Sonntag, 6. Februar 2022

Unsere Verwandten, die Bretonen

Das genetische Erbe der Glockenbecherleute in der Bretagne

Von der traditionellen Physischen Anthropologie ist immer schon gesagt worden, daß der Küstensaum der Bretagne von überdurchschnittlich vielen Menschen ausgeprägter nordeuropäischer Herkunft bewohnt wäre (Abb. 1).

Abb. 1: Frauen in der für das Bigaudenland typischen bretonischen Tracht auf dem "Festival Interceltique" von Lorient im Jahr 2009 (Wiki)

Auch auf der Karte der Verteilung der Blonden weltweit sieht man: Nördlich der Loire leben mehr blonde Menschen als südlich der Loire - und ebenso viele wie in Irland, Südwestengland, Ostfrankreich oder Süddeutschland (Wiki). 

Und nun zeigt eine neue genetische und archäogenetische Studie auf: In der Bretagne nördlich der Loire ist der Anteil der (indogermanischen) Steppengenetik (grün) höher als südlich der Loire (Abb. 2). Er ist dort heute sogar noch etwas höher als im Mittelalter (1):

Mittelalterliche Menschen des westlichen Frankreich besaßen im allgemeinen weniger Steppenherkunft als die heutigen Populationen.
We found Mediaeval samples from Western France to carry generally less steppe ancestry than their geographical close present-day populations.

Eine gute Erklärung wird dafür in der Studie nicht gegeben. Eine ähnliche Beobachtung wurde aber auch schon hinsichtlich heller Hautfarbe in Skandinavien gemacht, die dort heute noch weiter verbreitet ist als im Mittelalter. Ob dieser Umstand darauf zurück geführt werden kann, daß bei einer größeren Ungleichgewichtigkeit in der Verteilung von Wohlstand auf dem Land (durch Entstehung landarmer, "unterbäuerlicher" Schichten) Menschen mit einem höheren Anteil Steppengenetik in der Neuzeit kinderreicher waren als Menschen ohne einen solchen Anteil?

Abb. 2: Der Anteil Steppengenetik (grün) nördlich der Loire (Bretagne) und südlich davon, ebenso im Mittelalter (aus 1)

In der Zusammenfassung heißt es (1):

In der westlichen Bretagne findet sich der höchste Anteil von Steppenherkunft, die viele Gemeinsamkeiten mit den Genen der Glockenbecherleute aufweisen, Gemeinsamkeiten wie sie nur vergleichbar sind mit Populationen, die am nordwestlichen Rand von Europa liegen.
Samples from Western Brittany carry the largest levels of steppe ancestry and show high levels of allele sharing with individuals associated with the Bell Beaker complex, levels that are only comparable with those found in populations lying on the northwestern edges of Europe.
In der westlichen Bretagne liegt der Anteil der Steppenherkunft bei beinahe 50 % (Abb. 2). Auf diesen höheren Anteil Steppengenetik, der sich ebenfalls in Irland und im westlichen Britannien finden würde, wird auch die Gemeinsamkeit von vorliegenden angeborenen Krankheiten oder Eigenschaften zurück geführt (1):

Diese Ergebnisse passen zu der höheren Häufigkeit von Cystrischer Fibrose, Hemochromatose und Laktose-Persistenz, die es sowohl in der Bretagne wie in Irland gibt. Parallel dazu zeigen unsere Beobachtungen größere genetische Verwandtschaft von Poplationen des nördlichen Frankreich, vergleichbar denen der westlichen Bretagne mit heutigen Menschen in Deutschland. Hingegen weisen französische Populationen südlich der Loire genetische Verwandtschaft auf mit heutigen Spaniern und mit den Basken.
Such results fit with the reported higher frequencies of mutations associated with cystic fibrosis, hemochromatosis and lactose persistence shared between Brittany and Ireland. In parallel, our concordant observations reveal larger genetic affinities of populations from Northern France, compared those from Western Brittany, with present-day individuals from Germany (Fig. 3). As for present-day French populations located south to the river Loire, genetic proximity is observed with contemporary Spanish, and signals of shared ancestry with the Basques.

Ähnlich war das übrigens traditionellerweise auch von der sogenannten "Rassekunde" gesehen worden (2):

Die Küste der Normandie zeigt ein besonderes Vorwiegen der nordischen Rasse, auch der Küstensaum der in ihrem Inneren vorwiegend ostischen Bretagne.

Es war dies sicherlich auch damals schon vor allem anhand der Karten von der Verteilung von Menschen mit blonder Haarfarbe und blauer Augenfarbe geschehen.

Über den leicht erhöhten Anteil an westeuropäischer Jäger-Sammler-Genetik in der Bretagne (s. Abb. 2) wird übrigens gemutmaßt, daß dieser von Hochseefischern stammen könnte, die an der Küste noch länger für sich fortexistieren konnten, während im Landesinnern schon die neolithischen Bauern verbreitet waren (1).

Nach der Studie teilen die Bretonen 24 % ihrer Genetik mit den Iren, ein viel höherer Prozentsatz als mit den Walisern und den Menschen aus Cornwall (1). Die Genetik der Iren findet sich auch sonst in Frankreich. Diese Gemeinsamkeit mit den Iren wird auf die vorrömische keltische Eisenzeit zurück geführt, während die Gemeinsamkeit mit Wales und Cornwall auf die Zuwanderungen in der Zeit der Angelsachsen zurück geführt wird.

Es wird sogar gemutmaßt, daß ein höherer Anteil von mittelneolithischer (mediterraner) Bauernherkunft erst mit der Zuwanderung germanischer Stämme (der Franken) nach Nordfrankreich im Frühmittelalter gekommen wäre, was heißen würde, daß die dortigen Kelten zuvor im allgemeinen einen höheren Anteil von Steppengenetik in sich trugen als die zuwandernden Germanen.

_______

  1. Genetic population structure across Brittany and the downstream Loire basin provides new insights on the demographic history of Western Europe. Isabel Alves, Joanna Giemza, Michael Blum, Carolina Bernhardsson (...) Eske Willerslev (...) Emmanuelle Genin, Jean-Francois Deleuze, Richard Redon and Christian Dina, bioRxiv. posted 4 February 2022, 10.1101/2022.02.03.478491     http://biorxiv.org/content/early/2022/02/04/2022.02.03.478491
  2. Hans F. K. Günther: Rassenkunde Europas. 1926 (s. G-Bücher)

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