Breitengrad versus Herkunft - Was war wichtiger für die Intelligenz-Evolution in Ostasien?
Hinweis: Die Inhalte dieses Blogartikels sind auch in einem Video behandelt worden: https://youtu.be/ppplxeqUXq8
Die wichtigsten neuen Einsichten in Kurzfassung:
- Die Tibeter stammen von den Nordchinesen ab.
- Die Japaner stammen von den Südchinesen ab - nicht von den Nordchinesen
- Die Tocharer waren womöglich (!) die letzten Nachfahren der ersten indogermanischen Ostwanderung nach Asien.
- Die heutigen Nordchinesen stammen zu 2 bis 4 % von Europäern ab (Sogdern, Skythen ...).
- Der Voll-Ackerbau entstand auch in Ostasien offenbar zuerst in Inland-Regionen, nicht an der Küste.
Eine im letzten Jahr im Preprint erschienene archäogenetische Studie zur Genetischen Geschichte Ostasiens - von David Reich, Johannes Krause uvam. (1) - hat endlich das Gutachter-Verfahren durchlaufen und ist vor einigen Tagen in "Nature" erschienen (2). Sie ist nun offenbar stark überarbeitet und wartet dabei mit zahlreichen neuen Einsichten auf.
Vor einem Jahr berichteten wir über eine neue, im Preprint erschienene Studie zur genetischen Geschichte Chinas und Ostasiens (1). In dieser wurden die Daten von 130 neuen, archäogenetisch gewonnenen Genomen aus ganz Asien ausgewertet und interpretiert. Nun ist diese Studie offiziell in "Nature" veröffentlicht worden (2). Soweit wir sehen, widerspricht die offiziell veröffentlichte Studie nirgendwo expliziter den Ergebnissen der Vorab-Veröffentlichung (1). In ihr werden aber andererseits noch allerhand Erkenntnisse hervor gehben, die zumindest wir selbst im Preprint vor einem Jahr nicht entdeckt hatten, die also in diesem womöglich noch gar nicht enthalten waren. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um die fünf Punkte, die wir oben in der Zusammenfassung genannt haben.
Wie wir schon häufiger beobachten konnten, scheint also auch diese Studie während des Gutachter-Verfahrens des letzten Jahres noch einmal kräftig umgeschrieben worden zu sein. Es flossen wohl auch Ergebnisse mit ein, die während dieses Jahres aus anderen Studien bekannt geworden waren (z.B.: 3). All das ist ein Spiegel der derzeit sehr schnellen Entwicklung auf dem Gebiet der Archäogenetik.
1. Die Tibeter stammen von den Nordchinesen ab
Zu den neuen Einsichten gehört, daß nach dieser neuen Version nun die Tibeter sich scheinbar nicht unabhängig von den Chinesen von örtlichen nacheiszeitlichen Bevölkerungen aus zu den heutigen Tibetern entwickelten, sondern daß ihre Herkunft auf die Ausbreitung chinesischer Bauern ab 1600 v. Ztr. nach Tibet hinein zurückzuführen ist.
Abb. 1: Ausbreitung der Landwirtschaft nach Tibet, gemeinsam mit der sinotibetischen Sprachgruppe, ab 1600 v. Ztr. |
Dazu heißt es in der offiziellen Studie unter anderem (2):
... Dies gibt einen unabhängigen Beleg dafür, daß die Kern-Tibeter und ihre genetisch fast ununterscheidbaren Verwandten im alten Nepal wohl nicht Nachkommen von Jägern und Sammlern sind, die zuvor in Tibet gelebt haben. Wir schätzen, daß die (zuwandernde) Vermischung durchschnittlich um 290 v. Ztr. bis 270 n. Ztr. vonstatten gegangen ist, wenn nur ein Vermischungsereignis unterstellt wird. Es könnte aber um 1600 v. Ztr. begonnen haben, als sich der Ackerbau auf das tibetische Hochland ausbreitete.... This provides independent evidence that Core Tibetans and their genetically almost indistinguishable relatives in ancient Nepal are unlikely to represent continuous descendants of Tibetan hunter-gatherers. We estimate that mixture occurred an average of ~290 BCE - 270 CE under models of a single pulse of admixture (Online Table 18). Its start could plausibly be as old as the ~1600 BCE date for the spread of agriculture onto the Tibetan plateau.
Dies war so auch schon von Seiten der Sprachwissenschaft in Studien der letzten Jahre angenommen, während es konkurrierende Theorien gab, nach der sich die sinotibetische Sprachgruppe aus umgekehrt vom Nordrand Indiens aus Richtung Norden ausgebreitet haben sollte. Diese letztere Theorie scheint also immer weniger Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. Überhaupt wird einem hier erst bewußt, um was für vergleichsweise junge Völker es sich bei den Tibetern und Nepalesen handelt. Immerhin wird das geschichtliche Geschehen auf dem englischen Wikipedia schon aufgrund einer genetischen Studie aus dem Jahr 2009 genau so dargestellt (Wiki):
Das tibetische Hochland wird seit mindestens 21.000 Jahren von Menschen bewohnt. Diese Bevölkerung wurde um 1.000 v. Ztr. im wesentlichen ersetzt durch Zuwanderer aus dem nördlichen Cina. Aber es gibt zum Teil genetische Kontinuität zwischen den paläolithischen Einwohnern und der gegenwärtigen tibetischen Bevölkerung.Humans inhabited the Tibetan Plateau at least 21,000 years ago. This population was largely replaced around 3,000 BP by Neolithic immigrants from northern China, but there is a partial genetic continuity between the Paleolithic inhabitants and contemporary Tibetan populations.
Diese Tatsachen werden also durch die neue Studie präzisierend eingegrenzt, wobei jedoch der Umstand des "Replacement" schärfer hervor tritt.
Weiterhin gilt: Lokale genetische Kontinuität der Chinesen seit der Eiszeit
In einer Grafik der Studie (2) wird noch einmal die große genetische Kontinuität der Han-Chinesen über viele Jahrtausende hinweg verdeutlicht, die uns schon die wichtigste Erkenntnisse vor einem Jahr war (1) (Abb. 2). Hier wird diese dargestellt als blaue Farbkomponente ausgehend von der vorneolithischen Bevölkerung, deren Existenz um 10.000 v. Ztr. im nördlichen Inland von China vorasuszusetzen ist (Abb. 2: "Interior North").
Abb. 2: Die ersten Bauernvölker am Gelben Fluß und am Jangtse-Fluß, ihre genetischen Herkunftsanteile und ihre Nachkommen im heutigen Asien |
Als von dieser herstammend werden nun sowohl die Han-Chinesen ebenso wie die Mongolen ebenso wie die Tibeter ("Nepal") beschrieben. Parallel zu der Vorfahren-Gruppe der Han-Chinesen im inneren nördlichen China hat es nach dieser Grafik eine Küstenbevölkerung gegeben, deren Genetik heute unvermischt nur noch auf den Andamanen-Inseln fortbesteht, und die genetisch lange Zeit auch die Jomon-Kultur in Japan (vor dem dortigen Übergang zum Ackerbau) getragen hat. Von dieser Genetik war auch die Hoabinien-Kultur Vietnams getragen.
Diese Verwandtschaft zwischen Jomon-Kultur und Andamanen war schon seit 2018 durch archäogenetische Studien deutlich geworden (4). Interessanterweise wäre damit jene Völkergruppe, der auch die Andamanen zuzuzählen sind, diejenige, die erstmals in der Weltgeschichte Keramik hervorgebracht hat (5).
2. Die Japaner stammen von den Südchinesen ab - nicht von den Nordchinesen
/ Ergänzung 5.10.2021: In einer neueren Studie wird die Herkunft der Japaner ganz anders gedeutet (St. gen. 9/2021), deshalb ist dieser Abschnitt in der Hauptaussage (den durchgestrichenen Teilen) nicht mehr gültig. /
Im südlichen Inland-China hat es zeitgleich um 10.000 v. Ztr. eine Bevölkerung gegeben, deren Genetik heute immer noch schwerpunktmäßig in Südchina, in Südostasien, in Taiwan und - - - Japan fortbesteht, die den Übergang zum Reis-Anbau im südlichen China am Jangtse-Fluß getragen hat, und die sich - auch das war uns im Preprint nicht aufgefallen - nach dieser Studie bis nach Japan ausgebreitet hat (2) (Abb. 2). Wie unseren Ausführungen vor einem Jahr zu entnehmen, hatten wir im Preprint zu dieser Frage überhaupt keine Klarheit gewinnen können (1).
Aber nach dieser neuen Grafik (Abb. 2) hieße das, daß die Japaner genetisch mit den nördlichen Han-Chinesen überhaupt keine Herkunft teilen, sondern nur mit den südlichen Reisbauern-Chinesen. Dieser Umstand - sollte er sich bestätigen - erschiene uns hoch bedeutsam. Denn das hieße, daß es nicht auf eine einzelne Vorfahren-Gruppe ankam dafür, ob in Ostasien ein durchschnittlicher angeborener Intelligenz-Quotient von 105 evoluierte oder nicht.
/ 5.10.21: Womöglich kommt es also doch auch hier darauf an! /
Und die Frage, wie ein solcher zustande kommt, steht im Hintergrund aller sonstigen Fragen, die hier zu behandeln sind. Auf Wikipedia heißt es dazu im Grunde recht eindeutig (Wiki):
Heutige Japaner sind den (südchinesischen) Yajoi-Reisbauern ähnlicher als den Jomon-Ureinwohnern, allerdings im südlichen Japan stärker als im nördlichen ....Modern Japanese are genetically more similar to the Yayoi peoplethan to the Jōmon people - though more so in southern Japan than in the north - whereas the Ainu bear significant resemblance to the Jōmon people. It took time for the Yayoi people and their descendants to displace and intermix with the Jōmon, who continued to exist in northern Honshu until the eighth century CE. A 2017 study on ancient Jōmon aDNA from the Sanganji shell mound in Tōhoku estimated that the modern mainland Japanese inherited less than 20% of Jōmon peoples' genomes, and their genetic admixture resulted of the indigenous Jōmon people, the Yayoi people, and later migrants during and after the Yayoi period. Another study by Gakihari et al. 2019 estimates that modern Japanese people have on average about 92% Yayoi ancestry and cluster closely with other East Asians but are clearly distinct from the Ainu people. The geneflow estimation by Gakuhari et al. suggests only 3,3% Jōmon ancestry in modern Japanese.
Wir sehen, hier gibt es noch sehr unterschiedliche Angaben zu den Herkunftsanteilen. - In der Grafik oben (Abb. 2) wird ja 46 % Jomon- und 54 % Yajoi-Genetik angenommen für die Japaner. - Einig scheinen sich allerdings alle zu sein, daß die Japaner keine Inland-Han-Chinesen-Hirse-Bauern-Herkunft aufzuweisen scheinen.
Die Frage, die sich aufgrund dieses Umstandes für uns heraus schält, scheint folgendermaßen auf den Punkt gebracht werden zu können:
Warum ist der heutige durchschnittliche IQ in Vietnam niedriger als in Japan? Aufgrund welcher geschichtlicher Entwicklungen kam es - trotz sehr ähnlicher Reisbauern- und Andamanen-Herkunft und sehr ähnlicher komplex organisierter Gesellschaften - zu einer so unterschiedlichen Evolution von Intelligenz in Nordost- und in Südostasien und damit zu einem großen Unterschied in der heutigen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Gesellschaften?
Dazu ist zu erläutern, daß nach Richard Lynn der durchschnittliche IQ in Südostasien nur 87 beträgt (6). Es wäre sowieso zu berücksichtigen, was uns ebenfalls noch nicht bewußt geworden war bislang, daß das Volk der Japaner ein noch jüngeres Volk ist als das Volk der Tibeter und Nepalesen. Kann man sagen, daß in Ostasien neben den uralten Völkergruppen der Hirse- und Reisbauern-Chinesen einige der jüngsten Völker der Weltgeschichte leben, entstanden durch Abgeschiedenheit, und zwar einerseits im Hochland von Tibet, andererseits auf den japanischen Inseln?
Aber auch hier wäre wieder zu fragen: Warum ist in Tibet nicht ein ähnlicher IQ evoluiert wie in Japan und Korea?
... Und die Koreaner?
Es schließt sich gleich noch eine weitere Frage an. Nämlich die nach den nacheiszeitlichen Herkunftsgruppen der heutigen Koreaner. Auch die Koreaner leben an der Küste. Also auch bei ihnen wird der Andamanen-Herkunftsanteil nicht unbedingt der geringste sein. Außerdem wird auch ihr Herkunftsanteil von Seiten der südchinesischen Reisbauern nicht gering sein. Schließlich erfolgte ja die Ausbreitung derselben nach Japan hinein vornehmlich über die koreanische Halbinsel hinweg.
Zu den nacheiszeitlichen Herkunftsanteilen der Koreaner gibt es aber noch sehr unterschiedliche Angaben (Wiki - siehe dort "Genetics"). Auch aus dem sehr detaillierten Wikipedia-Artikel dazu (Wiki) gewinnen wir noch kein rundes, abgeschlossenes Bild.
Aber sicher scheint ja doch zusätzlich noch, daß bei den Koreanern der nordostasiatische Ultschen-Anteil fortexistiert, durch den sie sich von den Japanern unterscheiden könnten und durch den sie wiederum den nördlichen Hirse-Bauern-Chinesen näher stehen könnten, vielleicht grob ähnlich der historischen Bevölkerung am Westlichen Liao-Fluß (s. Abb. 2). Es handelt sich dort auch um Mischgebiete, wo sowohl Hirse- wie Reisanbau vorkommt (11).
Aber noch einmal: Da Koreaner, Japaner und Chinesen - im Gegensatz zu sonstigen südostasiatischen und südasiatischen Völkern einen Intelligenz-Quotienten von 105 aufweisen, würde dies bedeuten, daß es nicht in erster Linie auf die jeweiligen Herkunftsanteile ankommt, ob ein solcher evoluiert wird, sondern - nun auf den ersten Blick: vor allem auf den Breitengrad.**)
Der Andamanen-ähnliche Herkunftsanteil der Chinesen
Die ersten Bauern am Gelben Fluß haben sich nach dieser Version zu 10 % mit der Andamanen-ähnlichen Bevölkerung an der chinesischen Küste vermischt (der Völkergruppe der Hoabinien-Kultur). Es scheint dieser genetische Anteil gewesen zu sein, der Han-Chinesen bis in historische Zeit hinein von den Mongolen unterschieden hat (in historischer Zeit mischten sich Han-Chinesen in die Mongolen ein, ebenso wie Indogermanen).
Am Yangtse-Fluß haben sich die Reis-Bauern südchinesischer Herkunft sogar zu 27 % mit der Andamanen-ähnlichen Küstenbevölkerung (Hoabinien) vermischt (Abb. 1).
In die neolithische Kultur am Westlichen Liao-Fluß um 3.000 v. Ztr. hatte sich dann schon 33 % südchinesische Genetik - ursprünglich von den Reis-Bauern am Jangtse-Fluß stammend - eingemischt. Diese genetische Komponente findet sich aber zur gleichen Zeit nicht am Oberen Gelben Fluß.
Vom Oberen Gelben Fluß aus haben sich nun nach dieser Version die nördlichen Inland-Bauern Chinas bis nach Nepal ausgebreitet, wobei noch ein kleinerer weiterer Vermischungsanteil der dortigen Andamanen-ähnlichen Vorbevölkerung hinzu gekommen zu sein scheint (6 %). Durch diese 6 % scheinen sich die Tibeter genetisch dann von den Han-Chinesen zu unterscheiden. In der Studie heißt es (2):
Die Bauern aus dem Tal des Gelben Flusses breiteten um 3.000 v. Ztr. die sino-tibetische Sprachfamilie aus, indem ihre Genetik sich sowohl nach Tibet ausbreitete, wo sie 84 % zur Genetik beitrugen bis zu einigen Völkerschaften auf dem zentralen Hochland, wo ihr Herkunftsanteil zu 59 % bis 84 % zur Genetik beitrug.Yellow River Basin farmers at ~3000 BCE likely spread Sino-Tibetan languages as their ancestry dispersed both to Tibet where it forms up ~84% to some groups and to the Central Plain where it contributed ~59-84% to Han Chinese.
Über "Taiwan ~1300 BCE to 800 CE" heißt es (2):
Die eisenzeitliche Bevölkerung von Taiwan führt 25% ihrer Herkunft zurück auf eine der Herkunftsgruppe des nördlichen Inland-China sehr ähnlichen Gruppe, wodurch eine zusätzliche Nord-Süd-Ausbreitung nahegelegt wird.Ancient Taiwan people derived ~25% ancestry from a northern lineage related to but different from Yellow River farmers implying an additional north-to-south expansion.
3. Die Tocharer waren womöglich (!) die letzten Nachfahren der ersten indogermanischen Zuwanderung nach Asien
Zu der viel erörterten Frage der Herkunft der Tocharer an den Oasenstädten der Seidenstraße heißt es in der Zusammenfassung (2):
Yamnaja-Steppengenetik kam nach 3.000 v. Ztr. in die Westliche Mongolei (die Afanasievo-Kultur), wurde aber später durch zuvor in der Mongolei beheimatete Herkunft ersetzt, während sie im westlichen China fortbestand. So war es zu erwarten, wenn sich mit ihnen die Vorfahren der tocharischen indogermanischen Sprache ausgebreitet haben. Zwei weitere genetische Herkunfts-Zuflüsse betrafen die westliche Mongolei: nach 2000 v. Ztr. kamen Völkerschaften mit Yamnaja- und anatolisch-neolithischer Herkunft (die Andronovo-Kultur), sowie episodische Einflüsse späterer Gruppen mit (iranisch-neolithischer) Turan-Herkunft."Yamnaya Steppe pastoralist ancestry arrived in western Mongolia after ~3000 BCE" (die Afanasievo-Kultur) "but was displaced by previously" (in der Mongolei) "established lineages even while it persisted in western China as expected if it spread the ancestor of Tocharian Indo-European languages. Two later gene flows affected western Mongolia: after ~2000 BCE migrants with Yamnaya and European farmer ancestry" (die Andronovo-Kultur), "and episodic impacts of later groups with ancestry from Turan."
Damit wäre postuliert, daß die Tocharer von der ersten indogermanischen Zuwanderungswelle abstammen. Im Text selbst heißt es zur Frage der Herkunft der Tocharer (2):
Während die Yamnaja/Afanasievo-Genetik in der Mongolei während der Mittleren und Späten Bronzezeit ausstirbt, bestand das Erbe dieser Herkunft im westlichen China bis in der eisenzeitlichen Shirenzigou-Kultur (410-190 v. Ztr.) fort. (...) Dies bestätigt, daß die Afanasievo-Kultur in Xiangjiang fortbestand. (...) Dies gibt jener Theorie zusätzliches Gewicht, die annimmt, daß sich die tocharische Sprache des Tarim-Beckens durch Zuwanderung von Yamnaja-Nachfahren in den Altai und in die Mongolei im Zusammenhang mit der Afanasievo-Zuwanderung ausgebreitet hat, von wo sie sich später nach Xianjiang ausbreitete. Diese Ergebnisse sind bedeutsam für Theorien der indoeuropäischen Sprach-Verzweigung, denn sie stärken die Hinweise zugunsten der Hypothese, daß die Verzweigung des zweitältesten Zweiges des indoeuropäischen Sprachstammbaums sich am Ende des 4. Jahrtausends v. Ztr. ereignete.While the Yamnaya/Afanasievo-associated lineages are consistent with having largely disappeared in Mongolia by the Middle to Late Bronze Age, we confirm and strengthen previous ancient DNA analysis suggesting that the legacy of this expansion persisted in western China into the time of the Iron Age Shirenzigou culture (410-190 BCE). Considering many of the Shirenzigou individuals singly as well as three of the five genetically homogeneous subclusters, the only parsimonious models derive all their West Eurasian-related ancestry from groups related to Afanasievo, confirming that Afanasievo ancestry without the characteristic European farmer-related mixture that appeared later in Central Asia and Mongolia persisted in Xinjiang. For example, for the two individuals with the most West Eurasian-related ancestry (Xinjiang_EIA_Shirenzigou_1C) all fitting three-way models include Russian Afanasievo (71-77%) (Figure 3, Online Table 25). Moreover, the total ancestry from the two other West Eurasian-related groups that can fit in small proportions in such models is always <9% (Online Table 25). In pre-state societies languages are thought to spread primarily through movements of people, and these results thus adds weight to the theory that the Tocharian languages of the Tarim Basin spread through the migration of Yamnaya descendants to the Altai Mountains and Mongolia (in the guise of the Afanasievo culture), from whence they spread further to Xinjiang. These results are significant for theories of Indo-European language diversification, as they increase the evidence in favour of the hypothesis that the split of the second-oldest branch in the Indo-European language tree occurred at the end of the fourth millennium BCE.
Obwohl wir hier auf dem Blog immer geneigt waren und sind, der Urteilsfähigkeit von David Reich viel zuzusprechen, haben wir das Gefühl, daß in dieser Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Die indogermanische Besiedlung der Oasenstädte der Seidenstraße begann erst nach 2.000 v. Ztr., das wäre eigentlich der Zeitraum, in der sich die zweite Welle indogermanischer Völker nach Nordindien und Asien ausgebreitet hat.
4. Die heutigen Nordchinesen stammen zu 2 bis 4 % von den europäischen Sogdern ab
Interessant ist auch folgende Angabe (2):
Bei den nördlichen Han-Chinesen finden wie eine Zumischung von 2 bis 4 Prozent westeurasischer (sprich: europäischer) Genetik. Wir vermuten, daß sie im Durchschnitt 32 bis 45 Generationen zurück liegt, womit sich diese überschneidet mit den Zeiten der Tang- (618-907 n. Ztr.) und der Song- (960-1279 n. Ztr.)-Dynastien, aus denen es historische Berichte der Integration westlicher ethnischer Gruppen in die Bevölkerung der Han-Chinesen existieren.In northern Han for whom we infer West Eurasian-related admixture of 2-4% (Online Table 7 and Online Table 8). We estimate this mixture occurred on average 32-45 generations ago overlapping the Tang (618-907 CE) and Song (960-1279 BCE) dynasties from which there are historical records of integration of Han Chinese and western ethnic groups.
Zu diesen westlichen, ethnischen Gruppen gehörten insbesondere die Sogder aus Sogdien mit der Hauptstadt Samarkand, die Jahrhunderte lang den Handel auf der Seidenstraße zwischen China und dem Westen dominierten. Mit ihnen haben wir uns hier auf dem Blog vor zwölf bis vierzehn Jahren sehr intensiv beschäftigt (8). Ständig werden aber neue archäologische und kunstgeschichtliche Erkenntnisse über sie gewonnen (12). Dieser Umstand wird auch durch eine humangenetische Studie zum historisch so bedeutenden Hexi-Korridor in Nordwest-China bestätigt, die am 1. März 2021 erschien (13):
Interessanterweise identifizierten wir ein westeurasisches Einmischungs-Signal, das in den nordwestlichen Han zu finden ist aber nicht in den südlichen Han, und das einen Vermischungszeitpunkt von etwa 1.000 n. Ztr. aufweist (Tang- und Song-Dynastien).Interestingly, we identified one western Eurasian admixture signature that was present in northwestern Han but absent from southern Han, with an admixture time dated to approximately 1000 CE (Tang and Song dynasties).
5. Der Voll-Ackerbau entstand auch in Ostasien offenbar zuerst in Inland-Regionen, nicht an der Küste
Zwei Autoren der Studie führen zusammenfassend über die eiszeitliche Entwicklung der ostasiatischen Völkergruppen gemäß den Ergebnissen dieser Studie aus (9):
Die Studie stützt die These, daß es im Jungpleistozän Wanderungsbewegungen entlang einer Küstenroute gab, die Südostasien, das japanische Archipel und den äußersten Osten von Rußland verband. Das 40.000 Jahre alte, aus dem Jungpaläolithikum stammende Genom aus Tianyuan in China und die aus dem frühen Holozän stammenden Genome aus der Mongolei und dem Amur-Gebiet gehören hingegen einer anderen Abstammungslinie an, die sich früh abgespalten und über eine Route im Landesinneren verbreitet hat.
Da darf ja nun gefragt werden, warum die Entwicklung von Ackerbau auch in Ostasien vornehmlich von Inland-Bevölkerungen entwickelt und getragen worden ist - ähnlich wie im Fruchtbaren Halbmond und wie an der Mittleren Wolga und warum ursprüngliche Küstenbevölkerungen an dieser Entwicklung weniger Anteil scheinen genommen zu haben.
Wenn man von der These ausgeht "Desparate times forced rice of farming", also daß Notzeiten die Entwicklung der Ackerbaus vorangetrieben haben (10), dann könnte man mutmaßen, daß das Meer für eine zu gleichmäßige Versorgung mit Nahrungsmitteln sorgt als daß Menschen hier für sich genommen durch anhaltende Notzeiten veranlaßt würden, die Zivilisation der Menschheit weiter zu entwickeln.
Allerdings gilt weiterhin: Zwei so große Ausbreitungs- und Replacement-Vorgänge wie am Anfang und am Ende des Neolithikums in der euorpäischen Geschichte sind in der asiatischen Geschichte nicht anzutreffen. Die etwas kleinräumigeren Ausbreitungsbewegungen von Hirsebauern nach Tibet und von Reisbauern nach Japan fallen vor allem in Zeiträume nach der Eiszeit.
Ergänzung: .... Und die Inder
Abb. 3: Verwandtschaftsverhältnisse der Herkunftsgruppen der Indus-Kultur (aus: 14) |
Ergänzung 10.3.2021: Die Andamanen-Herkunft findet sich sogar bei der Entstehung der Indus-Kultur, auch Harappa-Kultur genannt (2.800-1.900 v. Ztr.) (Wiki, engl), der ersten Bauernkultur Nordindiens (14) (s. Abb. 3: rote Herkunftsgruppe). Auch die südindische Herkunftsgruppe ist dieser Herkunftsgruppe zuzuordnen (Abb. 3).
Interessanterweise entstand die Indus-Kultur ansonsten aus iranischen Jägern und Sammlern, die sich schon fast 100.000 Jahre früher von jenen Verwandten abgetrennt hatten, die im Westiran als Teil des Fruchtbaren Halbmonds zum Ackerbau übergegangen waren (s. Abb. 3). Die bislang erforschten frühesten Träger der Harappa-Kultur trugen somit 87 % ostiranische Herkunft in sich und 13 % Andamanen-Herkunft.
Es wird immer deutlicher, daß wir vor dem Neolithikum weit verbreitete Herkunftsgruppen haben, zumal in Asien, und daß es deshalb auch genetische regionale Unterschiede innerhalb dieser Herkunftsgruppen gegeben haben könnte. Womöglich werden wir darüber in den nächsten Jahren noch mehr erfahren.
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*) Es heißt darin (2):
We newly report data from 166 individuals (Figure 1, Online Table 1): from Mongolia 82 between ~5700 BCE to ~1400 CE, from China 11 at a ~3000 BCE site in the Yellow River Basin, from Japan 7 Jomon hunter-gatherers dating to ~2500-800 BCE, from the Russian Far East 18 individuals at the Boisman-2 cemetery at ~5400-3600 BCE as well as an individual at ~900 BCE and another at ~1100 CE, and from two sites in Taiwan 46 individuals spanning ~1300 BCE - 800 CE (Online Table 1).
**) In diesem Zusammenhang schwant uns, daß hier das Thema Monogamie ins Spiel kommen könnte. Die südostasiatischen Gesellschaften wiesen schon zu Zeiten von Marco Polo einen ganz anderen Umgang auf mit dieser Thematik auf als die nordostasiatischen Gesellschaften. Aus Thailand werden die höchsten Raten ehelicher Untreue weltweit berichtet (7). Für andere südostasiatische Länder liegen keine Angaben vor. (Zwar wird Thailand gleich gefolgt von heutigen europäischen Ländern. Aber in diesen sind das erst sehr junge Entwicklungen, während das in Thailand, Indonesien und Südostasien vielleicht eher in der traditionellen Kultur verankert ist.
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- Bading, Ingo: Die Ethnogenese des chinesischen Volkes. 27.3.2020, Studium generale: Die Ethnogenese des chinesischen Volkes (studgendeutsch.blogspot.com)
- Wang, C-C. et al (Reich, David): Genomic Insights into the Formation of Human Populations in East Asia. Nature, Veröffentlicht 22.2.2021, https://doi.org/10.1038/s41586-021-03336-2 (2021), https://reich.hms.harvard.edu/sites/reich.hms.harvard.edu/files/inline-files/2021_Wang_Nature_EastAsia.pdf
- Bading, Ingo: Studium generale: KEINE ungebrochene genetische Kontinuität in Ostasien von der Eiszeit ins Neolithikum (studgendeutsch.blogspot.com), Juli 2020
- Bading, Ingo: Studium generale - Kurzbeiträge: Die Ur-Japaner und die Andamesen (ibading.blogspot.com), 2018
- Bading, Ingo: Studium generale - Kurzbeiträge: Erfindung der Keramik in Japan, 14.000 v. Ztr. (ibading.blogspot.com), 2018
- Malloy, Jason: Gene Expression: A World of Difference: Richard Lynn Maps World Intelligence (gnxp.com), 2006
- It’s official: Thailand fails the most at monogamy (coconuts.co), 2015
- Studium generale: Sogder (studgendeutsch.blogspot.com), 2007 bis 2009
- Pinhasi, Ron; Frey, Alexandra: Neue genomische Einblicke in die menschliche Entwicklungsgeschichte in Ostasien (univie.ac.at), 22.2.2021
- Bunney, Sarah: Desperate times forced rise of farming | New Scientist, 1994
- https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Spatial_distribution_of_rice,_millet_and_mixed_farming_sites_with_a_boundary_of_rice_and_millet_and_possible_centers_of_agriculture.png
- Shing Müller (München): Sogdier in China um 600 n. Chr. - Archäologische Zeugnisse eines Lebens zwischen Assimilation und Identitätsbewahrung, noag2008-7.pdf (uni-hamburg.de)
- Yao, H., Wang, M., Zou, X. et al. New insights into the fine-scale history of western–eastern admixture of the northwestern Chinese population in the Hexi Corridor via genome-wide genetic legacy. Mol Genet Genomics (2021). https://doi.org/10.1007/s00438-021-01767-0, Published 01 March 2021
- An Ancient Harappan Genome Lacks Ancestry from Steppe Pastoralists or Iranian Farmers - ScienceDirect, By Vasant Shinde, Vagheesh M. Narasimhan .... David Reich, Volume 179, Issue 3, 17 October 2019, Pages 729-735.e10, https://doi.org/10.1016/j.cell.2019.08.048