Sonntag, 13. Februar 2022

2.200 v. Ztr. - Abwanderungen indogermanischer Völker aus Ungarn?

Ein Volk unbekannter Herkunft löste die vorhergehende indogermanische Kultur am Plattensee ab (2.200 bis 1900 v. Ztr.)
- Waren es vormalige Unterschichten-Verbündete der Indogermanen?  

2.200 v. Ztr. ist eine große Umbruchszeit im Leben der europäischen und vorderasiatischen Völker (Wiki). 800 bis 600 Jahre zuvor hatten die indogermanischen Schnurkeramik- und Glockenbecher-Kulturen begonnen, sich über weite Teile Mitteleuropas und Skandinaviens auszubreiten.

2.200 v. Ztr. - Eine Umbruchzeit im Völkerleben Europas und des Vorderen Orients

Um 2.200 v. Ztr. breitet sich der Streitwagen und das ihn ziehende domestizierte Pferd, das ab 3.500 v. Ztr. innerhalb der Maikop-Kultur (nördlich des Kaukasus), der Jamnaja-Kultur und der Poltavka-Kultur domestiziert worden war, sehr zügig über ganz Europa hinweg aus (Stgen/2021). Ebenso mit der Kura-Araxes-Kultur des Kaukasus und mit den aus dieser Kultur hervorgehenden, oberflächlicher bis ausgeprägter kulturell indogermanisierten Völkern nach Süden, zunächst mit den Hurritern und Mittani (Stgen/2022), später mit den Hethitern, Luwiern und Amoritern (die alle genetisch keinerlei Steppengenetik aufweisen, letztere sprachen eine semitische Sprache, ihre Herkunft ist noch dunkel.) 

In Westanatolien werden um 2.200 v. Ztr. sämtliche Städte zerstört, vermutlich von den indogermanisierten Hethitern und Luwiern aus dem Kaukasus (Wiki). In Syrien und im Levanteraum werden ebenfalls sämtliche Städte zerstört, vermutlich von den Amoritern (Wiki). 

Abb. 1: Die Glockenbecher-Kultur in Ungarn - Becher der "Csepel-Kultur", einer Untergruppe der Glockenbecher-Kultur im ungarisch-slowakischen Grenzraum, gefunden in der Nähe von Budapest, Museum von Budapest (Wiki)

Zur gleichen Zeit tritt in Nordgriechenland zum ersten mal indogermanische Steppengenetik auf (Stgen/2021). Zur gleichen Zeit, ab 2.200 v. Ztr. kommen die Indogermanen massiv nach Spanien (Stgen/2019, Stgen2021). Ebenso nach England (Stgen/2010, Stgen/2021) und Italien (Stgen2019). Ebenso nach Sizilien (Stgen/2020) und Sardinien (Stgen/2021) und nach Algerien und Marokko (Stgen2021). Die indogermanische Aunjetitzer Kultur breitet sich von Norden her nach Böhmen aus (Stgen/2021).

Am Nordrand der ungarischen Donau-Ebene entstehen die ersten städtischen Siedlungen (Stgen/2010). Stabdolche und Ösenhals-Ringe werden zu einer ersten europäischen "Währung" (Stgen/2010). 

Die Schnurkeramik-Kultur verbreitet sich nach Finnland (Stgen2016). Die Sintashta-Kultur entsteht südlich des Ural aus westlichen Schnurkeramik-Kulturen und breitet sich in den nächsten wenigen Jahrhunderten als "Arier" nach Nordindien aus (Stgen2020). In Turkmenistan entsteht die ausgereifte Marghiana-Kultur (Stgen2019) (allerdings noch ohne genetische oder kulturelle Beeinflussung durch Indogermanen, soweit bislang erkennbar). 

Aus der germanischen Völkerwanderung ab etwa 250 n. Ztr. ist bekannt, daß Völker, wenn sie auf Wanderschaft gingen, ihre vormalige Heimat gerne auch einmal weitgehend entvölkert zurück lassen konnten, so daß sich in diese Räume neue Völker hinein ausbreiten konnten. Dies ist etwa für manche Gegenden östlich der Elbe und der Oder bezeugt. Die an der Elbe zurückgebliebenen Wandalen schickten etwa Gesandtschaften nach Nordafrika mit der Bitte, die zurückgelassenen Ländereien neu verteilen zu dürfen. Diese Bitte wurde damals noch von den Wandalen in Nordafrika abgeschlagen. Nachdem sie in Nordafrika untergegangen waren, wird sich diese Problematik von selbst erledigt haben. Könnte es solche Erscheinungen auch schon in der Zeit um 2.200 v. Ztr. herum gegeben haben?

Blicken wir in den Raum des heutigen Ungarn, des heutigen Kroatiens und des heutigen Dalmatien. Zu diesen Regionen sind letztes und dieses Jahr zwei neue archäogenetische Studien erschienen, die auch Entwicklungen in der Zeit um 2.200 v. Ztr. in den Blick nehmen. Und wir erinnern uns daran, daß es Vermutungen gibt, daß Apulien im Süden Italiens um 2.200 v. Ztr. von indogermanischen Stämmen aus Dalmatien heraus besiedelt worden sein könnte (1). Diese scheinen vergleichsweise unvermischt nach Apulien gekommen zu sein (1). Wie das zustande gekommen sein kann, können wir in diesem Beitrag nicht abschließend klären. 

Denn wir werden unten sehen, daß wir es in Kroatien und Dalmatien schon ab 2.800 v. Ztr. mit vermischter Genetik (Steppengenetik/mittelneolithische Genetik) zu tun haben. Auf jeden Fall könnte dieses Übersetzen nach Apulien deutlich machen, daß es um 2.200 v. Ztr. herum, also in der Mittleren Bronzezeit, aus dem ungarisch-kroatischen Raum heraus auch wieder zu Abwanderungen indogermanischer Stämme gekommen ein könnte. 

Abb. 2: Gefäß der späten Mako-Kultur in Ungarn (2.500 bis 2.100 v. Ztr.) (Wiki)

Aber zunächst: In Kroatien und Dalmatien hatten die Menschen im Mittelneolithikum nur 2,4 % Herkunftsanteile westeuropäischer Jäger und Sammler. Sie stammten ansonsten ab von den anatolisch-neolithischen Bauern, die auch sonst das Frühneolithikum in Europa bestimmten. Diese wenigen Prozent scheinen schon zur Zeit der Ausbreitung des Ackerbaus in das Genom der Menschen in Kroatien hinein gekommen zu sein und über Jahrtausende dort fortexistiert zu haben (2). Dieser Umstand ist deshalb so wichtig, weil sich auch dieser mit der Ankunft der Indogermanen sehr deutlich ändern wird.

2.500 v. Ztr. - Die Indogermanen kommen nach Kroatien und Ungarn

In der Zeit zwischen 2.800 bis 2.500 v. Ztr. (2; Suppl. pdf, S. 5), also während der dortigen Kupferzeit, kam dann 30 % Steppengenetik in das Genom der Menschen, die im heutigen Kroatien lebten. Außerdem auch ein größerer Herkunftsanteil westeuropäischer Jäger und Sammler.

Das geschah zeitgleich zur Ausbreitung der indogermanischen Steppengenetik auch sonst in Mitteleuropa.

2.200 v. Ztr. - Jäger-Sammler-Herkunft kommt (zurück) nach Kroatien

In der Mittleren Bronzezeit in Kroatien treten dann 160 Kilometer südlich vom Plattensee Menschen auf, die ein erneutes Anwachsen der Herkunftskomponente der westeuropäischen Jäger und Sammler auf 20 % zeigen, gleichzeitig mit einem zusätzlichen Anwachsen der Steppenherkunft auf 33 % (frühneolithische Bauernkomponente 47 %). Der Zeitpunkt der Vermischung der frühneolithischen Bauernkomponente dieser Menschen mit der für diesen Raum ganz ungewöhnlichen Jäger-Sammler-Komponente wird - sehr grob - auf die Zeit um 3.000 v. Ztr. datiert (3.400 bis 2.400 v. Ztr.). Dies ist durch Menschenfunde aus einer Siedlung bei Jagodnjak/Katschfeld in Kroatien bezeugt*) (2). Eine vergleichbare Herkunftszusammensetzung findet sich bei zeitgleichen Menschenfunden von Makó in Ungarn, etwa 200 Kilometer nordöstlich von Jagodnjak (2) (s. Abb. 2).

Soweit Ergebnisse einer archäogenetischen Studie aus dem Herbst 2021 zu Kroatien und Dalmatien. Dieses Bild wird neuerdings noch verstärkt durch Ergebnisse einer neuen archäogenetischen Preprint-Studie zum Plattensee in Ungarn aus dem Februar 2022 (3).

Wir wissen, daß auf der Insel Gotland Menschen mesolithischer Herkunft angesiedelt wurden, die indogermanische Streitaxt-Kultur-Elemente angenommen hatten (4). Es war das parallel zum Untergang der Trichterbecher-Kultur auf der Insel Gotland geschehen, die auf dieser Insel keine Nachkommen hinterlassen hat.

Nun findet die Forschung das "Wiederauferstehen" eines Volkes vorwiegend mesolithischer Herkunft ebenso auch am Plattensee, das zugleich sowohl Glockebecher- wie Trichterbecher-Herkunft aufweist (3). Haben wir hier einen weiteren Stamm von "Unterschichten-Verbündeten" indogermanischer Völker vor uns (5), der mit den Eroberungszügen und etwaigen Abwanderungen der Indogermanen neue Dynamik erhalten hatte in der Früh- und Mittelbronzezeit? Dies ist bekannt geworden von dem (3) ...

... Fundort Balatonkeresztúr-Réti-dűlő im westlichen Ungarn, wo während Straßenbauarbeiten unter anderem bronzezeitliche Fundkonstellationen aufgedeckt worden sind. Es können drei archäologische Zeithorizonte unterschieden werden, die Somogyvár-Vinkovci-Kultur (~2500-2200 v. Ztr.), die Kisapostag-Kultur (~2200–1900 v. Ztr.) und die Kultur der inkrustierten Keramik (~1900–1450 BCE) ...
... Balatonkeresztúr-Réti-dűlő site in Western Hungary, where - among others - Bronze Age assemblies were found during roadwork in 2003. Three Bronze Age archaeological horizons can be distinguished, from the Somogyvár-Vinkovci culture (~2500-2200 BCE), Kisapostag culture (~2200–1900 BCE) and to the Encrusted pottery culture (~1900–1450 BCE) ....

Die Angehörigen der Somogyvár-Vinkovci-Kultur (~2500-2200 BCE) hatten nun fast zur Hälfte Glockenbecherleute-Abstammung. Aber auffallenderweise auch 17 % Jäger-Sammler-Herkunft (~17% HG, ~40% European farmer, ~43% steppe ancestry). Die Glockenbecher-Herkunft stammte von einer südöstlichen Glockenbecher-Gruppe in Polen, so die Studie (3). Der Ursprungsort der Jäger-Sammler-Herkunft kann bislang noch nicht lokalisiert werden.

// Ergänzung 9.11.22:  Die hier behandelte Preprint-Studie ist inzwischen in offenbar überarbeiteter Form erneut eingestellt worden. Neu in der Zusammenfassung sind die folgenden Sätze (3):

Unsere Ergebnisse legen einen hohen Steppengenetik-Anteil in der Somogyvar-Vinkovci-Kultur nahe, die ersetzt worden ist durch die Kisapostag-Gruppe, die einen außergewöhnlich hohen mesolithischen Jäger-Sammler-Herkunftsanteil in sich trug (bis zu 47 %).
Our results indicate the presence of high steppe ancestry in Somogyvar-Vinkovci culture that was replaced by the Kisapostag group having an outstandingly high (up to ~47%) Mesolithic hunter-gatherer ancestry.  

Und weiter heißt es (3):

Die Jäger-Sammler-Herkunft in der Kisapostag-Kultur stammt vermutlich aus zwei Hauptquellen, einmal aus einer Bevölkerung, die mit der Trichterbecher- oder Kugelamphoren-Kultur in Zusammenhang steht und aus einer bislang nicht erkannten Quelle in Osteuropa. Wir zeigen, daß diese Herkunft nicht nur in verschiedenen mitteleuropäischen bronzezeitlichen Gruppen auftritt, sondern ebenso zur Herkunft baltischer Bevölkerungen beitrug.
The hunter-gatherer ancestry in Kisapostag is likely derived from two main sources, one from a Funnelbeaker or Globular Amphora culture related population and one from a previously unrecognised source in Eastern Europe. We show that this ancestry not only appeared in various groups in Bronze Age Central Europe, but also made contributions to Baltic populations.

Ende der Einfügung. //

2.200 v. Ztr. - Jäger-Sammler-Herkunft kommt (zurück) nach Ungarn

Von der Kisapostag-Kultur (~2200–1900 BCE)  (Wiki) wurden acht Männer und zwei Frauen sequenziert. Sie weisen ~41% frühneolithische Bauernherkunft auf, nur noch 17 % Steppenherkunft und ungewöhnliche 42% Jäger-Sammler-Herkunft. Aufgrund von vielfältigen Auswertungsverfahren werden als die wahrscheinlichsten Ursprungs-Bevölkerungen angenommen (3):

... schwedische Trichterbecherkultur (33 %), polnische südöstliche Glockenbecher-Kultur (42 %) und eine Jäger-Sammler-Herkunft bislang unbekannter Herkunft von 29 %.
most plausible sources of Neolithic Sweden Funnel Beaker culture (~32±8%), Poland Southeast BBC (~41±6%) and an extra HG (~29±3%) ancestry of yet unknown origin.

Während wir also im südlichen Ungarn und Kroatien - siehe oben - in der Mittelbronzezeit eine Zunahme der Jäger-Sammler-Herkunft auf 20 % sehen, kommt es am Plattensee sogar zu einer Zunahme auf 29 % - wenn nicht gar auf 42 %. Auf 42 % summiert sich die Jäger-Sammler-Herkunft deshalb, weil es ja auch in der Trichterbecher-Kultur eine größere mesolithische  Jäger-Sammler-Herkunftskomponente gab (gemischt mit frühneolithischer Bauernherkunft). Diese summiert sich mit einer bislang unbekannten mesolithischen Herkunft in der Kisapostag-Kultur zu den angegebenen 42 %.

Ein letztes Auftreten von Menschen mit einem großen Herkunftsanteil westeuropäischer Jäger und Sammler und der damit verbundenen dunklen Haut- und Haarpigmentierung (4). Die letzten "reinen", ursprünglichen westeuropäischen Jäger und Sammler, die am Plattensee und in Dalmatien Jahrtausende lang ungestört gelebt hatten, waren um 5.700 v. Ztr. während der Ethnogenese der Bandkeramiker unter gegangen. Nun waren Nachkommen der westeuropäischen Jäger und Sammler aus anderen Gegenden Europas 3500 Jahre später (!!!) noch einmal "zurückgekehrt".

Da die Zusammenhänge bislang nicht so recht greifbar sind, aufgrund welcher Umstände es zu diesem "letzten" Anwachsen von Jäger-Sammler-Herkunft am Plattensee in der Mittelbronzezeit gekommen ist, ist es auch schwer, dasselbe in ein allgemeineres Bild einzuordnen. 

Es wird aber zunächst einmal schon vermutet werden dürfen, daß es sich hier - ähnlich wie auf der Insel Gotland oder auf Sardinien (5) - sozusagen um (vormalige) Unterschichten-Verbündete indogermanischer Stämme gehandelt haben könnte. Vielleicht konnten diese sich auch um den Plattensee ausbreiten, nachdem vormals dort vorherrschende Stämme abgewandert waren. Zum Beispiel nach Nordgriechenland oder nach Apulien oder noch weiter weg.

In der Studie wird - aufgrund archäologischer und archäogenetischer Hinweise - darüber nachgedacht, ob die Menschen der Kisapostag-Kultur vom Mittleren Dnjepr oder aus den nördlichen Karpaten stammen könnten (3).

Die Menschen der Kultur der inkustrierten Keramik (~1900–1450 BCE)**) werden dann als in direkter genetischer Kontinuität zu den Menschen der Kisapostag-Kultur stehend angesprochen mit kaum (3) ...:

... Verschiebungen in der Herkunfts-Zusammensetzung (29% Jäger-Sammler, 46% frühneolithische Bauern, 25 % Steppenherkunft).
Bk-III shows a shift in ancestry composition (~29% HG, ~46% European farmer, ~25% steppe).

Die Steppenherkunft wächst also wieder von 17 auf 25 %. Zu genetischen Eigenschaften, die mit den unterschiedlichen Herkunftsanteilen verbunden sind, ist noch zu erfahren (3):

Pigmentierungs-Farben unterscheiden sich sehr deutlich zwischen den archäologischen Schichten ... Die Menschen der Somogyvár-Vinkovci-Kultur weisen in der Regel helle Pigmentierung auf, blaue Augen, blondes Haar, während die Menschen der Kisapostag-Kultur eher Ähnlichkeit mit Populationen des neolithischen Europa aufweisen, obwohl sich auch einige Varianten heller Pigmentierung in dieser Gruppierung finden. Angehörige der Encrusted-Becher-Kultur zeigen eine große Vielfalt von dunklen bis hellen Tönen und sogar Menschen mit rotem Haar.
Pigmentation patterns highly differ between horizons, as Bk-I mostly possess variants for light pigmentation, blue eyes and blonde hair, while Bk-II is more similar to populations of Neolithic Europe (Fig. 2), although some variants for lighter pigmentation exist within this group too. Members of Bk-III on the other hand show a wide range from dark to light tones and even the presence of variants for red hair.

Als dann ab 1300 v. Ztr. - womöglich aus dem Donaubecken heraus - ein neues Großreich in Bewegung geriet und einen Kriegszug in den Ostsee-Raum führte, um sich dort an der Tollense in Mecklenburg mit Einheimischen eine Schlacht zu liefern, wurde eine weitere, neue Phase der Weltgeschichte eingeläutet: "Der große europäische Krieg, der zum Seevölkersturm führte" (7).


/ Ergänzt um (8): 24.6.24 /

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*) Dort lebten bis 1945 auch Donauschwaben.
**) "Encrusted pottery culture" wird ins Deutsche übersetzt mit "Kultur der inkrustierten Keramik" (s. 8). Diese Kultur war über Ungarn sehr weit verbreitet. Inkrustation ist eine Technik der Keramik-Herstellung, die es schon bei den Bandkeramikern gab (Wiki) und so auch bei vielen anderen Völkern. Bei ihr werden Muster in den Ton der Gefäße eingelegt mittels andersartiger Stoffe, oft heller, weißer. 

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  1. Bading, I.: Die Indogermanen in Apulien - Herkunftsanteil 20 bis 40 %, 31.07.2021, https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/07/indogermanen-in-apulien-herkunftsanteil.html
  2. Freilich, S., Ringbauer, H., Los, D. et al. Reconstructing genetic histories and social organisation in Neolithic and Bronze Age Croatia. Sci Rep 11, 16729 (2021). 18.8.2021, https://doi.org/10.1038/s41598-021-94932-9, https://www.nature.com/articles/s41598-021-94932-9
  3. Interdisciplinary analyses of Bronze Age communities from Western Hungary reveal complex population histories. Daniel Gerber, Bea Szeifert, Orsolya Szekely, Balazs Egyed, Balazs Gyuris, Julia I Giblin, Aniko Horvath, Laszlo Palcsu, Kitti Kohler, Gabriella Kulcsar, Agnes Kustar, Vajk Szeverenyi, Szilvia Fabian, Balazs Gusztav Mende, Maria Bondar, Eszter Ari, Viktoria Kiss and Anna Szecsenyi-Nagy, bioRxiv. posted 6 February 2022, 10.1101/2022.02.03.478968, http://biorxiv.org/content/early/2022/02/06/2022.02.03.478968; erneut 7.11.22, https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2022.02.03.478968v2; Molecular Biology and Evolution 10.8.2023 (Acad)
  4. Bading, I.: 2.700 v. Ztr. - Die letzten einheimischen Fischer auf Gotland nehmen die indogermanische Streitaxt-Kultur an, 2020, https://studgendeutsch.blogspot.com/2020/06/die-westeuropaischen-jager-und-sammler.html
  5. Bading, I: Rebellen und Könige - Die Indogermanen, 21.08.2021, https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/08/indogermane-sein-heit-revoluzzer-sein.html
  6. Bading, I.: Das farbenprächtige Bild der Völkergeschichte Böhmens, 28.08.2021, https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/08/die-farbemprachtige-bild-der.html  
  7. Bading, I.: Der große europäische Krieg, der zum Seevölkersturm führte, 2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/10/volker-und-groreiche-in-bewegung-europa.html
  8. Lifeway narratives of a Bronze Age community from Balatonkeresztúr (Western Hungary) based on bioarchaeological analyses. By Viktória Kiss, Dániel Gerber, (...) Eszter Ari, and Anna Szécsényi-Nagy 2024 (pdf)

Freitag, 11. Februar 2022

Die Ungarn-Einfälle - Sie bewirkten die Gründung des Deutschen Reiches (919 n. Ztr.)

Wer waren jene plündernden Ungarn, die die Gründung des Deutschen Reiches bewirkten?
Neue Erkenntnisse der Archäogenetik: 
  • Sie hatten deutlich mehr europäische Herkunft als die mongolischen Hunnen, Awaren und Mongolen
  • Sie glichen in ihrer vielschichtigen genetischen Herkunft den Tataren und Baschkiren
  • Sie haben in Ungarn kaum genetische Spuren hinterlassen
  • Nur ihre finno-ugrische Sprache, das Ungarisch, wird dort heute noch gesprochen

Die Urheimat der finno-ugrische Sprach- und Völkergruppe findet sich auf der Taimyr-Halbinsel im nördlichsten Norden Sibiriens. Darauf haben wir hier auf dem Blog schon 2018 hingewiesen (1). Schon Anfang des 2. Jahrtausends v. Ztr. breitete sich diese Völkergruppe bis in das heutige Finnland aus. Dort hat sich die Sprache und zum Teil auch die Genetik dieser Völkergruppe bis heute gehalten. 

Von der Taimyr-Halbinsel in den südlichen Ural - 2000 v. Ztr.

Das heutige südlichste Volk der finno-ugrischen Sprachgruppe, die Ungarn, sprechen eine Sprache, deren ursprüngliche Träger in Ungarn heute genetisch ausgestorben sind. Auch das haben wir schon letztes Jahr hier auf dem Blog behandelt (2). Die Genetik aller finno-ugrischen Völker weist eine sibirische ("Nganasanen"-)Herkunftskomponente auf, die es bei all diesen Völkern gibt - nur nicht mehr bei den Ungarn. Schon während der sogenannten Landnahme-Zeit der Ungarn im 10. Jahrhundert war diese Genetik bei diesem Reitervolk der Ungarn nur noch in Restbeständen vorhanden, nämlich zu etwa 13 % (siehe unten). 

Die von diesem Reitervolk getragenen Ungarn-Einfälle (Wiki), die bis nach Italien und Spanien reichten, haben im Frühmittelalter maßgeblich dazu beigetragen, daß sich die Deutschen als kulturelle und politische Einheit zu empfanden begannen und sich als solche auch zur Abwehr gegen die Ungarn ein starkes Königtum gaben, nämlich zunächst König Heinrich I., den "Vogler". Er wurde in Fritzlar in Nordhessen zum König gekrönt und wies die Salbung durch einen Bischof bestimmt zurück. Er bezeichnete sich ihrer als nicht würdig. Sein Sohn war dann Kaiser Otto I., der "Große", der dann wieder nach Rom zog, um sich die kirchliche Salbung durch den Papst geben zu lassen. Beide aber schlugen die Ungarn. Der letztere in der berühmten Schlacht auf dem Lechfeld.

Wer waren jene Gegner, die die Gründung des Deutschen Reiches bewirkten?

Aufgrund einer neuen Studie kann die Urheimat und die Ethnogenese der Landnahme-Ungarn seit kurzem sehr viel präziser eingeordnet werden als jemals zuvor. Und die genetische Geschichte dieses Volkes der Landnahme-Ungarn kann nun - endlich, erstmals - vollständig rekonstruiert werden (3). Das darf man als ein kleines Wunder bezeichnen. Hier taucht also sozusagen ein Volk aus dem "Dunkel der Geschichte" auf und kann in seinen Entstehungsprozessen und in seinem Werdegang verstanden werden. Auf Englisch werden die Ungarn der Landnahmezeit übrigens "conquering Hungerians" bezeichnet.

Wo nun waren sie her gekommen? In einer zusammenfassenden Grafik der neuen Studie sind die neuen Erkenntnisse dargestellt (Abb. 1). Sie sind möglich geworden durch den archäogenetischen Vergleich von Genomsequenzierungen entsprechender Menschenfunde in Ungarn und über die gesamte Steppe hinweg. Die Zahl derselben ist inzwischen so umfangreich geworden, daß diesbezüglich sichere Erkenntnisse möglich geworden sind. 

Die Ungarn der Landnahmezeit sind eine Hervorbringung der Jahrtausende langen Völkerbewegungen zwischen Europa und Asien. Diese seien hier nur in den gröbsten Zügen angedeutet: Zunächst erfolgte die Ausbreitung der anatolisch-neolithischen Völkergruppe im Frühneolithikum bis nach Osteuropa hiein, dann im Mittelneolithikum als Kugelamphorenkultur. Im Spätneolithikum breiteten sich die Indogermanen in einer ersten und einer zweiten Ostwanderung aus. Daraus gingen auch die Völkerschicksale zum Beispiel der Skythen, der Sarmaten und der Goten hervor. Auf deren Untergang folgte dann im Frühmittelalter die Westwanderung der Mongolen als Hunnen und Awaren.

Wir sehen in der genannten Grafik, daß sich das Urvolk der finno-ugrischen Völkergruppe, also Menschen, die die Genetik der heutigen "Nganasanen" in sich trugen, in der Bronzezeit nicht nur bis nach Finnland, sondern auch bis in die Region südlich des Ural und des westlichen Sibirien ausgebreitet hatte (oder womöglich auch schon immer dort gelebt hatten) (Abb. 1a).

Vermischung der "Nganasanen" mit den Nachkommen der Schnurkeramiker ("Ariern") - 1.400 v. Ztr.

Bis hierhin hatten sich auch Nachkommen der schnurkeramischen Andronowo-Kultur ausgebreitet, also Menschen jener Völkergruppe, die in Nordindien als "Arier" bezeichnet wurden, und deren Nachkommen im südlichen Ural allerhand Jahrhunderte später als "Sarmaten" bekannt werden sollten. Auf die bronzezeitliche - schnurkeramische - Cherkaskul-Kultur (Wiki) folgte dort die spätbronzezeitliche - schnurkeramische - Mezhovskaya-Kultur (Wiki) - wie sie von den Archäologen benannt worden sind. 

Und in diesen beiden Kulturen kam es nun - so zeigt sich in der Archäogenetik - während der Bronzezeit zur Vermischung von Menschen indogermanischer (schnurkeramischer) Herkunft mit Menschen nordsibirischer Abstammung, also mit Menschen mit Nganasanen-Herkunft. Das waren Menschen, die sich zu jenem Zeitpunkt auch schon bis Finnland ausgebreitet hatten. Es darf vermutet werden, daß dieses Volk als Reitervolk gelebt hat. Denn Nachfahren dieses Volkes, die sich seit der Bronzezeit genetisch und sprachlich unvermischt erhalten haben, sind die Völker der Mansen (Wiki) und der Chanten (Wiki).

Obwohl sie um 500 n. Ztr. weit nach Norden gewandert sind und dort Rentier-Züchter geworden sind, lebt in ihren Sagen die Erinnerung daran fort, daß sie vormals Reitervölker waren. Vermutlich war es diese Nordwanderung, die dazu führte, daß dieses Volk seine ugrische Sprache beibehalten hat und keine indogermanische Sprache angenommen hat. Einen ähnlichen Prozeß hat es in der Bronzezeit bei den Basken in Nordspanien gegeben, die sich mit indogermanischen Glockenbecher-Leuten vermischt haben, ihre Sprache aber bis heute beibehalten haben.

Abb. 1: Die 3.000-jährige komplexe Herkunfts-Geschichte der Ungarn der Landnahme-Zeit ("Conq_Asia_Core") (1300 v. Ztr. bis 900 n. Ztr.) (aus 2)

Das so entstandene Volk hatte genetisch gesehen etwa 48 % indogermanische Schnurkeramiker-Genetik, 44 % sibirische Nganasanen-Genetik und 8 % Botai-Genetik. Über Menschen solcher Herkunft kann man sich ein Bild machen anhand der schon erwähnten Mansen und der Chanten von heute, die ihre bronzezeitliche Genetik bis heute bewahrt haben (4). Ihnen glichen also ursprünglich auch die Vorfahren der Ungarn der Landnahme-Zeit, in Abbildung 1a bezeichnet als "Proto-Ugors", in Abbildung 1b bezeichnet als "Conq_Asia_Core" (jeweils farblich grün gekennzeichnet). 

Die Nganasanen (Wiki, engl) sind das Volk, das innerhalb Europas am nördlichsten lebt, nämlich auf der Taimyrhalbinsel. Die Nganasanen sprechen zwar heute eine samojedische Sprache, will heißen eine finno-ugrische Sprache. Sie werden aber zu den paläo-sibirischen Völkern gezählt, die sprachlich "samojedisiert" wurden, als die Rentier züchtenden Samojeden von Süden in ihr Gebiet einwanderten. Sie lebten bis zum 19. Jahrhundert nur vom Fischen und Jagen, seither auch von der Rentierzucht. Dem Volk gehören heute noch etwa 900 Menschen an.

Ihre "paläosibirische Genetik" hat sich später bis auf die Kola-Halbinsel zu den Samen ausgebreitet, ebenso lebt sie in einigen Völkern der Waldtundra weiter, etwa bei den Besermenen und Udmurten und ebenso bei vielen stolzen Reitervölkern wie den Tataren, den Baschkiren, den Altaiern, den Tubalaren und den Kasachen. Und ursprünglich gehörten offenbar auch die Mansen und Chanten zu diesen stolzen Reitervölkern, bevor sie sich - ab 500 n. Ztr. - in weit entlegenere Gebiete zurück zogen und der Rentier-Zucht widmeten.

Abb. 2: Frauen der Mansen aus dem Nordural - 50 % indogermanische, 30 % sibirische Genetik (3)

Es handelt sich bei den Nganansanen um eine andere Herkunftsgruppe als jene, von denen die Mongolen abstammen. Die ursprüngliche Herkunftsgruppe der Mongolen wird am ehesten durch das Volk der Ultschen am Amur-Fluß repräsentiert. Dem äußeren Erscheinungsbild nach finden sich aber sowohl bei Nganasanen wie bei Ultschen "mongolische" (sprich "asiatische") Gesichtszüge. Ob es also zwischen beiden Herkunftsgruppen trotz der vermutlich langen Isolation voneinander in Mesolithikum dennoch auch deutlichere genetische Gemeinsamkeiten gibt, wäre noch einmal gesondert zu klären. Die Genetiker scheinen jedenfalls diese beiden Herkunftsgruppen aufgrund Jahrtausende langer Isolation voneinander in Eiszeit, Mesolithikum und Neolithikum gut unterscheiden zu können.

Wir hatten übrigens schon letztes Jahr auf folgende Anteile von Schnurkeramik-Genetik in den Völkern des heutigen Rußland und seiner Nachbarländer hingewiesen (2): 

  • Litauer 67 %
  • Udmurten 63 %
  • Russen 62 %
  • Finnen 57 %
  • Samen 51 %
  • Mansen 50 % (neben 30 % paläosibirischer Genetik)
  • Chanten 30 %

Abb. 3: Ein Manse aus dem Nordural - Etwa 50 % indogermanische und 30 % sibirische Genetik (3)

Wenn man das Leben der Mansen auf alten Bildern sieht (4) - in Wäldern, in Schnee, mit Rentieren, Rentierschlitten, Lederzelten, Holzhäusern, Holz-Skiern, Feuerstellen, der warmen, wattierten Kleidung - dann erhält man einen Eindruck von dem Jahrtausende langen entbehrungsreichen Leben dieser Menschen in den Weiten Sibiriens. Von Menschen dieser Art stammen die Samen also ebenso ab wie die Ungarn der Landnahme-Zeit. 

Vermischung mit indogermanischen Sarmaten und mongolischen Hunnen - 640 v. Ztr. bis 315 n. Ztr.

Die vielfältige Herkunft der Ungarn der Landnahme-Zeit wird nun in der Erläuterung zu Abbildung 1 folgendermaßen zusammen gefaßt (3):

a, Proto-Ugrische Stämme entstanden aus einer Vermischung von Mezhovskaya- und Nganasan-Populationen in der Späten Bronzezeit.
b,
  1. Während der Eisenzeit trennten sich die Mansen.
  2. Vorfahren der Landnahme-Ungarn vermischten sich zwischen 643 und 431 v. Ztr. mit Frühen Sarmaten und 
  3. 217 bis 315 n. Ztr. mit frühen Hunnen
a, Proto-Ugric peoples emerged from the admixture of Mezhovskaya and Nganasan populations in the late Bronze.
b, 1. During the Iron Age Mansis separated.
2. proto-Conquerors admixed with Early Sarmatians 643-431 BCE and 3. with early Huns 217- 315 CE.

Das wäre also zwei weitere Vermischungs-Ereignisse, die die Mansen und die Chanten nicht mehr mitgemacht haben. Die Mansen und die Chanten repräsentieren heute also den ursprünglicheren Zustand der ugrischen Völker. 

Die Mansen können modelliert werden als 48 % Mezhovskaya, 44 % Nganasan und 8 % Botai, während die Landnahme-Ungarn ("Conq_Asia_Core1") modelliert werden können als 52 % Mezhovskaya, 13 % Nganasan, 20 % Altai-Skythen und 15 % Mongolen, wobei deutlich wird, daß die Nganasanen-ähnliche Herkunft sehr weitgehend ersetzt wurde durch eine Skytho-sibirische Herkunft, einschließlich Marghiana-Kultur-Herkunft aus der Altai-Mongolischen Region.
From pre-Iron Age sources Mansis could be qpAdm modelled from 48% Mezhovskaya, 44% Nganasan and 8% Botai, while Conq_Asia_Core1 from 52% Mezhovskaya, 13% Nganasan, 20% Altai_MLBA_o and 15% Mongolia_LBA_CenterWest_4D (Supplementary Table 7a and 7b) confirming shared late Bronze Age ancestries of these groups, but also signifying that the Nganasan-like ancestry was largely replaced in Conq_Asia_Core by a Scytho-Siberian-like ancestry including BMAC derived from the Altai-Mongolia region.

Es bleibt auch hier wieder erstaunlich, wie sich bei den Landnahme-Ungarn die Sprache der Nganasanen-Herkunft erhielt, obwohl deren Genetik am Ende nur noch 13 % betrug. Auch während der nachfolgenden Vermischungen wurde die kulturelle Identität über die Sprache aufrechterhalten.

Die Vermischung mit indogermanischen Sarmaten, bzw. Altai-Skythen einerseits und mongolischen Hunnen andererseits ist in Abbildung 1b dargestellt. Die Vermischung mit den indogermanischen Sarmaten ist archäologisch und genetisch auf die Zeit 640 bis 430 v. Ztr. datiert. Sie wäre also geschehen schon mehrere Jahrhunderte, bevor die ostgermanischen Goten von Schweden aus weichselabwärts sich ausbreiteten und schließlich die Ukraine besiedelten. Die Vermischung mit den Hunnen ist archäologisch und genetisch auf 215 bis 314 n. Ztr. datiert. Sie wäre in der Zeit des Bestehens des ostgotischen Reiches in der Ukraine geschehen, und bevor die Goten schließlich von den Hunnen 375 geschlagen worden sind und vor den Hunnen nach Westen flüchteten oder im Gefolge der Hunnen nach Westen zogen. Die Hunnen selbst haben sich aber nicht nur mit den Landnahme-Ungarn vermischt, sondern auch mit verschiedenen Sarmaten-Stämmen, später auch mit Goten. Weiter heißt es (3):

c, Während des 5. Jahrhunderts eroberte das von den Xiongnu stammende Hunnen-Reich Osteuropa und vereinnahmte seine vormaligen Bewohner; das Rouran-Khaganat entstand auf dem früheren Xiongnu-Territorium.
d, Während der Mitte des 6. Jahrhunderts eroberte das Awaren-Khaganat das Territorium des früheren Hunnen-Reiches und vereinnahmte seine vormaligen Bewohner. 
c, By the 5th century the Xiongnu descent Hun Empire occupied Eastern Europe incorporating its population, and the Rouran Khaganate emerged on the former Xiongnu territory.
d, By the middle 6th century the Avar Khaganate occupied the territory of the former Hun Empire incorporating its populations. 4. By the 10th century Conquerors associated with the remnants of both empires during their migration and within the Carpathian Basin.

Wir lesen (3):

"Landnahme_Ungarn_Kernasien"-Genome wiesen die höchste genetische Ähnlichkeit auf mit modernen sibirischen Populationen, die uralische Sprachen sprechen; Nganasanen (Samojedisch), Mansen (Ugrisch), Selkup (Samojedisch) und Enets (Samojedisch).
Conq_Asia_Core1 shared highest drift with modern Siberian populations speaking Uralic languages; Nganasan (Samoyedic), Mansi (Ugric), Selkup (Samoyedic) and Enets (Samoyedic).

Die Ungarn der Landnahmezeit wiesen - im Gegensatz zur Genetik der Hunnen und Awaren - eine Genetik auf, die den asiatischen Altai-Skythen und auch den frühen Hunnen (Xiongnu) ähnelte, bevor bei diesen die Mongolen die genetische, politische und kulturelle Vorherrschaft gewonnen hatten. Sie glichen genetisch viel mehr den Menschen der Pazyryk-Kultur oder der frühen westlichen Hunnen vor ihrer Unterwerfung durch die östlichen, mongolischen Hunnen.

Weiter heißt es jedenfalls (1):

Die Landnahmezeit-Ungarn haben ugrische, sarmatische und Hunnen-Herkunft
(...) Sie korrespondieren damit mit den heutigen Baschkiren und Wolga-Tataren und sie stehen den östlichen Skythen, westlichen Xiongnu und den TianShan-Hunnen nahe.
The Conquerors have Ugric, Sarmatian and Hun ancestry
(...) The PCA position of Conq_Asia_Core corresponds to modern Bashkirs and Volga Tatars (Fig. 2a) and they cluster together with a wide range of eastern Scythians, western Xiongnus and Tian Shan Huns.

Um sich also ein Bild vom Reitervolk der Ungarn der Landnahmezeit zu machen, wird es Sinn machen, sich Menschen der heutigen Baschkiren und Wolga-Tataren anzusehen, die eine ähnliche Herkunft haben, aber keine finno-ugrische Sprache sprechen (Abb. 4 bis 6).

Abb. 4: Die Baschkiren und Wolga-Tataren ähneln noch heute genetisch den Ungarn der Landnahmezeit - Hier eine Volksmusik-Gruppe der Baschkiren (Wiki)

Wie die genetische Geschichte der Baschkiren und Wolga-Tataren zu beschreiben ist, wäre noch einmal gesondert zu betrachten.

Abb. 5: Die Baschkiren und Wolga-Tataren ähneln noch heute genetisch den Ungarn der Landnahmezeit - Hier ein Festumzug um der Baschkiren (Wiki)

Auf Fotos auf Wikipedia sieht man, daß es bei den Baschkiren sowohl Menschen mehr asiatisch-sibirischer Herkunft gibt wie auch Menschen eher europäischer Herkunft.

Abb. 6: So in etwa sagen die Landnahme-Ungarn aus - Wie junge Baschkiren heute (Wiki)

Ähnliches gilt für die Wolga-Tataren, wobei es bei diesen vielleicht noch mehr Menschen gibt, die eher europäisches Aussehen haben.

Mit Menschen dieses Schlages also schlugen sich unsere Vorfahren im 10. Jahrhundert herum, als sie - zum Schutz vor ihren Raub- und Plünderungszügen - die Ungarnwälle (Wiki) errichteten und sich auf Berge und in Wälder zurück zogen. 

Abb. 7: Einzige zeitgenössische Abbildung von König Heinrich I. (Wiki) als siegreichem Heerführer: Mit schmalem Diadem, die Fahnenlanze geschultert, den Schild erhoben

Über die Landnahme-Zeit und die Ungarn-Einfälle lesen wir (Wiki):

Die Magyaren wanderten, angeführt von dem Großfürsten Árpád, Ende des 9. Jahrhunderts, angeblich im Jahr 896 in das Karpatenbecken ein und führten Raubzüge durch ganz Europa. Diese wurden auch von Árpáds Nachfolgern erfolgreich weitergeführt, bis 955 Otto I. die Angriffe der Ungarn durch einen vernichtenden Sieg auf dem Lechfeld zurückschlagen konnte. Das Königreich Ungarn wurde am 20. August 1000 von Stephan I. gegründet, der das Land gegen den erbitterten Widerstand des alten Adels nach karolingischem Vorbild gestaltete (Begründung des bis heute bestehenden Komitatswesens).

Es gilt allerdings zu beachten, daß die Ungarn der Landnahme-Zeit sich schon in der ersten Generation mit den in Ungarn damals einheimischen Menschen vermischten. 

1235 reisten ungarische Dominikaner-Mönche in die Urheimat der Landnahme-Ungarn "Magna Hungaria". Sie reisten in die Hauptstadt der Wolgabulgaren und fanden zwei Tagreisen östlich von dort tatsächlich die Magna Hungaria. Allerdings war sie schon damals bedroht von den Mongolen, die es kurz nach ihrer Abreise vernichteten (Wiki).

Auch in Ungarn selbst wurde die Bevölkerung dann wenig später im Mongolensturm um die Hälfte dezimiert. Deshalb blieb schließlich von der Genetik der Ungarn der Landnahmezeit kaum noch etwas erhalten.

Ergänzung 13.2.22: Die folgende Überlegung schließt sich an: Wenn Wolga-Tataren und Baschkiren ein genetisches Profil aufweisen, das dem der Landnahme-Ungarn ähnelt, obwohl es zugleich so vielschichtig ist, wenn alle drei Volksgruppen aus derselben Region zwischen Wolga und Ural stammen, bzw. dort immer noch beheimatet sind, eine Region, in die die Ungarn noch um 1235 eine Delegation gesand haben, weil sie dort ihre Verwandten und ihre Urheimat vermuteten, dann ist es naheliegend, in den Vorfahren der Wolga-Tataren und Baschkiren ursprüngliche "Landnahme-Ungarn" zu sehen, die womöglich ursprünglich ebenfalls eine ugrische Sprache gesprochen haben. 

Sie könnten in ihrer Heimat - irgendwann ab 600 n. Ztr. oder auch erst mit dem Mongolen-Sturm ab den 13. Jahrhundert - entweder durch die Wolga-Bulgaren oder durch Turksprachen-Stämme im Gefolge der Mongolen - "türkisiert" worden sein, also entweder im prosperierenden Großbulgarische Reich (Wiki) oder später unter der Herrschaft der "Goldenen Horde" (6). Im Reich der Goldenen Horde war Mongolisch Staatssprache. Deshalb könnte die "Türkisierung" auch schon zuvor stattgehabt haben.

Wie es um die Verwandtschaft der (ausgestorbenen) Oghurischen Sprache der Wolgabulgaren (die auch die Hunnen und Awaren gesprochen haben könnten) (Wiki) und der Kiptschakischen Sprachen der Wolga-Tataren und Baschkiren bestellt ist, darüber findet sich gegenwärtig auf Wikipedia nur wenig, eigentlich nur die Bemerkung (Wiki):

Sowohl das Urum als auch das Krimtatarische sind genuin kiptschakische Sprachen, die jedoch oghusisch beeinflußt sind.

Eine solche Beeinflussung durch das Oghusische sollte dann ja auch für das Wolgatartarische und das Baschkirische festgestellt werden können. Aber vielleicht sind sie auch erst türkisiert worden, durch Turksprachen-Stämme, die mit den Mongolen der Goldenen Horde nach Westen gekommen sind.

Ergänzung 14.2.22: In geringen Prozentsätzen findet sich die sibirische Herkunftskomponente auch in der estnischen Bevölkerung. Estnische Genetiker ziehen aus dieser die folgenden Schlußfolgerungen bezüglich von Eigenschaften, die mit ihr verbunden sind (7):

Die sibirische Herkunftskomponente ist verbunden mit dunkler Haar-Pigmentierung, höherer Herzschlag-Rate, geringer Neigung zu Koffein-Konsum und - am hervorstechendsten - zu grüner Augenfarbe und zu niedrigen Menarche-Alter.
The Siberian ancestry is connected with dark hair pigmentation, higher heart rate, lower caffeine consumption, and most prominently, green eye color and lower age at menarche.

________________

  1. Bading, I.:  1900 v. Ztr. - Sibirische Jäger und Sammler wandern nach Ost-Skandinavien ein Forschungen zur Entstehung und Ausbreitung der finno-ugrischen Völkergruppe, 2018, https://studgendeutsch.blogspot.com/2018/07/1900-v-ztr-sibirische-jager-und-sammler.html
  2. Bading, I.: Die mitgebrachte sibirische Genetik - Sie ging in Ungarn bis heute völlig verloren, 2021, https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/08/die-mitgebrachte-sibirische-genetik-sie.html
  3. Whole genome analysis sheds light on the genetic origin of Huns, Avars and conquering Hungarians. Zoltan Maroti, Endre Neparaczki, Oszkar Schutz, Kitti Maar, Gergelyx I. B. Varga, (...) Szilard Sandor Gaal, Peter Tomka and Tibor Torok, bioRxiv. posted 20 January 2022, 10.1101/2022.01.19.476915, http://biorxiv.org/content/early/2022/01/20/2022.01.19.476915 (pdf)
  4. Vladimir and Lidiya Androsov: "My friends  the Mansi". Sammlung von Fotografien, https://dyatlovpass.com/gallery-mansi
  5. Tracing genetic connections of ancient Hungarians to the 6-14th century populations of the Volga-Ural region. Bea Szeifert, Daniel Gerber, Veronika Csaky, Peter Lango, (....) Balazs Egyed, Balazs Gusztav Mende, Attila Turk, Anna Szecsenyi-Nagy bioRxiv 2022.02.04.478947; doi: https://doi.org/10.1101/2022.02.04.478947, 8.2.2022, http://biorxiv.org/content/early/2022/02/08/2022.02.04.478947?ct=ct
  6. Bading, I.: Die Wolgabulgaren, 2021, https://studgendeutsch.blogspot.com/2021/06/die-wolgabulgaren-ein-schlussel-volk.html  
  7. Marnetto, D., Pankratov, V., Mondal, M., Montinaro, F., Pärna, K., Vallini, L., ... & Estonian Biobank Research Team. (2022). Ancestral genomic contributions to complex traits in contemporary Europeans. Current Biology (pdf)

Sonntag, 6. Februar 2022

Cayönü (8.400 bis 7.500 v. Ztr.) - Die Menschen dieses Siedlungsortes genetisch gesehen

Neue archäogenetische Daten aus dem Zentrum des Fruchtbaren Halbmonds
- "Völker zwischen Kaukaus und Levanteraum in Neolithikum und Bronzezeit" (Teil 5)

Zum Thema der Blogartikel-Serie "Völker zwischen Kaukaus und Levanteraum ..." ist soeben erneut ein Forschungsartikel erschienen. (1). Hier deshalb Teil 5 zu dieser Blogartikel-Serie.

Abb. 1: Neu sequenzierte Menschenfunde von Cayönü in ihrem geographischen und genetischen Verhältnis zu umliegenden Populationen (aus 1)

Es ist Knochenmehl von 33 Menschenfunden des berühmten Ausgrabungsortes Cayönü (Wiki) in der südöstlichen Türkei gewonnen worden. Dieses ist auf erhaltenes Genmaterial hin untersucht worden. Dieses ist dann sequenziert worden (rote Sterne in Abb. 1). Das älteste gewonnene Genom ist auf etwa 8.400 v. Ztr. datiert, das jüngste auf 7.500 v. Ztr.. Alle Genome stammen deshalb aus der Zeitepoche des PPNB.

Wie schon in Abbildung 1 zu sehen, stehen die PPNB-Menschen von Cayönü genetisch auf der Mitte zwischen der anatolischen und der Levante-Genetik, dabei leicht in Richtung auf die iranische Genetik hin verschoben. Die Nähe in Bezug auf die Genetik deckt sich also ziemlich gut mit den geographischen Entfernungen. Das dürfte heißen, daß die Bevölkerung von Cayönü größtenteils einheimischen Ursprungs ist und aus örtlichen Jäger-Sammler-Populationen hervorgegangen ist.

Es gibt einen Ausreißer, der genetisch deutlicher in Richtung iranischer Genetik verschoben ist ("cay008"). Dabei handelt es sich um die Überreste eines eineinhalb- bis zweijährigen Kindes. Eine Großtante dieses Kindes über die väterliche Linie ist ebenfalls vor Ort gefunden worden. Die iranische Genetik wird also eher über die mütterliche Seite nach Cayönü und in dieses Kind gekommen sein. Das Kind weist außerdem Schädeldeformierungen auf, wie sie von Schädelbandagierungen hervorgerufen werden und wie sie mehrmals in Cayönü und in dieser Zeit auch sonst im Fruchtbaren Halbmond festgestellt worden sind. An seiner Genetik wird erkennbar, daß die Vermischung zwischen anatolischer und iranischer Genetik tatsächlich auch im Kernraum des Fruchtbaren Halbmonds schon im PPNB begonnen hat (1):

Wir schätzen, daß cay008-Genom 50 % epipaläolithisch-anatolische Genetik und 50 % Genetik des neolithischen (Nordwest-)Zagros in sich trug und keine südlevantinische Herkunft aufwies, die sich in allen anderen Cayönü-Genomen findet. Wir können cay008 modellieren als eine Mischung von 79 % lokaler Cayönü-Genetik und 21 % (Nordwest-)Zagros-Genetik.
We estimated that the cay008 genome carried 50% Anatolia_EP and 50% Zagros_N ancestry (SE ± 5%, p-value > 0.05) and lacked a significant South Levant component found in the rest of Çayönü genomes (Fig. 2C). We were also able to model cay008 as a mixture of the “local” Çayönü sample (79%, SE ± 8%) and Zagros-like (21%, SE ± 8%) ancestries (p-value > 0.05).

Da bislang für diese Zeit keine einschneidenden Ereignisse aus der Archäologie bekannt sind, kann diese Genetik auch auf friedlichem Weg nach Cayönü gekommen sein. Es heißt dazu in der Studie (1):

Aus Sicht der Archäologie teilt Cayönü einige kulturelle Muster mit dem östlichen Flügel des neolithischen Südwest-Asien, insbesondere mit solchen im Tal von Tigris und Euphrat und im nordwestlichen Zagros-Gebirge.
Archaeologically, Çayönü shares a number of distinctive features with PPNA/PPNB settlements in the eastern wing of Neolithic Southwest Asia, particularly those in the Tigris and Euphrates basins and Northwest Zagros.

Zu weiteren Vermischungsprozessen kam es dann aber erst nach dem PPNB. 

Weitere Vermischungen im Übergang zum Keramikum

Es wird nämlich erkennbar, daß das vorkeramische anatolische Neolithikum ("PPN") sich genetisch noch deutlicher von dem anatolischen keramischen Neolithikum ("PN") unterschieden hat (s. Abb. 1). Nachmals lebende Menschen in Catalhöyük im Nordwesten des Fruchtbaren Halbmonds scheinen genetisch von Menschen beeinflußt worden zu sein wie solchen, die in Cayönü lebten (1).

Und solche Menschen scheinen sich beim Übergang zum Keramikum zwischen 7.000 und 6.500 v. Ztr. nach Norden ausgebreitet zu haben und dabei scheint es zu Vermischungen mit Menschen aus dem nördlicheren Anatolien gekommen zu sein (1). 

In Abbildung 1 unten sind noch einmal schön die vorherrschenden Hausbauformen der jeweiligen Zeitstellung dargestellt. Im PPNA gab es noch überall Rundhäuser, ab dem PPNB breiteten sich rechteckige Häuser aus. Das gilt für Cayönü, weiter östlich, im Zagros-Gebirge und im Kaukasus sind allerdings die Rundhäuser noch viel länger beibehalten worden (sogenannter "Rundhaus-Horizont").

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  1. A genomic snapshot of demographic and cultural dynamism in Upper Mesopotamia during the Neolithic Transition. N. Ezgi Altinisik, Duygu Deniz Kazanci, Ayca Aydogan, Hasan Can Gemici, Omur Dilek Erdal, Savas Sarialtun, Kivilcim Basak Vural, Dilek Koptekin, Kanat Gurun, Ekin Saglican, Gokhan Cakan, Meliha Melis Koruyucu, Vendela Kempe Lagerholm, Cansu Karamurat, Mustafa Ozkan, Gulsah Merve Klinc, Arda Sevkar, Elif Surer, Anders Gotherstrom, Cigdem Atakuman, Yilmaz Selim Erdal, Fusun Ozer, Asli Erim-Ozdogan and Mehmet Somel. bioRxiv. posted 1 February 2022, 10.1101/2022.01.31.478487, http://biorxiv.org/content/early/2022/02/01/2022.01.31.478487

Unsere Verwandten, die Bretonen

Das genetische Erbe der Glockenbecherleute in der Bretagne

Von der traditionellen Physischen Anthropologie ist immer schon gesagt worden, daß der Küstensaum der Bretagne von überdurchschnittlich vielen Menschen ausgeprägter nordeuropäischer Herkunft bewohnt wäre (Abb. 1).

Abb. 1: Frauen in der für das Bigaudenland typischen bretonischen Tracht auf dem "Festival Interceltique" von Lorient im Jahr 2009 (Wiki)

Auch auf der Karte der Verteilung der Blonden weltweit sieht man: Nördlich der Loire leben mehr blonde Menschen als südlich der Loire - und ebenso viele wie in Irland, Südwestengland, Ostfrankreich oder Süddeutschland (Wiki). 

Und nun zeigt eine neue genetische und archäogenetische Studie auf: In der Bretagne nördlich der Loire ist der Anteil der (indogermanischen) Steppengenetik (grün) höher als südlich der Loire (Abb. 2). Er ist dort heute sogar noch etwas höher als im Mittelalter (1):

Mittelalterliche Menschen des westlichen Frankreich besaßen im allgemeinen weniger Steppenherkunft als die heutigen Populationen.
We found Mediaeval samples from Western France to carry generally less steppe ancestry than their geographical close present-day populations.

Eine gute Erklärung wird dafür in der Studie nicht gegeben. Eine ähnliche Beobachtung wurde aber auch schon hinsichtlich heller Hautfarbe in Skandinavien gemacht, die dort heute noch weiter verbreitet ist als im Mittelalter. Ob dieser Umstand darauf zurück geführt werden kann, daß bei einer größeren Ungleichgewichtigkeit in der Verteilung von Wohlstand auf dem Land (durch Entstehung landarmer, "unterbäuerlicher" Schichten) Menschen mit einem höheren Anteil Steppengenetik in der Neuzeit kinderreicher waren als Menschen ohne einen solchen Anteil?

Abb. 2: Der Anteil Steppengenetik (grün) nördlich der Loire (Bretagne) und südlich davon, ebenso im Mittelalter (aus 1)

In der Zusammenfassung heißt es (1):

In der westlichen Bretagne findet sich der höchste Anteil von Steppenherkunft, die viele Gemeinsamkeiten mit den Genen der Glockenbecherleute aufweisen, Gemeinsamkeiten wie sie nur vergleichbar sind mit Populationen, die am nordwestlichen Rand von Europa liegen.
Samples from Western Brittany carry the largest levels of steppe ancestry and show high levels of allele sharing with individuals associated with the Bell Beaker complex, levels that are only comparable with those found in populations lying on the northwestern edges of Europe.
In der westlichen Bretagne liegt der Anteil der Steppenherkunft bei beinahe 50 % (Abb. 2). Auf diesen höheren Anteil Steppengenetik, der sich ebenfalls in Irland und im westlichen Britannien finden würde, wird auch die Gemeinsamkeit von vorliegenden angeborenen Krankheiten oder Eigenschaften zurück geführt (1):

Diese Ergebnisse passen zu der höheren Häufigkeit von Cystrischer Fibrose, Hemochromatose und Laktose-Persistenz, die es sowohl in der Bretagne wie in Irland gibt. Parallel dazu zeigen unsere Beobachtungen größere genetische Verwandtschaft von Poplationen des nördlichen Frankreich, vergleichbar denen der westlichen Bretagne mit heutigen Menschen in Deutschland. Hingegen weisen französische Populationen südlich der Loire genetische Verwandtschaft auf mit heutigen Spaniern und mit den Basken.
Such results fit with the reported higher frequencies of mutations associated with cystic fibrosis, hemochromatosis and lactose persistence shared between Brittany and Ireland. In parallel, our concordant observations reveal larger genetic affinities of populations from Northern France, compared those from Western Brittany, with present-day individuals from Germany (Fig. 3). As for present-day French populations located south to the river Loire, genetic proximity is observed with contemporary Spanish, and signals of shared ancestry with the Basques.

Ähnlich war das übrigens traditionellerweise auch von der sogenannten "Rassekunde" gesehen worden (2):

Die Küste der Normandie zeigt ein besonderes Vorwiegen der nordischen Rasse, auch der Küstensaum der in ihrem Inneren vorwiegend ostischen Bretagne.

Es war dies sicherlich auch damals schon vor allem anhand der Karten von der Verteilung von Menschen mit blonder Haarfarbe und blauer Augenfarbe geschehen.

Über den leicht erhöhten Anteil an westeuropäischer Jäger-Sammler-Genetik in der Bretagne (s. Abb. 2) wird übrigens gemutmaßt, daß dieser von Hochseefischern stammen könnte, die an der Küste noch länger für sich fortexistieren konnten, während im Landesinnern schon die neolithischen Bauern verbreitet waren (1).

Nach der Studie teilen die Bretonen 24 % ihrer Genetik mit den Iren, ein viel höherer Prozentsatz als mit den Walisern und den Menschen aus Cornwall (1). Die Genetik der Iren findet sich auch sonst in Frankreich. Diese Gemeinsamkeit mit den Iren wird auf die vorrömische keltische Eisenzeit zurück geführt, während die Gemeinsamkeit mit Wales und Cornwall auf die Zuwanderungen in der Zeit der Angelsachsen zurück geführt wird.

Es wird sogar gemutmaßt, daß ein höherer Anteil von mittelneolithischer (mediterraner) Bauernherkunft erst mit der Zuwanderung germanischer Stämme (der Franken) nach Nordfrankreich im Frühmittelalter gekommen wäre, was heißen würde, daß die dortigen Kelten zuvor im allgemeinen einen höheren Anteil von Steppengenetik in sich trugen als die zuwandernden Germanen.

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  1. Genetic population structure across Brittany and the downstream Loire basin provides new insights on the demographic history of Western Europe. Isabel Alves, Joanna Giemza, Michael Blum, Carolina Bernhardsson (...) Eske Willerslev (...) Emmanuelle Genin, Jean-Francois Deleuze, Richard Redon and Christian Dina, bioRxiv. posted 4 February 2022, 10.1101/2022.02.03.478491     http://biorxiv.org/content/early/2022/02/04/2022.02.03.478491
  2. Hans F. K. Günther: Rassenkunde Europas. 1926 (s. G-Bücher)