormaligen „Seelenkerker“ in „aggressiver Bitterkeit gegen sich selbst“ Mauerstücke dieses Seelenkerkers wegzureißen drängte und die Fenster des Kerkers auch wirklich „aggressiv“ (und nicht nur „bürgerlich lahm“) zu erweitern suchte.

Agnes Miegel war sich bewußt, daß diese „Aggressivität gegen sich selbst“ nicht so weit gehen durfte, das eigene Licht gegenüber anderen, allzu „bürgerlichen“ Menschen unter den Scheffel zu stellen und dadurch allzu kleingläubig zu werden. Dies scheint gerade gegenüber ihrer großen, enttäuschenden Jugendliebe Börries von Münchhausen immer wieder Gegenstand des Gespräches gewesen zu sein (s. o.).

Wenn wir nach den in diesen Aufsätzen gebrachten Lebenszeugnissen von und über Agnes Miegel wieder in ihr erzählerisches Werk und in ihre Dichtungen schauen, ist uns vielleicht die Möglichkeit gegeben, vieles davon noch besser als zuvor in seinen tieferen Wurzeln zu verstehen.

Dann werden uns vielleicht auch die gelungene Lebensgestaltung und das Werk Agnes Miegels eine Ermutigung zur eigenen Entscheidung im eigenen Leben darstellen.

_____________

Benutzte Literatur:

  1. Miegel, Agnes: Spaziergänge einer Ostpreußin. Feuilletons aus den zwanziger Jahren. Hrsg. v. A. Piorreck. Eugen Diederichs Verlag, Köln 1985
  2. Miegel, Agnes: Wie ich zu meiner Heimat stehe. Ihre Beiträge in der „Königsberger Allgemeinen Zeitung“ (1926-1932). Hrsg. v. Helga und Manfred Neumann. Verlag Siegfried Bublies, Schnellbach 2000
  3. Miegel, Agnes: Gedichte. J.G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger (14. und 15. Tsd.) Stuttgart und Berlin 1927
  4. Miegel, Agnes: Herbstgesang. Neue Gedichte. Eugen Diederichs Verlag (9. - 18. Tsd.) Jena 1933
  5. Miegel, Agnes: Geschichten aus Alt-Preußen. Eugen Diederichs Verlag, Jena 1942 (1. Aufl. 1934) [enthält die Erzählungen „Landsleute“, „Die Fahrt der sieben Ordensbrüder“, „Engelkes Buße“, „Der Geburtstag“]
  6. Miegel, Agnes: Gesammelte Gedichte. Eugen Diederichs Verlag, (21.-25. Tsd.) Jena 1940 (1. Aufl.: 1936)
  7. Miegel, Agnes: Werden und Werk. Mit Beiträgen von Prof. Dr. Karl Plenzat. Hermann Eichblatt Verlag, Leipzig 1938 [„Durch Dichtung zum Dichten“, Bildnisse von 1905 u. 1938]
  8. Miegel, Agnes: Ostland. Gedichte. Eugen Diederichs Verlag, Jena 1940 [enthält Gedichte wie: „An den Führer“, „Hymne an Ostpreußen“ (1937), „Sonnwendreigen“ (Danzig 1939), „An Deutschlands Jugend“ (Herbst 1939)]
  9. Miegel, Agnes: Im Ostwind. Erzählungen. Eugen Diederichs Verlag, Jena 1940 [enthält die Erzählung „Lotte“]
  10. Miegel, Agnes: Und die geduldige Demut der treuesten Freunde ... Nächtliche Stunde mit Büchern. Verlag Wilhelm Langewiesche-Brandt, Ebenhausen bei München 1941
  11. Miegel, Agnes: Mein Bernsteinland und meine Stadt. (Mit 32 Farbtafeln.) Gräfe und Unzer Verlag, Königsberg/Pr. 1944 [eine große, lange, wenig bekannte Versdichtung]
  12. Miegel, Agnes: Gedichte und Prosa. Auswahl von Inge Diederichs. Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf, Köln 1977 [darin auch Briefe A. M.s]
  13. Miegel, Agnes: Gedichte aus dem Nachlaß. Hrsg. v. A. Piorreck. Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf, Köln 1979
  14. Miegel, Agnes: Es war ein Land. Gedichte und Geschichten aus Ostpreußen. (Redaktion: Ulf Diederichs und Christa Hinze) Eugen Diederichs Verlag, München 1983 (3. Aufl.: 1988)
  15. Agnes Miegel. Stimmen der Freunde zum 60. Geburtstage der Dichterin 9. März 1939. Jahresgabe der Agnes-Miegel-Gesellschaft, Bad Nenndorf 1984 (Eine Auswahl aus dem gleichnamigen Sonderdruck: Eugen Diederichs Verlag, Jena 1939)
  16. Wagner, Ruth Maria (Hrsg.): Leben, was war ich dir gut. Agnes Miegel zum Gedächtnis. Stimmen der Freundschaft. [Ostpreußisches Mosaik, Band X], Verlag Gerhard Rautenberg, Leer/Ostfriesland o. J. (Unveränd. Nachdruck der gleichnam. Ausgabe: Verlag Gräfe und Unzer, München 1965)
  17. Piorreck. Anni: Agnes Miegel. Ihr Leben und ihre Dichtung. Eugen Diederichs Verlag, Korrigierte Neuauflage, München 1990 (1. Aufl.: 1967)
  18. Seidel, Ina: Lebensbericht 1885-1923. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1970
  19. Starbatty, Ursula (Bearbeiterin): Begegnungen mit Agnes Miegel. Jahresgabe 1989/90 der Agnes-Miegel-Gesellschaft, Bad Nenndorf 1989
  20. Poschmann, Brigitte: Agnes Miegel und die Familie Münchhausen. Jahresgabe der Agnes-Miegel-Gesellschaft. Bad Nenndorf 1992
  21. Schücking, Beate E. (Hrsg.): „Deine Augen über jedem Verse, den ich schrieb“. Börries von Münchhausen - Levin Schücking - Briefwechsel 1897-1945. Igel Verlag Literatur, Oldenburg 2001
  22. Diederichs, Ulf: Agnes Miegel, Lulu von Strauß und Torney und das Haus Diederichs. Die Geschichte einer lebenslangen Freundschaft. Jahresgabe 2005 der Agnes-Miegel-Gesellschaft. Überarbeiteter Festvortrag zu Agnes Miegels 125. Geburtstag, gehalten am 6. März 2004 in Bad Nenndorf
Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...

Beliebte Posts (*darunter finden sich leider selten neuere Beiträge*)

Registriert unter Wissenschafts-Blogs

bloggerei.de - deutsches Blogverzeichnis

Haftungsausschluß

Urheber- und Kennzeichenrecht

1. Der Autor ist bestrebt, in allen Publikationen die Urheberrechte der verwendeten Bilder, Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte zu beachten, von ihm selbst erstellte Bilder, Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte zu nutzen oder auf lizenzfreie Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte zurückzugreifen.

2. Keine Abmahnung ohne sich vorher mit mir in Verbindung zu setzen.

Wenn der Inhalt oder die Aufmachung meiner Seiten gegen fremde Rechte Dritter oder gesetzliche Bestimmungen verstößt, so wünschen wir eine entsprechende Nachricht ohne Kostennote. Wir werden die entsprechenden Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte sofort löschen, falls zu Recht beanstandet.