/ Zweiter Beitrag aus unserer Blogartikel-Serie "Wir sind Sternenstaub" /
In einem Beitrag vor einigen Tagen (1) war hingewiesen worden darauf, wie die Wissenschaft heute das Entstehen der chemischen Elemente, die schwerer als Lithium sind, glaubt, erklären zu können. Damit ist aber noch nicht die Frage geklärt, wo und wie konkret die Vielzahl genau jener chemischen Elemente entstanden sind, die wir hier auf unserer Erde und in unserem Sonnensystem finden.
Abb. 1: Die Kinderstube eines künftigen Sternhaufens in der Milchstraße (ein sogenanntes "Bok-Globule"), hier mit dem Spitzname "Caterpillar" ("Raupe") - Seine leuchtenden Ränder legen eine Photoionisation durch die heißesten Sterne innerhalb des entstehenden Sternenhaufens nahe (NASA 2007) (Wiki) |
Indem wir dieser Frage nachgehen, geraten wir in ein Feld aktueller astronomischer und astrophysikalischer Forschung, das man in der üblichen Wissenschaftsberichterstattung Jahrzehnte lang gar zu leicht hat übersehen können. Und doch geht es hier um die Erforschung der Grundlagen unserer Existenz. Und es gibt auf diesem Gebiet in der Wissenschaft der letzten Jahrzehnte stürmische Fortschritte in dem Verstehen der sich hier abspielenden Vorgänge. Das wird einem allerdings noch nicht bewußt, wenn man sich dazu die Theorien auf Wikipedia zur Entstehung unseres Sonnensystems ansieht ... (Wiki). ... Man ist beim derzeitigen Inhalt dieses Wikipedia-Artikels zunächst verwundert: Das soll eine gute physikalische Theorie sein? Unser Sonnensystem wäre entstanden aus einer diffusen "Urwolke", wie sie schon von Immanuel Kant angenommen worden war? Und mehr sollten wir heute nicht darüber wissen? Aber dann stößt man weiter unten im Artikel auf den Verweis zu dem Wikipedia-Artikel "Protoplanetare Scheibe". Hier liest man nun doch einigermaßen verwundert weiter (Wiki):
"Die ersten protoplanetaren Scheiben wurden 1994 von C. Robert O’Dell und Mitarbeitern mit dem Hubble-Weltraumteleskop im Orionnebel beobachtet; in diesem Sternentstehungsgebiet sind etwa 50% aller jungen Sterne von einer protoplanetaren Scheibe umgeben. 1998 wurde erstmals eine Scheibe um einen massiven Stern gefunden."
Das erstaunt. Die Wissenschaftler wissen also doch schon allerhand mehr - inzwischen - als zunächst zu ahnen war. Bilder von solchen Protoplanetaren Scheiben findet man auch in einem Astronomischen Kurzvortrag von Professor Ralf Klessen von der Universität Heidelberg aus dem Jahr 2011 (4). Von dem Wikipedia-Artikel "Protoplanetare Scheibe" kann man sich weiter leiten lassen zu dem Wikipedia-Artikel "Sternentstehungsgebiet", wissenschaftlich benannt "H-II-Gebiet" (Wiki):
"Ein Sternentstehungsgebiet (H-II-Gebiet, gesprochen Ha zwei, H für Wasserstoff) ist eine interstellare Wolke aus leuchtendem Gas mit einem Durchmesser von manchmal mehreren hundert Lichtjahren, in der die Sternentstehung stattfindet."
Wer hätte davon schon jemals gehört? Finden wir uns zunächst einmal mit den Örtlichkeiten zurecht. Denn da gibt es ja gedanklich erst einmal einiges einzuordnen. Zunächst einmal hinsichtlich der Größenverhältnisse, von denen hier die Rede ist: Die Milchstraße hat einen Durchmesser von 200.000 Lichtjahren und eine Dicke von 1.000 Lichtjahren. Die Dimensionen, von denen hier die Rede ist ("mehrere hundert Lichtjahre"), sind also deutlich kleiner als eine durchschnittliche Galaxie im Durchmesser. Aber immerhin, mit der Dicke der Milchstraße kommen wir diesen Dimensionen schon nahe. Aber fangen wir noch einmal von der anderen Seite her an, die Größenverhältnisse einzugrenzen und verständlicher zu machen: Die "Oortsche Wolke", das nächstliegende Phänomen außerhalb der äußersten Planetenbahnen unseres Sonnensystems, in dem es sich befindet, ist bis zu 1,6 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt.
Also selbst wenn wir mit der Schnelligkeit des Lichtes reisen könnten, also mit der höchsten Geschwindigkeit, die in diesem Universum möglich ist, bräuchten wir immer noch: eineinhalb Jahre, um bis zur Außengrenze der Oortschen Wolke zu gelangen. Wenn wir mit einem Viertel Lichtgeschwindigkeit reisen würden können, bräuchten wir schon sechseinhalb Jahre. Wenn wir mit einer Geschwindigkeit von 37.500 Kilometern in der Sekunde reisen könnten, bräuchten wir 13 Jahre. 2006 hat die schnellste Sonde, die Menschen jemals von unserer Erde hinweg gesendet haben, gerade einmal eine Geschwindigkeit von 16 Kilometern pro Sekunde gehabt. Neun Jahre später, 2015, hatte sie den Planeten Pluto erreicht (Wiki). Ade, Oortsche Wolke, es wird noch lange dauern, bis Menschen dich innerhalb ihrer eigenen Lebenszeit werden erreichen können.
Der nächste Stern aber nun - Proxima Centauri - ist 4,2 Lichtjahre von uns entfernt. Innerhalb von 16 Lichtjahren Abstand von unserem Sonnensystem liegen etwa 63 Sterne (Wiki). Nur 9 von diesen 63 Sternen sind etwa so groß wie unsere Sonne und deshalb mit bloßem Auge sichtbar. Die anderen 50 sind Rote Zwerge, die Dreiviertel der Sterne unserer Milchstraße ausmachen, und die so schwach leuchten, daß mit bloßem Auge kein einziger von ihnen am Himmel gesehen werden kann. Zu diesen Roten Zwergen gehört auch Proxima Centauri. Rote Zwerge haben zwischen 7 und 60 % der Masse unserer eigenen Sonne.
Innerhalb von 50 Lichtjahren Abstand finden sich dementsprechend knapp 1000 Sterne im Umkreis (Wiki), aber in ähnlicher zahlenmäßiger Zusammensetzung, das heißt, nur etwa hundert Sterne von diesen sind mit bloßem Auge sichtbar. Auch hier sind wir noch nicht in dem Größenbereich angekommen, von dem bezüglich eines "Sternentstehungsgebietes" die Rede sein könnte.
Die "Lokale Blase", unsere Heimatregion in der Milchstraße
Schließlich ist aber zu finden: 300 Lichtjahre Durchmesser hat die sogenannte "Lokale Blase" (Wiki), in der sich seit einigen hunderttausend oder Millionen Jahren unser Sonnensystem befindet. (Es ist interessanterweise noch gar nicht sicher bekannt, welchen Weg unser Sonnensystem in den letzten 4,5 Milliarden Jahren durch die Milchstraße gemacht hat oder ob es immer in demselben Galaxienarm verortet geblieben ist.) Diese Lokale Blase gehört zum Orion-(Spiral-)Arm der Milchstraße. Dieser ... (Wiki) ...
... zeichnet sich durch eine Reihe heißer Sterne der Klassen O und B aus, die überwiegend zum Sternbild Orion gehören. Aus diesem Grund erhielt er seinen Namen Orionarm.
Wenn wir also das Sternbild Orion sehen und seine hell leuchtenden Sterne, dann können wir zugleich den Spiralarm unserer Muttergalaxie mit hinzu denken, zu dem wir mit dem Orion gehören. Auch die Sterne des Sternbilds Plejaden gehören zum Orionarm. Sie sind 444 Lichtjahre entfernt. Beteigeuze, der Stern links oben im Orion ist 640 Lichtjahre entfernt, Rigel, der rechte Fußstern des Orion, ist 770 Lichtjahre entfernt, Alnitak, der linke Gürtelstern des Orion, 800 Lichtjahre. Der Orionnebel ist 1.350 Lichtjahre entfernt, der dort ebenfalls lokalisierte Pferdekopfnebel 1500 Lichtjahre. Das sind alles dann schon Sterne außerhalb unserer Lokalen Blase.
"Superblasen" nach Art unserer "Lokalen Blase" finden sich allerdings unzählige innerhalb unseres Universums (Wiki):
Das Sonnensystem liegt in der Nähe des Zentrums einer alten Superblase, die "Lokale Blase" genannt wird, und deren Grenzen erzeugt werden durch das plötzliche Anwachsen von Staubbeseitigung um außen liegende Sterne, die weiter von uns entfernt sind als einige hundert Lichtjahre.The Solar System lies near the center of an old superbubble, known as the Local Bubble, whose boundaries can be traced by a sudden rise in dust extinction of exterior stars at distances greater than a few hundred light years.
Das Alter dieser "Lokalen Blase" um uns herum, eines weitgehend staubfreien Gebietes um unser Sonnensystem, ist, wie zu erfahren ist, nicht so alt wie unser Sonnensystem selbst. Es soll vielmehr eine Supernova oder mehrere derselben in den letzten 100 Tausend oder 20 Millionen Jahren in unserer "galaktischen Nähe" gewesen sein, die diese "Lokale Blase" staubfrei gefegt hat. Vermutet wird eine in 800 Lichtjahren Entfernung (Wiki). Der Ort dieser Supernova - der heutige Pulsar Geminga - wurde 1972 entdeckt. Seine Natur wurde aber erst in den 1990er Jahren besser verstanden. Als Ursache für die "Staubfreiheit" unserer Lokalen Blase wird aber seit 2002 auch eine Reihe von Supernova-Explosionen in der Sterngruppe der Plejaden vermutet (Wiki) (7).
Aber wenn diese "Staubfreiheit" um uns herum nicht zwangsläufig als "Normalfall" anzusehen sein muß, stellt sich ja auch die Frage: Konnten denn die Dinosaurier schon genauso "staubfrei" in den Nachthimmel blicken wie wir? Zu dem Gegenteil von "Staubfreiheit", zu "Dunkelwolken" lesen wir in der Tat (Wiki):
Wenn das Sonnensystem durch einen solchen Nebel driften sollte, könnte der kosmische Staub das Licht der Sterne verdunkeln.
Es scheint also beim derzeitigen Kenntnisstand gar nicht sicher zu sein, ob die Dinosaurier die Sterne hätten sehen können (wenn sie sie denn hätten sehen wollen). (Aber sollte nicht die Evolution der Zugvögel, die sich nach den Sternen richten, uns Auskunft geben können darüber, ob in früheren Erdzeitaltern Sterne sichtbar waren? Dann wäre zu fragen, wie lange auf der Erde es Zugvögel eigentlich gibt.) Manche Forscher vermuten sogar noch mehr (Wiki):
Eine Dunkelwolke mit einer Dichte von 100 bis 300 Molekülen pro cm³ könnte die Heliosphäre stark zusammendrücken, wodurch ihre Materie bis ins Innere des Sonnensystems gelangen und sogar die Sonne verdunkeln könnte. Dies könnte die Photosynthese stören oder verunmöglichen. Einige Forscher vermuten einen derartigen "Nebel-Winter" hinter vergangenen Eiszeiten und Massensterben.
Gut, sichere Kenntnisse gibt es dazu offenbar noch nicht. Ganz allgemein ist zu "Molekülwolke" noch das folgende sehr Interessante zu erfahren (Wiki):
Wenn die Wolke dicht genug ist, können sich viele Arten von Molekülen bilden, bis hin zu komplexen Aminosäuren. (...) Ab Mitte der 1960er Jahre wurde mit Radioteleskopen eine Vielzahl von Molekülen im interstellaren Medium nachgewiesen. (...) Inzwischen sind über 150 unterschiedliche Moleküle in Molekülwolken entdeckt worden, wie z. B. Wasser (H2O), Cyanwasserstoff (HCN) oder Ethanol. Kohlenmonoxid ist von besonderer Bedeutung für die Erforschung der Molekülwolken, weil man auf Grund des CO/H2-Verhältnisses die Masse einer solchen Wolke bestimmen kann.
Aber stoppen wir unseren Wissensdrang kurz einmal ein wenig ab und schauen zurück: Worauf sind wir eigentlich gestoßen, als von "Lokaler Blase" die Rede war? Ist diese "Lokale Blase" nicht die eigentliche Heimat in unserer Galaxie? Warum sprechen wir immer nur von "unserem Sonnensystem" und nicht davon, daß unser Sonnensystem - wahrscheinlich (das sehen wir gleich weiter unten) - Teil eines Sternenhaufens ist, unprosaisch "Lokale Blase" genannt, dessen Sterne - womöglich - alle gleichzeitig zu Sternen so wie die Sonne geworden sind, und dessen "Umhüllung" - womöglich - erst vor 100 Tausend oder 20 Millionen Jahren staubfrei gefegt worden ist (oder womöglich auch "wieder" staubfrei gefegt worden ist). - Aber wir werden in diesem und weiteren Beiträgen noch sehen, daß all diese Fragen noch keineswegs irgendwie abschließend geklärt sind. Aber womöglich werden wir in den nächsten Jahren eine definitivere Klärung erfahren, begann doch das "Goldene Zeitalter der Astronomie" gerade erst mit der Veröffentlichung der Daten des Forschungssatelliten "Gaia" - wie wir noch sehen werden.
"Sternentstehungsgebiete"
Jene Supernovi in unserer eigenen Lokalen Blase, die diese Staubfreiheit bewirkt haben, hätten auf jeden Fall nicht die Ausgangsbasis für unser eigenes Sonnensystem bilden können, denn dazu wären sie ja viel zu jung. Aber welche waren es dann? Und wie viele mußten aufeinander folgen, damit wir entstehen können? Solche Fragen leiten uns im folgenden. Um zu Antworten auf diese Fragen zu kommen, müssen wir - offenbar - weite Umwege gehen und gelangen dabei womöglich auch an die derzeitigen Grenzen der aktuellen Forschung. So schnell jedenfalls kriegen wir hier die Zusammenhänge nicht zusammen gesetzt. Schauen wir uns erst einmal an, was ganz allgemein über die Kinderstuben von Sonnen und Planetensystemen außerhalb unseres eigenen Sonnensystems bekannt ist. Schon hier sind höchst erstaunliche Dinge zu erfahren (Wiki):
"Einige Sternentstehungsgebiete (H-II-Gebiete) sind so hell, daß man sie schon mit bloßem Auge sehen kann. Jedoch wurde ihnen vor der Erfindung des Teleskops im frühen 17. Jahrhundert kaum Beachtung geschenkt." "Im frühen 20. Jahrhundert bemerkte man, daß die H-II-Gebiete meist heiße helle Sterne enthalten. Diese haben ein Vielfaches unserer Sonnenmasse und sind die kurzlebigsten Sterne mit nur wenigen Millionen Jahren Lebensdauer (zum Vergleich: Unsere Sonne lebt etwa 10 Milliarden Jahre). Es wurde bald vermutet, daß in den H-II-Gebieten neue Sterne entstehen: Über einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren bildet sich ein Sternhaufen aus einer H-II-Region, bevor der Sternwind der heißen jungen Sterne den Nebel zerstreut. Die Plejaden sind ein Beispiel solch eines Haufens, der seine H-II-Gasnebel, aus denen er entstanden ist, schon großteils weggeblasen hat. Nur ein kleiner Rest von ihnen blieb als Reflexionsnebel erhalten."
Die Plejaden, die Plejaden. Das macht uns jetzt aber neugierig ... (Wiki):
Der Sternhaufen (...) umfaßt mindestens 1200 Sterne und ist etwa 125 Millionen Jahre alt.
125 Millionen Jahre alt? Erst? Dann ist er ja wiederum viel jünger als man eigentlich so ohne weiteres hätte erwarten können. Er entstand ja dann erst auf dem Höhepunkt der Dinosaurierzeit! Aber wie hat man das Alter herausbekommen? Wir lesen (Wiki):
Das Alter von Sternenhaufen kann geschätzt werden, indem man das Hertzsprung-Russell-Diagram dieses Haufens mit theoretischen Modellen zur Sternenentwicklung vergleicht. Indem man diese Technik benutzt, wurde für die Pleiaden ein Alter zwischen 75 Millionen und 150 Millionen Jahren geschätzt.Ages for star clusters can be estimated by comparing the Hertzsprung-Russell diagram for the cluster with theoretical models of stellar evolution. Using this technique, ages for the Pleiades of between 75 and 150 million years have been estimated.
Der Autor dieser Zeilen wußte bislang nicht, daß wir am Himmel heute Sterne sehen, die man in der Frühzeit der Dinosaurier noch gar nicht sehen konnte! Er dachte, die Sterne am Himmel sind im Allgemeinen so alt oder älter als die Sonne. Noch einmal in anderen Worten (Wiki):
In H-II-Gebieten entstehen meist tausende neuer Sterne in einer Zeitperiode von einigen Millionen Jahren. Am Ende führen jedoch Sternwinde der massereichsten Sterne oder vereinzelte Supernova-Explosionen dazu, daß das Gas des H-II-Gebietes zerstreut wird. Zurück bleibt ein Offener Sternhaufen wie die am Winterhimmel sichtbaren Plejaden.
Also ist womöglich auch unsere "Lokale Blase" auf diese Weise entstanden? Vorerst müssen wir das als Frage im Raum stehen lassen.
Sternentstehung - Sie findet nicht in der "Öffentlichkeit" statt
Aber legen wir das Augenmerk noch einmal auf diesen Umstand, nämlich daß die Geburt eines Sternes nicht in der Öffentlichkeit statt findet (Wiki):
"Die Geburt eines Sternes in einer H-II-Region wird durch dichte Wolken und Staub um entstehende Sterne verdeckt."
In dichte Wolken und Staub ist also (auch) "unsere" Geburtsstunde eingehüllt. Die Sternenhaufen machen also - offenbar - ein Geheimnis aus dem, was in ihrem Inneren geschieht. Sie "zaubern". Sie sind "schamhaft". Sie verbergen das Kostbarste (Wiki):
"Nur wenn der Sternenwind seinen 'Kokon' wegweht, wird der Stern sichtbar."
Erst wenn die Sterne also Sterne sind, wird die verhüllende Hülle abgeworfen, weggefegt. Sie werden in aller Pracht der "Öffentlichkeit", der Welt sichtbar. So wie die Plejaden - oder wie die Gürtel- und Schwertsterne im Orion. Sie sprechen dann: "Seht her, da sind wir. Und wir strahlen, strahlen, strahlen, funkeln und sprühen." Man fühlt sich hier fast an das Aufblühen von Blumen erinnert. Man fühlt sich an die Verhüllung der Blüte in Knospen erinnert. Und an viele ähnlich anmutende Erscheinungen in der Biologie, an Vorgänge von Scham und Verhüllung einerseits und Enthüllung und Pracht andererseits.
Ist das nicht alles Grund genug zu sagen: Du Mensch, der du durch die Gassen schreitest, hast allerhand Gründe, vor den Sternen Achtung zu haben - ? Denn sie, die Sterne, "sehen dich" - ? Auch wenn du nicht zu ihnen aufschaust? Sie haben nämlich auch ihr eigenes "Leben". Sie sehen dich und - womöglich sogar: deine - - - Schamlosigkeit. Denn ihr eigenes Leben ist ja in der Frühphase in geheimnisvolle Schamhaftigkeit gehüllt. Sie wissen deshalb um Schamhaftigkeit, um Umhüllung bei der Zeugung, bei der Geburt, und zwar nicht nur neuer Lebewesen, neuer Blüten und Früchte, sondern sogar: neuer Welten, neuer Grundlagen für etwaiges Leben.
Du Mensch, wenn Du durch die Gassen schreitest, weißt Du dich - womöglich - zu benehmen - "im Angesicht der Sterne"? Erzeigst Du Dich unserer würdig? Bist Du würdig, uns in all unserer Entschleierung sehen zu dürfen? In all unserer Pracht und Herrlichkeit? Uns alle, uns "junge" Sterne in unserer Pracht, mit unserem Glitzern und Glänzen aus der Dinosaurierzeit - ?
Was Hoimar von Ditfurth noch nicht wußte ...
Ja, man versteht es schon, warum man in Jugendzeiten nichts von diesen Dingen erfahren hat, die man hier auf Wikipedia jetzt zu seiner eigenen Überraschung zum ersten mal entdeckt. Warum man nichts von ihnen erfahren hat, obwohl man doch eine breite naturwissenschaftliche Grundbildung genossen hatte. Man versteht es schon, warum die Physiker der 1980er Jahre, auch die philosophisch Interessierten, einem davon nicht gar so viel erzählt haben. Warum man davon noch so wenig hat lesen können in "Im Anfang war der Wasserstoff" oder in "Kinder des Weltalls" von Hoimar von Ditfurth. Hoimar von Ditfurth starb 1989. Und erst 1990 gab es den empirischen Beleg dafür, daß die Geburtsstätten der Sterne in Dunkel gehüllt sind. Erst 1990.
Immerhin, Hoimar von Ditfurth hatte 1970 in dem Kapitel "Der Stoff, aus dem wir bestehen" in seinem Buch "Kinder des Weltalls" (8) schon einen Überblick gegeben über die Entstehung der schweren Elemente im Innern von Sternen - nach damaligem Forschungsstand. Viele Erkenntnisse diesbezüglich waren damals noch ganz neu, zum Teil auch viel ungesicherter als sie heute sind.
Aber warum werden dem Autor dieser Zeilen - und womöglich auch dem Leser - erst jetzt, 30 Jahre später diese Dinge wichtig, viel wichtiger als damals, als man es zum ersten mal las? Weil die ganze Welt - womöglich - in Irrsinn versunken ist? Im Jahr 2020? Und weil auch von dem Autor dieser Zeilen immer und immer wieder erwartet wird, daß er sich mit Irrsinn beschäftigt, statt mit dem Erhabenen, Großen, Wertvollen, Prächtigen, Glänzenden, Funkelnden und Geheimnisvollen, mit dem sternenübersäten Nachthimmel? Hat irgendetwas anderes Sinn, als sich mit dieser erhabenen Pracht zu beschäftigen? In "heutigen Zeiten"? Wer möchte das gar so kühn und schlankweg behaupten in einer Welt, die dem reinen Irrsinn verfallen ist und ihm immer mehr verfällt. Also noch einmal, wohlgemerkt:
"Die ersten protoplanetaren Scheiben wurden 1994 von C. Robert O’Dell und Mitarbeitern mit dem Hubble-Weltraumteleskop im Orionnebel beobachtet."
Was hat der Autor dieser Zeilen im Jahr 1994 gemacht, daß diese und ähnliche Entdeckungen an ihm hatten vorbei gehen können und ihm seither niemals mehr hatten bedeutsam werden können? In welchen dunklen Gassen war er unterwegs, mit Blick zum Boden anstatt zu den Sternen? In welcher Schamlosigkeit war er befangen, in welcher Niedertracht und Nichtbeachtung der Sterne? Ja, ihr Sterne, verhüllt eure Häupter. Ist denn damit nicht schon genug von der Schande angedeutet worden? Von der Schande, die Sterne nicht beachtet zu haben? Ja, genug, übergenug. Wir wollen lieber mit Hölderlin sprechen:
"Wär ich mit Themistokles aufgewachsen, hätt ich unter den Scipionen gelebt, meine Seele hätte sich wahrlich nie von dieser Seite kennen gelernt."
Von dieser Nachtseite der Welt, die die Sterne Sterne sein läßt. Wie darf sie das? Unsere Seele hätte schon vor 30 Jahren von diesen faszinierenden Erkenntnisfortschritten in der Wissenschaft Kenntnis nehmen können und die Augen zu den Sternen richten können, anstatt - anstatt sich mit so viel überbordender Blödsinnigkeit während unserer eh nur viel zu kurzen Lebenszeit zu beschäftigen. Wenn unsere Seele einstmals auf dem Sterbebett liegt, wenn sie auf dem Totenbett liegt, dann lasse sie sich von dem Ursprung der Sterne erzählen, von den wabernden Gaswolken, von den geheimnisvollen und von ihrem geheimnisvollen Wirken. Davon zu wissen ist genug. Mehr als genug. Es ist das ein erhabenes Thema, um dessentwillen gelebt zu haben, genügt. Was über die Kindheit der Menschen zu sagen ist, ist das nicht noch um so viel mehr von der Kindheit unserer Welt, also von der Kindheit der Sterne zu sagen?
"Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allem, was uns umgibt, nichts wußte, war ich da nicht mehr, als jetzt, nach all den Mühen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen?"
So Friedrich Hölderlin in seinem Roman "Hypierion". Und auch ebenda:
"Ruhe der Kindheit! himmlische Ruhe! wie oft steh ich stille vor dir in liebender Betrachtung, und möchte dich denken!"
Um wie viel leichter ist es uns nun geworden, die Ruhe der Kindheit, die Kindheit in der erhabenen Sternenwelt zu denken - "in liebender Betrachtung".
Doch es möge auch Entschuldigendes angeführt werden: Physikalische Laien, die sich in den 1980er Jahren mit den astrophysikalischen Forschungen beschäftigten, die waren viel mit der "Großen Theorie von Allem" beschäftigt, mit dem Verständnis des Universums im Ganzen. Da konnte ein Thema wie die Entstehung der Elemente in Sternen und die Entstehung der Sterne selbst schon fast ganz nebensächlich erscheinen. Wollen wir das als Entschuldigung vorerst gelten lassen ....
1947 wurden sogenannte "Globule" als Sternentstehungsgebiete vermutet, 1990 wurde diese Vermutung empirisch bestätigt
Fahren wir also fort. Über den Orionnebel lesen wir (Wiki):
Anfang der 1990er Jahre gelang es durch hochaufgelöste Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops, eine Vielzahl in Entstehung begriffener Sterne anhand ihrer zirkumstellaren Scheibe (Proplyd) zu identifizieren. Der Orionnebel selbst war vermutlich noch vor 50.000 Jahren nicht sichtbar, da die jungen O- und B-Sterne von der Molekülwolke umschlossen waren.
Vor 50.000 Jahren. Erst vor 50.000 Jahren. In der Zeit, in der der anatomisch moderne Mensch Afrika verließ. Genauer gesagt, heißen die Geburtsstätten der Sterne übrigens "Globule" (Wiki). Über sie lesen wir (Wiki):
Die dichten Nebelregionen, die die Sterne enthalten, sind oft als Schatten vor dem Rest des ionisierten Nebels zu sehen. Diese Dunklen Flecke nennt man Globule (engl. Bok globules), nach dem Astronom Bart Bok, welcher in den 1940ern (1947) vorschlug, daß sie Geburtsstätten von Sternen sind. Boks Hypothese wurde 1990 bestätigt, als Infrarotbeobachtungen den dicken Staub durchdrangen und junge Sterne offenbarten. Heute nimmt man an, daß ein Bok Globule etwa die zehnfache Masse der Sonne besitzt, welche sich auf einen Durchmesser von ungefähr einem Lichtjahr verteilt. Meistens entsteht aus ihm eine Formation aus einem Doppel- oder Mehrfachsternensystem.
Nur durch Infrarotbeobachtungen können wir in die Kinderstube der Sterne blicken. Nur durch sie. Das macht uns auch Professor Ralf Klessen klar (4). Und von seinem Heidelberger Kollegen, dem Astrophysiker Philipp Girichidis, erfahren wir, daß diese Dunkelwolken - im Gegensatz zu dem heißen sonstigen interstellaren Medium - "eiseskalt" sind, so kalt, daß sie fast den absoluten Nullpunkt erreichen. Denn nur Kinderstuben, die so eiskalt sind, können aus sich heraus neue junge Sterne gebären (5). Aber zunächst lesen wir weiter (Wiki):
In den 1940er Jahren beobachtete Bok in der Milchstraße zum ersten mal kleine, dunkle Wolken von dichtem kosmischen Staub und Gas, die später als Bok Globule bekannt geworden sind. In einer Studie, die 1947 veröffentlicht wurde, vermuteten Bok und E. F. Reilly, daß diese Wolken "ähnlich den Kokon's der Insekten" einen Gravitationskollaps durchlaufen, in dem sich neue Sterne und Sternhaufen formen. Diese Hypothese war sehr schwer zu verifizieren, weil es Schwierigkeiten in der Beobachtung gab, um herauszubekommen, was innerhalb einer dichten, dunklen Wolke, die alles sichtbare Licht, das innerhalb derselben abgestrahlt wurde, verdunkelte, geschah. Aber nach dem Tod von Bok wurden seine Ideen bestätigt, als 1990 Analysen von Beobachtungen im Nahinfrarotbereich bestätigten, daß Sterne innerhalb der Bok Globule geboren wurden.In the 1940s, Bok first observed small, dark clouds of dense cosmic dust and gas which would later become known as Bok globules in the Milky Way. In a paper published in 1947, Bok and E.F. Reilly hypothesized that these clouds were "similar to insect's cocoons" that were undergoing gravitational collapse to form new stars and star clusters. This hypothesis was difficult to verify due to the observational difficulties of establishing what was happening inside a dense dark cloud that obscured all visible light emitted from within it, but after Bok's death his ideas were confirmed when analyses of near infrared observations published in 1990 confirmed that stars were being born inside Bok globules.
Der Aufsatz von 1947 wurde eingeleitet mit den Worten (2):
In den letzten Jahren haben mehrere Autoren die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit der Entstehung von Sternen in Kondensationen im interstellaren Medium gelenkt. Es ist deshalb notwendig, nach Hinweisen für das Vorhandensein von relativ kleinen, dunklen Gaswolken in unserer Milchstraße zu suchen, denn diese repräsentieren womöglich das evolutionäre Stadium, das der Entstehung eines Sterns voraus geht.Original: In recent years several authors have drawn attention to the possibility of the formation of stars from condensations in the interstellar medium. It is therefore necessary to survey the evidence for the presence in our galaxy of relatively small dark nebulae, since these probably represent the evolutionary stage just preceding the formation of a star.
Die geradezu philosophische Formulierung "ähnlich den Kokon's der Insekten" ("similar to insect's cocoons"), die wir in dieser Studie suchen, weil sie mit dieser Herkunftsangabe in dem zitierten Wikipedia-Artikel enthalten war, finden wir in ihm allerdings so schnell nicht. Vielleicht stammt sie von woanders.
Wir wollen aber an dieser Stelle noch einen Vorbehalt einfügen: Die Astrophysikerin Emily Hunt, die Sternentstehungsgebiete und die Haufen von jungen Sternen erforscht, sagte jüngst in einem Interview, daß es noch nicht sicher ist, ob nur ein kleiner Teil aller Sterne in solchen Sternentstehungsgebieten entsteht oder der größte Teil aller Sterne (9) (im hinteren Teil der Sendung). Wir wollen das im Hinterkopf behalten für alles, was in diesem Blogbeitrag ausgeführt wird. Dieser Umstand macht einmal erneut deutlich, was alles noch in der modernen Astronomie abschließend zu klären ist und wie viel von dem, was wir hier zusammen tragen, letztlich noch "Vermutungswissen" ist.
Unsere Existenz - Sie hing an dem seidenen Faden einer "Jeans-Länge"
Wenn wir nun versuchen, noch weiter zurück zu gehen zu den Ursprüngen der Sternenentwicklung, so werden wir über die sogenannte Jeans-Masse (Wiki) belehrt, benannt nach dem britischen Astrophysiker James Jeans (1877-1946) (Wiki, engl). Von diesem hatten wir schon zuvor gehört. Er war seinen Zeitgenossen durch interessante philosophischen Deutungen des physikalischen Weltbildes bekannt geworden, über die zu seinen Lebzeiten auch in der deutschen Wissenschaftspresse berichtet worden ist. Wir lesen nun über "Molekülwolken" (Wiki):
Unter irdischen Bedingungen breiten sich Gase aufgrund der kinetischen Energie der Moleküle und ihrer damit verbundenen Kollisionen in dem zur Verfügung stehenden Raum gleichmäßig aus. Im freien Weltall dagegen werden größere Ansammlungen von Gasen durch ihre Schwerkraft zusammengehalten und sind deswegen räumlich begrenzt. Nach Überschreiten der Jeans-Masse zieht sich die Wolke immer weiter zusammen, bis ein neuer Gleichgewichtszustand erreicht wird (Sternentstehung).
Die Jeans-Masse hatte James Jeans aus der Jeans-Länge berechnet (Wiki):
Eine von Jeans' Hauptentdeckungen, benannt Jeans-Länge, ist ein kritischer Radius von interstellaren Wolken im Weltraum. Die Jeans-Länge hängt ab von der Temperatur und der Dichte der Wolke, sowie der Masse der Teilchen, aus denen die Wolke besteht. In einer Wolke, die kleiner ist als ihre Jeans-Länge, wirkt nicht genügend Gravitationskraft, um größer zu sein als die abstoßenden Kräfte des Gasdruckes und um deshalb kondensieren zu können, um dadurch einen Stern bilden zu können, während eine Wolke, die größer ist als ihre Jeans-Länge, kollabieren wird.One of Jeans' major discoveries, named Jeans length, is a critical radius of an interstellar cloud in space. It depends on the temperature, and density of the cloud, and the mass of the particles composing the cloud. A cloud that is smaller than its Jeans length will not have sufficient gravity to overcome the repulsive gas pressure forces and condense to form a star, whereas a cloud that is larger than its Jeans length will collapse.
Mensch, der Du ins Weltall blickst: Alles nur Gas. Langsam sich formendes, langsam sich bewegendes, langsam sich wandelndes Gas, vielmehr: Gasgemische. Oft nur sehr dünn verteilt, kaum zu sehen. Ob jene Elemente, die dich später formten, sich überhaupt bilden konnten - all das hing damals - unter anderem - ab von der Jeans-Länge jener Wolke, in der sich zunächst Wasserstoff, Helium und Lithium, später schwerere Elemente gasförmig bewegten und waberten. An einem so seidenen Faden hing deine Existenz. Sie hing an einer Jeans-Länge.
Diese Molekülwolken sind jedenfalls die Vorstadien der Globule, von denen zuvor die Rede gewesen war, die in ihrer Bedeutung als Kinderstuben der Sterne 1946 erahnt, theoretisch vorausgesagt worden waren, die empirisch aber erst 1990 durch Nahinfrarotbeobachtungen als solche nachgewiesen werden konnten. Wir lesen (Wiki):
Die Periode der Kontraktion dauert insgesamt etwa 10 bis 15 Millionen Jahre.
Das ist - gemessen in astronomischen Zeiten - eine vergleichsweise kurze Zeit. Es ist die Zeitspanne eines durchschnittlichen Erdzeitalters. In einem solchen Erdzeitalter also bilden sich auch junge Sterne. Ist das nicht bewegend, faszinierend? Ein solches "Rhythmus-Gefühl" für Sternentstehung bekommen zu können? Wir lesen dann über eine Entdeckung des japanischen Astrophysikers Chushiro Hayashi (1920-2010)(Wiki):
Hayashi entwickelte die ersten Modelle sich zusammenziehender junger Sterne, in einem Stadium noch bevor sie die Hauptreihe des Hertzsprung-Russell-Diagramms erreicht haben. Nach ihm ist die Hayashi-Linie benannt.
Das so wichtige "Hertzsprung-Russell-Diagramm" wird einem von Professor Ralf Klessen recht gut erklärt (4). Wir lesen weiter (Wiki):
Die Hayashi-Linie spielt eine wichtige Rolle bei der Sternentstehung. Betrachtet man die Entwicklung der kollabierenden Materie, aus der der Stern entsteht, im Farben-Helligkeits-Diagramm, so nähert sich diese der Hayashi-Linie von rechts. Der Kollaps der Wolke im freien Fall ist bei Erreichen der Hayashi-Linie beendet. Dieser Zeitpunkt kann also in gewissem Sinne als Geburtsstunde des Sternes angesehen werden. Die weitere Entwicklung des Sterns verläuft entlang der Hayashi-Linie nach unten, d. h., bei gleichbleibender Oberflächentemperatur verringert sich durch die Kontraktion die Oberfläche und somit auch die Leuchtkraft.
Die betreffende Arbeit erschien im Jahr 1961 (3). Es heißt darüber (Wiki):
Seine vielleicht berühmteste Arbeit war die astrophysikalische Berechnung, die zu der Hayashi-Linie der Sternenentstehung führte, und zu der Hayashi-Grenze, die eine Begrenzung des Sternenradius festlegt.Probably his most famous work was the astrophysical calculations that led to the Hayashi tracks of star formation, and the Hayashi limit that puts a limit on star radius.
Und (Wiki):
Bei der weiteren Kontraktion der Globulen nimmt die Dichte zu und wegen der freiwerdenden Gravitationsenergie (wie des damit erhöhten Gravitationsdrucks) steigt die Temperatur weiter an (Virialsatz; die kinetische Energie der Teilchen entspricht der Temperatur). Der freie Kollaps kommt zum Stillstand, wenn die Wolke im Farben-Helligkeits-Diagramm die so genannte Hayashi-Linie erreicht, die das Gebiet abgrenzt, innerhalb dessen überhaupt stabile Sterne möglich sind. Danach bewegt sich der Stern im Farben-Helligkeits-Diagramm zunächst entlang dieser Hayashi-Linie, bevor er sich auf die Hauptreihe zubewegt, wo das sogenannte Wasserstoffbrennen einsetzt, das heißt die stellare Kernfusion von Wasserstoff zu Helium durch den Bethe-Weizsäcker-Zyklus oder die Proton-Proton-Reaktion. Als Folge des Drehimpulses der Globule bildet sich eine Scheibe aus, die den jungen Stern umkreist, und aus der er weiter Masse akkretiert. Aus dieser Akkretionsscheibe können ein oder mehrere Sterne sowie Planeten entstehen. Diese Phase der Sternentwicklung ist jedoch bisher noch nicht so gut verstanden. Aus der Ebene der Scheibe wird die Ekliptik. Bei der Akkretion aus der Scheibe bilden sich auch in beide Richtungen der Polachsen Materie-Jets (siehe Bild), die eine Länge von über 10 Lichtjahren erreichen können.
"Das heißt, die Bildung von Sternen ist eng verkoppelt mit der Bildung von Planeten und Planetensystemen."
8'07 (4): Molekülwolken sind hochgradig inhomogen. Sterne bilden sich in den dichtesten und kältesten Teilen der Wolke. Man könnte nun meinen, die Graviationskräfte innerhalb dieser Wolke wirken dahingehend, daß sich die ganze Wolke zu einem einzigen riesigen Stern zusammen ballt. Ob dies geschieht, hängt von der Schnelligkeit ab, mit der sich einzelne ,kleinere Regionen im Verhältnis zur Gesamtregion zusammen ballen. Überschall-Turbulenzen bewirken dabei nämlich komplexe Dichtestrukturen, die Schwereanziehung überwindet den Gasdruck dann nur in bestimmten Bereichen. Und zwar in einigen Bereichen früher als in anderen. Dadurch fragmentiert sich das gesamte Wolkengebiet und bildet Haufen, aus denen dann jeweils einzelne Sterne entstehen. Da diese Sterne aber über Materieflüsse innerhalb der Wolke noch miteinander im Austausch stehen, ist der Prozeß bis zu diesem Zeitpunkt sozusagen immer noch "turbulent", einzelne Massepunkte entziehen anderen Massepunkten die Materie. Wenn aber dann der zentrale Stern dieses Sternentstehungsgebietes - in dem hier behandelten Beispiel Zeta 1c Orionis - so massereich geworden ist, daß er ionisierende Strahlung aussenden kann, fegt er seine Umgebung und auch die Umgebung der ihn umgebenden etwa 2000 Sterne von Staub und Molekülwolken frei, so daß im wesentlichen kein kontinuierlicher Austausch von Materie mehr zwischen ihnen stattfinden kann und sich nun jeder Stern für sich weiter entwickelt und in aller Pracht und Herrlichkeit erstrahlen kann.
So lautet also die moderne Sternentstehungstheorie. Und zwar scheint das
der Stand der Erkenntnisse des Jahres 2011 gewesen zu sein.
Geburt der Sterne nur dicht am absoluten Temperatur-Nullpunkt
Im Jahr 2020 referiert wiederum ein Wissenschaftler der Universität Heidelberg, Philipp Girichidis, schon sehr viel konkretere Vorstellungen zu diesem Sternentstehungsprozeß (5).
Aber zunächst sei noch festgehalten: Die Sternentstehungsrate nimmt im Laufe des Bestehens einer Galaxie ab. Und die Sternentstehungsrate wird deutlich erhöht, wenn zwei Galaxien miteinander zusammen stoßen (5). Vermutlich deshalb, weil es einfach mehr Turbulenzen und damit mehr Materie-Ungleichgewichte gibt. Die dunklen Regionen in einer Galaxie, die Staubwolken, die man in jeder Galaxie sieht, das sind nun die Sternentstehungszentren (6). Sie unterscheiden sich in entscheidenden Merkmalen von dem übrigen interstellaren Raum innerhalb einer Galaxie.
Teile der interstellaren Materie innerhalb von Galaxien sind nämlich im Allgemeinen vom molekularen Dichtegrad her gesehen sehr dünn. Sie sind gleichzeitig auch sehr, sehr heiß, nämlich mehrere hunderttausend oder mehrere hundert Millionen Grad heiß. Sie werden aufgeheizt von Sternen, sehr heißen Sternen und von Supernova-Ereignissen. Andere Regionen einer Galaxie hingegen, nämlich die dunklen Molekülwolken, stehen von der Temperatur her gesehen im größtmöglichen Gegensatz zu diesem dünnen, interstellaren Medium. Ihre Temperatur beträgt nämlich Minus 250 Grad Celsius, sie bewegt sich also dicht am absoluten Nullpunkt. Es sind das damit zugleich auch die kältesten Regionen in einer Galaxie. Und das ist sogar deshalb so, obwohl dort die Atome viel dichter gepackt sind. Das liegt daran, daß die Atome im dünnen interstellaren Medium sich sehr schnell bewegen, aber trotzdem nur sehr selten mit anderen Atomen zusammen stoßen. Deshalb können sie jene Strahlung, die bei Zusammenstößen abgegeben wird, gar nicht abgeben und bleiben heiß. Wenn die Atome aber dichter gepackt sind aufgrund von Gravitationskräften, stoßen sie viel häufiger zusammen und geben dabei Strahlung (Wärme) ab, die die Galaxie verläßt. Deshalb ist es in Molekülwolken so eiseskalt (6). Dieser Vorgang wird von der Wissenschaft "Strahlungskühlen" genannt.
Nur weil in diesen Molekülwolken der thermische Druck in Form von Temperatur so niedrig ist, nur deshalb kann es dort zu Sternentstehungen kommen (6). Nur dort herrschen dafür die idealen Voraussetzungen. Das heißt, die Kinderstube der Sterne muß nahe am absoluten Nullpunkt kalt sein.
Es darf das als ein wirklich auffallender Umstand benannt werden: Das Innere eines normalen Sterns ist so heiß wie man es sich heißer gar nicht denken kann. Und dies bewirken die atomaren Prozesse in seinem Innern, das Wasserstoffbrennen (Heliumbrennen, Kohlenstoffbrennen usw.) im Widerspiel zur Gravitationskraft, die die Atome aufeinander ausüben. Aber damit es zu einer solchen punktförmigen Aufheizung überhaupt erst einmal kommen kann, muß zunächst fast der Temperatur-Nullpunkt durchschritten werden. Ohne diesen kann die Gravitation - sozusagen: die "Druckpresse" - nicht genügend "Masse" einfangen, um mit dem "Backen", mit dem "Brennen" beginnen zu können. Interstellares Gas ist also im allgemeinen - sozusagen - sehr "eigenwillig", weil heiß. Sein "Eigenwille" kann nur durch Herabsetzen der Temperatur soweit "gebrochen" werden, das aus ihm Sterne geboren werden können.
Das "Herausperlen" neuer Sterne aus eiskalten, turbulenten Materie-Filmanenten in allen Armen einer Muttergalaxie
Aber diese dunklen Molekülwolken können auch voller Turbulenzen sein (6) (14'00):
"Starke Explosionen durch Supernovi durchmischen das Gas."
Außerdem dreht sich die ganze Galaxie, wodurch die Molekülwolken ebenfalls in Bewegung bleiben, sich in Turbulenzen befinden. In filamentartigen Strukturen, Armen dieser Turbulenzen, obsiegt nun in allen Teilen der Galaxie immer wieder die vor Ort wirkende Gravitation der dort vorliegenden Molekülmassen gegenüber dem dort ebenfalls vorliegenden thermischen Druck der Molekülwolke. Und dieser zufällige "Sieg" der Gravitation gegenüber dem thermischen Ausdruck der Gaswolke, dieser Sieg bewirkt das Entstehen der Sterne.
Ab 15'57 (6) sieht man in einem geradezu "bezaubernden" Modell, wie aus turbulenten Materie-Strömungen, wo die Gravitation jeweils nur punktuell gegenüber dem thermischen Druck "gewinnt", Sterne entstehen. Was für ein Geschehen. Es wird erkennbar, daß die oben schon genannten Überschall-Turbulenzen tatsächlich notwendig sind, um aus den dabei verwirbelten Materieströmen sich eine Fülle von Proto-Sternen heraus "kristallisieren" zu lassen, geradezu wie an einer Schnur entlang "herausperlen" zu lassen (wie Bläschen aus dem Wasser heraus). Er wird erkennbar, wie die Materieströme die jungen Sterne aus sich selbst heraus "sprühen" zu lassen. Welch ein aufregender Geburtsvorgang. Wenn sich denn diese Simulationen wirklich an den eigentlichen Beobachtungen bewähren sollten, was offenbar noch nicht ganz sicher zu sein scheint.
Aber gibt es denn überhaupt irgend etwas Richtungweisendes, Neues im Universum, das ohne "Erhabenheit", ohne "sprühende" Schönheit geschieht? So wie hier? Dieses "Herausperlen" von Sonnen aus tief kalten, verwirbelten Materieströmen, dieses "Herausperlen" von Planetensystemen aus tiefkalten, turbulenten Materieströmen - ist dies nicht voller wirbelnder, sprühender Schönheit? Voller wirbelnder Freude? Werden Sterne hier nicht wie in einem wirbelnden Strom von Freude geboren? Wirft die Galaxie nicht aus sich in unterschiedlichen Strömungsarmen, Filamenten Sterne aus sich selbst heraus hinaus in die Existenz - geradezu wie in Übermut und Freude? Wurden einstmals womöglich auch "wir" so geboren? Wir "Kinder des Weltalls"? Mit unserem Sonnen- und Planetensystem? Vor 4,7 Milliarden Jahren? Welche Freude, auf solche Weise von einer herrlich sich drehenden Muttergalaxie heraus in die Existenz gewirbelt worden zu sein, hinaus geworfen zu sein in die Existenz.
Danke, Weltall, daß Du nicht "langweilig" bist, daß Du das in solcher Herrlichkeit tust. Daß Du uns nicht armselig und glücklos, "unmutig" und gelangweilt in die Welt hinaus geworfen hast.
In den jungen, neuen Sternhaufen kommt es dann dabei zu ganz komplizierten, wirbelnden Bewegungen der jungen Sterne zueinander. All das geschieht innerhalb von 30.000 Jahren. Der Geburtsvorgang einer solchen Sternengruppe von mehreren hundert oder tausend Sternen, so kann gesagt werden, dauert also nicht nur ungefähr so lang wie eine Erdepoche (so wie oben gesagt) von 10 bis 20 Millionen Jahren, nein er dauerte so lang wie es brauchte, daß sich der archaische Homo sapiens aus sich selbst heraus zum anatomisch modernen Homo sapiens entwickelte oder als sich der Mensch der Eiszeit im Vorderen Orient aus sich selbst heraus - in Glück und Freude, in Übermut und Lachen - zum seßhaften, Ackerbau treibenden Menschen weiter entwickelte.
Die hier vorgelegte Sternentstehungstheorie (6) läßt es auch erst verständlich erscheinen, weshalb Sterne niemals - oder selten - einzeln und allein für sich, quasi als "Einzelkinder" geboren werden, weshalb sie fast immer in glückliche, freudesprühende Sternenfamilien hineingeboren werden wie der Sternenfamilie der Plejaden, wie der Sternenfamilie der Gürtel- und Schwertsterne des Orion. Mit vielen anderen Kindern gemeinsam werden sie geboren und nicht gar zu selten dabei sich herum gruppierend um einen zentralen "Mutterstern", bzw. sich herum gruppierend um die "älteste" "Schwester" all dieser Sternen-Kinder (oder auch um den "ältesten" "Bruder"). Die größten der Geschwister sorgen dann für sich und alle anderen, indem sie sie ihrer Hülle entledigen.
In diesen turbulenten Materiefilamenten eines Arms einer Spiralgalaxie werden nämlich nun gleichzeitig auch noch Sterne ganz unterschiedlicher Größe geboren. Es entsteht eine große Vielfalt unterschiedlicher "Sternpersönlichkeiten".
Wir brechen an dieser Stelle erst einmal ab. Um Atem zu schöpfen. Die Ausführungen dieses Blogartikels finden noch Fortsetzungen. Uns interessieren zum einen insbesondere die Rhythmen der Sternenentstehung in ihren zeitlichen Abläufen im Verlauf der Geschichte des Universums und einer Galaxie. Zum zweiten wüßten wir gerne ganz konkret um jene Vorgänge, die unsere eigene "Lokale Blase" schufen, bzw. das Lebensschicksal dieser Lokalen Blase in den letzten 4,7 Milliarden Jahren gestalteten. Bezüglich solcher Fragen beginnt gerade das "Goldene Zeitalter der Astronomie". Denn der Astronomie-Forschungssatellit Gaia sendet eine solche Fülle von Daten zur Erde, daß mit ihnen viele Fragen ganz neu gestellt und beantwortet werden können.
/ Hier ---> geht es zu Teil 3 dieser Aufsatzreihe. /
Ergänzung 14.1.2022: Soeben ist eine neue Studie in "Nature" erschienen (10): "Die Sternentstehung nahe der Sonne wird angetrieben durch die Ausdehnung der Lokalen Blase". Mit ihr werden mit einem Schlag schon wieder viele Fragen beantwortet, die wir in diesem Blogartikel aufgeworfen hatten. Wir berichten darüber im 5. Teil dieser Aufsatzreihe. ----> "Lauter Sternenkinder ...."
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- Bading, Ingo: Wir sind Sternenstaub - Das Entstehen der chemischen Elemente in
den Sternen - Ein Ausflug in die Wissenschaftsgeschichte, ein Vortrag, um
zu verstehen, wie unsere Welt "tickt ... 20.12.2020 (Yt), http://fuerkultur.blogspot.com/2020/12/wir-sind-sternenstaub.html
- Bok, Bart J.; Reilly, Edith F.: "Small Dark Nebulae", Astrophysical Journal, 105: 255, March 1947
- Hayashi, C. (1961). "Stellar evolution in early phases of gravitational contraction". Publications of the Astronomical Society of Japan. 13: 450–452
- Klessen, Ralf: Wie entsteht ein Stern? Uni(versum) für alle! Astronomische Kurzvorträge der Universität Heidelberg, 2011, https://youtu.be/g3XJpgzhtwg.
- Girichidis, Philipp: Entstehung von Sternen. Babelsberger Sternennächte. November 2020, https://youtu.be/nqtbZVbws88.
- Hahn, Hermann-Michael: Sternentstehung in der Milchstraße. Die Geburtenrate von Sternen. Sternzeit, Deutschlandradio, 10.02.2019, https://youtu.be/Dk0sU_yQ-yA.
- Berghoefer, T.W.; Breitschwerdt, D.: "The origin of the young stellar population in the solar neighborhood - a link to the formation of the Local Bubble?". Astronomy and Astrophysics. 2002, 390 (1): 299–306
- von Ditfurth, Hoimar: Kinder des Weltalls. Der Roman unserer Existenz. Dtv, München 1991, [Zuerst: Hoffmann und Campe Verlag, Hambur 1970]
- Urban, Karl: 1,8 Milliarden Sterne. AstroGeo Podcast, 18. Dez 2020, https://scilogs.spektrum.de/astrogeo/astrogeo-podcast-18-milliarden-sterne/.
- Zucker, C., Goodman, A.A., Alves, J. et al. Star formation near the Sun is driven by expansion of the Local Bubble. Nature (2022), 12.1.2022, https://doi.org/10.1038/s41586-021-04286-5
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