Donnerstag, 22. September 2022

Die Hellenisierung Roms - Die Ausbreitung der Slawen - Die Türken in Anatolien

Völkergeschichte zwischen Kaukasus und östlichem Mittelmeerraum
- 5. Beitrag zur Auswertung der drei neuen archäogenetischen "Science"-Studien vom 25.8.2022

Hier auf dem Blog sind wir immer noch mit der Auswertung der drei neuen archäogenetischen "Science"-Studien vom 25. August 2022 zur Völkergeschichte zwischen Kaukasus, Balkan, Levante, Kreta und Rom (1-3) beschäftigt. Damit sind wir seit Ende August beschäftigt. Und wir sind damit immer noch nicht fertig. 

Abb. 1: In der Eisenzeit ist Steppen-Genetik in Nordafrika angekommen (orange, links). Diese findet sich zu noch höheren und gleichmäigeren Anteilen in Mittelitalien, sowohl in der Bronze- wie in der Eisenzeit. Schon während der Eisenzeit kommt iranisch-anatolische Genetik nach Nordafrika (rot und grün), zum Teil auch nach Mittelitalien und Sardinien. (Gelb ist die Herkunftsgruppe der westeuropäischen Jäger und Sammler (aus 5)

Es betrifft das sowohl die Darstellung der vielfältigen Details der neuen Faktenlage selbst. Dazu haben wir schon drei Beiträge veröffentlicht (Stgen2022a, b, c). Es betrifft das aber womöglich noch mehr die Deutung der neuen Faktenlage, also die allgemeinere, geschichtsphilosophische, kulturpsychologische Einordnung derselben. Dazu ist bisher erst ein Beitrag erschienen (Stgen2022). Im vorliegenden Beitrag soll noch ein weiterer faktenbezogener Beitrag folgen. In diesen werden zunächst zwei etwas ältere Blogbeitrag-Entwürfe eingearbeitet. Außerdem werden Themen behandelt, die weniger mit der eigentlichen Kernthematik - "acht Prozent Steppengenetik bei den antiken Griechen" - zu tun haben. Vielmehr ist deren Schwerpunkt eher das Mittelalter.

Kerkouane - Eine karthagische Handelsstadt in Nordafrika - 15 - 20 % Steppengenetik

Mit der Genetik des republikanischen und kaiserzeitlichen Mittelitaliens, also Roms, hatten wir uns hier auf dem Blog schon beschäftigt (4). Die dortigen Ereignisse waren am Übergang des republikanischen zum kaiserzeitlichen Rom mit einem deutlichen Rückgang des indogermanischen Steppengenetik-Anteils in der mittelitalienischen Bevölkerung verbunden (4). 

In der Ägäis und im ostmediterranen Raum sind - etwa bei den Philistern - hingegen nur grob 7 % Steppengenetik für die Späte Bronzezeit, die Eisenzeit und die letzten vorchristlichen Jahrhunderte festgestellt worden. (Das sind Zeilen, die wir schon vor dem 25.8.22 im Entwurf verfaßt hatten, nämlich mit Bezug auf [5].)

Wie aber stand es nun mit den Phöniziern und den von ihnen abstammenden Puniern in Karthago, dem Gegner zunächst der antiken Griechen auf Sizilien, dann dem großen Gegner Roms? (Stichwort "Hannibal ante portas".) Hier findet eine neue archäogenetische Studie überraschenderweise einen ebenso hohen Steppengenetik-Anteil wie im republikanischen Rom, nämlich zwischen 15 und 20 %. Zumindest bezogen auf einen Teil der damaligen Bevölkerung Nordafrikas. Wir lesen (5):

... Die Genome von 30 antiken Individuen von karthagischen und etruskischen Hafenstädten rund um das zentrale Mittelmeer, aus Tunesien, Sardinien und Mittelitalien wurden sequenziert. An allen drei Orten gibt es einen bedeutsamen Beitrag autochthoner Bevölkerungen (jeweils aus dem bronzezeitlichen Nordafrika, bzw. Sardinien, bzw. Italien), wie auch hochgradig heterogene Herkunft, einschließlich von vielen Individuen mit Herkunft aus anderen Teilen des Mittelmeer-Raumes.
To investigate population mobility and interactions directly, we sequenced the genomes of 30 ancient individuals from Carthaginian and Etruscan port cities around the central Mediterranean, in Tunisia, Sardinia, and central Italy. At all three locations, there is a meaningful contribution of autochthonous populations (from Bronze Age North Africa, Sardinia, and Italy, respectively), as well as highly heterogeneous ancestry including many individuals with ancestry from other parts of the Mediterranean region. These results highlight both the role of autochthonous populations and the extreme interconnectedness of populations in the Iron Age Mediterranean. By studying these trans-Mediterranean neighbors together, we explore the complex interplay between local continuity and mobility that shaped the Iron Age societies of the central Mediterranean.

In der Eisenzeit hat sich das genetische Profil der Völker an der Südküste des Mittelmeers geändert. Von Kerkouane, einer karthagischen Handelsstadt östlich der Cap Bon-Halbinsel im heutigen Tunesien konnten eine Reihe von eisenzeitliche Individuen sequenziert werden. Vier Individuen wiesen die Herkunft der neolithischen Bauern des Maghreb auf. Diese bestand aus 70% frühneolithischer Marokko-Herkunft und 30% anatolisch-neolithischer Herkunft. (Sie dürfte auch heute noch den Hauptanteil der Herkunft unter den Berbern stellen, aber bei diesen hat sich - sicherlich - zusätzlich noch andere Genetik eingemischt, iranische und arabische). 

Für die Eisenzeit gilt dann (5):

Drei Individuen ... können modelliert werden als solche, die vorwiegend diese Herkunft aufwiesen zusammen it 15 bis 20 % Steppen-Herkunft.
Three individuals, R11746, R11755, R11790, can be modeled predominantly with this component, along with the addition of 15 - 20% Steppe-related ancestry.

Das könnte den Eindruck aufkommen lassen, daß diese Steppen-Herkunft erst vergleichsweise spät nach Nordafrika kam. Die Punier haben sich von Karthago aus im Verlauf der Ausweitung ihres Handels und ihrer Kriege auch nach Sardinien und Ibiza ausgebreitet. Dieser Umstand könnte sich in einer neu hinzukommenden marokkanischen Komponente in den dortigen Genomen wieder spiegeln. Diese findet sich sogar in den Genomen einiger Individuen der etruskischen Handelsstädte an der Westküste Italiens (5). 

Nachdem Sardinien von Rom erobert worden war, spiegelt sich in den Genomen eine dortige Besiedlung von Italien her wieder (5).

In der Eisenzeit ist Steppen-Genetik in Nordafrika anzutreffen (Abb. 1: orange, links). Diese findet sich zu noch höheren und gleichmäßigeren Anteilen seit der Bronzezeit in Mittelitalien (Abb. 1: orange, rechts). Während der Eisenzeit kommt auch iranisch-anatolische Genetik aus dem östlichen Mittelmeerraum nach Nordafrika, zum Teil auch nach Mittelitalien und Sardinien. Außerdem gibt es in Karthago vereinzelte genetische Einflüsse von Wüstenstämmen (Abb. 1: gelb und lila, links).

Hoch interessant darf man womöglich finden, daß - zumindest nach dieser Grafik - die Steppengenetik "direkt" und unabhängig von der anatolisch-iranisch-neolithischen Herkunftsgenetik nach Nordafrika gekommen zu sein scheint.

Menschen vorwiegend anatolisch-iranischer Genetik sind womöglich vor allem durch die griechischen Kolonien in den mittleren und westlichen Mittelmeerraum gekommen. 

Die Studie macht darauf aufmerksam, daß Menschen nicht einheimischer Herkunft in Karthago oder bei den Etruskern nicht anders bestattet worden sind als die Menschen einheimischer Herkunft.*)

Am Ende heißt es in der Studie (5):

Der Beitrag der einheimischen nordafrikanischen Populationen in der Geschichte Karthagos ist bislang kaum wahrgenommen worden, wenn in der Literatur gesprochen wird von "Westliche Phönizier" und zum Teil sogar wenn von "Puniern" die Rede ist, wenn die Bewohner Karthagos charakterisiert werden. Dies implizierte eine vorwiegend koloniale Population und verwischte den Anteil der Einheimischen im Reich von Karthago. (...) Überraschenderweise konnten wir keine Individuen mit größeren Anteilen von levantinischer Herkunft im (eisenzeitlichen) Kerkouane finden.
The contribution of autochthonous North African populations in Carthaginian history is obscured by the use of terms like “Western Phoenicians”, and even to an extent, “Punic”, in the literature to refer to Carthaginians, as it implies a primarily colonial population and diminishes indigenous involvement in the Carthaginian Empire. (...) Surprisingly, we did not detect individuals with large amounts of Levantine ancestry at Kerkouane.

Es wird nicht weiter erörtert, wann und auf welchen Wegen die Steppen-Herkunft nach Karthago gekommen ist. Ist sie schon mit den Glockenbecherleuten nach Nordafrika gekommen oder erst mit den Phöniziern? Die Datenlage reicht offenbar noch nicht dazu aus, um dazu Stellung nehmen zu können. Denn es gibt - wie in Abb. 1 benannt - bislang keine bronzezeitlichen archäogenetischen Daten für Nordafrika. Deshalb wollen wir an dieser Stelle auch von unserer Seite aus dazu noch nicht zu viel sagen und "spekulieren".

Emporion - Antike Griechen in Spanien - 8 % Steppengenetik  (Eine Studie von 2019)

Die drei neuen Studien vom 25. August geben auch Anlaß, noch einen weiteren unveröffentlichten Blogartikel hier mit einzuarbeiten, den wir im Entwuf im März 2020 erstellt hatten, wo uns aber alles noch zu vage erschienen war, um das zu veröffentlichen. Wir hatten auf dem Blog schon berichtet: 24 Individuen einer antiken griechischen Kolonialstadt im heutigen Katalonien - nämlich von Emporion (Wiki) - sind sequenziert worden. Die Hälfte derselben trugen klar eisenzeitliche spanische Herkunft in sich, die andere Hälfte klar - - - bronzezeitliche ägäische Herkunft (6, 7). (Hier war man das erste mal auf diese "acht Prozent Steppengenetik bei den antiken Griechen" gestoßen.)

Der griechischen Historiker Strabon berichtete, es sei auf den Wunsch der einheimischen Iberer dazu gekommen, daß ein gemeinsamer Stadtwall um zwei unterschiedliche Städte gezogen wurde, nämlich um eine Stadt der Einheimischen und eine der aus der Ägäis zugewanderten Griechen (5). Die archäogenetischen Erkenntnisse passen dazu nahtlos.

Aber: Bronzezeitliche ägäische Herkunft - was das wohl heißt? (So fragten wir vor dem 25.8. im Entwurf.) Womöglich heißt das, daß sich die antiken Griechen vor und nach den Dunklen Jahrhunderten, die zwischen Bronze- und Eisenzeit lagen, also vor und nach dem Seevölkersturm und der Dorischen Wanderung um 1200 v. Ztr., genetisch nur wenig verändert haben?!? Weniger jedenfalls als womöglich die Menschen an der Mittelmeerküste Spaniens durch die Zuwanderung der Kelten?!? - Und genau so hat es sich jetzt bestätigt.

In der Tat hatten ja erste archäogenetische Studien zu den Minoern, den Mykenern und den Hethitern noch keinerlei indogermanische Steppen-Genetik gefunden. Aber es wäre das doch ein sehr rätselhafter Umstand, wenn wir im östlichen Mittelmeerraum zwar die bedeutensten antiken Völker der Indogermanen vorfinden, die sogar von der Sprachwissenschaft als solche unbezweifelt angenommen werden, wenn wir aber ausgerechnet bei ihnen zugleich so gar keine indogermanische Steppen-Genetik sollten entdecken können. Diese Frage ist zur Zeit eines der größeren Rätsel in der Forschung. (Das inzwischen geklärt ist!)

Auf Wikipedia lesen wir über den derzeitigen Wissensstand aus sprachwissenschaftlicher Sicht (Wiki):

Die griechische Sprache ist einer der Hauptzweige der indogermanischen Sprachfamilie. Es ist (möglicherweise über eine oder mehrere Zwischenstufen, z. B. das Balkanindogermanische) aus der indogermanischen Ursprache hervorgegangen. Für den Zeitraum der Entstehung des Griechischen, die mit der Einwanderung von Indoeuropäern auf die Balkanhalbinsel während der frühen Bronzezeit zusammenfallen dürfte, gibt es eine ganze Reihe von Hypothesen. Diese reichen von 3600 v. Chr. (Gimbutas) bis 2000 v. Chr. (Schuler). Die einwandernden Indoeuropäer trafen auf eine kulturell hochstehende, von den Griechen später Pelasger (Πελασγοί) genannte Urbevölkerung. Deren Sprache ist nicht überliefert, sondern nur als Substrat im Griechischen erschlossen. Dazu gehören z. B. Lehnwörter wie θάλασσα, thálassa (‚Meer‘) und νῆσος, nēsos (‚Insel‘) sowie zahlreiche Ortsnamen wie Κόρινθος (Korinth) und Παρνασσός (Parnass). Die pelasgische Sprache (oder Sprachen) war wohl nicht indogermanisch; über einen Zusammenhang mit der minoischen Sprache Kretas wird spekuliert. Das Griechische wurde wohl auch von einer unbekannten indogermanischen Sprache, die eventuell dem ausgestorbenen Illyrischen nahestand, beeinflußt. (...)
Als nächste Verwandte kommen das Armenische und das Albanische in Frage. Diese Balkanindogermanisch-Hypothese wird durch quantitative Methoden gestützt.
Der Hinweis, daß das Armenische und das Griechische nah verwandt sind, dürfte zugleich darauf hinweisen, daß beide zu etwa gleicher Zeit - vermutlich von der Jamnaja-Kultur der Ukraine ausgehend in ihre jeweiligen Länder - Armenien und Griechenland - gekommen sind. Auf dem englischen Wikipedia steht ganz ohne die sonst üblichen Vorbehalte (Wiki):
Griechisch wurde auf der Balkanhalbinsel um das 3. Jahrtausend v. Ztr. gesprochen, vielleicht früher.
Greek has been spoken in the Balkan peninsula since around the 3rd millennium BC, or possibly earlier. 
Diese Aussage stützt sich auf eine sprachwissenschaftliche Studie zur Geschwindigkeit von Sprachentwicklung, die 2003 in "Nature" erschienen ist (8). Solche Studien dürfen aber wohl doch noch mit allerhand Skeptizismus betrachtet werden. Sie werden vermutlich noch als recht spekulativ zu betrachten sein. Jedenfalls heißt es vermutlich auch darauf fußend über das Proto-Griechische (Wiki):
Die nicht durch Schriftzeugnisse belegte aber anzunehmende letzte gemeinsame Vorfahre aller bekannten Varianten des Griechischen. Diese Einheit des Proto-Griechischen wird beendet worden sein als die Hellenen auf die griechische Halbinsel einwanderten irgendwann im Neolithikum oder in der Bronzezeit.
The unrecorded but assumed last ancestor of all known varieties of Greek. The unity of Proto-Greek would have ended as Hellenic migrants entered the Greek peninsula sometime in the Neolithic era or the Bronze Age.
Es wird hier erkennbar, daß die Forschung noch nicht sehr genau weiß, wann die griechische Sprache nach Griechenland gekommen ist. Über das oben erwähnte Balkanindogermanische ist zu erfahren (Wiki):
Als Balkanindogermanisch wird in der indogermanistischen Forschung die - vermutete - gemeinsame Vorstufe des Griechischen, Phrygischen und Armenischen bezeichnet; meistens wird auch das Albanische auf diesen Zweig der indogermanischen Sprachen zurückgeführt. (...) Im weiteren Sinne gehören auch das einst im heutigen Bulgarien gesprochene Thrakische, das einst im heutigen Rumänien gesprochene Dakische (ein Dialekt des Letzteren) sowie das Illyrische zum Balkanindogermanischen.
Aus Sicht der Archäologie spielt für das Ursprungsvolk der Griechen die Vučedol-Kultur eine Rolle, die im heutigen Kroatien, Bosnien und Slowenien zeitlich parallel zur Kugelamphorenkultur existierte. Dementsprechend heißt es von ihr auch (Wiki):
Vierrädrige Wagen, die vermutlich von Ochsen gezogen wurden, sind durch Tonmodelle belegt. (...) A. Gallay sieht Vučedol als den Ursprung der Glockenbecherkultur bzw. der sogenannten Begleitkeramik des östlichen Glockenbecherkreises. 

Wenn diese der Ursprungsraum der Glockenbecher-Kultur in der Nähe dieser Region gelegen haben sollte, wenn die Glockenbecher-Leute bis Großbritannien, bis Süditalien und über Spanien bis Sizilien sich ausgebreitet haben, dann ist zu fragen, ob und wie eine vergleichbare Expansion in Süden, die zeitlich und räumlich mit der Expansion des Urgriechischen in Verbindung gebracht werden könnte, genauer den archäologischen Funden und Befunden zugeordnet werden kann. 

/ zweiter Teil zu Katalonien 
im Entwurf verfaßt: 10.3.2020 /

Im folgenden nun noch weitere Neuerkenntnisse aus den eingangs genannten Studien (1-3).

Die genetische Hellenisierung Roms

Es wird in ihnen auch aufgezeigt, daß die Menschen des kaiserzeitlichen Rom in Italien dieselbe Herkunftsgenetik aufgewiesen haben wie die Menschen in Anatolien vor und während der Zeit des Römischen und des nachmaligen Byzantinischen Reiches. Diese wiesen deutliche Unterschiede gegenüber der Genetik der Römer zur Zeit der Römischen Republik auf. In Rom gab es also annäherungsweise in dieser Zeit ein "genetic replacement", einen Austausch von Bevölkerung. In der Pressemitteilung der Universität Wien wird dazu ausgeführt:

"Aus unserer vorausgehenden Forschung wußten wir, daß die Menschen, die rund um die antike Stadt Rom lebten, in der Kaiserzeit sehr große regionale Herkunftsvielfalt aufwiesen, und daß viele von ihnen aus dem Nahen Osten stammten," sagt Ron Pinhasi, der Mitautor eine Science-Studie aus dem Jahr 2019 gewesen ist, die die archäogenetischen Daten aus Rom untersuchte. "Es war aber eine völlige Überraschung für uns, eine so genaue und klare Verbindung zu Anatolien selbst zu bekommen und nicht zu anderen östlichen Teilen des Römischen Reiches wie etwa der Levante."
“We knew from our previous research that people who lived around Rome in the Imperial period were from various regions and that many originated from the Near East,” says Ron Pinhasi who co-led a 2019 Science study that studied ancient DNA data from Rome. “But it was a complete surprise to find such a specific and clear link to Anatolia itself, and not to other eastern parts of the Roman Empire such as the Levant.”

Durch die Ausdehnung des Römischen Reiches nach Griechenland und Anatolien strömten also in großen Zahlen hellenisierte Menschen aus Anatolien nach Rom. Dort kam es zur Dezimierung der einheimischen Bevölkerung, nicht zuletzt auch durch die Bürgerkriege. Darüber ist ja im Grunde schon immer viel bekannt gewesen. Die Kultur Pompeji's beispielsweise atmet ja fast nur noch hellenistischen Geist, kaum noch römischen. Und es ist auch deshalb bekannt, weil die traditionsbewußten Römer auf diese Hellenisierung Italiens anfangs auch kritisch reagierten. Es wurde das oft zitierte Wort ausgesprochen:

"Das eroberte Griechenland eroberte den unzivilisierten Sieger."

Stammt es von Cicero? Als Quelle dazu finden wir den Horaz genannt (Grundwissen pdf). Mit den neuen Zuwanderern kamen unter anderem auch die "Bacchanalien" nach Rom. Darüber lesen wir auf Wikipedia (Wiki):

Die Römer, zumal die der Oberschicht, betrachteten sich als von strengen moralischen Vorstellungen und einer Art kulturellem Sendungsbewußtsein geprägt und sträubten sich, als die griechische Kultur mehr und mehr Einfluß auf die römische erlangte. Die Aufnahme ausländischer Anschauungen und Kulte betrachteten etliche von ihnen als ein Sittenverderbnis und eine Verletzung des römischen nationalen Stolzes. Daß sich Rom gar gekränkt und machtlos fühlen mußte gegenüber der immer stärker werdenden Abhängigkeit von der griechischen Kultur, könnten verächtliche Äußerungen der römischen Bevölkerung im Römischen Reiche gegenüber Griechen zeigen, jedenfalls soll „Graeculus“ (Griechlein) ein weit verbreitetes Schimpfwort gewesen sein.

Im Jahr 186 v. Ztr. wurde es den Römern dann wirklich "zu bunt". Im Zuge des sogenannten "Bacchanalien-Skandals" wurden 7.000 Frauen und Männer hingerichtet. Die Bacchanalien selbst wurden genehmigungspflichtig gemacht. Natürlich hat das auf lange Sicht die Hellenisierung Italiens und des gesamten Mittelmeerraumes nicht aufgehalten. Um 79 n. Ztr., als Pompeji unter der Asche des Vesuv versank, war die hellenistische Kultur völlig selbstverständlich geworden. Und die Archäogenetik zeigt nun auf, wie umfangreich diese Hellensisierung geradezu auch mit einem Bevölkerungsaustausch verbunden war. Die einheimischen Italiker hatten aufgrund ihres Wohlstandes nur noch wenige Kinder. Es wurden viele Sklaven aus dem ostmediterranen Raum eingeführt. Womöglich sind auch viele Menschen von dort freiwillig nach Italien gekommen.

Wikinger, begraben in Byzanz

Interessant ist aber auch die folgende Angabe der neuen Studien, die sich dann schon auf das nachantike, sprich mittelalterliche Byzanz bezieht (3):

Eine vorherrschende genetische Stabilität in Anatolien während der römisch-byzantinischen Zeit hieß allerdings nicht vollständige Isolation nach außen hin. "Ausreißer" mit vermutlich levantinischer, nordeuropäischer oder germanischer Herkunft, sowie iberischer Herkunft sind in der Region des Marmara-Meeres gefunden worden (in der Basilika von Nicaea, bzw. dem heutigen Iznik, sowie in dem Kloster zur Heiligen Jungfrau in Zeytinliada, Erdek) in der Nähe der Reichshauptstadt Konstantinopel (dem heutigen Istanbul), die eine größere Vielfalt an Ausländern angezogen haben mag.
Broad genetic stability in Anatolia during the Roman-Byzantine period did not mean isolation, as outliers of likely Levantine, Northern European or Germanic, and Iberian origin are detected in the Marmara region (in the Basilica of Nicaea or present-day Iznik and the Virgin Mary Monastery at Zeytinliada, Erdek) close to the Imperial capital of Constantinople (present-day Istanbul), which may have attracted a more diverse set of foreigners.

In den mittelalterlichen Sagas aus Skandinavien kommen ja wiederholt Berichte vor von Fahrten nach Byzanz und von dem persönlichen Besuch angesehener Wikinger beim dortigen Kaiser. Auch gab es ja Beziehungen zwischen Byzanz und den "Kiewer Rus" über das Schwarze Meer hinweg, über die nordeuropäische Genetik an das Marmara-Meer gekommen sein kann. 

In Moldawien und Rumänien fanden sich im übrigen - und erwartungsgemäß - Skythen zentralasiatischer Herkunft, sprich es fand sich in ihnen Steppen-Genetik in Kombination mit Marghiana-, einheimischer Tarim- und asiatischer (mongolischer) Genetik (3).

Die Ausbreitung der Slawen

 Die Ausbreitung der slawischen Völker sucht man dann mittels der Genetik folgendermaßen - noch eher indirekt - zu charakterisieren, und zwar anhand des anteilmäßigen Rückgangs der anatolisch-neolithischen Herkunftskomponente auf dem Balkan (3):

Der Rückgang der anatolisch-neolithischen Herkunftskomponente war im südöstlichen Europa ein langanhaltender Prozeß, der es uns erlaubt, die heutigen Bevölkerungen von derjenigen zu unterscheiden, die der slawischen Ausbreitung voraus gegangen sind. Wenn wir die Individuen entsprechend des bei ihnen vorliegenden Umfangs dieser Herkunftskomponente sortieren, beobachten wir, daß die heutigen Slawen außerhalb des Balkans den geringsten Anteil derselben (anatolischen Herkunftskomponente) aufweisen, während die vorslawischen Einwohner auf dem Balkan den höchsten Anteil dieser Herkunftskomponente besitzen. Die heutigen Menschen im südöstlichen Europa liegen dann diesbezüglich zwischen diesen beiden Extremen.
The reduction of Anatolian Neolithic ancestry was a long-term process in Southeastern Europe (1), which allows us to differentiate present-day populations from those preceding the Slavic migrations. When we order individuals along this component of ancestry (Fig. 5), we observe that present-day Slavs outside the Balkans have the least, whereas pre-Slavic inhabitants from the Balkans have the most of this type of ancestry, with present-day people from Southeastern Europe intermediate between the two extremes. 

Das scheint uns insgesamt gesehen noch ein sehr indirekter Hinweis auf die Ausbreitung der Slawen zu sein.

Abb. 2: Grafik zu den genetischen Verschiebungen auf dem Balkan von der Bronzezeit bis heute, aufgezeigt anhand des Rückgangs der anatolisch-neolithischen Herkunftskomponente (gelb) von rechts (Bronze- und Eisenzeit) nach links (Mittelalter und heute) (aus 3)

Im Detail wird dazu dann ausgeführt (3):

Drei Individuen aus Bulgarien (Samovodene), Nordmakedonien (Bitola) und ein Ausreißer-Individuum aus Trogir in Kroatien (700 bis 1100 n. Ztr.) haben die geringsten Anteile dieser Herkunft.
Three individuals from Bulgaria (Samovodene), North Macedonia (Bitola), and an outlier individual from Trogir in Croatia (700 to 1100 CE) have the lowest levels of this ancestry.

Diese drei finden sich in Abbildung 2 oben links. Sie passen gut in die heutige genetische Herkunftszusammensetzung slawischer Völker wie Weißrussen, Litauer, Polen, Ukrainer, Sorben und Tschechen (s. Abb. 2). Weiter schreiben die Forscher (3):

Die meisten Menschen in Trogir (einer Hafenstadt an der kroatischen Adriaküste, die von antiken, griechischen Kolonisten gegründet worden war und die Teil des byzantinischen Reiches war) gleichen heutigen Menschen aus der Zeit zwischen 700 bis 900 n. Ztr. so wie Menschen des 12. Jahrhunderts aus Veliko Tarnovo und Ryahovets in Bulgarien und ein römerzeitliches Individuum aus Marathon in Griechenland aus der Mitte des 4. Jahrhunderts n. Ztr.. Ihnen fehlt jedoch die Balkan-Jäger-Sammler-Komponente, die sich in heutigen Bevölkerungen durchgehend findet.
Most individuals from Trogir (a port city of the Adriatic in Croatia that was founded by Ancient Greek colonists and was part of the Byzantine Empire) overlapped with present-day people from ~700 to 900 CE, as did 12th century CE individuals from Veliko Tarnovo and Ryahovets in Bulgaria and a mid–fourth century CE Roman-era individual from Marathon in Greece, who, however, lacked the Balkan hunter-gatherer ancestry found consistently in the present-day population (Fig. 1). 

Das wirft für uns die Frage auf: Findet sich denn diese Balkan-Jäger-Sammler-Komponente in allen slawischen Völkern? Aber das nur nebenbei. In der Grafik von Abb. 2 sehen wir gut, daß die genannten mittelalterlichen Individuen genetisch auf der Mitte zwischen der bronze- und eisenzeitlichen genetischen Verteilung (rechts) und der heutigen genetischen Verteilung (links) stehen. Weiterhin schreiben die Forscher (3):

Schließlich drei mittelalterliche Individuen aus Albanien (500 bis 1100 n. Ztr.) und ein spätantikes Individuum aus Boyanovo in Bulgarien, das vor der slawischen Ausbreitung liegt (um 500 n. Ztr.). Sie ähneln mehr den antiken Bevölkerungen, die einen hohen anatolisch-neolithischen Herkunftsanteil aufweisen.
Finally, three medieval individuals from Albania (500 to 1100 CE) and a Late Antique (~500 CE) individual from Boyanovo in Bulgaria preceding the Slavic migrations, overlapped with the more ancient population, having high levels of Anatolian Neolithic ancestry. 

Bekanntlich haben sich ja auch romanische Sprachreste auf dem Balkan noch durch lange Jahrhunderte hindurch, oft bis ins 19. Jahrhundert gehalten. Es ist naheliegend, daß sich damit in Zusammenhang auch Genetik vergleichsweise unvermischt gehalten haben kann. Weiter schreiben die Forscher (3):

Unter den heutigen Menschen haben die Griechen und Albaner mehr anatolisch-neolithische Herkunft als ihre südslawischen Nachbarn. Die slawische Ausbreitung erinnert in manchem an die Ausbreitung der Nachkommen der Steppenhirten-Jamnaja in das südöstliche Europa hinein, allerdings 3000 Jahre später. Obwohl beide Ereignisse umwälzend waren, sollte es mit dieser Analogie nicht zu weit getrieben werden. Die mittelalterliche Ausbreitung ging einher mit großen, organisierten Völkerschaften, die mit komplexen Staaten zu tun hatten, so wie das Awaren-Khaganat und das Byzantinische Reich. Vergleichbare Vergemeinschaftungen gab es zur Zeit der Jamnaja nicht.
Among present-day people, Greeks and Albanians have more Anatolian Neolithic ancestry than their South Slavic neighbors. Slavic migrations have some echoes, ~3000 years later, to the spread of the descendants of Yamnaya steppe pastoralists into Southeastern Europe (1, 7). Although both events were transformative, any analogy should not be pushed too far. The medieval movements were carried out by large, organized communities engaging with complex states, such as the Avar Khaganate and Byzantine Empire, and no comparable polities existed in Yamnaya times.

Diese Behauptung erscheint uns gar zu willkürlich. Auch die Jamnaja hatten es schon mit komplexen Staatswesen wie etwa der Cucuteni-Tripolje-Kultur oder dem Reich von Warna und vergleichbaren Staatswesen zu tun, auch wenn die Archäologen noch zögern mögen, sie auf eine ähnliche Komplexitätsstufe zu stellen wie sie das Byzantinische Reich aufgewiesen hat. Mit ihren Rinderwagen dürften sie aber doch in manchem indischen Fürstentümern ähneln, in denen ja der Rinderwagen heute ebenfalls noch ein zum Teil dominierendes Fortbewegungsmittel ist. Sie wiesen eine hohe Siedlungsdichte auf.

Weiter schreiben Lazaridis und Mitarbeiter (3):

Unsere Daten sagen zusammengenommen: Obwohl die Bevölkerungen auf dem Balkan während des Mittelalters eine Verschiebung ihrer Herkunftsanteile erfuhren, war die Vermischung von Einheimischen mit Zuwanderern sehr unterschiedlich, weshalb sich Individuen mit sehr unterschiedlicher Herkunft finden sowohl während des Mittelalters wie auch weiter bestehend bis heute.
Collectively, our data suggest that although Balkan groups experienced a shift of ancestry in the medieval period, the fusion of locals and migrants was variable with individuals of diverse ancestry being present in medieval times and persisting up to the present.

Die beigegebene Grafik, auf die sich dieser Text zur Ausbreitung der Slawen bezieht, ist schon sehr inhaltsreich: Jeder dünne schmale Balken steht für ein Individuum. Man hat nun alle sequenzierten Individuen vom Balkan nach dem Umfang ihrer anatolisch-neolithischen Herkunftskomponente sortiert - also von rechts nach links anhand ihres "gelben" Anteils. 

In einem zweiten Schritt erfolgte dann eine zeitliche Zuordnung dieser Individuen anhand der dünnen Striche darunter. Dadurch wird zunächst erkennbar, daß die älteren sequenzierten Individuen eher rechts auf dieser Grafik liegen, die jüngeren eher links. 

Zwar gibt es in der Bronzezeit auch schon Individuen mit Genetik, die ganz links liegt. Die große Mehrheit liegt jedoch auf der rechten Hälfte.

Ganz rechts findet sich auch so gut wie keine Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunft (blau) und auch wenig Balkan-Jäger-Sammler-Herkunft (rosa), die - wie ausgeführt - im Frühneolithikum von den einwandernden anatolisch-neolithischen Bauern auf die Höhenlagen der Karpaten zurück gedrängt worden waren und deren Genetik sich erst im Späthneolithikum wieder in die umherwohnenden Völker "erneut" eingemischt hat und sich dann einige Jahrtausende später - erstmals - mit den Slawen auch bis nach Griechenland ausgebreitet hat.

Auffallend ist aber weiterhin, daß auch die Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunftskomponente auf dem Balkan - im Gegensatz zur anatolischen Herkunftskomponente - seit der Bronzezeit eher "konstant" zu bleibt. Da sich Kaukasus- und anatolische Herkunft so viele Jahrtausende gemeinsam entwickelt hatten, wird auch der Rückgang der anatolischen Herkunft gemeinsam gegangen sein mit dem Rückgang der ursprünglicheren kaukasischen Herkunft. Die scheinbare Konstanz entsteht vielmehr erst deshalb, weil die Hälfte der zuwandernden Steppen-Genetik ebenfalls aus Kaukasus-Jäger-Sammler-Genetik bestand.  

Die Türken kommen nach Anatolien

Mit den Selschuken (Türken) kam dann im 11. Jahrhhundert zentralasiatische Genetik auch - und in größerem Umfang als zuvor auf den Balkan - nach Anatolien. An der türkische Ägäisküste, findet sie sich zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert (3):

Der genetische Beitrag zentralasiatischer Turkvölker zu den heutigen Menschen in Anatolien kann in vorläufiger Weise eingeschätzt werden anhand des Vergleichs von zentralasiatischer Herkunft in heutigen Türken (etwa 9 %) und sequenzierten antiken Zentralasiaten (zwischen 41 und 100 %) auf (...) 9 bis 22 %.
The genetic contribution of Central Asian Turkic speakers to present-day people can be provisionally estimated by comparison of Central Asian ancestry in present-day Turkish people (~9%) and sampled ancient Central Asians (range of ~41 to 100%) to be between (...) ~9 to 22%.

Man sieht, welche Fülle an Detailfragen mit einer einzigen neuen Studie aufgeworfen sind. Auch in diesem Beitrag können wir unmöglich jede der aufgeworfenen Fragestellungen in alle Verästelungen hinein weiter verfolgen. Das wird erst nach und nach und mit weiteren Folgestudien geschehen. Zunächst gilt es wahrzunehmen, was für eine Fülle an Neuerkenntnissen vor den Füßen des Denkenden ausgeschüttet werden.

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*) (5): "Non-local ancestry doesn’t seem to have made individuals any less Carthaginian or any less Etruscan in their funerary celebrations."

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  1. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S,  (...) Pinhasi R, Reich D (2022) The genetic history of the Southern Arc: A bridge between West Asia and Europe. Science 377, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
  2. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) Ancient DNA from Mesopotamia suggests distinct Pre-Pottery and Pottery Neolithic migrations into Anatolia. Science 377, 982-7, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
  3. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) A genetic probe into the ancient and medieval history of Southern Europe and West Asia. Science 377, 940-51, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
  4. Bading, I: Indogermanische Genetik in Italien (2.100 v. Ztr. bis heute), 9. November 2019, https://studgendeutsch.blogspot.com/2019/11/indogermanische-genetik-in-der.html 
  5. A Genetic History of Continuity and Mobility in the Iron Age Central Mediterranean - Hannah M Moots, Margaret L. Antonio, ... Alfredo Coppa, Jonathan K. Pritchard, Ron Pinhasi bioRxiv, 15.3.2022, doi: https://doi.org/10.1101/2022.03.13.483276; erneut 23.8.2022, https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2022.03.13.483276v2.full 
  6. Olalde I, Mallick S, Patterson N, (...) Haak W, Pinhasi R, Lalueza-Fox C, Reich D (2019) The genomic history of the Iberian Peninsula over the past 8000 years. Science 363, 1230-4
  7. Reich, David: The Genomic History of the Iberian Peninsula over the past eight-thousand years. Vortrag auf der Tagung "From Homer to History - Recent Results from Bronze Age Investigations" des Max Planck Harvard Research Center for the Archaeoscience of the Ancient Mediterranea (MHHAM) an der Universität Harvard, 1. November 2019, https://youtu.be/aOix-8DSzRQ.
  8. Gray, Russel D.; Atkinson, Quentin D.: Language-tree Divergence Times Support the Anatolian Theory of Indo-European Origin. Nature. 2003, 426 (6965): 435–439. doi:10.1038/nature02029.

Dienstag, 20. September 2022

Der heroische Zeitgeist der Indogermanen

Die Erkenntnis von nur 8 % indogermanischer Steppengenetik bei den antiken Griechen macht ein Umdenken zur Macht der Kultur notwendig und macht auf die Notwendigkeit der Neuformulierung grundlegender geschichtlicher Deutungsmuster aufmerksam.
- Im folgenden erste, versuchsweise, umrißhafte, gedankliche Annäherungen an die Thematik
Stichworte: #Indogermanen, #Geschichtsphilosophie

Als Biologe neigt man - trotz aller Warnungen - dazu, der Genetik auch in der Menschheitsgeschichte eine wichtige Rolle zuzusprechen. Insbesondere dabei auch den angeborenen Unterschieden zwischen Gruppen, Völkern und Rassen. Auf den ersten Blick besteht auch die Erwartung, daß nun gerade die Archäogenetik die Rolle der Genetik in der Menschheitsgeschichte deutlicher als jemals zuvor hervor treten lassen wird. Das geschieht ja auch. Und zum Teil recht umfangreich. Andererseits scheint sie aber auch eher "gegenläufige" Erkenntnisse mit sich zu bringen.

Abb. 1: "Helden - Die ewige Sehnsucht nach Ruhm und Größe" (Spektr. d. Wiss. 4/2019)

Sicherlich ist zu all dem das letzte Wort noch nicht gesprochen, viele Erkenntnisprozesse befinden sich im Fluß. Die Erforschung der archäogenetisch feststellbaren polygenetischen Veranlagungen ("polygenic score") und des von ihnen vorausgesagten angeborenen Begabungsspektrums eines Menschen, bzw. eines Volkes befindet sich immer noch in den Anfängen (s. Studgen2022).

Allgemeinere geschichtstheoretische Einordnungen

Was aber jetzt schon recht deutlich hervor tritt, das ist - zumindest: zugleich! und parallel - auch die immense Macht der Kultur, die große Macht der Sprache, des "Zeitgeistes", der Religion, der Aufwallung und der Emphase (des "Thymos") in der Weltgeschichte. Die große Macht des sogenannten "heldischen Ideals" (1) (Abb. 1). Und zwar treten all diese Dinge in den Vordergrund auch und durch die neuesten Erkenntnisse der Archäogenetik. Und nicht nur - sozusagen - aufgrund irgendwelcher ideologisch oder philosophisch beeinflußter Vorannahmen (Stgen2022a, Stgen2022b).

In Bezug auf die große Frage "Gene oder Kultur?" gibt es also einmal erneut kein "Entweder/Oder", sondern das viel beschworene "Sowohl als auch". Wieder einmal. 

Schon die Verhaltensforscher rund um Konrad Lorenz, die Zwillingsforscher um Thomas Bouchard und viele andere, sowie parallel die Soziobiologen um Edward O. Wilson mußten diesen Umstand wieder und wieder betonen, und zwar sowohl gegenüber den genetischen "Deterministen", die "alles" von den Genen her erklären wollten wie auch gegenüber den "Behavioristen" und manchen ihrer Nachfolgern, die den Menschen allein von seinen Umwelt-Einflüssen her erklären wollten. Die Wissenschaft weiß an Stelle dessen: Es handelt sich in der Regel viel mehr um eine aufregend zu beobachtende und immer genauer zu beschreibende und zu charakterisierende Verschränkung von Genetik und Kultur, von Genetik und Umwelteinflüssen. 

Und nun kann auch mit Hilfe der Archäogenetik immer mehr zu diesen Fragen gesagt werden und kann der Anteil von Genen und Umwelt bei der Ausprägung und der Stabilität von Kulturen auch von dieser Seite immer genauer eingegrenzt werden.

Das Heroische Zeitalter der Indogermanen

Schon andernorts hatten wir ausgeführt (Stgen2019): Das heldische Ideal gab es in der Weltgeschichte schon lange vor den Indogermanen. Und es gab es auch unabhängig von ihnen. Das ist ein sehr wesentlicher Umstand. So etwa sichtbar am Gilgamesch-Epos aus dem babylonischen Raum. Mit den Indogermanen erhält das heldische Ideal und die allgemeine "Umtriebigkeit" allerdings eine Ausprägung, die seither nicht mehr wegzudenken sind aus der Weltgeschichte. 

Über das "Heroische Zeitalter" ("heroic age") (oder "Heldenalter") (Wiki) indogermanischer Völker wissen wir sehr viel. Der "Heroen-Kult", bzw. Heldenkult war bei den antiken Griechen (Wiki, engl) sogar besonders stark ausgeprägt. Er war bei ihnen zum Teil sogar staatlich geregelt. Sie vor allem auch kannten den "Kulturheros" (Wiki, engl). 

Aber auch vom "Germanischen Heroischen Zeitalter" (Wiki) weiß die Kulturgeschichte zu berichten. In späteren Zeiten haben wir es mit "Nationalhelden" (Wiki, engl) zu tun, bzw. mit "Helden" (Wiki, engl) und schließlich gar mit dem "Übermenschen" Nietzsches.*) Sie alle sind - selbst noch in den schlimmsten Verzerrungen - offenbar ein Bedürfnis der menschlichen Seele. Sie sind Verkörperungen des heldischen Ideals, sie weisen Eigenschaften auf wie Tapferkeit, Furchtlosigkeit, Geradlinigkeit, Klugheit, Geschicklichkeit, Wahrheitsliebe, Edelmut, Uneigennützigkeit, Draufgängertum, Kraft, Unermüdlichkeit. 

Immer deutlicher scheint uns durch die neuesten archäogenetischen und archäologischen Erkenntnisse, die wir seit einigen Jahren hier auf dem Blog referieren, der Umstand hervor zu treten, daß es wohl gerade das kriegerische, heldische Ideal der Indogermanen war, das als eine Art "Brausepulver" in der Weltgeschichte gewirkt hat. Was ja nun ganz besonders erstaunlich ist: Sie haben die Ethnogenese ganzer Völker und Kulturen angestoßen und angeregt (etwa im Kaukasus viele Völker und Kulturen Anatoliens), ohne dann selbst noch genetisch an der weiteren Entwicklung dieser Völker Anteil gehabt zu haben. Sie haben diese Ethnogenese vor allem kulturell angeregt und danach genetisch nur noch vergleichsweise geringe Spuren in diesen Völkern hinterlassen. Und das - womöglich - um so früher, um so ausgeprägter.**)

Die Hethiter, Phryger und vergleichbare indogermanische oder indogermanisch beeinflußte Völker Anatoliens hatten jedenfalls noch weniger Steppengenetik in sich als alle anderen indogermanischen Völker, nämlich: gar keine. 

Indogermanisierung - Vergleichbar der Hellenisierung?

Wir möchten es vor dem Hintergrund solcher sich allmählich erhärtender Einsichten so formulieren: Die indogermanische Wesensart kann - mit oder ohne eine indogermanische Muttersprache - auch als eine Art "Religion" übernommen worden sein von anderen Völkern, geradezu als eine Art "Zeitgeist". So wie sich in der Spätantike ganze Völker zum Christentum bekehrt haben, so wie im Gefolge Alexanders des Großen ganze Völker zum Hellenentum "übergetreten" sind, so mögen im "indogermanischen Zeitalter" viele Völker zum "Indogermanentum" übergetreten sein, zu einer Lebensweise, die indogermanische Lebensweise als Vorbild hatte.

Es kann dies also womöglich in Annäherung gut verglichen werden mit der vergleichsweise raschen Hellenisierung ganzer Weltteile im unmittelbaren Anschluß an die Eroberungszüge Alexanders des Großen. Diese ist ebenfalls nur zu geringeren Teilen von militärischem "Zwang" geprägt gewesen, auch  zu geringeren Teilen mit demographischer Ausbreitung des neuen Lebensstiles, zu größeren Teilen viel mehr auch bald bloß von Begeisterung für die Kultur und Lebensweise der Hellenen, so daß sogar Juden beim griechischen Nacktturnen nicht mehr als solche hatten erkannt werden wollen aufgrund ihrer Beschneidung und diese rückgängig zu machen suchten (wovon es Berichte gibt). Eine solche Faszination ging von der Kultur und Lebensweise der Hellenen aus. Und eine ähnliche Faszination kann ja schon für frühere Zeitepochen, also für die Indogermanen ganz allgemein ab 4.500 und ab 3.000 v. Ztr. gegolten haben.

Jedenfalls deutet sich dieser Umstand an für noch viele andere Völker Anatoliens in der Bronzezeit (Kura-Araxes-Kultur, Mitanni usw. usf).

Auch in der Cucuteni-Tripolje-Kultur kann - möglicherweise - die Ausbildung der eindrucksvollen "Megasites", der Großsiedlungen in der mittleren Phase der vergleichsweise langen geschichtlichen Lebensdauer dieser Kultur nicht unabhängig gesehen werden von einem - wenn auch womöglich nur kleinen Zuschuß von Steppengenetik in diesselbe (grob wohl ab 4.000 v. Ztr.), wobei sich ansonsten an der äußerlich sichtbaren Kultur nur wenig scheint geändert zu haben abgesehen von dem Auftreten des indogermanischen Herrschaftszeichens der Tierkopfzepter (wie sie unter anderem von Dergachev untersucht sind).

Und die Mykener nun, ebenso wie ihre Nachkommen, die antiken Griechen, das "Parade-Volk" der Indogermanen schlechthin, das "Vorzeige-Volk" der Indogermanen schlechthin, sie hatten nur 8 % Steppengenetik.

Wir hatten es schon an früherer Stelle ausgeführt (Stgen2022): Die Mykener und die klassischen Griechen wiesen damit deutlich weniger Steppengenetik auf als die heutigen Griechen (zu deren Ethnogenese im Frühmittelalter auch noch die slawische Zuwanderung vom Balkan her beigetragen hat). Und damit wird in Griechenland die Macht der Kultur in zweierlei - sehr entgegengesetzte - Richtungen hin besonders deutlich: In Bezug auf das Prägende der indogermanischen Muttersprache und Kultur seit der Bronzezeit. Und dann auch in Bezug auf das Prägende der jüdisch-christlich-(byzantinisch)en Kultur in der Zeit seit dem Frühmittelalter bis heute und zwar sozusagen "gegenläufig" zur Vermehrung der Steppengenetik-Anteils!

Was für ein letztlich faszinierendes, vielleicht auch "verrücktes" Geschehen. 

Nämlich daß diese beiden Entwicklungen vollständig gegenläufig waren. Freiheitlicher Geist zuerst, helle, strahlende griechisch-antike Welt, dann Despotie und Geistesknechtung, dumpfestes Mittelalter. Aber: Sogar eine Erhöhung des indogermanischen genetischen Steppenanteils ging im Frühmittelalter noch einher mit einer Verminderung in Bezug auf eine womöglich als  "indogermanisch" zu kennzeichnende Geisteshaltung. Man kann sich diese Umstände gar nicht genug auf der Zunge zergehen lassen. Wobei hier noch ein weiterer Umstand in den Vordergrund rückt: Religion scheint noch einen immens größeren Einfluß auf die Ausprägung von Kultur zu haben als bloß die Muttersprache für sich. Denn sogar die griechische Muttersprache haben die Griechen doch beibehalten!

Wir werden also mit einer Fülle von Erkenntnissen überflutet, wenn wir die neuen archäogenetischen Erkenntnisse auf uns wirken lassen. Nach und nach.

Die Macht der Kultur im nachantiken Europa ...

Doch ähnlich ist es ja auch heute in Europa. Und darauf hatten wir ebenfalls schon in früheren Beiträgen hier auf dem Blog hingewiesen: Unter den europäischen Völkern haben wir Völker mit sehr ähnlichen genetischen (indogermanischen) Steppenanteilen (zum Beispiel Deutsche, Tschechen, Polen) und solche mit weniger (Norditalien) und solche mit deutlich mehr Steppenanteilen (Skandinavien). Die kulturelle Bedeutung eines Volkes für die Menschheitsgeschichte kann aber von dem Umfang dieses Steppenanteils her nur sehr bedingt, wenn überhaupt abgeleitet werden. Norditalien hat im Mittelalter, in der Rennaissance und in der Frühen Neuzeit immens mehr kulturelle Leistungen hervor gebracht als Skandinavien. Man kann diesen Umstand gar nicht deutlich genug auf sich wirken lassen. 

Auf diesen Umstand ist übrigens - im Angesicht der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 in Deutschland - auch schon von dem damaligen, bekannten "Rasseforscher" Eugen Fischer öffentlich aufmerksam gemacht worden. Da er quer zu allen damals vorherschenden Sichtweisen lag, ist man damals achtlos über diesen Hinweis hinweg gegangen. Und da man nach 1945 in das andere Extrem verfallen ist, nämlich von keinerlei Zusammenhängen mehr wissen zu wollen zwischen Genetik und Völkern, ist dieser Hinweis auch nach 1945 nur noch selten thematisiert worden. Womöglich wird man sich mit ihm heute und vor dem Hintergrund der neuen archäogenetichen Erkenntnisse - gelassener - auseinandersetzen können.

Das "Brausepulver" Steppengenetik in Kombination mit indogermanischer Sprache hat sich also in Norditalien - wie zuvor im Kaukasus und wie zuvor in Griechenland - mit viel geringeren Mengen viel stärker ausgewirkt als dort, wo es in größeren Mengen aufgetreten ist oder heute immer noch auftritt. Und zwar in Norditalien seit der Rennaissance in Gegensatz zum despotisch-christlichen, monotheistischen Zeitgeist des Vorderen Orients, der sich seit dem Mittelalter über weite Teile der Erde ausgebreitet hat.

Und noch eine Beobachtung: Die germanischen und romanischen Völker sind bis heute den slawischen Völkern (einschließlich des neugriechischen) in der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung seit Jahrhunderten weit voraus - obwohl die Genetik, was ihren Steppenanteil betrifft, nicht selten allzu deutlich vergleichbar ist. (Beiderseits der germanisch-slawischen und der romanisch-slawischen Sprachgrenze stammen die Völker von weitgehend denselben Völkern der germanischen Völkerwanderung und damit auch von vergleichbaren Herkunftsanteilen ab! Was für ein wesentlicher Befund.) 

Was für seltsame Geheimnisse zur Macht der Kultur und zur Macht der Muttersprache und zur Macht der Religion die Weltgeschichte in diesen Umständen noch "versteckt" halten mag für Historiker und Kulturphilosophen, für Philosophen schlechthin, die darauf ihr Augenmerk allmählich deutlicher lenken mögen. Womöglich Geheimnisse, für die wir alle noch nach und nach "sehend" werden müssen, denen gegenüber wir die Augen öffnen müssen.

Und die Erkenntnis "8 % Steppengenetik bei den antiken Griechen" mag dazu womöglich das meiste verhelfen.

Die Evolutionären Anthropologen, Kulturhistoriker, Religionshistoriker und Philosophen haben jedenfalls mancherlei zu tun, um all das in ein schlüssiges, in sich widerspruchsfreies Erklärungsmuster zu bringen. Das Theoriedefizit schreit hier aus allen Ecken der Weltgeschichte den Betrachter und den Denkenden an. Wir notieren hier deshalb vor allem erst einmal nur die genannten diversen - widersprüchlichen - "Beobachtungen", ohne gleich für alles eine definitive Antwort haben zu wollen.

Außer vielleicht der einen schon angedeuteten Beobachtung: Um so früher in der Menschheitsgeschichte das "Brausepulver" Steppengenetik und indogermanische Sprache und Kultur irgendwo auftraten, um so weniger "mengenmäßiger" genetischer Hinzufügung bedurfte es, um sich umfangreich auf die Kultur- und Geschichtsgestaltung, ja, geradezu auf den "Zeitgeist" auszuwirken. Um so später es irgendwo auftrat, um so mehr mengenmäßiger, genetischer Hinzufügung schien und scheint es zu bedürfen, um sich auf die Kultur- und Geschichtsgestaltung der jeweiligen geographischen Zone noch auswirken zu können.***)

Aber das heldische Ideal, das mit den Indogermanen so ausgeprägt in die Weltgeschichte gekommen ist, das will eben doch erklärt werden. Es konnte eben sehr oft auch ausgeprägt und gelebt werden ganz ohne irgendeine zugrunde liegende indogermanische Steppengenetik. 

Ist in der Weltgeschichte ein "Gesetz der Kontrastwertung" wirksam?

Es mag hier ein von Kulturphilosophen formuliertes "Gesetz der Kontrastwertung" wirksam gewesen sein, womöglich schon bei der Ethnogenese der Urindogermanen: Von außen übernommene Kultur und angeborene Verhaltensgenetik können in einem gewissen "Kontrast", Gegensatz zueinander stehen. Und dieser Gegensatz kann dazu führen, daß bestimmte Verhaltensweisen, Verhaltensmuster um so schärfer ausgeprägt werden, um so emphatischer gelebt werden, damit die gegenteilig raunenden Verhaltensneigungen aus dem Unterbewußtsein um so entschiedener "überstimmt" werden können.

Christliche, sklavische "Unterwerfung" unter Gott wird von einem Menschen, in dem angeborenermaßen und/oder muttersprachlich, kulturell, religiös geprägt ein heldisches Ideal im Unterbewußtsein lebt, womöglich doppelt heftig gelebt, um den Kontrast zu "überschreien", der hier zwischen Genen und Kultur bestehen könnte. Umgekehrt könnte heldenhafter Herrensinn, furchtloser Kampfesmut, Kampfeseifer um so heftiger gelebt werden, um so eher dieses kulturelle Ideal in einem bestimmten Kontrast, Gegensatz zu der eigenen, inneren, angeborenen Haltung im Unterbewußtsein stehen mag. 

Schon in früheren Generationen ist Kulturphilosophen aufgefallen, daß in der antik-griechischen "Ilias" das "Weglaufen" vor dem Feind, die Furchtsamkeit nicht als so unheldisch gilt wie das aus der Überlieferung mittel- und nordeuropäischer, germanischer Kulturen und Völker bekannt ist. Es war das als ein "merkwürdiger" Zug inmitten all des heldischen Ideals, von dem die Ilias ansonsten kündet, empfunden worden.

Gerade weil die antik-griechische Kultur in einem so viel größeren Maße aus einer solchen Kontrastwertung heraus zu erklären sein könnte, ist sie - möglicherweise - mit einer so viel größeren Schärfe, Emphase und Eindeutigkeit gelebt worden als dies zeitgleich in Nordeuropa scheint der Fall gewesen zu sein. Worüber wir ja schon seit einigen Jahren hier auf dem Blog so verwundert sind. Nämlich daß wir einen "Geist der Ilias" kaum irgendwo in Nordeuropa auch nur in Andeutungen finden können, obwohl es mit den sogenannten "Homerischen Heroengräbern" in Nordeuropa (etwa in Seddin in Brandenburg) sehr ähnliche Kulturmuster gab zu den zeitgleichen in Griechenland.

Um es auf den Punkt zu bringen: Im Königsgrab von Seddin im Bundesland Brandenburg ist - nach örtlicher Sagenüberlieferung - ein "König Hinz" begraben. Aber kein "Patroklos". Allein von dieser Namengebung her scheinen die Germanen im Norden doch deutlich "biederer" geblieben zu sein, nicht ganz aus sich heraus und über sich hinaus getrieben worden zu sein. Das scheint dann - im Norden - später erst das Christentum bewirkt zu haben, das eine Kontrastwirkung erzeugt haben mag, die ähnliche Folgen für die allgemeine Kulturentwicklung gezeigt haben mag wie zuvor im antiken Griechenland (allerdings im antiken Griechenland in umgekehrter Weise): Das "Genie" entsteht dadurch, daß ihm etwas in besonderem Maße "fehlt" und dadurch, daß das Genie es dann in besonderem Maße ausprägt.

Ein solcher, für uns womöglich völlig neuartiger Blick würde die antik-griechische Kultur dann natürlich in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Wir würden viel mehr noch aufmerksam auf das "Emphatische" dieser Kultur, auf die Aufwallung, auf den inneren Aufschwung dieser Kultur.

Die antiken Griechen hätten dann - eher im Gegensatz zu ihrer eigenen Genetik (!) - eine indogermanische Kultur ausgeprägt, die seither für alle Indogermanen und auch für alle Völker sonst in der Welt als vorbildlich gilt, obwohl sie - von ihrer Genetik her - gar keine Indogermanen waren.

Abb. 2: 1450 v. Ztr., Kampfszene auf einem Siegelstein aus dem Grab des Greifenkriegers (Wiki) bei Pylos in Westgriechenland, 2015 entdeckt. Der Siegelstein ist nur 3,4-Zentimeter lang. Die ganze Szene wirkt in einem außergewöhnlich faszinierenden Maße "modern", geradezu Jugendstil-mäßig (oder ähnlich)

Soweit ein erster gedanklicher Bogen zur Deutung der neuen Erkenntnis. Im folgenden soll noch ein zweiter gedanklicher Bogen gegeben werden, der zur Vertiefung des Umsonnenen beitragen mag.

Der Aufschwung der antik-griechischen Kultur

Weltgeschichte: "Trunken von Küssen neigt ihr das Haupt in den See," mag frei nach Friecrich Hölderlins bekanntem Gedicht "Hälfte des Lebens" (Wiki) gesagt werden: Trunken vom Anwehen des Geistes neigen die Völker ihr Haupt vor dem Göttlichen.

Ist es angemessen, so pathetisch zu sprechen? Ist es angemessen zu sagen: Weltgeschichte ergreift die Völker wie ein Feuer. Und sie läßt sie - nur allzu oft - als ausgebrannte Asche zurück. 

Wie so viele Völker, so hatten auch die Völker der indogermanischen Völkergruppe ihr heroisches Zeitalter, haben auch die Völker der Indogermanen helles Licht weit in die Weltgeschichte hinein geworfen. Und sind - nur allzu oft - untergegangen. Ihr Licht ist erloschen.

Der deutsche Dichter Friedrich Hölderlin war es insbesondere, der den inneren seelischen Spannungen, aus denen heraus die antik-griechische Kultur zu verstehen sein könnte, über die sie ihren ungestümen seelischen Aufschwung genommen hat, nachgespürt hat, der diesen inneren Spannungen nachgegangen ist, und der in der Emphase der Griechen, die er für so notwendig und selbstverständlich gehalten hat - auch für "Christen", die in seinen Augen "Barbaren" waren - zugleich auch so manche "Einseitigkeit" heraus gespürt hat, die er seinerseits unter anderem durch manche weitere "Übertreibung" bei seinen Übersetzungen aus dem Griechischen - in ein neues "Gleichgewicht" zu bringen gesucht hatte. (Wir deuten hier nur an. Gegebenenfalls werden wir all das noch ausführlicher ausarbeiten.)

So ganz andere Anliegen haben wir - oft - heute.

Diese Auseinandersetzung ergab sich für Hölderlin allerdings unter anderem während er als Übersetzer von Dichtern wie Sophokles oder Pindar arbeitete. Die Auseinandersetzung mit der Kultur der antiken Griechen zieht sich als der rote Faden durch sein ganzes dichterisches und philosophisches Werk. Und vielleicht besteht viel Anlaß, daß sie sich als roter Faden durch unser aller Leben ziehen sollte ....

Soll geklagt werden darüber, daß blühende Völker untergegangen sind? So wie das im Werk Hölderlins geschieht?

Ja, das dürfte Sinn machen. Denn das Kulturelle, das Hohe, das Schöne, das Freie, das Stolze, das Wahre, die "einzigartige Stimme" im "Gottlied der Völker" - all das soll hochgeschätzt werden, all das will in uns leben, all das soll in uns leben. Warum? Nun, ganz einfach: Weil Völker, die in Anti-Kultur versinken, seelisch verwesen.

Und wir dürfen klagen, daß so viel Herrliches in der Weltgeschichte zu Asche und Staub geworden ist. Und wir dürfen fragen, es könnte sogar dringend notwendig sein zu fragen, auf welchen Lebensgesetzen die Ausbildung und Dauerhaftigkeit hoher, herrlicher, stolzer, "exzentrischer", freier Kulturen beruht.

Das weltgeschichtliche Spannungsfeld zwischen Despotie und Freiheit

Mit guten Gründen ist von Philosophen gesagt worden, daß sich Weltgeschichte in einem Spannungsfeld zwischen "despotischen" und "freiheitlichen" Tendenzen in der Kultur-, Geschichte- und Machtgestaltung bewegt. (Wiederum auf Anregung seines Jugendfreundes Friedrich Hölderlin ist dieser Gedanke insbesondere von Seiten des deutschen Philosophen G. F. W. Hegel umsonnen worden.) Zwischen diesen beiden unterschiedlichen Tendenzen hat es in der Weltgeschichte - oft sehr offensichtlich - eine "Dialektik" gegeben.

In der Schlacht an den Thermopylen standen sich - schon im Bewußtsein der damaligen Zeitgenossen - diese beiden Prinzipien Auge in Auge gegenüber: Der Despotismus des persischen Weltreiches auf der einen Seite und die freie Welt der antiken griechischen Stadtstaaten auf der anderen. Damit ist nur ein Beispiel aus der langen Geschichte dieser Dialektik benannt, die doch - allzu offensichtlich - bis heute unser Dasein bestimmt. (Leben doch extrem despotische Züge unsichtbar im Innern moderner Gesellschaften bis heute weiter - und zwar gar zu extrem. Und bestimmen sie doch die anti-kulturelle Ausrichtung moderner Gesellschaften gar zu sehr zu ihrem sehr deutlichen Nachteil mit. Schlimmer: Sie bewirkt ihre seelische Verwesung.)

Um so weiter Weltgeschichte voran geschritten ist, um so mehr mögen kulturelle Errungenschaften gewonnen worden sein in einem freiheitlichen Umfeld wie bei den antiken Griechen, wobei dies zugleich nur allzu oft im Aufbegehren und Gegensatz zu despotischen Tendenzen in der Weltgeschichte geschehen sein mag, die sich - geographisch gar nicht so weit entfernt vom antiken Griechenland - in weiten Teilen des "Orients" ausgebildet hatten.

Womöglich haben gerade Griechenland und die Ägäis eine so große kulturgeschichtliche Bedeutung in der Antike erhalten, weil sich - schon rein geographisch - an einer "Nahtstelle" bewegten zwischen den frühen Hoch- und Schriftkulturen des Vorderen Orients im Süden (Ur, Uruk, Babylon, Assyrien, Ägypten usw.) und den noch zivilisatorisch weiter zurück gebliebenen - und sich gemäß ihrer eigenen Gesetze entwickelnden - Völkern Europas weiter im Norden.

Man wird vermutlich weiterhin sagen können, daß Völkergruppen wie die anatolisch-neolithische Völkergruppe ebenso wie die iranisch-neolithische Völkergruppe ebenso wie die indogermanische Völkergruppe in ihrer Geschichte eine große Spannweite an Kultur-, Geschichts- und Machtgestaltung bezüglich der beiden hier genannten Tendenzen ausgebildet haben und haben ausbilden können.

Europa in großen Zügen: Bandkeramik - Mittelneolithikum - Indogermanisierung

Die Bandkeramik Mitteleuropas, die erste Bauernkultur Europas, hervorgegangen aus der anatolisch-neolithischen Völkergruppe, scheint uns zum Beispiel - sozusagen - eine "wohltuende" Mitte eingehalten zu haben zwischen den Extremen der beiden genannten Endpunkte Despotie und Freiheitlichkeit: Sie scheint nämlich eine hohe Sozialdisziplinierung, die eher intrinsisch motiviert gewesen sein könnte, kombiniert zu haben zugleich mit recht deutlichen, entspannteren Freiräumen in der Kulturgetaltung. Als Hinweis darauf möchten wir etwa die "spielerischen" Tierfigurinen der Bandkeramiker werten, bei der ihre Liebe für kleine Schweinchen und ähnliches zum Ausdruck kommt. Das atmet nichts Strenges und Düsteres. 

Das düstere, von außen her einschüchternde Element der Kultur-, Geschichts- und Machtgestaltung tritt bei ihnen jedenfalls in der Kunst nicht so deutlich hervor wie wir das in manchen anderen frühen Kulturen, schon der akeramischen Zeit des Vorderen Orients vorfinden (Stadtdespoten des PPNB, Kaffeebohnenaugen-Göttinnen und ähnliches). Und dennoch wiesen die Bandkeamiker eine sehr hohe Sozialdisziplinierung auf, was unter anderem schon an ihrer sehr hohen Siedlungsdichte und dem hohen, recht einheitlichen Organisationscharakter und Organisationsgrad ihrer sozialen Gemeinschaften erkennbar ist. (Die Archäologen sagen, daß sie eine Siedlung der Bandkeramiker, die sie in der Ukraine ausgraben, kaum unterscheiden können von einer solchen, die sie in den Niederlanden ausgraben, so einheitlich ist das Erscheinungsbild dieser Kultur über tausende von Kilometern hinweg.)

Eine solche Kultur wie die "in ihrer Mitte ruhenden" Bandkeramiker hat es seit der Ankunft der Indogermanen in Europa - unseres Eindrucks nach - nicht mehr gegeben. Schon im Mittelneolithikum - mit dem Untergang der Bandkeramik - waren Gesellschaften anderen Charakters entstanden. Es sind Großreiche entstanden (so weiß man archäologischerseits erst seit wenigen Jahren), die deutlicher gesellschaftliche "Hierarchien" ausgebildet hatten mit einem reichsweiten Hoch- und Beamtenadel, der sich Heiratspartner über weite Entfernnungen hinweg suchte, und der seinen verstorbenen Angehörigen Steinstelen aufstellte und sie in Großsteingäbern bestattete (gut erforscht zuletzt in Irland anhand archäogenetischer Erkenntnisse). 

Sklaven scheinen mitunter außerordentlich unmenschlich behandelt worden zu sein in diesen Großreichen (etwa erkennbar an Ausgrabungen aus mittelneolithischer Zeit im Elbe-Raum Sachsen-Anhalts). Das wird man als einen sehr despotischen Charakterzug dieser Kulturen ansprechen dürfen.

In diese stärker hierarchisierte Welt Europas, in der parallel auch noch jeweils einheimische Bevölkerungen - zum Teil Jäger und Sammler mesolithischer Herkunft - weitgehend unvermischt in marginalisierten Rückzugsgebieten parallel weiter leben konnten, in diese Welt sind dann ab 3.000 v. Ztr. die Indogermanen "eingebrochen". In Form der Kulturen der Schnurkeramiker im Norden und der Glockenbecherkultur im Süden. Sie taten das oft zunächst ebenfalls als nomadisierende gesellschaftliche "Randerscheinung" zwischen den vorhandenen seßhaften Siedlungen (wie in manchen Beiträgen hier auf dem Blog in den letzten Jahren behandelt). Sie verbündeten sich dabei mitunter als "Rebellen" sowohl mit Unterschichten gegen etablierte Eliten (wie etwa auf Sardinien aufzeigbar) wie sie sich mit Eliten verbünden konnten, um diese im Krieg gegen jeweils konkurrierende Reiche dieser Eliten zu unterstützen und sich auf diese Weise nach und nach selbst in die Eliten "hinein zu schieben" oder sie gar zu ersetzen (etwa sichtbar schon um 4.500 v. Ztr. an den Königsgräbern von Warna).

Ethnogenesen innerhalb des genannten Spannungsfeldes

Nun haben sich die Völker ja in der Regel selten bis nie "unbeeinflußt" von anderen Kulturen und Herkunftsgruppen ausgebildet, also auch selten nur auf der Grundlage einer einzigen genetischen Herkunftsgruppe. Das ist durch die Archäogenetik in den letzten Jahren deutlicher aufgezeigt worden als jemals.

Die Lebensgesetze einer jeden Ethnogenese und eines jeden daraus entstehenden Volkes werden mitbestimmt sein von dem Standort, an dem es innerhalb des genannten Spannungsfeldes seine Kultur entfaltet hat und aufgrund welcher Gesetze der Übereinstimmung oder Gegensätzlichkeit mit seiner Herkunftsgenetik diese Kultur sich gestaltet hat. Denn das kann wiederum grundsätzlich in zweierlei Weise stattfinden.

Nämlich einerseits im Aufbegehren gegen eine "sich eher mit sich selbst im Gleichgewicht" befindenden, sich jenseits der Extreme des genannten Spannungsfeldes bewegenden Herkunftsgenetik kann "geniale", exzentrische indogermanische Kultur ausgeprägt werden. Und das kann nicht selten sogar geschehen, wenn kaum indogermanische Genetik dafür als Grundlage vorhanden ist (siehe nach neuestem Forschungsstand: antike Griechen, Hethiter, Phryger und andere mehr). Im Aufbegehren hinwiederum gegen eine despotische Kultur und Religion (etwa gegen das Christentum) kann indogermanische Kultur "erneut" ausgeprägt werden, eine "Rennaissance" erleben, kulturelle Entfaltung erleben, wobei - in den letzten Phasen der uns bekannten Weltgeschichte - auch vergleichsweise umfangreich indogermanische Genetik vorhanden sein kann (siehe die romanischen und germanischen Völker des "Abendlandes").

So möchten wir einmal ganz vorläufig den letzten Stand des Wissens der Völkergeschichte allgemeiner philosophisch deuten.

Wenn all dies so wäre, würde das aufzeigen, welche Fülle an Möglichkeiten es für Völker gibt, sich innerhalb der Weltgeschichte und innerhalb des genannten Spannungsfeldes, des genannten Spektrums an seelischen, kulturellen Möglichkeiten - und je entsprechend des "Zeitgeistes" - zu positionieren. Unabhängig von der genetischen Herkunft (!) können sich vergleichsweise ähnlich geniale, kulturschöpferische Kulturen bilden. Oder es können doch zumindest Kulturen ausgebildet werden, die sich jenseits der Extreme des genannten Spannungsfeldes bewegen. 

Welche Zukunft wählen wir?

Man möchte im Angesicht solcher Perspektiven, Sichtweisen kühn fragen: Welche Zukunft wählen wir? Welcher Zeitgeist wird uns anwehen, wenn es gilt, in eine künftige, neue Phase der Weltgeschichte einzutreten? Wofür ja nun derzeit das allermeiste spricht angesichts der Extreme, auf die die derzeitige Welt in ihrer ganzen unübersehbaren Verlogenheit, Heuchelei und Schieflage "zugespitzt" ist.

Wir möchten meinen: Der heroische Zeitgeist der Indogermanen kann, was die Gestaltung dieser Zukunft betrifft, uns sehr vieles zu sagen haben. Und gerade jene 8 % Steppengenetik bei den antiken Griechen und 0 % Steppengenetik bei den Hethitern können uns hierbei - womöglich - ebenso viel Emphatisches zu sagen haben. Womöglich ist eine vergleichbare seelische Ergriffenheit wie sie die antiken Griechen ausgebildet und erlebt haben, auf der Grundlage ganz unterschiedlicher Herkunftsgenetik möglich, auch auf der Grundlage einer Herkunftsgenetik, die vergleichsweise wenig mit der indogermanischen zu tun hat. Oder - zumindest in bestimmten weltgeschichtlichen Phasen - gerade auf der Grundlage einer solchen.

Es kommt womöglich nur auf den "Willen" an. Beziehungsweise auf dem von ihm gesteuerten "Zeitgeist", von der jeweiligen "Ergriffenheit" der Völker. Also nicht davon, wovon sie angewidert sind - das ist sowieso klar, sondern darauf, wovon sie ergriffen sind. Wie es Nietzsche schon gesagt hat:

 Frei wovon? Was schiert das Zarathustra! Hell aber soll mir dein Auge künden: frei wozu?

Womöglich hat deshalb sogar so etwas wie das verschrobene Zukunftsbild eines Coudenhove-Kalergi (Wiki) von einer "eurasisch-negroiden Zukunftsrasse" in diesem Bild "irgendeine" Bedeutung. "Irgendeine". Womöglich. Wir wollen das nur als Möglichkeit in den Raum stellen. Nicht als Gewißheit behaupten. Aber wir sehen ja in der Weltgeschichte immer neue Vermischungen von Herkunftsgenetik, und daß solche Vermischungen keineswegs Kulturentfaltung verhindern, nein, vielmehr sehr häufig sogar erst zu ermöglichen scheinen. Und zwar oft im Aufschwung über eine eher "gegensätzliche" oder "andersartige" Herkunftsgenetik hinweg.

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*)  Es erweitert wenig die Erkenntnis, wenn man in diesem Zusammenhang auch noch an "Superman" und "Superwoman" der US-amerikanischen Anti-Kultur verweist, macht aber darauf aufmerksam, daß auch noch Anti-Kultur auf menschliche Bedürfnisse scheint Rücksicht nehmen zu müssen. 
**) Und die Räume weiter östlich - Persien, Indien, Sogdiana, Tarim-Becken, Altai-Gebirge, China, Korea, Japan - sollen dabei in den vorliegenden Überlegungen noch gar nicht genauer berücksichtigt und in den Blick genommen werden. Aber auch dort deutet sich Vergleichbares an, nämlich daß der kulturelle Einfluß der Indogermanen über den bloß genetischen Einfluß derselben oft sehr weit hinaus gegangen sein könnte. In diesem Zusammenhang gehören, vorläufig nur ganz punktuell und willkürlich herausgegriffen unsere Ausführungen aus dem letzten Jahr, die da lauteten (Studgen2-2021):

Die heutigen Nordchinesen stammen zu 2 bis 4 % von Europäern ab (Sogdern, Skythen ...).

Zu kulturellen Einflüssen daselbst dann vorläufig ebenfalls nur ein Hinweis (Studgen3-2021). Aber die Hinweise wären ja leicht zu vervielfältigen, gibt es doch  viele Vermutungen dahingehend, daß der Übergang zur Bronzezeit in China und Ostasien insgesamt sehr wesentlich angestoßen worden ist von den weiter nördlich lebenden indogermanischen Völkern und von Völkern, die kulturell unter dem Einfluß indogermanischer Völker standen (wie etwa die nachherigen Mongolen).
***) Und da die Anthropologen und Philosophen seit dem späten 19. Jahrhundert von der letztgenannten Phase der Weltgeschichte aus urteilten was die Rolle der "nordischen Rasse" in der Weltgeschichte betraf, haben sie diese Rolle so außerordentlich deutlich - was zumindest die Genetik derselben betrifft - überschätzt. In Bezug auf Anatolien, Griechenland und andere Regionen. Gar zu schlichte Lehren von der "Herrenrasse" und von der "Höherwertigkeit" der "nordischen Rasse" sind hier also keineswegs abzuleiten.

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  1. Sloterdijk, Peter: Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006 (s.a. Stgen2007a, Stgen2007b)
  2. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S,  (...) Pinhasi R, Reich D (2022) The genetic history of the Southern Arc: A bridge between West Asia and Europe. Science 377, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
  3. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) Ancient DNA from Mesopotamia suggests distinct Pre-Pottery and Pottery Neolithic migrations into Anatolia. Science 377, 982-7, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
  4. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) A genetic probe into the ancient and medieval history of Southern Europe and West Asia. Science 377, 940-51, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge
  5. The Southern Arc and its lively genetic History, Pressemitteilung Universität Wien, 25.8.2022, https://lifesciences.univie.ac.at/news-events/newsordner/einzelansicht/news/the-southern-arc-and-its-lively-genetic-history/
  6. Schuster, Ruth: Genetic Study Detects Unexpected Origin of World’s First Farmers, 25.8.2022 (Haaretz, 25.8.2022

Dienstag, 13. September 2022

Indogermanen im SÜDEN des Kaukasus 4.300 v. Ztr.

Weinbauern in Armenien um 4.300 v. Ztr. - Sie stammten zu einem Viertel von Menschen der indogermanischen Chwalynsk-Kultur ab
  • Bis Armenien also gelangte die erste Ausbreitungswelle der Indogermanen ab etwa 4.500 v. Ztr. 
  • Es hat also doch schon sehr früh Ausbreitung von Steppen-Genetik über den Kaukasus hinüber nach Süden gegeben
  • Die Kaukasus-übergreifende Maikop-Kultur (4.000 bis 3.000 v. Ztr.) wird damit als eine in ihrer Gesamtheit von Indogermanen mit gestaltete Kultur verstehbar.

"Der Kaukasus als Völkerscheide" - so titelten wir noch Anfang dieses Jahres 2022 (Stgen2022) und behandelten die bis dahin gewonnene Erkenntnis in der Archäogenetik, daß die indogermanische Steppengenetik den nördlichen Fuß des Kaukasus ("Piedmont") sehr früh erreicht habe (um 4.300 v. Ztr.), daß sie sich aber über Jahrtausende hinweg nicht weiter nach Süden - über den Kaukasus hinweg - ausgebreitet hätte. Damit ergab sich die "sonderbare" Situation, daß man die doch vergleichsweise einheitliche Maikop-Kultur (4.000 bis 3.000 v. Ztr.), die sich von den Steppen nördlich des Kaukasus bis südlich von ihm ausbreitete, in eine vornehmlich indogermanisch dominierte "Steppen-Maikop"-Kultur einteilen mußte, die insbesondere auch genetisch auffallend streng getrennt gewesen wäre von der Maikop-Kultur, die sich innerhalb der Berge des Kaukasus ausgebildet hatte, und bei deren Trägern bis dahin nur die iranisch-neolithische, sowie die anatolisch-neolithische Herkunftskomponente vorgefunden worden war von Seiten der Archäogenetik.

Abb. 1: Das Dorf Areni am Arpa-Fluß in Südarmenien, Weinanbau-Gebiet seit 6000 Jahren (Wiki) - Fotograf: Yavuz Çölaşan

Mit dem 25. August 2022 gibt es aber auch bezüglich dieser Dinge einen ganz neuen Forschungsstand. Diesen hatten wir auch schon - im Vorübergehen - erwähnt (Stgen2022) - aber ohne uns wirklich klar zu machen, was damit ausgesagt ist. Deshalb soll auf diesen Umstand in dem vorliegenden Beitrag noch einmal ausführlicher das Augenmerk gelegt werden. 

Die Areni-1-Höhle (Wiki, engl) im Süden Armeniens liegt 550 km südlich des nördlichen Fußes des Kaukasus, 550 km südlich der dort gelegenen, von Russen gegründeten Stadt Wladikawkas (GMaps). Seit 2007 wird in dieser, bei der örtlichen Bevölkerung immer schon sagenumwobenen Höhle intensiv archäologisch geforscht. Und sie und hat schon vor mehr als zehn Jahren Berühmtheit erlangt, weil in dieser die älteste erhaltene Weinkelterei der Welt gefunden worden ist. Diese wird auf die Zeit um 4.000 v. Ztr. datiert. Und noch heute wird im Dorf Areni Wein angebaut und entlang der Durchgangsstraße in den Aserbeidschan an vielen Ständen verkauft. Eine außerordentlich lange Tradition also, die Weinkenner aus der ganzen Welt anlockt (wenn nicht - wie eben durch die Tagespresse geht - "einmal wieder" Krieg herrscht zwischen Armenien und Aserbeidschan).

Wir hatten ja schon Anfang dieses Jahres die ältesten Hinweise weltweit auf Weinbau sowohl im südlichen Kaukasus als auch im Zagros-Gebirge behandelt (Stgen2022).

Aufgrund des oft hervorragenden Erhaltungszustandes auch von organischen Funden aus dieser Höhle wird sie inzwischen zu den bedeutendsten archäologischen Fundorten Armeniens gezählt und zum Teil tatkräftig touristisch vermarktet. Entsprechend häufige Videos finden sich auch schon über sie, allerdings bislang nur auf Englisch und Armenisch.

Wer aber waren nun um 4.000 v. Ztr. die Winzer und Kellermeister vor Ort, die sich selbst und andere des angebauten und verarbeiteten Weines erfreuten?

In drei Keramikgefäßen fanden sich während der Ausgrabungen drei Schädel von Jugendlichen, bzw. Kindern, sogar nicht weit entfernt von der erhaltenen Weinkelterei. Aufgrund des sehr günstigen Mikroklimas in der Höhle hat sich in ihnen auch DNA erhalten. Und diese drei Jugendlichen, bzw. Kinder aus dem letzten Drittel des 5. Jahrtausends v. Ztr. trugen zu 24 % urindogermanische Genetik in sich (1-3).

In der Fülle der Daten, die neben diesem Forschungsergebnis zugleich noch präsentiert worden waren in den genannten Studien vom 25. August 2022, war dieses Forschungsergebnis zunächst auch für uns völlig unter gegangen. Aber in einer Pressemitteilung der Universität Wien ist auf diese Erkenntnis mit Recht noch einmal gesondert hingewiesen worden. Der an der Studie mit beteiligte Archäologe Ron Pinhasi von der Universität Wien sagt (Uni Wien 24.8.22):

"Für mich war es völlig unerwartet, daß wir heraus gefunden haben, daß die kupferzeitlichen Individuen aus der Areni 1-Höhle, die wir vor 15 Jahren in einer Grabung, die ich selbst mitgeleitet hatte, entdeckt hatten, Herkunft von einem Genfluß aufzeigen vom Norden in die südlichen Teile des Kaukasus tausend Jahre vor der Jamnaja-Ausbreitung, und daß dieser nördliche Einfluß in der Region wieder verschwand, bevor er nach einer Reihe von Jahrtausenden wieder aufgetreten ist. Das zeigt, daß es noch eine ganze Menge in neuen Ausgrabungen und in der Feldarbeit in den östlichen Teilen Westasiens zu entdecken gibt," sagt Ron Pinhasi.
“I did not expect to find out that the Areni 1 Chalcolithic individuals, who were recovered 15 years ago in the excavation I co-led, would derive ancestry from gene flow from the north to parts of the southern Caucasus more than 1,000 years prior to the expansion of the Yamnaya, and that this northern influence would disappear in the region before reappearing a couple of millennia later. This shows that there is a lot more to be discovered through new excavations and fieldwork in the eastern parts of Western Asia” says Ron Pinhasi.
Hiermit haben wir zugleich auch den bislang noch seltenen Fall der Äußerung eines Archäologen, der sich durch die Ergebnisse der Archäogenetik angeregt zeigt zu weiteren, neue Forschungen.


Daß sich die Urindogermanen der Chwalynsk-Kultur ab etwa 4.500 v. Ztr. in geradezu exzentrisch schneller Weise innerhalb von nur wenigen hundert Jahren nach ihrer Ethnogenese an der Mittleren Wolga sehr weit entfernt von ihrem Ursprungsraum ausgebreitet haben, nämlich von der Mittleren Wolga bis hinunter zum Kaspischen Meer und bis an den Fuß des Kaukasus, sowie entlang der Nordküste des Schwarzen Meeres bis zur Donaumündung und die Donau aufwärts bis nach Ungarn, davon zeigten wir uns hier auf dem Blog in verschiedenen Beiträgen schon wiederholt äußerst beeindruckt (zuerst hier: Stgen2019). Die diesbezüglichen Beiträge sind hier auf dem Blog inzwischen unter dem Schlagwort "Chwalynsk-Kultur" verschlagwortet (Chwsk). Man kann die Umstände dieser - wie die Forscher neuerdings wohl richtigerweise sagen - ersten "sporadischen" Ausbreitung von Steppen-Genetik in weit entfernte Gegenden, sehr oft gemeinsam mit entsprechenden Herrschafts- und Krieger-Attributen gar nicht genug auf sich wirken lassen.

Wir hatten auch ausgeführt, daß diese Forschungsergebnisse hervorragend zu den vorhergehenden Forschungen des moldawischen Archäologen Vladimir Dergachev paßten, der anhand der archäologisch feststellbaren Verbreitung von steinernen sogenannten Tierkopf-Zeptern ein ähnliches Geschehen - schon nur allein abgelesen von den archäologischen Daten - vermutet hatte (s. Abb. 2) (Stgen2021).

Abb. 2: Denkbare Abfolge der Ausbreitung der Tierkopf-Zepter von Chwalynsk aus - Kreis="schematisches" Zepter, Quadrat="realistisches" Zepter (5, S. 147)

Es fanden sich bei ihm zwar Hinweise auf Tierkopf-Zepter in Nordgriechenland (s. Nummer 8 in Abb. 2), nicht aber auf solche südlich des Hauptkammes des Kaukasus. Womöglich ist dort nur noch nicht genau genug hingesehen worden von Archäologen? Denn nun findet sich ja indogermanische Steppengenetik um 4.200 v. Ztr. sogar mehrere hundert Kilometer südlich des Hauptkammes des Kaukasus. Es wird also erahnbar, daß die Karte von Dergachev auch sonst und auch in anderen Regionen noch einen durchaus unvollständigen Eindruck geben könnte!

Machen wir uns aber, um diese Erkenntnis etwas genauer einzuordnen, ein wenig mehr mit der Geographie bekannt. Mit dieser neuen Erkenntnis ist verbunden die Einsicht, daß die Urindogermanen schon im 5. Jahrtausend v. Ztr. den Kaukasus über einen uralten Gebirgspaß überschritten hatten. Dieser wird seit 1799 die "Georgische Heerstraße" (Wiki) genannt.

Diese Georgische Heerstraße verbindet - seit 1799 in ausgebauterem Zustand - Wladikawkas (Wiki), die von den Russen gegründete Hauptstadt von Nordossetien am nördlichen Fuße des Kaukasus ("Wladikawkas" heißt wörtlich "Beherrsche den Kaukasus"), mit der Stadt Tiflis, der Hauptstadt Georgiens im Innern und Süden des Kaukausus. Schon der griechische Geograph Strabon hat diese Straße im 1. Jahrhundert n. Ztr. beschrieben. 

Im Oktober 1942 hatten die Deutschen diese wichtige Nachschub-Verbindung der Sowjetunion militärisch abschneiden wollen. Der Angriff zweier deutscher Panzerdivisionen auf Wladikawkas konnte aber von den Sowjets vor den Toren der Stadt zum Stehen gebracht werden. Er hatte vollends abgebrochen werden müssen, nachdem der sowjetische Zangenangriff bei Stalingrad die gesamte deutsche Südfront ins Wanken gebrachte hatte. Die Tschetschenen und andere Kaukasus-Völker, die auf die Befreiung vom sowjetischen Joch durch die Deutschen gehofft hatten, mußten ihre Hoffnung einmal erneut aufgeben. Es waren insbesondere diese Hoffnungen des freiheitsdurstigen Volkes der Tschetschenen, die die Sowjetführung schon im Voraus dazu veranlaßt hatte, sie in brutalster Weise nach Kasachstan umzusiedeln. Millionen Tschetschenen kamen damals ums Leben. Ein Schicksal, das nur übertroffen wird durch den Völkermord, den die russischen Regierungen der letzten Jahrzehnte vor den Augen der Weltöffentlichkeit - und völlig unbehelligt von dieser - durchgeführt haben.

Völlig unbehelligt von wirtschaftlichen Sanktionen und völlig unbehelligt von Panzer- und Waffenlieferungen an die Tschetschenen und völlig unbehelligt von einem winterlichen "Frieren für die Freiheit Tschetscheniens" (so wie all dies gegenwärtig für die Freiheit der Ukraine geschieht) (was dementsprechend im Vergleich zu dem westlichen Verhalten gegenüber dem Schicksal Tschetscheniens außerordentlich merkwürdig "gewollt" aussieht).

Abb. 3: Blick vom Eingang der Areni-Höhle in Südarmenien hinaus in die Landschaft (AbsArm)

Zurück ins 5. Jahrtausend v. Ztr.. Die armenische Stadt Jeghegnadsor, in deren Nähe die Areni-Höhle liegt, liegt auf 1.100 m Höhe - wie gesagt - 550 km südlich von Wladikawkas. Sie liegt außerdem 660 km südlich jener Stadt Naltschik, in deren Nähe die Urindogermanen der Chwalynsk-Kultur - das ist ja schon länger bekannt - einen der frühesten ihrer riesigen Kurgane, bzw. Grabhügel errichtet hatten. Außerdem liegt Jeghegnadsor 60 km südlich des auf 1.900 Meter Höhe gelegenen Sewansees (Wiki). Das Südufer des Seewansees ist seit vorgeschichtlichen Zeiten sehr fruchtbar und darum begehrt gewesen von umliegenden Mächten. Mit der genannten neuen Studie wissen wir, daß es auch schon von den Urindogermanen der Chwalynsk-Kultur begehrt gewesen ist. 

Der Name des Sees stammt - vermutlich - von den Urartäern. Diese eroberten ihn lange Jahrtausende später, nämlich im 8. Jahrhundert v. Ztr. kurzzeitig. In der Bronzezeit hatten sich ein zweites mal Indogermanen über den Kaukasus nach Armenien ausgebreitet, deren Sprache und Genetik sich dort noch bis zum 8. Jahrhundert und sogar bis heute gehalten haben und deren Genetik auch in der Nordhälfte des Urartäischen Reiches festgestellt worden ist in der neuen Studie (1-3) (siehe auch vorletzter Beitrag). Da versteht man dann vielleicht schon besser, warum die Urartäer die Berge nördlich dieses Sees als so "schrecklich" empfanden, wie auf dem Wikipedia-Artikel zu diesem See nachzulesen ist (Wiki):

Das urartäische Wort Ṣue (abṣue) bedeutet Meer. Argišti I. erreichte in seinem 5. Regierungsjahr (782 v. Ztr.) den Sewansee. Die Inschrift von Lchašen berichtet, daß er das Land Qihu eroberte und die Stadt Ištiquni erreichte. Sarduri II. führte von seinem ersten Regierungsjahr an mehrere Feldzüge zum Sewan-See und eroberte das südöstliche Seeufer, Likiu, Uelikuḫi, Tulihu und Uduri-Etiuni und Länder südlich des Wardenis-Gebirges, Ediani, Irduani und Puinialḫi. Nach dem Tod von Sarduri gingen die Eroberungen am Sewansee vermutlich wieder verloren. Rusa I. rühmt sich des Sieges über 23 Länder und 19 Könige „von der anderen Seite des Sees, in den schrecklichen Bergen“ (Felsinschrift von Zovinar).

Um so mehr man sich mit der Geschichte der Länder südlich des Kaukasus beschäftigt, um so faszinierender wird sie und um so mehr möchte man über sie wissen. Womöglich werden wir auf all das hier auf dem Blog noch einmal detaillierter zurück kommen. Der südliche Kaukasus ist ja auch der - vermutliche - Ort der Ethnogenese vieler nachmals bedeutender Völker in der Geschichte Anatoliens. Jedoch zunächst zurück zur Areni-1-Höhle. Zu ihr lesen wir (Wiki):

Drei Individuen, die während der Kupferzeit lebten (etwa 4.250 bis 3.700 Ztr.), wurden in Areni-1 gefunden. (...) Das Genom eines der Individuen legt nahe, daß es rote Haare und blaue Augen aufgewiesen hat.
Three individuals who lived in the Chalcolithic era (c. 5700–6250 years BP), found in the Areni-1 ("Bird's Eye") cave were identified as belonging to haplogroup L1a. One individual's genome indicated that he had red hair and blue eyes.

Da hat ein Wikipedianer die neuen Studien offenbar noch gründlicher gelesen als wir das tun wollen. Im Anhang der neuen Studie finden wir immerhin die Angaben (1, Suppl., S. 270f):

Die osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft in Armenien findet sich am frühesten mit etwa 12 % in der Zeit um 4.300 bis 4.000 v. Ztr. und besteht bis in spätere Epochen fort. Der EHG-Anteil in Areni-1 ist vergleichbar mit dem 15 %-Anteil verstreut über weite Teile Südosteuropas wie wir das schon an vorhergehender Stelle erörtert hatten.
EHG ancestry (...) appears first at the Areni1 samples (10) at ~12% in the 4300-4000 BCE time frame, and persists in later periods. The amount of EHG ancestry at Areni1 is comparable to the ~15% across a vast swath of Southeastern Europe previously discussed. Note, however, while in the latter case the EHG ancestry is sporadic prior to 3000 BCE, in Armenia it is present at least 1,000 years earlier.

Nach der von uns schon oft gebrachten Karte von Dergachev (Abb. 2) haben sich ja auch besonders viele indogermanische Tierkopf-Zepter am Nordende der Georgischen Heerstraße gefunden, ebenso auf der Ostseite des Kaspischen Meeres (siehe Abb. 2). Kein Wunder also, daß sich die Indogermanen, wenn sie so weit gekommen waren, auch noch weiter nach Süden ausgebreitet haben. Womöglich haben die Archäologen in Armenien also nur noch nicht genau genug nach Tierkopf-Zeptern in ihren Archiven Auschau gehalten ... 

Zu all dem paßt, was auf Wikipedia zitiert ist (Wiki):

Die Späte Kupferzeit (4.300 bis 3.500 v. Ztr.) wird repräsentiert durch die "Areni"- und "Godedzor"-Traditionen, die sich an solchen Fundorten wie der Areni-1-Höhle und den Siedlungen von Teghut und Nerkin Godedzor gefunden haben. Die Gesellschaft ist charakterisiert durch eine Vielzahl an kulturellen Untereinheiten, durch eine wachsende Komplexität, durch Beziehungen sowohl in die Welt von Syrien und Mesopotamien (Späte Ubaid, Uruk) einerseits wie auch in die Welt des nördlichen Kaukasus (Frühes Maikop) andererseits wie auch durch Kupfer-Metallurgie. ...
The Late Chalcolithic (ca. 4,300–3,500 Cal BC) is represented by the “Areni” and “Godedzor” traditions, with such sites as Areni-1 cave and the settlements of Teghut and Nerkin Godedzor. Society is characterized by a diversity of cultural complexes, growing complexity, relations to the Syro-Mesopotamian (Late Ubaid, Uruk) and North Caucasian (Early Maikop) worlds, as well as extractive copper metallurgy. ... The Late Chalcolithic traditions in Armenia (Areni-1, Teghut, Nerkin Godedzor), Azerbaijan (Ovçular Tepesi, Mentesh Tepe, Leylatepe) and Georgia (Berikldeebi) share common characteristics and regional contacts to Maikop and Ubaid-Uruk. These societies are on the way towards growing complexity, a process reflected in the appearance of developed copper based metallurgy (molds, slags, ingots, kilns, pure and arsenic copper), new metal weapons/tools (knife/daggers, spearheads, flat axes), ceramics (potter’s wheel, pottery signs), exotic and prestigious objects of gold, silver, and lapis-lazuli, stamp seals and status symbols (scepters), kurgans and jar burials, and rudiments of monumental architecture (cf. the “temple” of Berikldeebi). This is all accompanied by the blossoming of long distance trade, essential transfer of knowledge, and the development of centralized hierarchies. 

Und damit ist erstmals auch aufgezeigt, daß bei der Ausformung der Maikop-Kultur auch südlich des Kaukasus indogermanische Steppen-Genetik eine Rolle gespielt haben wird. In welchem Umfang insgesamt wird noch weiter heraus zu arbeiten sein. Den vorgefundenen Brauch, Schädel von Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihren übrigen Körpern in Keramikbehältern zu bestatten, nennen die Forscher für diese frühe Zeit "ungewöhnlich" (7):

Für diese Zeitepoche ungewöhnlich sind Keramikbehälter, die die Schädel von Kindern enthalten.
Unusual for this time period are ceramic vessels containing the skulls of children.

Und genauer (7):

Drei ganze Gefäße, verschlossen durch zu Bällen geformten Lehm wurden gefunden (...). Jeder enthielt einen jugendlichen menschlichen Schädel. (...) Einer stammte von einem 15-jährigen Mädchen. Die anderen beiden Schädel stammten von etwa 8- und 11-jährigen Kindern. 
Three whole pots partially sealed by ball-shaped plastered clay tops were found in Units 1003 and 1004. Two of the pots contained single sub-adult human crania and the other a sub-adult cranium together with the charred left femoral shaft fragment of an adult (FIG. 5). Sex and age assessment based on cranial morphology, suture closure, and dental calcification and eruption charts, respectively (cf. Buikstra and Ubelaker 1994) indicate that one of the skulls (Burial 3) is a female of approximately 15 years of age. The other two crania are sub-adult aged 8 (¡2) (Burial 1) and 11 (¡2.5) (Burial 2) years; these could not be reliably sexed. The cranial cavity of Burial 1 was found to contain the desiccated remains of brain tissue, currently the subject of detailed study. 

Soweit wir uns erinnern, hat es in der Chwalynsk-Kultur in Rußland und der Ukraine und in nachfolgenden indogermanischen Kulturen häufiger sehr altertümlich anmutende Bräuche rund um die Gräber von Verstorbenen gegeben (Nachbestattungen etc.). Das wäre an dieser Stelle noch einmal nachzutragen. 

Soweit zunächst zu dieser neuen Erkenntnis rund um die Herkunft der Weinbauern von Areni im ausgehenden 5. Jahrtausend v. Ztr.. Welche weiteren Schlußfolgerungen damit verbunden sind, daß die Kaukasus-übergreifende Maikop-Kultur (4.000 bis 3.000 v. Ztr.) damit in ihrer Gesamtheit als von Indogermanen mit gestalteter Kultur besser verstehbar ist, das wird künftig in weiteren Beiträgen sicher noch detaillierter erhellt werden. Es dürfte aber interessant sein, hier Parallelen zur zeitgleichen Cucuteni-Tripolje-Kultur in der Ukraine zu sehen, für die es ja auch schon vergleichsweise frühzeitige Hinweise auf Einmischung von Indogermanen gibt (nicht zuletzt sichtbar an der Verbreitung der Tierkopf-Zepter), sowie zur zeitgleichen Einmischung in die Kultur von Varna in Bulgarien etc..

Die Steppengenetik - Sie fehlt in der Kura-Araxes-Kultur der Frühbronzezeit

Was wir an genetischen Entwicklungen über die Bronzezeit in Armenien schon ausgeführt hatten (Stgen2022), sei hier noch ein wenig ergänzt durch Zitate aus dem Supplement der genannten Studie. Da heißt es zunächst (1, Suppl., S. 270f):

Die (für Indogermanen typische) Abstammung von osteuropäischen Jägern und Sammlern fehlt sowohl bei neolithischen Individuen als auch bei allen Gruppen der frühen Bronzezeit. Somit gelangten Steppenvorfahren bereits in der Zeit vor der Jamnaja in den Südkaukasus, da die Areni1-Proben auf das letzte Viertel des 5. Jahrtausends v. Ztr. datiert wurden und die Frühbronzezeit hier weder mit einer Zunahme noch mit einer Verbreitung dieser Steppenkomponente in Verbindung steht wie in Festlandeuropa im Westen. Die Bevölkerung der Frühbronzezeit südlich des Kaukasus scheint nichts von dieser Komponente aufzuweisen. 
The EHG ancestry is absent in both Neolithic individuals and in all of the Early Bronze Age groups. Thus, steppe ancestry arrived in the South Caucasus in pre-Yamnaya times, as the Areni1 samples have been dated to the last quarter of the 5 th millennium BCE, and the Early Bronze Age is not associated here with either an increase or pervasiveness of this component in the region as it is in mainland Europe on the west. If anything, the EBA population seems to have none of this component.

Das scheint uns ein bemerkenswerter Umstand zu sein. 

Ab 2.300 v. Ztr. - Erneut kommen Indogermanen nach Armenien

Über die nachfolgende Epoche der mittleren Bronzezeit hören wir dann (1, Suppl., S. 270f):

Veröffentlichte Individuen aus Nerkin Getashen (4) und Katnaghbiur (10) sowie ein neues Individuum aus Tavshut, das zur Trialeti-Vandazor-Kultur gehört, haben alle deutlich mehr Abstammung von osteuropäischen Jägern und Sammlern (EHG) als die frühbronzezeitlichen Individuen der Kura-Araxes-Kultur. Auf das Verschwinden der EHG-Abstammung während der frühen Bronzezeit nach ihrem ersten Auftreten im Chalkolithikum folgt ihr mittelbronzezeitliches Wiederauftauchen irgendwann im 3. Jahrtausend v. Ztr. Wie früh kam es zu diesem Wiederauftauchen? Zukünftige (archäogenenetische) Studien zu dem frühen und mittleren 3. Jahrtausend v. Ztr., einer Zeit, in der bereits Steppen-Einwanderungen im übrigen Eurasien stattfanden, könnten dabei helfen festzustellen, ob Armenien bereits in dieser Zeit Verbindungen zur Steppe hatte (wie aus den hier analysierten Kura-Araxes-Individuen der frühen Bronzezeit hervorgeht) oder ob es in Armenien bereits Steppen-Einwanderer gab, wie eine interessante Entdeckung eines kürzlich ausgegrabenen großen Hügels im Syunik-Hochland bei Gorayak nahelegt. 
Published individuals from Nerkin Getashen (4) and Katnaghbiur (10) and a new individual from Tavshut belonging to the Trialeti-Vandazor culture all have significantly more EHG ancestry than the EBA individuals of the Kura-Araxes culture. The disappearance of the EHG ancestry during the EBA after its first appearance in the Chalcolithic is followed by its MBA re-appearance sometime in the 3 rd millennium BCE. How early did this re-appearance occur? Future studies from the early and middle of the 3 rd millennium BCE, a period during which steppe migrations were already underway in the rest of Eurasia may help determine whether Armenia had connections to the steppe as early as this period (as suggested by the Early Bronze Age Kura-Araxes individuals analyzed here), or if there were already steppe migrants in Armenia, as suggested by an intriguing discovery of a recently excavated large mound in the Syunik highlands at Gorayak.

Zu all dem ist natürlich noch viel zu sagen und das werden wir ggfs. auch noch an dieser Stelle nachtragen. 

Die Eisenzeit in Armenien

Über das Königreich von Urartu (Wiki, engl) am Van-See im Süden von Armenien, das - vermutlich - schon um 1200 v. Ztr. in Schriftquellen erwähnt wird, das seine Blütezeit aber vor allem in der Zeit zwischen 950 bis 580 v. Ztr. erlebte, schreiben die Forscher (3):

Die Menschen im Zentrum dieses Königreiches in Region des Van-See's in der Türkei (Çavuştepe) und in seiner Erweiterung nach Norden in Armenien waren durch ihre materielle Kultur sehr stark miteinander verbunden und waren auch nur etwa 200 Kilometer voneinander entfernt bestattet. Dennoch formten sie unterschiedliche genetische "Cluster" mit wenig Überlappungen während der frühen Phase dieses Königreiches (neuntes bis achtes Jahrhundert v. Ztr.). Das Van-Cluster steht in Kontinuität mit der Genetik der vor-Urartäischen Bevölkerung (um 1300 v. Ztr.) im benachbarten Muradiye, das ebenso in der Van-Region liegt, und das durch einen höheren Anteil levantinischer Genetik gekennzeichnet ist und durch die Abwesenheit von Steppengenetik. Es kontrastiert mit dem Cluster der Menschen aus der urartäischen Zeit in Armenien, die weniger levantinische und ein wenig Steppen-Genetik aufweisen, ähnlich wie die prä-urartäischen Menschen der Frühen Eisenzeit.
The people at the center of this kingdom in the Lake Van region of Turkey (Çavuştepe) and its northern extension in Armenia were strongly connected by material culture and were buried only ~200 km apart, yet they formed distinct genetic clusters with little overlap during the kingdom’s early (ninth to eighth centuries BCE) period (Fig. 2). The Van cluster is in continuity with the pre-Urartian population (~1300 BCE) at neighboring Muradiye also in the Van region and is characterized by more Levantine ancestry and the absence of steppe ancestry. It contrasts with the cluster of Urartian period individuals from Armenia, who have less Levantine and some steppe ancestry, like the pre-Urartian individuals of the Early Iron Age. 

Die Forscher schreiben, diese Ergebnisse könnten in Übereinstimmung gebracht werden mit der Annahme der Sprachforscher, daß die urartäische Sprache verwandt sei mit der Sprache der vorausgehenden Hurriter (Wiki) (3. und 2. Jahrtausend v. Ztr.).

Diese war zugleich die Amtssprache des Mitanni-Reiches (Wiki) (3):

... mag korrespondieren mit der Hurro-urartäischen Sprachfamilie, die die nicht-indo-europäische Urartäische Sprache des Königreiches mit der früheren bronzezeitlichen hurrischen Sprache verbindet, deren mehr nach Süden orientierte Verbreitung Teile von Syrien und Nordmesopotamien mit einbeschloß. In die Peripherie dieses Bereiches der hurro-urartäischen Sprache kam eine Bevölkerung von Norden, die Steppen-Herkunft aufwies, und die das südliche Ende dieser Ausbreitung der Steppenherkunft markiert, die wir weiter oben diskutiert haben, und deren Nähe zu Urartäern eine Erklärung bieten kann für die Übernahme von Wörtern aus dem Urartäischen in das Armenische.
Population continuity of the Lake Van core population with greater Levantine ancestry may well correspond to the Hurro-Urartian language family that linked the non–Indo-European Urartian language of the kingdom with the earlier Bronze Age Hurrian language, whose more-southern distribution encompassed parts of Syria and Northern Mesopotamia. Into the periphery of this Hurro-Urartian linguistic sphere came a steppe-admixed population from the north, whose presence marks the southern edge of steppe expansion that we discussed above and whose proximity to the Urartian speakers would provide a mechanism for the incorporation of Urartian words into the Armenian lexicon.

Im etwa zeitgleichen eisenzeitlichen Hasanlu im Northwest-Iran (um 1000 v. Ztr.), findet sich ähnliche Herkunft wir im Nordteil des Königreiches von Urartu, nur mit etwas kleinerem Steppengenetik-Anteil als dort. Über ihre Y-Chromosomen kann man die Herkunft beider Steppen-Gruppen auf die Jamnaja zurück führen. Die Forscher meinen, daß diese Herkunft sich unterschied von der sonst im Iran damaliger Zeit lebenden iranisch-sprachigen Stämmen, deren Steppen-Genetik auf Zentral- und Südasien weist (also von der Fatnayowo- und Sintashta-Kultur abstammen wird). Sie nehmen an, daß die iranischen Sprachen auf die Hochebene des Iran erst im 1. Jahrtausend v. Ztr. eingeführt worden sind.

Nichts Neues zur Ethnogenese der Chwalynsk-Kultur 

Da wir also nun wissen, daß sich die Chwalynsk-Kultur bis zum Ende des 5. Jahrtausend v. Ztr. auch genetisch bis ins südliche Armenien ausgebreitet hat, stellt sich einmal erneut die Frage danach, wie dieses Urvolk der Indogermanen zustande gekommen ist. Wie wir schon im vorletzten Blogartikel andeuteten, weiß die neue Studie dazu aber nichts Neues zu sagen. Zur Herkunft der iranischen Kaukasus-Komponente des Urvolks der Indogermanen wird in ihr ausgeführt (pdf):

Der Ursprung der Kaukasus-Herkunftskomponente in der spätneolithischen Steppe (4.500 v. Ztr.) sollte in einer noch nicht beprobten Gruppe gesucht werden, die von der (Ost-)Ausbreitung der anatolischen und der levantinischen Herkunftskomponenten noch nicht betroffen gewesen war. Naheliegenderweise existierte diese Population im Nordkaukasus, von wo aus Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunftskomponenten - aber nicht anatolisch-levantinische Herkunftskomponenten - in die spätneolithische Steppe gelangt sein könnten.
The proximal source of the Caucasus-related ancestry in the Eneolithic steppe should be sought in an unsampled group that did not experience Anatolian/Levantine–related gene flow until the Eneolithic. Plausibly, this population existed in the North Caucasus, from which Caucasus hunter-gatherer-related, but not Anatolian/Levantine–related, ancestry could have entered the Eneolithic steppe.

Nachdem unter wissenschaftsnahen Mitdenkenden zu dieser Frage es so viele Erörerungen gegeben hat, woher die Kaukasus-Komponente des Urvolks der Indogermanen stammen könnte, muten uns diese Ausführungen ein wenig gar zu trocken und undifferenzert an. Warum diese Herkunftskomponente nicht - viel naheliegender - am Nordrand des Kaspischen Meeres existiert haben könnte, scheint nirgendwo in der Studie erörtert zu sein. Man darf es bedauerlich finden, daß das Kaspische Meer gar nicht in die Erwägungen scheint mit einbezogen worden zu sein.

Immerhin gibt es doch inzwischen viele Hinweise, daß die südliche Ausgangspopulation für die Ethnogenese des Urvolks der Indogermanen an der Mittleren Wolga vom Nordufer des Kaspischen Meeres gestammt haben könnte und eben nicht aus dem Kaukasus. Daß die Möglichkeit einer solchen Ausgangspopulation noch nicht einmal erwähnt wird, ist angesichts der vielfältigen Diskussionen zu dieser Frage ein wenig verwunderlich.

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  1. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S,  (...) Pinhasi R, Reich D (2022) The genetic history of the Southern Arc: A bridge between West Asia and Europe. Science 377, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
  2. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) Ancient DNA from Mesopotamia suggests distinct Pre-Pottery and Pottery Neolithic migrations into Anatolia. Science 377, 982-7, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
  3. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) A genetic probe into the ancient and medieval history of Southern Europe and West Asia. Science 377, 940-51, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge
  4. The Southern Arc and its lively genetic History, Pressemitteilung Universität Wien, 25.8.2022, https://lifesciences.univie.ac.at/news-events/newsordner/einzelansicht/news/the-southern-arc-and-its-lively-genetic-history/
  5. Dergachev, V. A.: О скипетрах, о лошадях, о войне: этюды в защиту миграционной концепции М.Гимбутас (On sceptres, on horses, on war: Studies in defence of M. Gimbutas’ migration concepts), 2007 (Scribd)
  6. Franz Lindenmayr: Die Höhle von Areni, Armenien. Auf dem Blog "Mensch und Höhle", http://www.lochstein.de/hoehlen/asien/Armenien/areni/Areni.htm
  7. Wilkinson, K. N., Gasparian, B., Pinhasi, R., Avetisyan, P., Hovsepyan, R., Zardaryan, D., ... & Smith, A. (2012). Areni-1 Cave, Armenia: a Chalcolithic–Early Bronze Age settlement and ritual site in the southern Caucasus. Journal of Field Archaeology, 37(1), 20-33 (Resgate