Abb.: Äpfel (Wiki) |
Woher aber eigentlich kommt er, der Apfel. Dieses so durch und durch europäisch und einheimisch anmutende Obst. Nun: Der nächste genetische Verwandte unserer domestizierten Apfelsorten (Wiki) ist - - - der "Asiatische Wildapfel". Darauf werden wir aufmerksam aufgrund einer interessanten Rezension in der Zeitschrift "Antiquity" (1). Auf Wikipedia lesen wir dazu ergänzend (Wiki):
Die Heimat des Asiatischen Wildapfels liegt in Zentralasien; das Verbreitungsgebiet erstreckt sich vom südlichen Kasachstan über Kirgisistan und Tadschikistan bis ins chinesische Xinjiang. An einigen Stellen des Tianshan-Gebirges ist der Asiatische Wildapfel bestandsbildend. So steht beispielsweise ein großer Apfelbaumwald im Dsungarischen Alatau, einem Bergzug des Tianshan-Gebirges. Er wächst auf einer Höhe zwischen 1500 und 2200 m. (...) Im Habitus ist er dem Kulturapfel (Malus domestica) recht ähnlich. Seine Früchte sind die größten von allen wilden Apfelarten; sie werden bis zu 7 cm groß. Ihr Geschmack ist unterschiedlich und reicht von sauer bis süß. Die Früchte einiger Exemplare des Asiatischen Wildapfels aus dem Tianshan-Gebirge sind sehr wohlschmeckend und durchaus mit dem Kulturapfel vergleichbar.
Er stammt also aus der Dsungarei, unser Apfel. Waren es schon dortige (westsibirische?) Jäger und Sammler, die herzhaft in ihn gebissen haben? Sicherlich. Aber vielleicht ist er doch erst von der ersten dortigen Bauernkultur, von der Marghiana-Kultur (Wiki) domestiziert worden?
Von der Marghiana-Kultur domestiziert?
Die Hauptstadt von Kasachstan ist sogar nach dem Apfel benannt. "Alma" heißt auf Kasachisch Apfel, und Alma-Ater "Apfel der Äpfel" oder auch "Vater der Äpfel". Kasachisch ist eine Turksprache. Noch ist unter Sprachforschern nicht geklärt, ob unser Wort "Apfel" abgeleitet ist von Alma oder ob umgekehrt Alma von Apfel abgeleitet ist oder ob beide unabhängiger Herkunft sind. Sicherer sind sich die Sprachforscher da schon über die Appel-Apfel-Grenze (Wiki), die sich ab 600 n. Ztr. mit der "zweiten (deutschen) Lautverschiebung" (Wiki) ergeben hat. Ursprünglich hieß in Deutschland der Apfel "Appel", bis sich eben zwischen 620 und 640 n. Ztr. vom gemeinsamen nord- und südalpinen Kulturraum der damaligen Baiern und Langobarden ausgehend die "neumodischere" Aussprache Apfel ausbreitete. Und das Wort "Apfel/Appel" ist westindogermanischen Ursprungs (Wiki):
Das Wort Apfel wird auf die indogermanische Grundform *h₂ébōl zurückgeführt, die nur Fortsetzungen im Nordwestindogermanischen (Germanisch, Keltisch, Baltisch und Slawisch) hat und dort in allen Formen den Apfel bezeichnet. In der Forschung herrscht Uneinigkeit darüber, (...) ob es sich um (...) eine Entlehnung aus einer nicht-indogermanischen Sprache (vgl. kasachisch alma, burushaski báalt) handelt.
Wenn es unter allen westindogermanischen Völkern eine gemeinsame Herkunft des Wortes "Apfel" gibt, könnte daraus abgeleitet werden, daß sich das Wort - und die domestizierten Äpfel selbst - auf den Rinderwagen der sich gen Westen ausbreitenden Schnurkeramiker oder der Glockenbecherleute um 2.800 v. Ztr. über Europa hinweg ausgebreitet haben. Da die Verwandten dieser westindogermanischen Völker als Afanasievo-Kultur (Wiki) schon ab 3.500 v. Ztr. die Nordhänge des Tianshan-Gebirges besiedelt haben, könnte von ihnen ausgehend sich der domestizierte Apfel nach Westen ausgebreitet haben.
Zentralasien als Ursprungs- und Transferraum von domestizierten Pflanzen
Über die zum Teil sehr weit auseinander liegenden Routen der Seidenstraße haben sich aber über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg auch noch viele andere domestizierte Pflanzenarten Richtung Westen und Richtung Osten ausgebreitet. Über das neu erschienene Buch zu diesem Thema heißt es (1):
Einer größeren Öffentlichkeit wird durch die systematischen und detaillierten Diskussionen (...) ein Blick in diese faszinierende und noch ganz unbekannte Welt eröffnet. Wir erfahren etwas über die reiche Kultur- und Umweltgeschichte dieser Oasen, dieser Täler, Gärten, Flüsse und Wüsten, wir erfahren etwas über mittelalterliche Karawanen und über Städte wie Samarkand und Buchara, und über deren Märkte, die den Reisenden und Anwohnern eine große Vielfalt an Früchten, Gemüsesorten und Gewürzen zum Kauf anbieten.Bemängelt wird, daß in dem Buch fehlen würde ...
His systematic and detailed discussions (...) have opened up this fascinating but still unfamiliar world to a wider audience. We learn of the rich cultural and environmental history of these oases, valleys, gardens, rivers and deserts, of medieval caravans and of cities such as Samarkand and Bukhara, whose markets offered a huge variety of fruits, vegetables and spices to travellers and residents alike.
... eine Tafel, um eine Übersicht zu gewinnen, welche Nahrungsmittel im Osten ihren Ursprung haben und Richtung Westen ausgebreitet wurden (z.B. Reis, Hirse, Pfirsich, Apfelsinen), welche im Westen ihren Ursprung haben und sich Richtung Osten ausgebreitet haben (z.B. Weizen, Gerste, Weintrauben) und welche in Zentralasien ihren Ursprung haben (z.B. Äpfel, Pistazien, Quitten), sowie wann die Ausbreitungbewegung ungefähr statt hatte.
.... a table included to set out clearly which foods originated in the East and travelled West (e.g. rice, broomcorn millet, peach, orange), which originated in the West and travelled East (e.g. wheat, barley, grapes) and which originated in Central Eurasia (e.g. apples, pistachios, quince) and approximately when these transfers occurred.
Haben sich die hier erwähnten Weintrauben aber wirklich von Westen nach Osten ausgebreitet?
Der erste domestizierte Wein - in China oder im Kaukasus?
In einem weiteren neuen Buch berichtet vielmehr der Archäologe Peter Kupfer über (4)
Funde aus Jiahu in der nordchinesischen Provinz Henan. Dort entdeckten Archäologen um Patrick McGovern von der University of Pennsylvania im Jahr 2004 Gefäße aus der Zeit um 7000 vor Christus, in denen Rückstände eines fermentierten Getränks erhalten waren. Nähere Analysen enthüllten, daß dieses Getränk eine Mischung aus Bier, Wein und Met darstellte. Es wurde mit Weintrauben, Reis, Honig und bestimmten Pilzkulturen hergestellt. Nur wenig später, vor rund 8000 Jahren, wurde auch in Georgien mit dem Weinbau begonnen, wie archäologische Funde nahelegen.
Daß der möglicherweise älteste Wein der Welt ausgerechnet in China gefunden wurde, ist kein Zufall, wie Kupfer erklärt. Denn in dieser Region wuchs damals die größte Vielfalt und Dichte an wilden Weinarten. Noch heute gibt es in China mehr als 40 wilde Vitis-Arten, davon 30 originär einheimische Spezies. Einen starken Aufschwung erhielt Chinas frühe Weinherstellung vor allem während der Bronzezeit, als Angehörige der nomadischen Rong- und Di-Stämme aus dem Gebiet des heutigen Iran nach China vordrangen. „Diese Stämme brachten ihre Weinbaukultur und Winzerkünste aus Zentralasien und dem Alten Persien in den Norden Chinas und begannen dort die Kultivierung und den Handel mit Wein“, berichtet Kupfer.
Das hieße: Domestizierter Wein 7.000 v. Ztr. in Nordchina, 6.000 v. Ztr. in Georgien (Südkaukasus, wo es schon riesige Weinbottiche gab).
Schon seit Jahrzehnten ist der Bloginhaber fasziniert von dem immer genaueren Wissen um die Herkunft und Geschichte so vielen verschiedener Tier- und Pflanzenarten, die vom Menschen domestiziert wurden oder die sich als Kulturfolger an das Zusammenleben mit dem Menschen angepaßt haben (z.B.: Hausmaus, Hausratte oder Hauskatze). Sie alle sind z.T. wichtige Erkenntnisquellen des Historikers und Archäologen, da wichtige Indikatoren für Besiedlungsdichte, gesellschaftliche und wirtschaftliche Komplexität, Fernhandel und vieles andere mehr.
Seit mehreren Jahrzehnten ist ja gut gesichert, daß viele heute in Europa gebräuchliche Pflanzen- und Tierarten aus dem Fruchtbaren Halbmond stammen. Der nächste wilde Verwandte des Einkorn-Weizens etwa wächst heute noch im Karacadac-Gebirge in der Südtürkei. Ähnlich haben wir hier auf dem Blog immer einmal wieder Artikel veröffentlicht zur Erforschung der Domestizierung und Ausbreitung von Hirse, Reis, Mais, Hausrind, Hausschwein, Pferd oder Haushuhn. (Siehe Stichworte "Domestikation" oder "Hausmaus").
Mit den Indogermanen hat sich vielleicht auch die osteuropäische Hausmaus bis zur Donau und zur Elbe ausgebreitet (2). Und auch unsere Haushühner (Wiki, engl) stammen aus dem Osten (3). Sie könnten - nach derzeitigem Forschungsstand (Wiki, engl) - schon im 6. Jahrtausend v. Ztr. in China domestiziert worden sein. Unsere heutigen Hühnerrassen stammen aber offensichtlich aus Indien im 3. Jahrtausend v. Ztr. (3). Von dort haben sie sich früh nach Osten (Ukraine, Rumänien, Anatolien) ausgebreitet. Vielleicht auch mit den Indogermanen? Allerdings werden in den Dichtungen des griechischen Dichters Homer um 800 v. Ztr. keine Haushühner genannt. Um diese Zeit breiteten sie sich dennoch in der Ägäis und im nördlichen Mittelmeerraum aus. Und von dort breiteten sie sich auch zu den Kelten an der Donau im 7. Jahrhundert v. Ztr. (3). Vermutlich mit den Römern haben sich die Haushühner dann über den Limes hinaus nach Norden ausgebreitet.
Also, denken wir ab und zu einmal bei einem herzhaften Biß in einen Apfel an unsere fernen, ausgestorbenen Verwandten, die frühen Indogermanen der Afanasievo-Kultur am Nordhang des Tianshan-Gebirges.
- Marijke van der Veen: Rezension von Robert N. Spengler III. "Fruit from the sands: the Silk Road origins of the foods we eat" (University of California Press, Oakland 2019) In: Antiquity, Volume 94, Issue 374, April 2020 , pp. 553-555 (Antiquity)
- Bading, Ingo: 2014, https://studgendeutsch.blogspot.com/2014/09/die-stadte-der-indogermanen-und-ihre.html
- Bading, Ingo: 2007, https://studgendeutsch.blogspot.com/2007/04/hhner-sind-in-nordeuropa-christliche.html
- Nadja Podbregar: Der Ursprung des Weinbaus liegt in China, 21. April 2020, https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/der-ursprung-des-weinbaus-liegt-in-china/
1 Kommentar:
In Afrika oder Amerika gab es vor der Kolonialisierung keine Äpfel. Nur in Asien und Europa.
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