Dienstag, 13. September 2022

Indogermanen im SÜDEN des Kaukasus 4.300 v. Ztr.

Weinbauern in Armenien um 4.300 v. Ztr. - Sie stammten zu einem Viertel von Menschen der indogermanischen Chwalynsk-Kultur ab
  • Bis Armenien also gelangte die erste Ausbreitungswelle der Indogermanen ab etwa 4.500 v. Ztr. 
  • Es hat also doch schon sehr früh Ausbreitung von Steppen-Genetik über den Kaukasus hinüber nach Süden gegeben
  • Die Kaukasus-übergreifende Maikop-Kultur (4.000 bis 3.000 v. Ztr.) wird damit als eine in ihrer Gesamtheit von Indogermanen mit gestaltete Kultur verstehbar.

"Der Kaukasus als Völkerscheide" - so titelten wir noch Anfang dieses Jahres 2022 (Stgen2022) und behandelten die bis dahin gewonnene Erkenntnis in der Archäogenetik, daß die indogermanische Steppengenetik den nördlichen Fuß des Kaukasus ("Piedmont") sehr früh erreicht habe (um 4.300 v. Ztr.), daß sie sich aber über Jahrtausende hinweg nicht weiter nach Süden - über den Kaukasus hinweg - ausgebreitet hätte. Damit ergab sich die "sonderbare" Situation, daß man die doch vergleichsweise einheitliche Maikop-Kultur (4.000 bis 3.000 v. Ztr.), die sich von den Steppen nördlich des Kaukasus bis südlich von ihm ausbreitete, in eine vornehmlich indogermanisch dominierte "Steppen-Maikop"-Kultur einteilen mußte, die insbesondere auch genetisch auffallend streng getrennt gewesen wäre von der Maikop-Kultur, die sich innerhalb der Berge des Kaukasus ausgebildet hatte, und bei deren Trägern bis dahin nur die iranisch-neolithische, sowie die anatolisch-neolithische Herkunftskomponente vorgefunden worden war von Seiten der Archäogenetik.

Abb. 1: Das Dorf Areni am Arpa-Fluß in Südarmenien, Weinanbau-Gebiet seit 6000 Jahren (Wiki) - Fotograf: Yavuz Çölaşan

Mit dem 25. August 2022 gibt es aber auch bezüglich dieser Dinge einen ganz neuen Forschungsstand. Diesen hatten wir auch schon - im Vorübergehen - erwähnt (Stgen2022) - aber ohne uns wirklich klar zu machen, was damit ausgesagt ist. Deshalb soll auf diesen Umstand in dem vorliegenden Beitrag noch einmal ausführlicher das Augenmerk gelegt werden. 

Die Areni-1-Höhle (Wiki, engl) im Süden Armeniens liegt 550 km südlich des nördlichen Fußes des Kaukasus, 550 km südlich der dort gelegenen, von Russen gegründeten Stadt Wladikawkas (GMaps). Seit 2007 wird in dieser, bei der örtlichen Bevölkerung immer schon sagenumwobenen Höhle intensiv archäologisch geforscht. Und sie und hat schon vor mehr als zehn Jahren Berühmtheit erlangt, weil in dieser die älteste erhaltene Weinkelterei der Welt gefunden worden ist. Diese wird auf die Zeit um 4.000 v. Ztr. datiert. Und noch heute wird im Dorf Areni Wein angebaut und entlang der Durchgangsstraße in den Aserbeidschan an vielen Ständen verkauft. Eine außerordentlich lange Tradition also, die Weinkenner aus der ganzen Welt anlockt (wenn nicht - wie eben durch die Tagespresse geht - "einmal wieder" Krieg herrscht zwischen Armenien und Aserbeidschan).

Wir hatten ja schon Anfang dieses Jahres die ältesten Hinweise weltweit auf Weinbau sowohl im südlichen Kaukasus als auch im Zagros-Gebirge behandelt (Stgen2022).

Aufgrund des oft hervorragenden Erhaltungszustandes auch von organischen Funden aus dieser Höhle wird sie inzwischen zu den bedeutendsten archäologischen Fundorten Armeniens gezählt und zum Teil tatkräftig touristisch vermarktet. Entsprechend häufige Videos finden sich auch schon über sie, allerdings bislang nur auf Englisch und Armenisch.

Wer aber waren nun um 4.000 v. Ztr. die Winzer und Kellermeister vor Ort, die sich selbst und andere des angebauten und verarbeiteten Weines erfreuten?

In drei Keramikgefäßen fanden sich während der Ausgrabungen drei Schädel von Jugendlichen, bzw. Kindern, sogar nicht weit entfernt von der erhaltenen Weinkelterei. Aufgrund des sehr günstigen Mikroklimas in der Höhle hat sich in ihnen auch DNA erhalten. Und diese drei Jugendlichen, bzw. Kinder aus dem letzten Drittel des 5. Jahrtausends v. Ztr. trugen zu 24 % urindogermanische Genetik in sich (1-3).

In der Fülle der Daten, die neben diesem Forschungsergebnis zugleich noch präsentiert worden waren in den genannten Studien vom 25. August 2022, war dieses Forschungsergebnis zunächst auch für uns völlig unter gegangen. Aber in einer Pressemitteilung der Universität Wien ist auf diese Erkenntnis mit Recht noch einmal gesondert hingewiesen worden. Der an der Studie mit beteiligte Archäologe Ron Pinhasi von der Universität Wien sagt (Uni Wien 24.8.22):

"Für mich war es völlig unerwartet, daß wir heraus gefunden haben, daß die kupferzeitlichen Individuen aus der Areni 1-Höhle, die wir vor 15 Jahren in einer Grabung, die ich selbst mitgeleitet hatte, entdeckt hatten, Herkunft von einem Genfluß aufzeigen vom Norden in die südlichen Teile des Kaukasus tausend Jahre vor der Jamnaja-Ausbreitung, und daß dieser nördliche Einfluß in der Region wieder verschwand, bevor er nach einer Reihe von Jahrtausenden wieder aufgetreten ist. Das zeigt, daß es noch eine ganze Menge in neuen Ausgrabungen und in der Feldarbeit in den östlichen Teilen Westasiens zu entdecken gibt," sagt Ron Pinhasi.
“I did not expect to find out that the Areni 1 Chalcolithic individuals, who were recovered 15 years ago in the excavation I co-led, would derive ancestry from gene flow from the north to parts of the southern Caucasus more than 1,000 years prior to the expansion of the Yamnaya, and that this northern influence would disappear in the region before reappearing a couple of millennia later. This shows that there is a lot more to be discovered through new excavations and fieldwork in the eastern parts of Western Asia” says Ron Pinhasi.
Hiermit haben wir zugleich auch den bislang noch seltenen Fall der Äußerung eines Archäologen, der sich durch die Ergebnisse der Archäogenetik angeregt zeigt zu weiteren, neue Forschungen.


Daß sich die Urindogermanen der Chwalynsk-Kultur ab etwa 4.500 v. Ztr. in geradezu exzentrisch schneller Weise innerhalb von nur wenigen hundert Jahren nach ihrer Ethnogenese an der Mittleren Wolga sehr weit entfernt von ihrem Ursprungsraum ausgebreitet haben, nämlich von der Mittleren Wolga bis hinunter zum Kaspischen Meer und bis an den Fuß des Kaukasus, sowie entlang der Nordküste des Schwarzen Meeres bis zur Donaumündung und die Donau aufwärts bis nach Ungarn, davon zeigten wir uns hier auf dem Blog in verschiedenen Beiträgen schon wiederholt äußerst beeindruckt (zuerst hier: Stgen2019). Die diesbezüglichen Beiträge sind hier auf dem Blog inzwischen unter dem Schlagwort "Chwalynsk-Kultur" verschlagwortet (Chwsk). Man kann die Umstände dieser - wie die Forscher neuerdings wohl richtigerweise sagen - ersten "sporadischen" Ausbreitung von Steppen-Genetik in weit entfernte Gegenden, sehr oft gemeinsam mit entsprechenden Herrschafts- und Krieger-Attributen gar nicht genug auf sich wirken lassen.

Wir hatten auch ausgeführt, daß diese Forschungsergebnisse hervorragend zu den vorhergehenden Forschungen des moldawischen Archäologen Vladimir Dergachev paßten, der anhand der archäologisch feststellbaren Verbreitung von steinernen sogenannten Tierkopf-Zeptern ein ähnliches Geschehen - schon nur allein abgelesen von den archäologischen Daten - vermutet hatte (s. Abb. 2) (Stgen2021).

Abb. 2: Denkbare Abfolge der Ausbreitung der Tierkopf-Zepter von Chwalynsk aus - Kreis="schematisches" Zepter, Quadrat="realistisches" Zepter (5, S. 147)

Es fanden sich bei ihm zwar Hinweise auf Tierkopf-Zepter in Nordgriechenland (s. Nummer 8 in Abb. 2), nicht aber auf solche südlich des Hauptkammes des Kaukasus. Womöglich ist dort nur noch nicht genau genug hingesehen worden von Archäologen? Denn nun findet sich ja indogermanische Steppengenetik um 4.200 v. Ztr. sogar mehrere hundert Kilometer südlich des Hauptkammes des Kaukasus. Es wird also erahnbar, daß die Karte von Dergachev auch sonst und auch in anderen Regionen noch einen durchaus unvollständigen Eindruck geben könnte!

Machen wir uns aber, um diese Erkenntnis etwas genauer einzuordnen, ein wenig mehr mit der Geographie bekannt. Mit dieser neuen Erkenntnis ist verbunden die Einsicht, daß die Urindogermanen schon im 5. Jahrtausend v. Ztr. den Kaukasus über einen uralten Gebirgspaß überschritten hatten. Dieser wird seit 1799 die "Georgische Heerstraße" (Wiki) genannt.

Diese Georgische Heerstraße verbindet - seit 1799 in ausgebauterem Zustand - Wladikawkas (Wiki), die von den Russen gegründete Hauptstadt von Nordossetien am nördlichen Fuße des Kaukasus ("Wladikawkas" heißt wörtlich "Beherrsche den Kaukasus"), mit der Stadt Tiflis, der Hauptstadt Georgiens im Innern und Süden des Kaukausus. Schon der griechische Geograph Strabon hat diese Straße im 1. Jahrhundert n. Ztr. beschrieben. 

Im Oktober 1942 hatten die Deutschen diese wichtige Nachschub-Verbindung der Sowjetunion militärisch abschneiden wollen. Der Angriff zweier deutscher Panzerdivisionen auf Wladikawkas konnte aber von den Sowjets vor den Toren der Stadt zum Stehen gebracht werden. Er hatte vollends abgebrochen werden müssen, nachdem der sowjetische Zangenangriff bei Stalingrad die gesamte deutsche Südfront ins Wanken gebrachte hatte. Die Tschetschenen und andere Kaukasus-Völker, die auf die Befreiung vom sowjetischen Joch durch die Deutschen gehofft hatten, mußten ihre Hoffnung einmal erneut aufgeben. Es waren insbesondere diese Hoffnungen des freiheitsdurstigen Volkes der Tschetschenen, die die Sowjetführung schon im Voraus dazu veranlaßt hatte, sie in brutalster Weise nach Kasachstan umzusiedeln. Millionen Tschetschenen kamen damals ums Leben. Ein Schicksal, das nur übertroffen wird durch den Völkermord, den die russischen Regierungen der letzten Jahrzehnte vor den Augen der Weltöffentlichkeit - und völlig unbehelligt von dieser - durchgeführt haben.

Völlig unbehelligt von wirtschaftlichen Sanktionen und völlig unbehelligt von Panzer- und Waffenlieferungen an die Tschetschenen und völlig unbehelligt von einem winterlichen "Frieren für die Freiheit Tschetscheniens" (so wie all dies gegenwärtig für die Freiheit der Ukraine geschieht) (was dementsprechend im Vergleich zu dem westlichen Verhalten gegenüber dem Schicksal Tschetscheniens außerordentlich merkwürdig "gewollt" aussieht).

Abb. 3: Blick vom Eingang der Areni-Höhle in Südarmenien hinaus in die Landschaft (AbsArm)

Zurück ins 5. Jahrtausend v. Ztr.. Die armenische Stadt Jeghegnadsor, in deren Nähe die Areni-Höhle liegt, liegt auf 1.100 m Höhe - wie gesagt - 550 km südlich von Wladikawkas. Sie liegt außerdem 660 km südlich jener Stadt Naltschik, in deren Nähe die Urindogermanen der Chwalynsk-Kultur - das ist ja schon länger bekannt - einen der frühesten ihrer riesigen Kurgane, bzw. Grabhügel errichtet hatten. Außerdem liegt Jeghegnadsor 60 km südlich des auf 1.900 Meter Höhe gelegenen Sewansees (Wiki). Das Südufer des Seewansees ist seit vorgeschichtlichen Zeiten sehr fruchtbar und darum begehrt gewesen von umliegenden Mächten. Mit der genannten neuen Studie wissen wir, daß es auch schon von den Urindogermanen der Chwalynsk-Kultur begehrt gewesen ist. 

Der Name des Sees stammt - vermutlich - von den Urartäern. Diese eroberten ihn lange Jahrtausende später, nämlich im 8. Jahrhundert v. Ztr. kurzzeitig. In der Bronzezeit hatten sich ein zweites mal Indogermanen über den Kaukasus nach Armenien ausgebreitet, deren Sprache und Genetik sich dort noch bis zum 8. Jahrhundert und sogar bis heute gehalten haben und deren Genetik auch in der Nordhälfte des Urartäischen Reiches festgestellt worden ist in der neuen Studie (1-3) (siehe auch vorletzter Beitrag). Da versteht man dann vielleicht schon besser, warum die Urartäer die Berge nördlich dieses Sees als so "schrecklich" empfanden, wie auf dem Wikipedia-Artikel zu diesem See nachzulesen ist (Wiki):

Das urartäische Wort Ṣue (abṣue) bedeutet Meer. Argišti I. erreichte in seinem 5. Regierungsjahr (782 v. Ztr.) den Sewansee. Die Inschrift von Lchašen berichtet, daß er das Land Qihu eroberte und die Stadt Ištiquni erreichte. Sarduri II. führte von seinem ersten Regierungsjahr an mehrere Feldzüge zum Sewan-See und eroberte das südöstliche Seeufer, Likiu, Uelikuḫi, Tulihu und Uduri-Etiuni und Länder südlich des Wardenis-Gebirges, Ediani, Irduani und Puinialḫi. Nach dem Tod von Sarduri gingen die Eroberungen am Sewansee vermutlich wieder verloren. Rusa I. rühmt sich des Sieges über 23 Länder und 19 Könige „von der anderen Seite des Sees, in den schrecklichen Bergen“ (Felsinschrift von Zovinar).

Um so mehr man sich mit der Geschichte der Länder südlich des Kaukasus beschäftigt, um so faszinierender wird sie und um so mehr möchte man über sie wissen. Womöglich werden wir auf all das hier auf dem Blog noch einmal detaillierter zurück kommen. Der südliche Kaukasus ist ja auch der - vermutliche - Ort der Ethnogenese vieler nachmals bedeutender Völker in der Geschichte Anatoliens. Jedoch zunächst zurück zur Areni-1-Höhle. Zu ihr lesen wir (Wiki):

Drei Individuen, die während der Kupferzeit lebten (etwa 4.250 bis 3.700 Ztr.), wurden in Areni-1 gefunden. (...) Das Genom eines der Individuen legt nahe, daß es rote Haare und blaue Augen aufgewiesen hat.
Three individuals who lived in the Chalcolithic era (c. 5700–6250 years BP), found in the Areni-1 ("Bird's Eye") cave were identified as belonging to haplogroup L1a. One individual's genome indicated that he had red hair and blue eyes.

Da hat ein Wikipedianer die neuen Studien offenbar noch gründlicher gelesen als wir das tun wollen. Im Anhang der neuen Studie finden wir immerhin die Angaben (1, Suppl., S. 270f):

Die osteuropäische Jäger-Sammler-Herkunft in Armenien findet sich am frühesten mit etwa 12 % in der Zeit um 4.300 bis 4.000 v. Ztr. und besteht bis in spätere Epochen fort. Der EHG-Anteil in Areni-1 ist vergleichbar mit dem 15 %-Anteil verstreut über weite Teile Südosteuropas wie wir das schon an vorhergehender Stelle erörtert hatten.
EHG ancestry (...) appears first at the Areni1 samples (10) at ~12% in the 4300-4000 BCE time frame, and persists in later periods. The amount of EHG ancestry at Areni1 is comparable to the ~15% across a vast swath of Southeastern Europe previously discussed. Note, however, while in the latter case the EHG ancestry is sporadic prior to 3000 BCE, in Armenia it is present at least 1,000 years earlier.

Nach der von uns schon oft gebrachten Karte von Dergachev (Abb. 2) haben sich ja auch besonders viele indogermanische Tierkopf-Zepter am Nordende der Georgischen Heerstraße gefunden, ebenso auf der Ostseite des Kaspischen Meeres (siehe Abb. 2). Kein Wunder also, daß sich die Indogermanen, wenn sie so weit gekommen waren, auch noch weiter nach Süden ausgebreitet haben. Womöglich haben die Archäologen in Armenien also nur noch nicht genau genug nach Tierkopf-Zeptern in ihren Archiven Auschau gehalten ... 

Zu all dem paßt, was auf Wikipedia zitiert ist (Wiki):

Die Späte Kupferzeit (4.300 bis 3.500 v. Ztr.) wird repräsentiert durch die "Areni"- und "Godedzor"-Traditionen, die sich an solchen Fundorten wie der Areni-1-Höhle und den Siedlungen von Teghut und Nerkin Godedzor gefunden haben. Die Gesellschaft ist charakterisiert durch eine Vielzahl an kulturellen Untereinheiten, durch eine wachsende Komplexität, durch Beziehungen sowohl in die Welt von Syrien und Mesopotamien (Späte Ubaid, Uruk) einerseits wie auch in die Welt des nördlichen Kaukasus (Frühes Maikop) andererseits wie auch durch Kupfer-Metallurgie. ...
The Late Chalcolithic (ca. 4,300–3,500 Cal BC) is represented by the “Areni” and “Godedzor” traditions, with such sites as Areni-1 cave and the settlements of Teghut and Nerkin Godedzor. Society is characterized by a diversity of cultural complexes, growing complexity, relations to the Syro-Mesopotamian (Late Ubaid, Uruk) and North Caucasian (Early Maikop) worlds, as well as extractive copper metallurgy. ... The Late Chalcolithic traditions in Armenia (Areni-1, Teghut, Nerkin Godedzor), Azerbaijan (Ovçular Tepesi, Mentesh Tepe, Leylatepe) and Georgia (Berikldeebi) share common characteristics and regional contacts to Maikop and Ubaid-Uruk. These societies are on the way towards growing complexity, a process reflected in the appearance of developed copper based metallurgy (molds, slags, ingots, kilns, pure and arsenic copper), new metal weapons/tools (knife/daggers, spearheads, flat axes), ceramics (potter’s wheel, pottery signs), exotic and prestigious objects of gold, silver, and lapis-lazuli, stamp seals and status symbols (scepters), kurgans and jar burials, and rudiments of monumental architecture (cf. the “temple” of Berikldeebi). This is all accompanied by the blossoming of long distance trade, essential transfer of knowledge, and the development of centralized hierarchies. 

Und damit ist erstmals auch aufgezeigt, daß bei der Ausformung der Maikop-Kultur auch südlich des Kaukasus indogermanische Steppen-Genetik eine Rolle gespielt haben wird. In welchem Umfang insgesamt wird noch weiter heraus zu arbeiten sein. Den vorgefundenen Brauch, Schädel von Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihren übrigen Körpern in Keramikbehältern zu bestatten, nennen die Forscher für diese frühe Zeit "ungewöhnlich" (7):

Für diese Zeitepoche ungewöhnlich sind Keramikbehälter, die die Schädel von Kindern enthalten.
Unusual for this time period are ceramic vessels containing the skulls of children.

Und genauer (7):

Drei ganze Gefäße, verschlossen durch zu Bällen geformten Lehm wurden gefunden (...). Jeder enthielt einen jugendlichen menschlichen Schädel. (...) Einer stammte von einem 15-jährigen Mädchen. Die anderen beiden Schädel stammten von etwa 8- und 11-jährigen Kindern. 
Three whole pots partially sealed by ball-shaped plastered clay tops were found in Units 1003 and 1004. Two of the pots contained single sub-adult human crania and the other a sub-adult cranium together with the charred left femoral shaft fragment of an adult (FIG. 5). Sex and age assessment based on cranial morphology, suture closure, and dental calcification and eruption charts, respectively (cf. Buikstra and Ubelaker 1994) indicate that one of the skulls (Burial 3) is a female of approximately 15 years of age. The other two crania are sub-adult aged 8 (¡2) (Burial 1) and 11 (¡2.5) (Burial 2) years; these could not be reliably sexed. The cranial cavity of Burial 1 was found to contain the desiccated remains of brain tissue, currently the subject of detailed study. 

Soweit wir uns erinnern, hat es in der Chwalynsk-Kultur in Rußland und der Ukraine und in nachfolgenden indogermanischen Kulturen häufiger sehr altertümlich anmutende Bräuche rund um die Gräber von Verstorbenen gegeben (Nachbestattungen etc.). Das wäre an dieser Stelle noch einmal nachzutragen. 

Soweit zunächst zu dieser neuen Erkenntnis rund um die Herkunft der Weinbauern von Areni im ausgehenden 5. Jahrtausend v. Ztr.. Welche weiteren Schlußfolgerungen damit verbunden sind, daß die Kaukasus-übergreifende Maikop-Kultur (4.000 bis 3.000 v. Ztr.) damit in ihrer Gesamtheit als von Indogermanen mit gestalteter Kultur besser verstehbar ist, das wird künftig in weiteren Beiträgen sicher noch detaillierter erhellt werden. Es dürfte aber interessant sein, hier Parallelen zur zeitgleichen Cucuteni-Tripolje-Kultur in der Ukraine zu sehen, für die es ja auch schon vergleichsweise frühzeitige Hinweise auf Einmischung von Indogermanen gibt (nicht zuletzt sichtbar an der Verbreitung der Tierkopf-Zepter), sowie zur zeitgleichen Einmischung in die Kultur von Varna in Bulgarien etc..

Die Steppengenetik - Sie fehlt in der Kura-Araxes-Kultur der Frühbronzezeit

Was wir an genetischen Entwicklungen über die Bronzezeit in Armenien schon ausgeführt hatten (Stgen2022), sei hier noch ein wenig ergänzt durch Zitate aus dem Supplement der genannten Studie. Da heißt es zunächst (1, Suppl., S. 270f):

Die (für Indogermanen typische) Abstammung von osteuropäischen Jägern und Sammlern fehlt sowohl bei neolithischen Individuen als auch bei allen Gruppen der frühen Bronzezeit. Somit gelangten Steppenvorfahren bereits in der Zeit vor der Jamnaja in den Südkaukasus, da die Areni1-Proben auf das letzte Viertel des 5. Jahrtausends v. Ztr. datiert wurden und die Frühbronzezeit hier weder mit einer Zunahme noch mit einer Verbreitung dieser Steppenkomponente in Verbindung steht wie in Festlandeuropa im Westen. Die Bevölkerung der Frühbronzezeit südlich des Kaukasus scheint nichts von dieser Komponente aufzuweisen. 
The EHG ancestry is absent in both Neolithic individuals and in all of the Early Bronze Age groups. Thus, steppe ancestry arrived in the South Caucasus in pre-Yamnaya times, as the Areni1 samples have been dated to the last quarter of the 5 th millennium BCE, and the Early Bronze Age is not associated here with either an increase or pervasiveness of this component in the region as it is in mainland Europe on the west. If anything, the EBA population seems to have none of this component.

Das scheint uns ein bemerkenswerter Umstand zu sein. 

Ab 2.300 v. Ztr. - Erneut kommen Indogermanen nach Armenien

Über die nachfolgende Epoche der mittleren Bronzezeit hören wir dann (1, Suppl., S. 270f):

Veröffentlichte Individuen aus Nerkin Getashen (4) und Katnaghbiur (10) sowie ein neues Individuum aus Tavshut, das zur Trialeti-Vandazor-Kultur gehört, haben alle deutlich mehr Abstammung von osteuropäischen Jägern und Sammlern (EHG) als die frühbronzezeitlichen Individuen der Kura-Araxes-Kultur. Auf das Verschwinden der EHG-Abstammung während der frühen Bronzezeit nach ihrem ersten Auftreten im Chalkolithikum folgt ihr mittelbronzezeitliches Wiederauftauchen irgendwann im 3. Jahrtausend v. Ztr. Wie früh kam es zu diesem Wiederauftauchen? Zukünftige (archäogenenetische) Studien zu dem frühen und mittleren 3. Jahrtausend v. Ztr., einer Zeit, in der bereits Steppen-Einwanderungen im übrigen Eurasien stattfanden, könnten dabei helfen festzustellen, ob Armenien bereits in dieser Zeit Verbindungen zur Steppe hatte (wie aus den hier analysierten Kura-Araxes-Individuen der frühen Bronzezeit hervorgeht) oder ob es in Armenien bereits Steppen-Einwanderer gab, wie eine interessante Entdeckung eines kürzlich ausgegrabenen großen Hügels im Syunik-Hochland bei Gorayak nahelegt. 
Published individuals from Nerkin Getashen (4) and Katnaghbiur (10) and a new individual from Tavshut belonging to the Trialeti-Vandazor culture all have significantly more EHG ancestry than the EBA individuals of the Kura-Araxes culture. The disappearance of the EHG ancestry during the EBA after its first appearance in the Chalcolithic is followed by its MBA re-appearance sometime in the 3 rd millennium BCE. How early did this re-appearance occur? Future studies from the early and middle of the 3 rd millennium BCE, a period during which steppe migrations were already underway in the rest of Eurasia may help determine whether Armenia had connections to the steppe as early as this period (as suggested by the Early Bronze Age Kura-Araxes individuals analyzed here), or if there were already steppe migrants in Armenia, as suggested by an intriguing discovery of a recently excavated large mound in the Syunik highlands at Gorayak.

Zu all dem ist natürlich noch viel zu sagen und das werden wir ggfs. auch noch an dieser Stelle nachtragen. 

Die Eisenzeit in Armenien

Über das Königreich von Urartu (Wiki, engl) am Van-See im Süden von Armenien, das - vermutlich - schon um 1200 v. Ztr. in Schriftquellen erwähnt wird, das seine Blütezeit aber vor allem in der Zeit zwischen 950 bis 580 v. Ztr. erlebte, schreiben die Forscher (3):

Die Menschen im Zentrum dieses Königreiches in Region des Van-See's in der Türkei (Çavuştepe) und in seiner Erweiterung nach Norden in Armenien waren durch ihre materielle Kultur sehr stark miteinander verbunden und waren auch nur etwa 200 Kilometer voneinander entfernt bestattet. Dennoch formten sie unterschiedliche genetische "Cluster" mit wenig Überlappungen während der frühen Phase dieses Königreiches (neuntes bis achtes Jahrhundert v. Ztr.). Das Van-Cluster steht in Kontinuität mit der Genetik der vor-Urartäischen Bevölkerung (um 1300 v. Ztr.) im benachbarten Muradiye, das ebenso in der Van-Region liegt, und das durch einen höheren Anteil levantinischer Genetik gekennzeichnet ist und durch die Abwesenheit von Steppengenetik. Es kontrastiert mit dem Cluster der Menschen aus der urartäischen Zeit in Armenien, die weniger levantinische und ein wenig Steppen-Genetik aufweisen, ähnlich wie die prä-urartäischen Menschen der Frühen Eisenzeit.
The people at the center of this kingdom in the Lake Van region of Turkey (Çavuştepe) and its northern extension in Armenia were strongly connected by material culture and were buried only ~200 km apart, yet they formed distinct genetic clusters with little overlap during the kingdom’s early (ninth to eighth centuries BCE) period (Fig. 2). The Van cluster is in continuity with the pre-Urartian population (~1300 BCE) at neighboring Muradiye also in the Van region and is characterized by more Levantine ancestry and the absence of steppe ancestry. It contrasts with the cluster of Urartian period individuals from Armenia, who have less Levantine and some steppe ancestry, like the pre-Urartian individuals of the Early Iron Age. 

Die Forscher schreiben, diese Ergebnisse könnten in Übereinstimmung gebracht werden mit der Annahme der Sprachforscher, daß die urartäische Sprache verwandt sei mit der Sprache der vorausgehenden Hurriter (Wiki) (3. und 2. Jahrtausend v. Ztr.).

Diese war zugleich die Amtssprache des Mitanni-Reiches (Wiki) (3):

... mag korrespondieren mit der Hurro-urartäischen Sprachfamilie, die die nicht-indo-europäische Urartäische Sprache des Königreiches mit der früheren bronzezeitlichen hurrischen Sprache verbindet, deren mehr nach Süden orientierte Verbreitung Teile von Syrien und Nordmesopotamien mit einbeschloß. In die Peripherie dieses Bereiches der hurro-urartäischen Sprache kam eine Bevölkerung von Norden, die Steppen-Herkunft aufwies, und die das südliche Ende dieser Ausbreitung der Steppenherkunft markiert, die wir weiter oben diskutiert haben, und deren Nähe zu Urartäern eine Erklärung bieten kann für die Übernahme von Wörtern aus dem Urartäischen in das Armenische.
Population continuity of the Lake Van core population with greater Levantine ancestry may well correspond to the Hurro-Urartian language family that linked the non–Indo-European Urartian language of the kingdom with the earlier Bronze Age Hurrian language, whose more-southern distribution encompassed parts of Syria and Northern Mesopotamia. Into the periphery of this Hurro-Urartian linguistic sphere came a steppe-admixed population from the north, whose presence marks the southern edge of steppe expansion that we discussed above and whose proximity to the Urartian speakers would provide a mechanism for the incorporation of Urartian words into the Armenian lexicon.

Im etwa zeitgleichen eisenzeitlichen Hasanlu im Northwest-Iran (um 1000 v. Ztr.), findet sich ähnliche Herkunft wir im Nordteil des Königreiches von Urartu, nur mit etwas kleinerem Steppengenetik-Anteil als dort. Über ihre Y-Chromosomen kann man die Herkunft beider Steppen-Gruppen auf die Jamnaja zurück führen. Die Forscher meinen, daß diese Herkunft sich unterschied von der sonst im Iran damaliger Zeit lebenden iranisch-sprachigen Stämmen, deren Steppen-Genetik auf Zentral- und Südasien weist (also von der Fatnayowo- und Sintashta-Kultur abstammen wird). Sie nehmen an, daß die iranischen Sprachen auf die Hochebene des Iran erst im 1. Jahrtausend v. Ztr. eingeführt worden sind.

Nichts Neues zur Ethnogenese der Chwalynsk-Kultur 

Da wir also nun wissen, daß sich die Chwalynsk-Kultur bis zum Ende des 5. Jahrtausend v. Ztr. auch genetisch bis ins südliche Armenien ausgebreitet hat, stellt sich einmal erneut die Frage danach, wie dieses Urvolk der Indogermanen zustande gekommen ist. Wie wir schon im vorletzten Blogartikel andeuteten, weiß die neue Studie dazu aber nichts Neues zu sagen. Zur Herkunft der iranischen Kaukasus-Komponente des Urvolks der Indogermanen wird in ihr ausgeführt (pdf):

Der Ursprung der Kaukasus-Herkunftskomponente in der spätneolithischen Steppe (4.500 v. Ztr.) sollte in einer noch nicht beprobten Gruppe gesucht werden, die von der (Ost-)Ausbreitung der anatolischen und der levantinischen Herkunftskomponenten noch nicht betroffen gewesen war. Naheliegenderweise existierte diese Population im Nordkaukasus, von wo aus Kaukasus-Jäger-Sammler-Herkunftskomponenten - aber nicht anatolisch-levantinische Herkunftskomponenten - in die spätneolithische Steppe gelangt sein könnten.
The proximal source of the Caucasus-related ancestry in the Eneolithic steppe should be sought in an unsampled group that did not experience Anatolian/Levantine–related gene flow until the Eneolithic. Plausibly, this population existed in the North Caucasus, from which Caucasus hunter-gatherer-related, but not Anatolian/Levantine–related, ancestry could have entered the Eneolithic steppe.

Nachdem unter wissenschaftsnahen Mitdenkenden zu dieser Frage es so viele Erörerungen gegeben hat, woher die Kaukasus-Komponente des Urvolks der Indogermanen stammen könnte, muten uns diese Ausführungen ein wenig gar zu trocken und undifferenzert an. Warum diese Herkunftskomponente nicht - viel naheliegender - am Nordrand des Kaspischen Meeres existiert haben könnte, scheint nirgendwo in der Studie erörtert zu sein. Man darf es bedauerlich finden, daß das Kaspische Meer gar nicht in die Erwägungen scheint mit einbezogen worden zu sein.

Immerhin gibt es doch inzwischen viele Hinweise, daß die südliche Ausgangspopulation für die Ethnogenese des Urvolks der Indogermanen an der Mittleren Wolga vom Nordufer des Kaspischen Meeres gestammt haben könnte und eben nicht aus dem Kaukasus. Daß die Möglichkeit einer solchen Ausgangspopulation noch nicht einmal erwähnt wird, ist angesichts der vielfältigen Diskussionen zu dieser Frage ein wenig verwunderlich.

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  1. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S,  (...) Pinhasi R, Reich D (2022) The genetic history of the Southern Arc: A bridge between West Asia and Europe. Science 377, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
  2. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) Ancient DNA from Mesopotamia suggests distinct Pre-Pottery and Pottery Neolithic migrations into Anatolia. Science 377, 982-7, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge)
  3. Lazaridis I, Alpaslan-Roodenberg S, (...) Pinhasi R, Reich D (2022) A genetic probe into the ancient and medieval history of Southern Europe and West Asia. Science 377, 940-51, 25.8.2022 (pdf) (Anhänge
  4. The Southern Arc and its lively genetic History, Pressemitteilung Universität Wien, 25.8.2022, https://lifesciences.univie.ac.at/news-events/newsordner/einzelansicht/news/the-southern-arc-and-its-lively-genetic-history/
  5. Dergachev, V. A.: О скипетрах, о лошадях, о войне: этюды в защиту миграционной концепции М.Гимбутас (On sceptres, on horses, on war: Studies in defence of M. Gimbutas’ migration concepts), 2007 (Scribd)
  6. Franz Lindenmayr: Die Höhle von Areni, Armenien. Auf dem Blog "Mensch und Höhle", http://www.lochstein.de/hoehlen/asien/Armenien/areni/Areni.htm
  7. Wilkinson, K. N., Gasparian, B., Pinhasi, R., Avetisyan, P., Hovsepyan, R., Zardaryan, D., ... & Smith, A. (2012). Areni-1 Cave, Armenia: a Chalcolithic–Early Bronze Age settlement and ritual site in the southern Caucasus. Journal of Field Archaeology, 37(1), 20-33 (Resgate

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