Mittwoch, 17. November 2021

Tiere betreiben "Social Distancing"

Selbstloser Dienst am Gemeinwohl
- Neue Erkenntnisse zur Immun-Gruppenpsychologie

Schon bei Ameisen und bei vielen anderen Tierarten ziehen sich einzelne erkrankte Tiere aus der Gemeinschaft zurück. Die Gemeinschaft grenzt sich nach außen ab, weil in anderen Gemeinschaften andere Krankheitskeime vorherrschen als in der eigenen. Gemeinschaften jedoch, die sich zu sehr abgrenzen, können sich gegebenenfalls nicht schnell genug an neue Krankheitskeime anpassen und sterben massenhaft dahin. Das bekannteste Beispiel ist Mittelamerika im 16. Jahrhundert.

Aber ein solches Geschehen kann es natürlich auch zu anderen Zeiten in der Weltgeschichte gegeben haben. Manche Archäogenetiker schreiben der Pest im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Indogermanen eine solche Rolle zu. Auf jeden Fall gibt es eine Risikovariante dafür, an Covid 19 zu sterben (SNPedia). Die Hälfte aller Inder besitzt sie, in Ostasien aber gibt es diese Risikovariante aber kaum und bei Menschen europäischer Herkunft nur zu etwa 8 Prozent (6-9). Das könnte daran liegen, daß diese Risikovariante (die nur vom Neandertaler stammt - nicht vom Denisova-Menschen, nicht vom anatomisch modernen Menschen aus Afrika) schon in früheren Epidemien in Asien und z.T. in Europa "ausgerottet" worden ist.

Durch solches Geschehen, bzw. in Auseinandersetzung mit solchem Geschehen sind im Tierreich schon früh Verhaltensinstinkte evoluiert worden. Über einen neuen Artikel in der Zeitschrift "Science" (1) wird in "Bild der Wissenschaft", bzw. "Natur" berichtet (2):

Wie Tiere auf Distanz gehen - Social Distancing in der Natur - Anhand von Beispielen zeigen Forscher auf, wie verbreitet die verschiedenen Formen des Social Distancings bei Tieren sind und welche Parallelen sowie Unterschiede es dabei zum menschlichen Verhalten gibt. Welche Formen des Abstandhaltens es gibt..

Damit wird auf ein Thema aufmerksam gemacht, das wir hier auf dem Blog schon vor 13 Jahren aufgegriffen hatten (3, 4), und an das wir uns durch diesen Artikel wieder erinnern. Nämlich daß die Gruppenpsychologie des Menschen und sein sonstiges Verhalten mitgeleitet sind von der Gefahr von sich ausbreitenden Krankheiten.

Mandrill (Wiki)

Ein erster Hinweis dafür ist, daß schwangere Frauen, geleitet durch das Vertrauenshormon Oxytocin auf "Fremde", "fremdartige Menschen" stärker reagieren als wenn sie nicht schwanger sind. Menschen aus fernen Ländern können Träger von Krankheitskeimen sein, an die die Körper einheimischer Menschen nicht angepaßt sind. Und schwangere Frauen sind diesbezüglich noch einmal besonders gefährdet.

Es ist naheliegend, daß die Gruppenpsychologie schon seit Jahrtausenden darauf - unbewußt oder bewußter - selektiert worden ist und reagiert, unter anderem auch mit Ethnozentrismus, mit Bezogenheit auf die eigene Gruppe und mit Abgrenzung von anderen Gruppen, also mit: "Social Distancing". Wir lesen (1):

Mandrills (eine in Gruppen lebende Halbaffen-Art) gehen strategisch mit ihrem Distanzierungsverhalten um: Sie meiden kranke Artgenossen, doch sie erhöhen manchmal ihr Infektionsrisiko, indem sie sich weiterhin um infizierte Verwandte kümmern.
Es wird ausgeführt, daß sich nicht nur Menschen, sondern auch kranke Tiere - zum Beispiel Fledermäuse - aus dem sozialen Umfeld zurückziehen, wenn sie krank werden. Gerade sozial lebende Tiere, insbesondere in komplexen Gesellschaften scheinen hier besonders eindrucksvolle Abwehr-Mechanismen ausgebildet zu haben (2):

Eine Parallele dazu ist von Ameisen bekannt: Bei manchen Arten verlassen kranke Individuen gezielt die Gemeinschaft. Diese Reaktionen betrachten die Forscher als einen selbstlosen Dienst für das Gemeinwohl: Die aktive Selbstisolation schützt den Rest der Kolonie vor einer Ansteckung. Bei Bienen ist hingegen ein Beispiel für den Fall dokumentiert, bei dem die gesunden Individuen gezielt für Distanz zu den Kranken sorgen, um die Gemeinschaft zu schützen. Durch bestimmte Anzeichen können die Insekten manche Erkrankungen bei ihren Stockgenossen erkennen und reagieren dann recht rabiat: Die Infizierten werden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

 / Entwurf: 10.3.21 /

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  1. Infectious diseases and social distancing in nature | Science (sciencemag.org)Sebastian Stockmaier, Nathalie Stroeymeyer, Eric C. Shattuck, Dana M. Hawley, Lauren Ancel Meyers, Daniel I. Bolnick, Science Mag., 5.3.2021
  2. Wie Tiere auf Distanz gehen - Social Distancing in der Natur, 8.3.2021, https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/social-distancing-in-der-natur/
  3. Bading, Ingo: Studium generale: Beeinflussen Krankheitsgefahren die Gruppen- und Religionspsychologie? (studgendeutsch.blogspot.com), 5.8.2008
  4. Bading, Ingo: Studium generale: Der „infizierte Volkskörper“, die „kranke Kirche“ (studgendeutsch.blogspot.com), 8.8.2008
  5. Hannes Rusch, Charlotte Störmer: An Evolutionary Perspective on War Heroism, 2015, https://www.militairespectator.nl/thema/ethiek/artikel/evolutionary-perspective-war-heroism
  6. Zeberg/Pääbo, Svaante: The major genetic risk factor for severe COVID-19 is inherited from Neanderthals, Nature, 30.9.2020, https://www.nature.com/articles/s41586-020-2818-3 
  7. Identification of LZTFL1 as a candidate effector gene at a COVID-19 risk locus, Nature Genetics, 4. November 2021, https://www.nature.com/articles/s41588-021-00955-3
  8. Podbregar, Nadine: Covid-19: Risiko-Genvariante erhöht Sterberisiko 15. November 2021, https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/covid-19-risiko-genvariante-erhoeht-sterberisiko/
  9. https://opensnp.org/snps/rs17713054 

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