Samstag, 4. März 2023

"Gibt es das 'wilde Denken' auch in Europa?"

Der deutsche Biologe und Philosoph Andreas Weber gibt überraschende, eigenständige Antworten

Der Begriff "wildes Denken" stammt von dem französischen Ethnologen jüdischer Herkunft Claude Lévi-Strauss (1908-2009). Innerhalb der Völkerkunde stellt er ein wichtiges Denkkonzept dar. 

Strauss benannte mit "Wildem Denken" Denkweisen der naturnah lebenden menschlichen Kulturen, die auf traditionell ganzheitlichen und mythisch erklärten Weltanschauungen beruhen. Alle Wesen, Dinge und Phänomene werden dabei durch einen allumfassenden, magischen Zusammenhang miteinander verbunden. Dieser Zusammenhang beruht nicht auf abstrahierenden und rationalen Überlegungen (Wiki).


Der deutsche Filmemacher Rüdiger Sünner hat über dieses "wilde Denken" 2020 ein Gespräch geführt mit dem von uns schon länger als schätzenswert aufgefallenen deutschen Biologen und Philosophen Andreas Weber (geb. 1967) (Wiki). Andreas Weber äußert in diesem Gespräch für uns außerordentlich überraschende Gedanken, die uns hier auf dem Blog mehr als wichtig erscheinen müssen (1; 20'47-25'39). 

Diese Gedanken stellen eine echte Bereicherung dar. 

Es geht darum, daß es "wildes Denken", "animistisches Denken", "schamanisches Denken" auch in Europa gab, immer gab. Daß dieses "Denken" aber durch die Einführung des Christentums verloren gegangen ist, ja, "verdammt" wurde. Und es geht darum, daß die Anknüpfung der Europäer an dieses frühere "wilde Denken" erfolgte immer wieder erneut über eine Auseinandersetzung mit der antik-griechischen Kultur.

Und tatsächlich: In dieser antik-griechischen Kultur hat ja die animistische Weltauffassung und das moderne wissenschaftliche Denken immer völlig parallel nebeneinander her bestanden und einander befruchten können und hat nicht gar zu kraß einander gegenseitig infrage gestellt. 

Andreas Weber benennt nun einmal erneut Friedrich Hölderlin insbesondere als einen derjenigen, die um dieser "animistischen", "wilden", "schamanistischen" Komponente willen diesen Rückbezug zum antik-griechischen Denken und seiner Kultur gesucht haben.

Keine Frage, Andreas Weber hat recht. Man muß sich ja nur die Antigone-Tragödie von Sophokles ansehen und die Rolle, die sie sowohl einerseits im klassischen Griechenland gespielt hat ebenso für Hölderlin (oder für seinen Freund Hegel), um zu sehen, wie intensiv das Denken der fortschrittlichsten Denker des 19. Jahrhhunderts auch um diesen "animistischen", "wilden", "schamanistischen" Kerninhalt der antik-griechischen Kultur gekreist hat.

Andreas Weber erscheint uns insbesondere deshalb als ein so wesentlicher Denker und Autor, weil er sich sehr behutsam äußert. Er äußert sich, soweit wir sehen können nie in einem eklatanten Widerspruch zum modernen wissenschaftlichen Weltbild. Vielmehr stellen seine Äußerungen eine notwendige und angemessene Ergänzung, Vervollständigung des modernen, naturwissenschaftlichen Weltbildes dar. Und diese Ergänzung und Vervollständigung erscheint uns so unendlich notwendig. Und es erscheint uns so unendlich notwendig, über diese Ergänzung und Vervollständigung angemessen sprechen zu lernen. Und nicht zu schwurbeln. Ein angemessenes Reden darüber findet sich ja für uns auch - beispielsweise - in so durch und durch rationalen Vorträgen wie denen des Hirnforschers Gerhard Roth, die unter dem Titel "Wie das Gehirn die Seele macht" zu finden sind.

Der springende Punkt ist: "Wildes Denken" enthielt natürlich immer auch Aberglaube. Etwa daß Götter oder Geister durch Blitze oder Naturkatastrophen strafen könnten, und daß man sich deshalb ihre Gunst erhalten müsse. Diesen Aspekt des "wilden Denkens", der im 19. und 20. Jahrhundert in Form von Monotheismus, Okkultismus, Esoterik und Parapsychologie fröhliche Urständ feierte und feiert, diesen Aspekt "wiederzubeleben" wäre der größte Unsinn, der modernen Gesellschaften angetan werden kann.

Aber das "wilde Denken" enthält eben daneben auch den Aspekt, Natur als etwas Ganzheitliches und Beseeltes anzusehen, ganz unabhängig von allem gar zu vordergründigen Lohn-Straf-Denken, tit-for-tat-Denken. Und diesen Aspekt wiederzubeleben, und zwar auch so, wie davon Andreas Weber spricht, das erscheint uns als sehr bedeutsam.

"Das schamanische, das indigene Griechenland"

Wir wollen im folgenden die wichtigsten Teile des Interviews als Transkript wieder geben. Das Transkript haben wir leicht überarbeitet, um es leserlicher zu machen. Auf die Frage "Gibt es das 'wilde Denken' auch in Europa?" gibt Andreas Weber die folgende fünfminütige Antwort (1; 20'47-25'39):

Erst einmal ist klar, daß natürlich auch die Europäer zu einem bestimmten Zeitpunkt schamanische Kulturen waren. Also es ist auch klar - und das ist eigentlich auch nicht besonders umstritten, daß diejenigen, die in Europa Felsbilder gemalt haben, in ihrer Kulturform denen geähnelt haben, die heute noch Felsbilder malen in Australien oder in Südafrika. Das ist schon einmal klar. Das ist schon nicht so ganz beliebt bei europäischen Urzeitforschern. Weil es diese Berührungsängste gibt. Aber es wäre wirklich ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, wenn man das abstritte. Also es ist völlig klar, daß unsere Kultur daher kommt.
Dann ist auch sehr wichtig zu sehen, daß wir über diese Form von schamanischer europäischer Urkultur eigentlich ausschließlich durch die Brille der kirchlichen Kolonisation sprechen können. Und dann wird das alles zum Heidnischen. So wie auch die Kolonisatoren in Südafrika von den Heiden sprachen, die sie bekehren mußten, wird also unsere Frühgeschichte zum Heidnischen und dadurch schon einmal abgewertet. Das darf man übrigens nicht vergessen, wie stark auch heute noch die kirchliche Brille über unserer aller Augen steckt. Das darf man wirklich nicht vergessen, wenn man sich damit beschäftigt, merkt man das. Und man denkt sich, wow, das ist ja wirklich irre. Das heißt, wir haben ein ganz besonderes Verhältnis dazu. Und das Verhältnis übersetzt sich eigentlich so: Alle anderen Völker waren das mal - aber wir irgendwie nicht. Aber das stimmt natürlich nicht.
Und ich sehe die Brücken dahin ... - außer natürlich durch die Orte selbst, die überall sind, da kann man ja hin gehen und dann merkt man's. Da sind ja auch Ausgrabungen und so weiter und man findet das. Aber außer über die Orte sind die Brücken sehr stark in der frühen griechischen Kultur bis hin in die Philosophie. Also alles vor Platon ist eigentlich noch schamanisches Zeitalter, bloß daß wir es nicht so nennen. Wir nennen es dann das präklassische Griechenland. Aber das ist das schamanische, das ist das indigene Griechenland. 

Das ist ein hinreißender Gedanke, so auf Griechenland zu schauen. Und natürlich wird so so unendlich viel "Unverständliches" an der antik-griechischen Kultur mit einem Schlag "verständlich". All das viele "Urtümliche", "Unverständliche", was sich in dieser Kultur findet, noch bei Sokrates findet. Und von dem wir nur annäherungsweise etwas verstehen, weshalb wir uns deutlich leichter tun mit der rein "rationalen" Seite der antik-griechischen Kultur. Natürlich finden wir dieses animistische Denken nicht nur in der erwähnten Kunst der Felsbilder. Wir finden sie etwa auch in der Jahrtausende lang praktizierten Kunst der Statuen-Menhire, der wir hier auf dem Blog eingehende Betrachtungen gewidmet haben, die sich sehr gut parallel zu diesem Beitrag lesen (Stgen2019). Andreas Weber sagt weiter:

Da haben wir eine Brücke. Wir haben über die griechische Kultur eine Brücke. Dann verstehen wir, warum die Dichter und Denker im Anfang des 18. Jahrhunderts sich so für Griechenland interessiert haben. Die haben das schamanische Griechenland gesucht und das gilt sowohl für die Romantik - Hölderlin - als auch für die Klassik. Das sind beides Abkünfte der Suche nach dem schamanischen Griechenland.
Und wir wissen, beides auch mit dem Gedanken: wir müssen eine neue Verbindung zur Natur finden. Die Natur ist beseelt. Das sind sozusagen alles diese romantischen Themen. Und das hat man da gesucht. Wenn man Hölderlin liest, wird das sehr deutlich. Daß er, wenn er von einem neuen mythischen Zeitalter spricht, daß er dann in Griechenland tatsächlich ein indigenes Verhältnis zur Welt sucht. Das konnte er nicht so nennen, das können wir heute so nennen. Das tut aber die Hölderlin-Forschung immer noch nicht. Weil wir nämlich denken, daß wir Europäer keine indigenen Wurzeln haben. Was aber nicht stimmt. Insofern ist für mich natürlich gerade die Romantik in ihren verschiedenen Fortsetzungen - dann auch in den Ausgrabungen und im Orientalismus, da kam ja dann ganz viel, die alle versucht haben, solche Kulturen zu verstehen, um eigenen Wurzeln oder auch unbewußte eigene Wurzeln irgendwie zu finden - da ist für mich ganz viel drin. Und ich würde sagen, das Anliegen der Romantik, das ja lautet, die Welt als, man könnte vordergründig sagen, als beseelt zu verstehen. Das enthält das ganz stark.
Aber ich würde es ein bisschen präziser fassen. Und ich würde sagen, die Romantik hat versucht, das Materielle als Transzendenz eines Subjektiven zu fassen. Das war das ursprüngliche Programm der Romantik. Also das Schöpferische wird manifest in den Dingen. Und das ist doch klar, daß die sich von den Spuren des schamanischen Griechenlands angezogen gefühlt haben. Und es gab ja nur das schamanische Griechenland. Es gab ja keine Zeugnisse des, sagen wir, schamanischen Norddeutschland. Die waren ja völlig verschüttet durch die Kolonialisierung der Kirche. Ich muß das auch tatsächlich so sagen, weil das war nichts anderes als eine Kolonialisierung mit den entsprechenden Exzessen und der Vernichtung der kulturellen Stätten und des kulturellen Erbes. Also war da nichts. Es war nichts da. In Griechenland hat es sich dann in diese griechische Blüte der Klassik entwickelt und dadurch hat sich das irgendwie erhalten.

Wir möchte demgegenüber nur ergänzen: Das Suchen des "indigenen Griechenland" ist ein Aspekt von Renaissance, von Rückbezug zur Antike. Es gibt natürlich auch noch viele andere Aspekte. Das ist eben das Spannende, Begeisternde an den antiken Griechen, daß sie mehrerlei waren. Sie waren einerseits noch "Naturvolk", andererseits natürlich "das" Kulturvolk schlechthin. Und damit eben alles das, was über den Aspekt "Naturvolk" hinaus weist.

______

  1. Rüdiger Sünner: Wildes Denken - Ein Gespräch mit dem Biologen und Naturphilosophen Dr. Andreas Weber. 16.5.2020, https://youtu.be/4Le6EtXUJZE?t=1247.

Freitag, 3. März 2023

Ein Zauberschubfach der Fränkischen Alp

"... Wer lange sitzt, muß rosten!
Den allersonnigsten Sonnenschein
Läßt uns der Himmel kosten.
Jetzt reicht mir Stab und Ordenskleid
Der fahrenden Scholaren,
Ich will zur schönen Sommerzeit
Ins Land der Franken fahren."
 
Viktor von Scheffel, 1859 (Wiki)
Eine Liebeserklärung
- Das schöne Oberfranken - Mancher mag es kennen. Nur wenige werden eines seiner schönsten und geheimnisvollsten Kleinodien kennen - das Kleinziegenfelder Tal
- Eine Umschau in der Nördlichen Fränkischen Alp (auch genannt Region "Obermain-Jura")

Angenommen, du kennst schon so manche kulturelle und landschaftliche Sehenswürdigkeit in Oberfranken (WikiVy, a). Und angenommen, du schaust auf eine alte Straßenkarte, ob es noch irgendwo etwas zu "entdecken" geben könnte. Womöglich findest du dann "landschaftlich schöne Strecken" ausgewiesen rund um einen Ort, der sich Wallersberg (Wiki) nennt. Und zwar womöglich - je nach Straßenatlas - sogleich in alle vier Himmelsrichtungen hinweg. "Da will ich hin," ruft dann womöglich dein entdeckungsfreudiges Herz.

Abb. 1: Das Kleinziegenfelder Tal in Oberfranken mit der Weihersmühle - Postkarte von 1962

Und wäre es dir gegeben, geflügelte Worte berühmter Menschen zu prägen, so würdest du vielleicht ausrufen:

"Franken ist wie ein Zauberschrank, immer neue Schubfächer tun sich auf und zeigen bunte, glänzende Kleinodien."

Ein wildromantisches Tal findest du, bei dem du auf den ersten Blick gar nicht siehst, wie du durch all diese Felsen, die du vom Talgrund aus immer wieder siehst, hinauf kommen sollst zu etwaigen Wanderwegen in der Höhe. Bei dem du auf den ersten Blick gar nicht siehst, wie du überhaupt einen "Überblick" gewinnen sollst über diese Vielfältigkeit der Eindrücke (1-9). Ein Tal, in dem du einfach nur verzaubert bist.

Die zitierten Worte stammen übrigens von dem Fürsten Pückler-Muskau, einem preußischen Landschaftskenner aus dem 19. Jahrhundert. 1834 sind sie gedruckt worden.

Abb. 2: Das Kleinziegenfelder Tal (aus: EObrfr)

Wir befinden uns im verwunschenen Tal der Weismain (Wiki), auch genannt das "Kleinziegenfelder Tal". Keine Landschaftsfotografie fängt den eigentümlichen Reiz dieses Tales ein. Auch die in diesem Beitrag zusammen gestellten Fotografien (Abb. 1-6, 9) können nur als hilflose Versuche gewertet werden, sich den landschaftlichen Schönheiten dieses Tales anzunähern. Der bezaubernde Eindruck entsteht dadurch, daß du ständig einen "Gesamteindruck" hast. Und dieser "Gesamteindruck" ist mit der Wiedergabe nur einer einzelnen Blick-Perspektive in nur einer einzelnen Richtung gar nicht wiederzugeben.

Auch Filmaufnahmen können den Reiz dieses Tales nicht wirklich einfangen (7-9). Deshalb mag eine Postkarte aus dem Jahr 1964, auf der mehrere Perspektiven nebeneinander zusammen gestellt sind, noch am ehesten eine Annäherung sein, die der Wirklichkeit gerecht wird (Abb. 1). 

Aber letztlich bleibt eine solche Wiedergabe unmöglich. 

Und nur wer dort war, wird jemals wissen, "wie es dort ist".

Das Kleinziegenfelder Tal ist gar nicht so lang. Mit dem Auto ist es womöglich in fünf Minuten durchfahren. 

Beim Durchfahren wartet es aber ständig mit neuen, überraschenden Eindrücken auf. Hier ragt ein Felsen in die Höhe, dort wieder einer und dort wieder. Man kommt aus dem Staunen gar nicht heraus. Und ist verzaubert. Um diesen Eindruck festzuhalten, entstand dieser Beitrag.

Abb. 3: Das Kleinziegenfelder Tal mit Blick auf die Waßmannsmühle, Postkarte aus dem Jahr 1922

Ordnen wir das Kleinziegenfelder Tal in den größeren landschaftlichen Zusammenhang ein.

Ausgangspunkt Obermain-Tal

Wie in einem großen Bogen von Südosten nach Südwesten umzieht das Obere Maintal die Nördliche Fränkische Alp (Abb. 7). Die Randbereiche dieses Maintales sind touristisch bestens erschlossen und werden von den nahegelegenen Ballungsregionen Bamberg und Nürnberg eifrig als Naherholungsraum genutzt. Fährst du aber von dort auch einmal etwas tiefer hinein in diese Fränkische Alp, werter Freund entzückender Landschaften, dann kommst du eben in dieses Kleinziegenfelder Tal, in dieses Zauberschubfach der Fränkischen Alp:

"Hier läuft der Weg von einem Paradies durchs andere."

Jean Paul ist auch einer dieser berühmten Menschen, der ein solches Wort prägten, 1798, und zwar über die Fränkische Schweiz etwas weiter im Süden. Die landschaftlichen Reize des Kleinziegenfelder Tales haben Fotografen und Filmemachern immer wieder an die Grenzen ihrer Kunst gebracht. Zu "unübersichtlich" sind die geographischen Gegebenheiten, zu unübersichtiglich die wechselnden Eindrücke, die der reisende Mensch vor Ort gewinnen kann. Zu "bescheiden" auch jeweils die Motive im einzelnen.

Diese einstige Touristen-Region ist heute als solche - wegen ihrer Abgelegenheit - wieder eingeschlafen (1). Auch das ein anrührender Umstand.

Abb. 4: Weihermühle im Kleinziegenfelder Tal, Oberfranken

Noch bis zu einem Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg war das anders (3):

Unter dem Einfluß der Heimatschutzbewegung, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts meinungsbildend wirkte, wußten immer mehr Menschen solches Idyll zu schätzen. (...) Gerade das Kleinziegenfelder Tal erregte seit dem 19. Jahrhundert die Bewunderung von Naturliebhabern.

Die Weismain entspringt in dem Dorf Kleinziegenfeld im Süden und fließt bis zur Stadt Weismain im Norden durch besagtes Tal (Wiki):

Die Seiten des Tales werden von hoch aufragenden Kalksteinfelsen gebildet, die von Kletterern eifrig benutzt werden. In ihm liegen die zur Stadt Weismain gehörenden Orte Kleinziegenfeld, Großziegenfeld, Arnstein, Wallersberg, Schammendorf und Weismain. Die bekanntesten Felsen sind die Rote Wand, der Rolandsfelsen, der Versteinerte Riese, die Klinge, der Steinerne Mönch und sein Pendant, die Betende Nonne.

Viele steile trockene, felsige Hänge sind von Wacholderbüschen bewachsen und bilden auf diese Weise einen ebenfalls sehr charakteristischen Landschafts-Eindruck (WikiCom).

Die achzehn Kilometer lange Weismain darf nicht verwechselt werden mit dem 51 Kilometer langen, viel ehrwürdigeren "Weißen Main" (Wiki), dem rechten und nördlichen Quellfluß des Mains, der dementsprechend auch gar nicht mehr zur Fränkischen Alp gehört, sondern zum Frankenwald weiter im Osten. Der linke und südliche Quellfluß des Mains, der Rote Main begrenzt hingegen die Fränkische Alp nach Nordosten hin.

Abb. 5: Weihersmühle, Abzweig hinauf nach Wallersberg - Fotograf Immanuel Giel, 2011 (Wiki)

Das Kleinziegenfelder Tal gehört somit zum nördlichsten Teil der nördlichen Fränkischen Alp (Wiki). Mit diesem Tal beginnen im Norden diese charakteristischen Felsformationen in tief eingeschnittenen Tälern. Die Fränkische Alp, auch Fränkischer Jura oder Franken-Jura genannt, erstreckt sich - insgesamt gesehen - vom Oberen Maintal zwischen Lichtenfels und Bamberg - über Nürnberg - bis hinunter ins Donautal zwischen Donauwörth, Ingolstadt und Regensburg. Eine Entfernung von mehr als 200 Kilometer. Diese ist übersät von landschaftlichen Reizen und Schönheiten. Ein Fußweg von Lichtenfels über Parsberg nach Donauwörth würde 236 Kilometer betragen. 

Die Fränkische Alp erstreckt sich bis Donauwörth

Der bekannteste Teil der Fränkischen Alp gehört zwar ebenfalls noch zu der nördlichen Fränkischen Alp, liegt aber eben viel weiter südlich als unser kleines Kleinziegenfelder Tal. Es ist das die bekanntere Fränkische Schweiz (Wiki). Grob liegt diese südöstlich von Bamberg und nordöstlich von Forchheim.

Die landschaftlichen Schönheiten der Fränkischen Alp fangen jedoch schon mit den großzügigen Landschaftszügen des Obermain-Tals an, die man zum Beispiel auf dem viel begangenen Wander- und Pilgerweg zwischen Vierzehnheiligen und Staffelberg auf sich wirken lassen kann. 

Jedes Tal von dort aus, von Lichtenfels oder Bad Staffelstein nach Süden hin in die Fränkische Alp hinein und in das Jura hinein ist mit seinen liebevollen fränkischen Fachwerk-Dörfern anmutig und entzückend.

Abb. 6: Arnstein (Weismain) - Fotograf: Trollhead (Wiki)

Von solchen Dörfern aus läßt sich etwa der Dornig erreichen, ein "Bruder-Berg" des Staffelberges,  es läßt sich Siebenlinden erreichen (auch genannt Veitsberg) mit seiner herrlichen Aussicht über das Obermain-Tal bis nach Bamberg hinunter, es lassen sich Ortschaften erreichen wie Ützing oder Klosterlangheim.

Von dort weiter hinein in die nördliche Fränkische Alp erreicht man etwa den "Hohlen Stein" bei Schwabtal, wo unsere frühesten Vorfahren hier vor Ort, die Schnurkeramiker Gräber hinterlassen haben. Diese Gräber enthielten noch keine domestizierten Pferde, sondern Wildpferde - wie vorletztes Jahr von der Forschung heraus gebracht worden ist (s. Stgen2021).  

Vielfältige, unterschiedliche, anrührende Landschaftseindrücke. Aber noch nicht die geheimnisvollsten, die zu entdecken sind.

Abb. 7: Landschaftlich schöne Strecke südlich der Stadt Weismain: Das Kleinziegenfelder Tal (ViaMichelin)

Von Bad Staffelberg zum Hohlen Stein hinter Schwabtal sind es grob zehn Kilometer. Und vom Hohlen Stein noch einmal zehn Kilometer weiter hinein in die Fränkische Alp kommt der Landschaftsfreund nun entweder nach dem hoch über Felsen gelegenen Dorf Wallersberg oder nach dem tief ins Tal eingebetteten Kleinziegenfeld. Zur Herkunft des Namens Wallersberg finden wir die Angabe (Wiki):

Der Name könnte vom Waldriesen Welderich aus der germanischen Mythologie kommen, dessen Name Beherrscher des Waldes bedeutet und mit dem Motiv des wilden Mannes gleichgesetzt wird.

Auf jeden Fall würde es sich um eine zur Landschaft passende Erklärung handeln. Die Hochebene des Wallesberges ist ebenfalls schon seit der Spätbronzezeit besiedelt. Nämlich bis in die letzten vorchristlichen Jahrhunderte hinein von keltischen Stämmen. Diese sind dann in großen Zahlen abgewandert nach Süden. Sie haben ihre entzückende Heimat verlassen, um noch mehr Sonne zu sehen, noch lichtere Erdregionen kennen zu lernen, angezogen von der reichen Kultur des Mittelmeerraumes.

Eine anmutige Autofahrt kann es also sein, sagen wir von Lichtenfels über die Dörfer Mistelfeld, Klosterlangheim, Mönchkröttendorf, Lahm, Köttel (derzeit ist eine Umleitung notwendig über Altendorf, Siedamsdorf), über Kaspauer nach Schammendorf an der Weismain und von dort ins Kleinziegenfelder Tal (Abb. 8).

Abb. 8: Eine Autofahrt vom Obermain-Tal ins Kleinziegenfelder Tal - Abfahrt in Lichtenfels, Ankunft in Bad Staffelstein - durch den nördlisten Teil der Fränkischen Alp (von GMaps)

In diesem dann an der Waßmannsmühle vorbei, an der Weihersmühle vorbei, und dann die gewundene Bergstraße über die berühmten Wacholderhänge hinweg (7) hoch nach Wallersberg. Auf dem Rückweg könnte man über die Dörfer Arnstein, Bojendorf, Rothmannstal Richtung Hohler Stein fahren und von dort zurück nach Bad Staffelstein.

Das Dorf Eiching hätte man bei dieser Runde umfahren. Aber auch dieses Kleinod möchte man sich womöglich nicht entgehen lassen, weshalb auch hierhin ein Abstecher sinnvoll sein könnte. Es liegt auf dem Weg zwischen Lahm und Rothmannstal.

Versuchen wir eine kleine Zusammenfassung. Sehenswert insgesamt in der Region Obermain-Jura, bzw. im nördlichsten Teil der Fränkischen Alp sind unter anderem:

  1. natürlich der Staffelberg, der heilige Berg der Franken
  2. das Kloster Vierzehnheiligen mit dem Viktor von Scheffel-Blick (nordöstlich vom Staffelberg)
  3. der Dornig (südlich vom Staffelberg)
  4. Siebenlinden, bzw. der Veitsberg (noch weiter südlich vom Staffelberg)
  5. Ützing und Klosterlangheim (östlich vom Staffelberg)
  6. der Hohle Stein (östlich vom Staffelberg)
  7. der Kemnitzenstein (östlich vom Staffelberg)
  8. der Aussichtspunkt Wattendorf - mit Wacholderheide
  9. die Islinger Tanzlinde (östlich vom Staffelberg)
  10. das Eichiger Felsenlabyrinth (kurzer, mystischer Spaziergang) (östlich vom Staffelberg)
  11. und schließlich: das wildromantische, felsige Kleinziegenfelder Tal  (noch weiter östlich vom Staffelberg)
  12. sowie natürlich und sowieso: die romantischen Fachwerk-Städte Bad Staffelstein, Lichtenfels, Bamberg, Coburg, Kulmbach ... und viele andere mehr

Das also ist die Obermain-Region zwischen Bamberg und Lichtenfels: eine beliebte Urlaubs- und Wanderregion.

Abb. 9: Gasthof Weihersmühle, Kleinziegenfelder Tal

Herrliche Berge wie der Staffelberg, der heilige Berg der Franken. Alles erzählt von der großen Vergangenheit der Kelten in dieser Region. Dementsprechend gibt es Kelten-Wanderwege und vieles ähnliche mehr. Auch geologisch und erdgeschichtlich kann man in dieser Region viel lernen.

Aber dieser nördlichste Teil des nördlichen Teiles der Fränkischen Alp birgt noch viele weitere landschaftliche Zauber-Schubfächer, und als eines der geheimnisvollsten das Kleinzigenfelder Tal.

Wie übrigens in diesem Tal an seinen imposanten Felsen geklettert wird, kann man sich ebenfalls ansehen (s. Yt).

_______

  1. Schuler, Jana Margarete: Das Haus im Nebel. Obermain Jura-Magazin 2/2022 (pdf)
  2. Kleinziegenfelder Tal - Schöne Wanderwege. https://schoene-wanderwege.de/kleinziegenfelder-tal/
  3. Dippold, Günter: Weismain schon im 19. Jahrhundert beliebte Sommerfrische (Obermain), 15. Juni 2020
  4. Kleinziegenfelder Tal. Auf: NaturErlebnis Fränkische Schweiz 2007, https://www.naturerlebnis-fs.de/Bildergalerie/73_kleinziegenfelder_tal_bg.html 
  5. https://www.andreassebald.de/2018/04/rundweg-kleinziegenfeld-weihersmuehle/
  6. https://www.echt-oberfranken.de/kleinziegenfelder-tal/
  7. Artenreichtum durch Beweidung im Kleinziegenfelder Tal. Auf: LBV-Fuchsenwiese Bamberg, 18.5.2021, https://youtu.be/dJWKmxyd7CM.
  8. Kleinziegenfelder Tal Winter 2021, Airspeed Oberfranken, https://youtu.be/bbhMMTIs7tk.
  9. Bärental Weismain 2022 Airspeed Oberfranken, https://youtu.be/fNdO6SZVd6c.
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