Zum Thema der Blogartikel-Serie "Völker zwischen Kaukaus und Levanteraum ..." ist soeben erneut ein Forschungsartikel erschienen. (1). Hier deshalb Teil 5 zu dieser Blogartikel-Serie.
Abb. 1: Neu sequenzierte Menschenfunde von Cayönü in ihrem geographischen und genetischen Verhältnis zu umliegenden Populationen (aus 1) |
Es ist Knochenmehl von 33 Menschenfunden des berühmten Ausgrabungsortes Cayönü (Wiki) in der südöstlichen Türkei gewonnen worden. Dieses ist auf erhaltenes Genmaterial hin untersucht worden. Dieses ist dann sequenziert worden (rote Sterne in Abb. 1). Das älteste gewonnene Genom ist auf etwa 8.400 v. Ztr. datiert, das jüngste auf 7.500 v. Ztr.. Alle Genome stammen deshalb aus der Zeitepoche des PPNB.
Wie schon in Abbildung 1 zu sehen, stehen die PPNB-Menschen von Cayönü genetisch auf der Mitte zwischen der anatolischen und der Levante-Genetik, dabei leicht in Richtung auf die iranische Genetik hin verschoben. Die Nähe in Bezug auf die Genetik deckt sich also ziemlich gut mit den geographischen Entfernungen. Das dürfte heißen, daß die Bevölkerung von Cayönü größtenteils einheimischen Ursprungs ist und aus örtlichen Jäger-Sammler-Populationen hervorgegangen ist.
Es gibt einen Ausreißer, der genetisch deutlicher in Richtung iranischer Genetik verschoben ist ("cay008"). Dabei handelt es sich um die Überreste eines eineinhalb- bis zweijährigen Kindes. Eine Großtante dieses Kindes über die väterliche Linie ist ebenfalls vor Ort gefunden worden. Die iranische Genetik wird also eher über die mütterliche Seite nach Cayönü und in dieses Kind gekommen sein. Das Kind weist außerdem Schädeldeformierungen auf, wie sie von Schädelbandagierungen hervorgerufen werden und wie sie mehrmals in Cayönü und in dieser Zeit auch sonst im Fruchtbaren Halbmond festgestellt worden sind. An seiner Genetik wird erkennbar, daß die Vermischung zwischen anatolischer und iranischer Genetik tatsächlich auch im Kernraum des Fruchtbaren Halbmonds schon im PPNB begonnen hat (1):
Wir schätzen, daß cay008-Genom 50 % epipaläolithisch-anatolische Genetik und 50 % Genetik des neolithischen (Nordwest-)Zagros in sich trug und keine südlevantinische Herkunft aufwies, die sich in allen anderen Cayönü-Genomen findet. Wir können cay008 modellieren als eine Mischung von 79 % lokaler Cayönü-Genetik und 21 % (Nordwest-)Zagros-Genetik.We estimated that the cay008 genome carried 50% Anatolia_EP and 50% Zagros_N ancestry (SE ± 5%, p-value > 0.05) and lacked a significant South Levant component found in the rest of Çayönü genomes (Fig. 2C). We were also able to model cay008 as a mixture of the “local” Çayönü sample (79%, SE ± 8%) and Zagros-like (21%, SE ± 8%) ancestries (p-value > 0.05).
Da bislang für diese Zeit keine einschneidenden Ereignisse aus der Archäologie bekannt sind, kann diese Genetik auch auf friedlichem Weg nach Cayönü gekommen sein. Es heißt dazu in der Studie (1):
Aus Sicht der Archäologie teilt Cayönü einige kulturelle Muster mit dem östlichen Flügel des neolithischen Südwest-Asien, insbesondere mit solchen im Tal von Tigris und Euphrat und im nordwestlichen Zagros-Gebirge.Archaeologically, Çayönü shares a number of distinctive features with PPNA/PPNB settlements in the eastern wing of Neolithic Southwest Asia, particularly those in the Tigris and Euphrates basins and Northwest Zagros.
Zu weiteren Vermischungsprozessen kam es dann aber erst nach dem PPNB.
Weitere Vermischungen im Übergang zum Keramikum
Es wird nämlich erkennbar, daß das vorkeramische anatolische Neolithikum ("PPN") sich genetisch noch deutlicher von dem anatolischen keramischen Neolithikum ("PN") unterschieden hat (s. Abb. 1). Nachmals lebende Menschen in Catalhöyük im Nordwesten des Fruchtbaren Halbmonds scheinen genetisch von Menschen beeinflußt worden zu sein wie solchen, die in Cayönü lebten (1).
Und solche Menschen scheinen sich beim Übergang zum Keramikum zwischen 7.000 und 6.500 v. Ztr. nach Norden ausgebreitet zu haben und dabei scheint es zu Vermischungen mit Menschen aus dem nördlicheren Anatolien gekommen zu sein (1).
In Abbildung 1 unten sind noch einmal schön die vorherrschenden Hausbauformen der jeweiligen Zeitstellung dargestellt. Im PPNA gab es noch überall Rundhäuser, ab dem PPNB breiteten sich rechteckige Häuser aus. Das gilt für Cayönü, weiter östlich, im Zagros-Gebirge und im Kaukasus sind allerdings die Rundhäuser noch viel länger beibehalten worden (sogenannter "Rundhaus-Horizont").
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- A genomic snapshot of demographic and cultural dynamism in Upper Mesopotamia during the Neolithic Transition. N. Ezgi Altinisik, Duygu Deniz Kazanci, Ayca Aydogan, Hasan Can Gemici, Omur Dilek Erdal, Savas Sarialtun, Kivilcim Basak Vural, Dilek Koptekin, Kanat Gurun, Ekin Saglican, Gokhan Cakan, Meliha Melis Koruyucu, Vendela Kempe Lagerholm, Cansu Karamurat, Mustafa Ozkan, Gulsah Merve Klinc, Arda Sevkar, Elif Surer, Anders Gotherstrom, Cigdem Atakuman, Yilmaz Selim Erdal, Fusun Ozer, Asli Erim-Ozdogan and Mehmet Somel. bioRxiv. posted 1 February 2022, 10.1101/2022.01.31.478487, http://biorxiv.org/content/early/2022/02/01/2022.01.31.478487
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